Auf dem Weg zur Auferstehung - Achim Blackstein - E-Book

Auf dem Weg zur Auferstehung E-Book

Achim Blackstein

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Beschreibung

Dieses Buch enthält neue Ideen für die Gottesdienste in der Passions- und Osterzeit. Der Autor gibt Anregungen für eine zeitgemäße und menschennahe Verkündigung. Durch die Entwürfe möchte er mit den Gottesdienstbesuchern Anknüpfungspunkte finden, den eigenen Lebensweg mit dem von Jesus Christus in Berührung zu bringen und verbinden. Das Buch bietet den Verantwortlichen für Gottesdienste in den Gemeinden eine hilfreiche Anregung und einen Ideenschatz zur direkten und unkomplizierten Umsetzung. Enthalten sind 15 Passionsandachten, drei Predigten zu Karfreitag und sieben kreative Predigten zu Ostern.

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Für Doris,

Inhalt

ZusammenfassungVorwortTeil 1: Die PassionszeitAblauf einer Passionsandacht1. Ansprache: Die Blutstropfen (zu Mt 26,31–56)2. Ansprache: Das Schweißtuch (zu Mt 26,57–75)3. Ansprache: Der Nagel im Knöchel (zu Mt 27,1–30)4. Ansprache: Das Schild am Kreuz (zu Mt 27,31–46)5. Ansprache: Die Lanze des Longinus (zu Mt 27,47–56)6. Ansprache: Das Grabtuch (zu Mt 27,57–66)7. Ansprache: Heimat (zu Mk 14,12–25)8. Ansprache: Stille (zu Mk 14,26–42)9. Ansprache: Freiheit (zu Mk 14,43–72)10. Ansprache: Mut (zu Mk 15,1–19)11. Ansprache: 1. Kreuzwegstation (zu Lk 23,1–5 und 13–25)12. Ansprache: 2. Kreuzwegstation (zu Joh 19,16b–17)13. Ansprache: 3. Kreuzwegstation (zu Lk 23,26–32)14. Ansprache: 4. Kreuzwegstation (zu Mt 27,33–36)15. Ansprache: 5. Kreuzwegstation (zu Lk 23,33–43)Teil 2: KarfreitagAblauf eines Gottesdienstes am Karfreitag1. Predigt: Wer sein Leben gibt2. Predigt: Der abgerissene Gott (zu Mt 27,33–50)3. Predigt: Vom Kreuzzeichen (zu 4. Mose 21,4–9)4. Predigt: Sie wurden alle sattTeil 3: OsternAblauf des Festgottesdienstes zu Ostern1. Predigt: Aus Problemen werden Chancen (zu 1. Sam 2,1–2 und 6–8a)2. Predigt: Manchmal kommt es anders (zu Joh 20,11–18)3. Predigt: Aufstehen und nicht liegenbleiben4. Predigt: Warum fallen wir?5. Predigt: Arschkarte – Ein Fußballgottesdienst zu Ostern6. Predigt: Wetten dass…? Mit Gott über Mauern springen7. Predigt: Komm, verändere die Welt! Eine Predigt in Reimen (zu 1. Mose 12 und EG 506 mit EG 394 und 352)Quellenhinweis

Zusammenfassung

Dieses Buch bietet in fünfzehn Passionsandachten, drei Predigten und einem Impuls zu Karfreitag und sieben kreativen Predigten zu Ostern Anregungen für die zeitgemäße und menschenfreundliche Verkündigung zur Passions- und Osterzeit.

Von traditionell bis modern und etwas gewagt, möchte ich mit den Besuchern der Gottesdienste Wege zur Auferstehung suchen und Anknüpfungspunkte finden, die unsere Lebenswege mit dem des Jesus Christus in Berührung bringen und verbinden.

Wenn dabei ein wenig von Jesus auf uns abfärbt, wir mit der Hoffnung die er verkündete erfüllt werden, und Kraft aus seiner Auferstehung ziehen, dann kann auch unser eigener Lebenslauf trotz mancher persönlicher Passionszeit gestärkt und ermutigt weiter beschritten werden.

Dieses Buch soll den Verantwortlichen der Gottesdienste in den Gemeinden hilfreiche Anregung und Ideen zur direkten und unkomplizierten Umsetzung bieten.

Vorwort

Wie können wir uns auf Ostern vorbereiten? Wie können wir den Weg von Jesus Christus mitgehen, wenigstens im Ansatz uns sein Leiden bewusstmachen, es eventuell sogar nachspüren und verstehen? Und was bedeutet Auferstehung eigentlich für mich? Was hat mir dieses Ereignis zu sagen, in meinem Leben, in meinem Alltag, in meinen Sorgen, auf meinem Lebensweg? Wie kann ich es begreifen, was damals passiert ist und zwar so, dass es mich nicht überfordert, das es mich noch mitdenken lässt, dass ich nachfragen und nachleben kann?

Als Pastor spüre ich diese große Ratlosigkeit in unserer Gesellschaft, was Passion und Ostern angeht. Für sehr viele Menschen ist dieser Leidensweg, ja, dieses gesamte Kreuzigungsgeschehen sehr weit weg. Es gibt ihnen keine Antworten mehr und sie ziehen keine Kraft mehr daraus. Die alten kirchlichen Zeiten im Jahreskreis sagen ihnen nicht mehr viel. Stattdessen bleiben viele Fragen offen, und achselzuckend wendet man sich ab.

Gleichzeitig bemerke ich jedoch ein großes Verlangen und Neugier, mehr zu erfahren. Viele sind heute offen für „transparente“ Gottesdienste. Für kirchliche Feiern, die ihnen nichts überstülpen, sondern zum Nachdenken anregen, die offen und ehrlich ihre Fragen aufgreifen und überzeugende Antworten wagen.

Mit den folgenden Passionsandachten und Ostergottesdiensten möchte ich an die Lebenswirklichkeit von uns modernen Menschen anknüpfen und Verbindungen suchen. Es sind die Schnittmengen, die Spuren hinterlassen. Da, wo Mensch und Gott sich begegnen, kann Neues wachsen. Neuer Mut, neue Hoffnung, neues Vertrauen. Vergebung, Versöhnung, Frieden und Respekt im besseren Verständnis füreinander.

Aber vor allem führen die Andachten und Gottesdienste zu einem besseren Verstehen der Geschichte von Jesus Christus. Anspruchsvoll, aber nicht überfordernd nehmen sie uns moderne Menschen mit auf die spannende Reise in die Vergangenheit und ziehen hoffnungsvolle Schlüsse für die Zukunft. Darum kann sich hier jeder willkommen fühlen, egal ob er oder sie zur Kerngemeinde zählt oder als eher kirchenferner Besucher dabei ist. Gemeinsam feiern wir die Andachten und Gottesdienste und gehen den Weg von der Passion zur Auferstehung.

Pastor Achim Blackstein

Wietzendorf im Sommer 2014

Homepage: www.boje17.de

E-Mail: [email protected]

Teil 1: Die Passionszeit

Ablauf einer Passionsandacht

MusikBegrüßungLiedGebet/MeditationLiedLesungLiedAuslegungLiedGebet, Vaterunser, SegenMusik

Es soll während dieser 6 Passionsandachten um Reliquien gehen. Reliquien, auf Deutsch „Überbleibsel“, sind kleine Fundstücke, die eine Geschichte erzählen können. Eine Geschichte aus alten Zeiten und von großen Ereignissen. Geschichten von Gott und Jesus und heiligen Menschen. Die Überbleibsel sind die Reste dieser Geschichten, das, was überbleibt, wenn die Weltgeschichte darüber hinweggegangen ist und sich die Aufmerksamkeit anderen Dingen zugewendet hat. Manche sammeln diese Überbleibsel, bewahren sie auf und verehren sie sogar. Im Mittelalter war das besonders wichtig. Wer eine Reliquie hatte, der hatte ein Stück von diesen wichtigen Männern und Frauen, ein Stück ihrer Geschichte mit Gott, ja ein Stück von Gott selbst. In jedem katholischen Altar steckt so eine Reliquie, ein Knochen, ein Zahn, ein Stück Holz, ein ganzes Skelett. Für uns evangelische Christen sind Reliquien fast unbekannt. Wir finden sie vielleicht historisch interessant, für unseren Glauben haben sie aber keine Bedeutung. Und manche dieser „Überbleibsel“ finden wir vielleicht sogar abstoßend und ekelig.

Dabei können auch uns diese Reliquien helfen, manches besser zu verstehen, was auch für uns Glaubensgeschichte ist. Darum lade ich Sie ein, sich mit mir in diesen Andachten den „Überbleibseln Gottes“ zu nähern. Um Gott auf die Spur zu kommen. Und los geht es heute Abend mit Blut.

Es gibt Reliquien, die enthalten Blut. Sogenannte Blutreliquien. Blutgetränkte Lappen, Verbände oder Pflaster. Blutige Erde. Getrocknetes Blut in kleinen Flaschen, das zu bestimmten Zeiten wieder flüssig wird. Madonnen, kleine Statuen, die plötzlich Blut weinen. Wunderblut.

1. Ansprache: Die Blutstropfen (zu Mt 26,31–56)

Amaseno ist ein kleiner Bergort in der Mitte zwischen Rom und Neapel. Der Ort ist alt und malerisch. Trotzdem verirren sich kaum Touristen hierher. Neben den zahlreichen Olivenbäumen und den baulichen Sehenswürdigkeiten ist im August die Kirche Santa Maria Assunta die Hauptattraktion des Ortes. Aus einem Schrank holt der Pfarrer die Reliquie heraus und leuchtet mit einer starken Taschenlampe den Glaskolben an, im dem man eine dunkelrote Substanz erkennen kann. Es ist das Blut des Heiligen Laurentius, so erklärt der Pfarrer. Und Laurentius ist der Märtyrer der katholischen Kirche, der am 10. August 258 in Rom hingerichtet wurde. Auf einem Eisenrost hatte man ihn damals über dem Feuer zu Tode gegrillt. Und dieser Rost ist seitdem sein Erkennungszeichen.

Die Legende erzählt, dass ein Soldat nach der Hinrichtung das Blut von Laurentius mit einem Lappen aufgefangen haben soll. Anschließend brachte er dieses Tuch in seinen Heimatort, nach Amaseno.

Jedes Jahr am Todestag erinnert man sich dort nun an Laurentius und zeigt sein Blut der Öffentlichkeit. Und jedes Jahr passiert aufs Neue das Unglaubliche: Das getrocknete Blut wird wieder flüssig und man kann auch das Körperfett sehen, dass sich vom Blut getrennt hat. Ein paar Ascheflocken schwimmen ebenso in der roten Flüssigkeit.

Ist das wirklich echtes Blut? So, wie wir alle es in den Adern haben?

„Blut (lat. sanguis, altgriech. αἷμα, haima) ist eine Körperflüssigkeit, die mit Unterstützung des Herz-Kreislauf-Systems die Funktionalität der verschiedenen Körpergewebe über vielfältige Transport- und Verknüpfungsfunktionen sicherstellt“, so heißt es im Lexikon.

Blut ist ein besonderer Saft. Jeder Mensch und jedes Tier haben Blut und auch Bäume können „bluten“, so sagt man, wenn das Harz aus ihnen herausrinnt.

Rund fünf bis sechs Liter Blut haben Menschen in ihren Adern fließen. Männer haben durchschnittlich einen Liter mehr Blut als Frauen, was vor allem auf Größen- und Gewichtsunterschiede zurückzuführen ist.

Das Blut transportiert den Sauerstoff und die Nährstoffe zu den Zellen. Es bringt die Abfallstoffe des Stoffwechsels weg. Hormone und andere Wirkstoffe werden durch den Körper befördert. Blut dient der Regulation und Aufrechterhaltung des Wasser- und Elektrolythaushaltes, des pH-Werts sowie der Körpertemperatur.

Und als Teil des Immunsystems hat das Blut die Aufgabe, uns vor Fremdkörpern und eindringenden Viren oder Bakterien zu schützen.

Blut hilft.

2,3% der möglichen Blutspender zwischen 18 und 68 Jahren in Deutschland spenden Blut. Also so viele, wie auch zur Kirche gehen. In der Regel wird ein halber Liter gespendet. Das rettet Leben.

Blut ist ein richtig toller Saft! Kein Wunder, dass er zu Reliquien wurde …

Zwei weitere Beispiele:

Im Jahr 1589 berichtet Pfarrer Hoffius aus Walldürn in Baden-Württemberg von einer folgenreichen Begebenheit aus dem Jahre 1330: Bei einer Eucharistiefeier soll der Priester Heinrich Otto nach der Wandlung aus Unachtsamkeit den bereits konsekrierten Kelch umgestoßen haben. Der Abendmahlswein floss auf das Altartuch. Doch es entstand kein großer Fleck, wie eigentlich üblich, sondern der Wein, oder besser das vergossene Blut Christi, zeichnete auf der Altardecke das Bild des gekreuzigten Jesus und elf einzelne Häupter Christi mit Dornenkrone. Der erschrockene Priester versteckte daraufhin das Altartuch aus Angst hinter einem Stein des Altars. Kurz vor seinem Tod erzählte er dann aber doch davon und das Leinentuch wurde an der genannten Stelle gefunden. Das Wunderbild war noch immer zu sehen und man begann, das Tuch zu verehren.

Die Abtei Weingarten, ebenfalls in Baden-Württemberg, beherbergt seit 950 Jahren eine Heilig-Blut-Reliquie: einige Tropfen Blut in einem Erdklumpen, angeblich das Blut Jesu Christi. Diese Reliquie wird einmal im Jahr aus einem Tresor geholt und in der Weingartener Klosterkirche ausgestellt. Am sogenannten Blutfreitag trägt ein Priester des Klosters auf einem Pferd die Reliquie durch den Ort. Dieser Ordenspriester wird Blutreiter genannt. Er hält die Blutreliquie hoch in seiner Hand, dem Pilgervolk entgegen.

Echt oder Ente? Wahr oder falsch? Was sollen wir von diesen Erzählungen halten?

Diese Heiligblutreliquien werden auch heute noch verehrt. Auch wenn sich durch chemische Analysen im Labor nachweisen lässt, dass es sich meistens nur um Eisenchlorid, Eierkalk und Wasser handelt. Alles Dinge, die auch im Mittelalter leicht erhältlich waren. Mit ihnen kann man eine rote Substanz herstellen, die geleeartig ist und durch Schütteln flüssig wird und wie Blut aussieht.

Aber das Blut der Blutreliquien soll entweder auf wundersame Weise einfach aus dem Nichts entstanden oder Blut direkt vom Kreuz sein, das auf die Erde tropfte oder von Tüchern aufgefangen und aufgewischt wurde. Heiliges Blut. Blut von Jesus.

Hier im Text aus dem Matthäusevangelium steht nichts von Blut. Aber zur Passion gehört Blut dazu. Und das Lukasevangelium (22,44) hat ergänzt, dass Jesus Blut schwitzte im Garten Gethsemane. Gibt es das wirklich? Es soll schon vorgekommen sein, dass unter großem Stress Menschen „Blut geschwitzt“ haben. Wahrscheinlich platzen unter der Anspannung Blutgefäße in der Haut. 2009 gab es in Bayern und anderen Orten ein rätselhaftes Kälbersterben, nachdem sie Blut geschwitzt haben.

In der Bibel wird Blut mit dem Leben oder der Seele gleichgesetzt (3. Mose 17,11–14). Also mit dem ganzen Lebewesen. Darum durfte es auch nicht gegessen werden.

Das Blut war eine heilige, ja göttliche Flüssigkeit. Schließlich kam alles Leben direkt von Gott. Darum war es auch verboten, das Blut von geschlachteten Tieren zu trinken. Vielmehr sollte beim Schlachten das Blut wie Wasser auf die Erde fließen (5. Mose 12,16). Und noch heute beachten Juden bei der Zubereitung von Fleisch eine Reihe von Regeln: z. B. werden Fleisch und Milch getrennt voneinander aufbewahrt und zubereitet. So soll sichergestellt werden, dass niemand Blut zu sich nimmt. (vgl. 3. Mose 17,12)

Das Blut gehörte dem Herrn des Lebens und wurde bei jedem Brand- und Mahlopfer am Altar verteilt. So konnte es dann seine besondere Kraft zur Stärkung der Gemeinschaft, zur Reinigung von Schuld und zur Sühne entfalten. Als Mose den Bund am Sinai gründete, besprengte er mit einer Hälfte des Blutes den Altar, mit der anderen Hälfte das Volk. Und beim Auszug aus Ägypten wehrte an den Türpfosten gestrichenes Blut den Tod ab.

Im Neuen Testament ist alles genauso und doch ganz anders. Da gibt es keine Opfertiere mehr. Wenn das Neue Testament von Blut redet, dann meint es das Blut von Jesus Christus.

Durch sein Blut wird der Bund Gottes mit den Menschen erneuert. So wie wir es auch beim Abendmahl feiern und bekennen: Christi Blut für Dich gegeben.

Gott sagt: Ich gebe mein Blut für dich, damit du leben kannst.

„Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen.“ (Mt 11,28).

Wenn wir den Kelch nehmen und miteinander daraus trinken, wird der Bund Gottes mit uns gestärkt und erneuert. Und wir dürfen alles am Altar lassen, was uns belastet oder bedrückt.

Als Jesus im Garten Gethsemane kniete und betete, tropfte der Angstschweiß wie Blut auf die Erde. Als er am Kreuz hing, passierte es wieder. Tausendfach tropfte sein Blut in den Sand. Vielleicht konnte manches davon mit Tüchern aufgenommen, aufbewahrt und verteilt werden. Aber ob die Blutreliquien echt sind, kann wohl keiner sagen. Man muss wohl eher vermuten, dass sie es nicht sind. Aber das ist auch nicht wichtig. Sie sind dennoch ein „Hinzeiger“, ein Hinweis auf das Blut von Jesus am Kreuz, das in die Erde tropfte „und versöhnte die Welt“ mit Gott (2. Kor 5,19-LUT). Vielleicht erinnern wir uns das nächste Mal daran, wenn wir unser eigenes Blut sehen oder es spenden, damit andere leben.

Amen.

2. Ansprache: Das Schweißtuch (zu Mt 26,57–75)

Wer im Internet eine Bildersuche nach „Schleier von Manoppello“ durchführt, findet das genannte Bild sehr schnell.

Wir sehen einen Menschen und haben sofort ein Bild von ihm. Wir schauen in das Gesicht einer Person und meinen darin lesen zu können, wie in einem offenen Buch.

Manchmal scheint es, als lesen wir die gesamte Lebensgeschichte. Die Haare, die Frisur, die Augen, der Blick (Ist er müde? Oder fröhlich? Angespannt? Voller Sorgen? Lächelnd?).

Jede Falte wird gedeutet. Ob wettergegerbt oder von Büroluft ermattet. Ein Blick von uns und wir haben unser Bild abgespeichert. Unsere Hypothese gesetzt, unser Urteil gefällt.

Welches Bild haben Sie von Jesus?

Ich habe hier auf der Leinwand das Bild eines Mannes mitgebracht. Ein ganz besonderes Bild. Eine Reliquie von Jesus. Ist sie echt? Vielleicht. Sogar wahrscheinlich. Aber was heißt das?

Der Schleier von Manoppello, auch als Volto Santo von Manoppello bekannt, ist eine Ikone auf einem hauchdünnen Tuch, die in dem kleinen italienischen Städtchen Manoppello in den Abruzzen als Reliquie verehrt wird. In den letzten Jahren wurde das Tuch aufgrund der Rätselhaftigkeit seiner Herkunft, seines Materials und des darauf befindlichen Gesichtes bekannt.

Das Volto Santo (Das „Heilige Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier. In der Kapuzinerkirche Santuario del Volto Santo auf dem Tarignihügel wird es aufbewahrt. Es liegt gut verschlossen hinter Glas und seit Jahrhunderten hat man es nicht mehr aus seinem Rahmen genommen. Nur mit Mikroskopen oder ultraviolettem Licht konnte es bisher untersucht werden.

Der Schleier scheint aus Byssus, auch Muschelseide genannt, gewebt zu sein. Muschelseide ist ein Stoff, der aus den äußerst feinen und widerstandsfähigen Ankerfäden der im Mittelmeer lebenden Steckmuschel gewonnen wird. Früher, in der Antike und im Mittelalter, gehörte der Stoff zu den kostbarsten überhaupt. Heute weiß fast niemand mehr, wie man Byssus herstellt. Aber Muschelseide gilt als nicht zu bemalen und ist nur sehr schwer zu färben.

Das Gesicht auf dem Tuch ist von beiden Seiten gleichermaßen, wenn auch spiegelverkehrt wie auf einem Dia, zu sehen. Der Stoff ist so dünn und fein, man könnte eine Zeitung lesen, die darunter liegt. Gegen die Sonne gehalten, wird das Tuch beinahe so transparent wie Glas.

Schauen wir uns das Gesicht noch einmal genauer an.

Wir sehen das Gesicht eines Mannes mit langen Haaren. Er trägt einen Bart. Seine Augen sind geöffnet. Auch der Mund ist leicht offen. Die Zähne sind nur von einer Seite zu sehen. Und auf dem Gesicht erscheinen rötliche Flecken. Sind das Wunden? Sie könnten durch Folterungen oder Geißelung entstanden sein, wie bei Jesus.

Bemerkenswert ist, dass die Proportionen des Gesichtes und die Lage der Wunden mit dem Gesicht auf dem Turiner Grabtuch übereinstimmen. Man geht darum davon aus, dass auf beiden Tüchern ein und dieselbe Person dargestellt ist.

Bemerkenswert ist auch, dass der Schleier von Manoppello wie das Turiner Grabtuch einzigartig zu sein scheint. Niemals wurde etwas Ähnliches irgendwo entdeckt.

Es wirkt wie gemalt und statisch. Bei wechselndem Licht kommt aber plötzlich Leben hinein und das Gesicht scheint sich zu bewegen. Die Farben changieren zwischen verschiedenen Gold-, Bronze-, Braun- und Rottönen. Sie schimmern, wie die Farben auf einem Schmetterlingsflügel.

Ist es das Schweißtuch der Veronika?

Nach der christlichen Überlieferung hat Veronika ihr Tuch Jesus von Nazareth auf seinem Weg nach Golgatha gereicht. Hiermit konnte er Schweiß und Blut vom Gesicht abwischen. Dabei soll sich dann das Gesicht Jesu auf wunderbare Weise auf dem Schweißtuch abgebildet haben. Das Tuch der Veronika entstand.

Einige Theologen und Forscher vermuten tatsächlich, dass das Schweißtuch zusammen mit dem Turiner Grabtuch direkt aus dem Grab von Jesus stammt. Somit wäre es eines der Tücher aus den Erzählungen vom leeren Grab. Und vieles spricht tatsächlich genau dafür. Das ist sehr spannend!

„Bist du Christus, der versprochene Retter, der Sohn Gottes?“, so heißt es im Bibeltext (V.63).

Ich habe mich gefragt, was ich eigentlich für ein Bild von Jesus habe?

Was für ein Bild von Jesus haben Sie?

Wer ist er für uns? Ein Heiliger, ein großer Lehrer, ein Religionsstifter, der Sohn Gottes, ein Verrückter? Je mehr Menschen Sie fragen, desto mehr Antworten werden Sie bekommen.

Martin Luther hat auf die Frage mit den Worten geantwortet: Christus kennen, heißt ihn als den Gekreuzigten zu kennen .

Ich glaube, das ist nicht gerade etwas, was wir gerne nachsprechen. Mir fällt es schwer.

Mir ist der Bruder, der gute Mann, der Freund nämlich viel lieber, als der Mensch, der sein Leben für mich gab.

Mir ist er lieber, weil er leichter zu denken und auch leichter zu erklären, ja auch leichter zu predigen ist.

Paulus hat Recht, wenn er schreibt, das Kreuz ist eine Torheit und ein Ärgernis (vgl. 1. Kor.1).

Es wäre für uns leichter, wenn wir nur von den schönen Gottestaten erzählen bräuchten, der Schöpfung etwa und der Nächstenliebe, der Diakonie und dem Gemeindefest.

Das Kreuz ist unangenehm, weil ich nicht möchte, dass jemand für mich sterben muss. Und das Kreuz ist unangenehm, weil es auch mich als Mensch hinterfragt. Das Kreuz ist ganz eng verbunden mit der Sünde, mit meiner Sünde, ganz konkret und ganz persönlich.

Es ist verbunden mit dem, was mich von Gott trennt. Das Kreuz spricht mich an auf meinen Lebensentwurf: Lebe ich mit Gott oder ohne ihn? Versuche ich, seinen Willen zu tun, oder zählt nur mein Egoismus und ist mir nur mein Wille heilig?

Und weil mich das Kreuz auf meine Sünde vor Gott hin anspricht, widerspricht es mir als Mensch, hinterfragt mich. Es setzt ein Fragezeichen an meinen selbstgewählten Lebensentwurf und drängt mich zur Umkehr, zum Neuanfang.

Sich hinterfragen zu lassen in seinem Lebensentwurf und Lebenslauf ist aber wohl für keinen Menschen leicht. Viel leichter ist es doch, bestätigt zu werden und zu hören, dass doch alles geht und alles möglich ist, was soll also die Aufregung?

Ja, das Kreuz ist eine Torheit und ein Ärgernis.

Ohne das Kreuz gäbe es keine Kirche. Die Kreuzigung ist der Anfang.

Als das Kreuz in die Erde glitt, setzte Gott damit den Grundstein für seine Kirche.