Auf die Ressourcen kommt es an - Uta Deppe-Schmitz - E-Book

Auf die Ressourcen kommt es an E-Book

Uta Deppe-Schmitz

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Beschreibung

Ressourcenaktivierung wirkt sich positiv auf das Therapiegeschehen aus! Leider ist für Patienten häufig der Blick auf ihre Ressourcen verstellt: Ressourcen können so nicht ihre Kraft für den Genesungsprozess entfalten, sondern schlummern als "ungenutztes" Potenzial eigener Fähigkeiten und Möglichkeiten. In der ressourcenorientierten Therapie lernen Patienten, einen Zugang zu ihren Ressourcen (wieder-) zu erlangen. Ressourcenaktivierung trägt so dazu bei, das Wohlbefinden von Patienten zu fördern und störungsbezogene Problemlöseprozesse zu verbessern. Nach einer kurzen Einführung in den wissenschaftlichen Hintergrund der Ressourcenaktivierung beschreibt der Praxisleitfaden für jede Therapiephase verschiedene Interventionen zur Ressourcenaktivierung und veranschaulicht diese anhand von zahlreichen Praxisbeispielen. Es werden u.a. Interventionen zur ressourcenorientierten Therapieplanung, zur Aktivierung aktuell verfügbarer Ressourcen und verschütteter Ressourcen, zur Ressourcenaktivierung am Therapieende sowie zur ressourcenorientierten Gestaltung von Therapiesitzungen vorgestellt. Ausführlich wird auch auf die "Verzahnung" von ressourcenorientierten und störungsbezogenen Interventionen in der verhaltenstherapeutischen Arbeit eingegangen. Zahlreiche Arbeitsmaterialien, die auf der beiliegenden CD-ROM zur Verfügung gestellt werden, unterstützen die Umsetzung der Interventionen in der psychotherapeutischen Praxis.

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Uta Deppe-Schmitz

Miriam Deubner-Böhme

Auf die Ressourcen kommt es an

Praxis der Ressourcenaktivierung

Dr. Uta Deppe-Schmitz, geb. 1972. 1991–1997 Studium der Psychologie in Trier. 2000–2003 Tätigkeit in einer Klinik für Psychosomatik und Suchterkrankungen. 2003 Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 2008 Dissertation. Seit 2003 niedergelassen in eigener psychotherapeutischer Praxis in Berlin. Seit 2003 Tätigkeit als Trainerin mit den Schwerpunkten Ressourcenaktivierung, Burnout-Prävention, Achtsamkeit und Stressbewältigung sowie als Coach zur Gesundheitsförderung für Einzelpersonen und Gruppen im betrieblichen Kontext.

Dr. Miriam Deubner-Böhme, geb. 1972. 1991–1998 Studium der Psychologie in Tier. 1999–2003 Tätigkeit in einer Klinik für Psychosomatik und Suchterkrankungen. 2003 Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie). 2008 Dissertation. Seit 2003 niedergelassen in eigener psychotherapeutischer Praxis in Berlin. Seit 2003 Tätigkeit als Trainerin mit den Schwerpunkten Ressourcenaktivierung, Burnout-Prävention, Achtsamkeit und Stressbewältigung sowie als Dozentin in der Aus- und Weiterbildung für Psychotherapeuten.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Internet: www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © GTeam – Fotolia.com

Illustrationen: Klaus Gehrmann, Freiburg; www.klausgehrmann.net

Satz: Beate Hautsch, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2016

© 2016 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2611-2; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2611-3)

ISBN 978-3-8017-2611-9

http://doi.org/10.1026/02611-000

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Anmerkung:

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 Lust auf eine Ressourcen-Expedition?

Kapitel 2 Die Schatzkarte entziffern

2.1 Ressourcen – eine Begriffsklärung

2.2 Psychische Grundbedürfnisse und Gesundheit

2.3 Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung in der ressourcenorientierten Psychotherapie

2.4 Ressourcenaktivierung und Therapieerfolg

2.5 Methoden der Ressourcenaktivierung

Kapitel 3 Ein paar Worte zum Reiseleiter

3.1 Der ressourcenorientierte Therapeut ist ein selbstfürsorglicher Therapeut

Übung: Ressourcenorientierter Tagesablauf

3.2 Der ressourcenorientierte Therapeut hat eine ressourcenorientierte Grundhaltung

3.3 Der ressourcenorientierte Therapeut stimmt sich auf die Ressourcen seiner Patienten ein

Kapitel 4 Die Reise vorbereiten

4.1 Ressourcendiagnostik und Ressourcenaktivierung in der Diagnostikphase

Ressourcenfragebögen

Ressourceninterviews

Ressourcenorientierte Fragetechniken für die Diagnostik

4.2 Psychoedukation: Mit Patienten ein gemeinsames Verständnis über Ressourcen entwickeln

4.3 Therapieziele erarbeiten

4.4 Ableitung von Behandlungsmethoden

Kapitel 5 Die funkelnden Schätze bewundern

5.1 Was sind aktuell verfügbare Ressourcen?

5.2 Wie werden aktuell verfügbare Ressourcen aktiviert?

5.3 Aktuell verfügbare Ressourcen in der Psychotherapie aktivieren

5.4 Aktuell verfügbare Ressourcen aktivieren durch freie Ressourcenassoziationen

Übung: Ressourcenpostkarten

Übung: Ressourcen aus der Wundertüte

Übung: Ressourcenspaziergang

5.5 Gezielte Aufmerksamkeitslenkung auf Ressourcen

Übungen: Zählen von Ressourcen und Ressourcenmomente einfangen

Übung: Ressourcentagebuch

Übung: Ressourcenorientierter Tagesablauf

Übung: Ressourcennetzwerkkarte

5.6 Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Aktivieren aktuell verfügbarer Ressourcen

Kapitel 6 Die Suche nach verborgenen Schätzen

6.1 Was sind verschüttete Ressourcen?

6.2 Wie könnten verschüttete Ressourcen aktiviert werden?

6.3 Verschütteten Ressourcen in der Psychotherapie aktivieren

6.4 Verschüttete Ressourcen aufspüren durch Aktivierung intakter Lebensbereiche

Übung: Ressourcenzoo

Übung: Ressourcen wachrütteln

Übung: Ressourcenspaziergang

Übung: Ressourcen des fröhlichen Kindes in mir

6.5 Verschüttete Ressourcen aus früheren Zeiten aufspüren

Übung: Ressourcenorientierte Lebenslinie

Übung: Ressourcenorientierter Lebensbericht

Übung: Ressourcenstammbaum

Übung: Erfolge feiern!

6.6 Verschüttete Ressourcen aufspüren durch die Entwicklung von Zukunftsvisionen

6.7 Verschüttete Ressourcen aufspüren durch Rückmeldungen aus der Sicht von Dritten

Übung: Ressourcendusche

Übung: Ressourcenengel

6.8 Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Arbeiten mit verschütteten Ressourcen

Kapitel 7 Diamanten schleifen

7.1 Förderung von Bedürfniswahrnehmung

Übung: Ressourcenaktivierung durch Achtsamkeit – Blitzachtsamkeit

Übung: Achtsame Situationsanalyse

7.2 Ressourcenaktivierung im Alltag durch verbesserte Selbstfürsorge

Übung: Ressourcenakku

Übung: Ressourcenimaginationen

Übung: Ressourcenengel

Übung: Ressourcenformel

7.3 Ressourcenaktivierung zur Problembewältigung

Übung: Ressourcenwaage

Übung: Ressourcenformel

Übung: Ressourcenengel

Übung: Ressourcenzoo

Übung: Ressourcenband

Übung: Ressourcenbrille

7.4 Verankern von Ressourcen

Übung: Ressourcenstein

Übung: Ressourcenschatzkiste

Übung: Ressourcenprojekt

7.5 Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Aktivieren von Ressourcen im Alltag

Kapitel 8 Unter die Lupe genommen

8.1 Den Sitzungsbeginn ressourcenorientiert gestalten

8.2 Das Sitzungsende ressourcenorientiert gestalten

8.3 Aufgaben für zu Hause ressourcenorientiert gestalten

Kapitel 9 Beginn und Ende der Expedition gestalten

9.1 Ressourcenaktivierung im therapeutischen Erstgespräch

9.2 Ressourcenorientierte Vorbereitung auf das Therapieende

Übung: Ressourcenbilanz

Übung: Bedürfnischeck

9.3 Das Abschlussgespräch ressourcenorientiert gestalten

Übung: Ein Ressourcenbrief für mich

Übung: Ressourcenkoffer

Übung: Ressourcenstein

Übung: Ressourcenlotto

Kapitel 10 Ein Reisebericht

Kapitel 11 Werkzeugkoffer

Literatur

Webseiten

Anhang

Sachregister

Materialien auf DVD

|9|Kapitel 1Lust auf eine Ressourcen-Expedition?

Einleitung

|10|Wir werben in diesem Buch für eine ressourcenorientierte Psychotherapie! Wir wollen Sie, liebe Kollegin und lieber Kollege, dafür gewinnen, in Ihre psychotherapeutische Arbeit eine bewusste und systematische Ressourcenaktivierung aufzunehmen und damit das Wohlbefinden ihrer Patienten zu stärken. V.a. als erfahrene Psychotherapeuten beachten Sie sicherlich Kraftquellen, Stärken, Erfolge und das Potenzial Ihrer Patienten. Sie werden sich hoffentlich bei der Lektüre dieser Anleitung zur Ressourcenaktivierung in der psychotherapeutischen Praxis bestätigt fühlen! Vielleicht begegnet Ihnen die ein oder andere Intervention, die Sie selbst so oder in abgewandelter Form schon ausprobiert haben. Oder Sie stellen fest, dass Sie persönlich in Ihrem privaten Leben und in Ihrer Arbeit eine ressourcenorientierte Haltung einnehmen: Sie erkennen beispielsweise in jedem Menschen Ressourcen – auch in all Ihren Patienten. Sie beherrschen die störungsbezogene Behandlung routiniert und haben eine positive Einstellung zur Bedeutung der Ressourcen Ihrer Patienten. Was können wir Ihnen mit unserem Buch also noch Gutes tun? Bitte jetzt nicht gleich das Buch weglegen – Sie sind genau unsere Zielgruppe!

Wir fangen bei uns selbst an. Im Zuge der ermutigenden Erkenntnisse der letzten 15 Jahre aus Studien zur Bedeutung von Patientenressourcen für den Therapieerfolg untersuchten wir alkoholabhängige und psychosomatisch erkrankte Patienten, die 2003 in einer stationären Rehabilitationsklinik behandelt wurden, hinsichtlich ihrer Ressourcen. Wir verwendeten dazu das veränderungssensitive Berner Ressourceninventar von Trösken (2002), welches eine Vielzahl von gesundheitspsychologisch relevanten Ressourcen in Form von verhaltensnahen Items nach der Häufigkeit des Verhaltens abfragt. Uns interessierte, mit welchen Ressourcen Patienten „in die Therapie kamen“ und wie sich die Ressourcen der Patienten im Therapieverlauf verändern würden. Entsprechend unserem klinischen Eindruck stellten wir fest, dass tatsächlich im Zuge der stationären Therapie ein deutlicher Zuwachs an Ressourcenrealisierung stattfindet. Das stationäre therapeutische Setting eignet sich demnach, nicht nur Probleme von Patienten zu reduzieren, sondern auch für die Gesundheit relevante Ressourcen der Patienten zu stärken. Interessanterweise waren Patienten, die in der Therapie ein hohes Ausmaß an Ressourcen realisieren konnten, ein Jahr nach der Therapie zufriedener mit ihrem Leben als Patienten mit wenigen Ressourcen. Mehr noch – mit dem Ausmaß an Ressourcenrealisierung ließ sich die Zufriedenheit nach der Therapie vorhersagen: Je mehr Ressourcen Patienten haben, desto zufriedener sind sie mit ihrem Leben nach der Therapie. Bei Alkoholabhängigen erwies sich das Ausmaß an Ressourcenrealisierung zum Zeitpunkt der stationären Therapie als Prädiktor für Abstinenz ein Jahr nach der Behandlung. Die Ergebnisse unserer Studie bestätigen unseren Eindruck aus der psychotherapeutischen Praxis und sie bestätigen auch Theorien, die der Bedeutung von Ressourcen einen hohen Stellenwert für Gesundheit und Wohlbefinden zusprechen. Eine wachsende An|11|zahl von Untersuchungen, v. a. aus der Forschergruppe um Grawe, ermutigten uns, in unserer verhaltenstherapeutischen Praxis neben der Reduktion von Symptomen und dem Aufbau neuer Kompetenzen noch gezielter die Ressourcenpotenziale unserer Patienten zu beachten.

Und so kommen wir zum Thema des vorliegenden Buchs: Wie können wir die Ressourcen unserer Patienten gezielter fördern? Welche Haltung ist angebracht und welche Interventionen sind zielführend? Ressourcenaktivierung als therapeutische Kompetenz beschreibt einerseits, wie es in der Therapie gelingen kann, dass aus schlummernden Ressourcenpotenzialen tatsächlich gelebte Ressourcen werden und wie vorhandene Ressourcen noch weiter gefördert werden können. Ressourcenaktivierung beschreibt auch, wie die vorhandenen Ressourcen von Patienten gezielt für die Problemlöseprozesse genutzt werden können. Warum dieser Aspekt der Ressourcenaktivierung so bedeutsam für gute Therapie ist, lässt sich vereinfacht so formulieren: Problemlöseprozesse sind erfolgreicher, wenn auf bewährte Strategien, Kompetenzen, Strukturen zurückgegriffen werden kann. Dagegen sind neu erworbene Kompetenzen und Strukturen häufig erst nach langer Übung und mit viel Unterstützung so ausgebildet, dass sie selbst wieder als Ressource zur Bewältigung von Herausforderungen zur Verfügung stehen. Es ist also sinnvoll, zunächst zu schauen, was da ist und genutzt werden könnte, ehe neue Kompetenzen trainiert werden.

Wenn wir die Ressourcen unserer Patienten fördern wollen, brauchen wir also auch therapeutische Kompetenzen für die Aktivierung von Patientenressourcen! Das stellten wir uns angesichts unserer langjährigen stationären und ambulanten psychotherapeutischen Erfahrung als nicht besonders herausfordernd vor, wenn sogar problemlösende Interventionen das Potenzial haben, Ressourcen zu aktivieren. Wir schätzten zunächst unser eigenes Therapeutenverhalten in einzelnen Sitzungen ein („In welchem Ausmaß ist es uns gelungen, Ressourcen unserer Patienten in der Sitzung zu aktivieren?“) und werteten anschließend die Videobänder zu diesen Sitzungen aus, um das tatsächliche Ausmaß an ressourcenaktivierenden Interventionen bzw. bei den Patienten beobachtbarer Ressourcenaktivierung wenigstens „Pi mal Daumen“ abzuschätzen. Unsere Erkenntnis war ernüchternd: Unsere eigene ressourcenorientierte Haltung spiegelte sich erschreckend wenig im tatsächlichen Kontakt mit unseren Patienten wieder. Obwohl wir uns selbst als aufgeschlossen für die Ressourcen unserer Patienten wahrnahmen und dies – wo es unserer Meinung nach passte – mit unseren Patienten thematisierten, reichte diese Einstellung für eine erfolgreiche Ressourcenaktivierung von Patienten offenbar nicht aus. In unseren Sitzungen dominierten störungsbezogene Interventionen und eine defizitorientierte Sprache.

|12|Beachte:

Genau dieses Phänomen beschrieben Flückiger und Wüsten in ihrer Studie zum „Ressourcenpriming“. Die Autoren aus der Schweiz verglichen das Ausmaß von Ressourcenaktivierung in Therapiesitzungen von Therapeuten, die unmittelbar vor der Sitzung eine besondere Einstimmung auf die Ressourcen der Patienten erhielten („Ressourcenpriming“), und unvorbereiteten Therapeuten, die grundsätzlich eine positive Einstellung bezüglich der Ressourcen ihrer Patienten hatten. Ergebnis: In Sitzungen mit Ressourcenpriming fand signifikant mehr Ressourcenaktivierung statt als in Sitzungen ohne Ressourcenpriming (Flückiger & Wüsten, 2008a).

Wirklich interessant, oder? Ressourcenaktivierung zu praktizieren benötigt offensichtlich bewusste Informationsverarbeitungsprozesse beim Therapeuten und eine hohe Aufmerksamkeit gegenüber Ressourcen in der auf Störungen und damit eher defizitär ausgerichteten kognitiven Verhaltenstherapie. Uns fällt bei den Rückmeldungen aus unseren Workshops für Psychotherapeuten auf, dass unter Ressourcenförderung oft einzelne Interventionen verstanden werden, die „eingestreut“ werden in den eher problemorientierten Therapieprozess. Typischerweise werden ressourcenfördernde Strategien dann gewählt, wenn in der Therapie gerade etwas Zeit dafür ist und es keine anderen dringlicheren Themen gibt. Ressourcenaktivierung gilt als „Zusatz“, der aus strukturellen Gründen oft vernachlässigt wird, z. B. aufgrund der Rahmenbedingungen der psychotherapeutischen Arbeit. Oder sie kommt dann zum Zug, wenn problembezogene Interventionen scheitern. Von wenigen Kollegen und Kolleginnen werden die Ressourcen ihrer Patienten dagegen systematisch diagnostiziert, gefördert und im Therapieprozess für die Problemlösung gezielt aktiviert. Ausgehend von der mittlerweile empirisch gut belegten Erkenntnis, dass die Problembewältigung effektiver ist gerade bei vorangegangener Ressourcenaktivierung, möchten wir Ihnen eine Anleitung zur systematischen Ressourcenförderung in jeder Therapiephase und in jeder Therapiesitzung geben. Wir verstehen Ressourcenförderung nicht als losgelösten „Baustein“ in der Therapie, sondern als ständig begleitenden Prozess.

Wie sieht die Praxis der ressourcenorientierten Psychotherapie heute nun konkret aus? Nach dem Motto „jede Gelegenheit der Ressourcenaktivierung beim Schopf packen“ versuchen wir, unseren Kontakt mit Patienten grundsätzlich – also vom ersten Kontakt an bis zum Abschied aus der Therapie – effektiv zu gestalten. Grundlage hierfür ist eine persönliche ressourcenorientierte Haltung, die auch in die psychotherapeutische Arbeit mit einfließt. Dazu gehören die Kompetenz, die Beziehung zwischen Therapeutin und Patientin ressourcenorientiert zu gestalten, sowie der Gebrauch einer ressourcenorientierten Sprache und ressourcenaktivierende Interventionen. Die Übungen werden im Text ausführlich beschrieben und mit Patientenbeispielen veranschaulicht. Am Ende finden Sie in |13|unserem Werkzeugkoffer die Sammlung aller besprochenen Übungen noch einmal in Kurzform. Für ausgewählte Übungen benutzen wir Arbeitsblätter, die der Unterstützung zu Auswertung und Vertiefung für unsere Patienten dienen. Die Arbeitsblätter befinden sich ebenfalls im Werkzeugkoffer. Unsere vorgestellten Interventionen sind eingebettet in ein „Ressourcentraining“, welches mit dem Erstkontakt zwischen Therapeut und Patient beginnt und in allen Therapiesitzungen mitläuft bis zum Therapieende. Es ist sowohl im ambulanten als auch im stationären Setting einsetzbar, bei jeder psychischen Störung und unabhängig von der Anzahl an möglichen Therapiesitzungen. Somit bekommen auch die Kolleginnen in unserem Buch Anregungen, die nur für kurze Zeit mit ihren Patientinnen arbeiten, wie sie durch eine gezielte Ressourcenaktivierung ihre therapeutischen Sitzungen noch effektiver gestalten können.

Wir stellen immer wieder fest, dass Therapeuten bei ihren Patienten durchaus Ressourcen wahrnehmen. Der Blick unserer Patienten auf ihre eigenen Ressourcen ist jedoch oft verstellt. In der Eigenwahrnehmung unserer Patienten dominieren Belastung, Probleme, unerwünschte Symptomatik, eigene vermeintliche Defizite, Selbstabwertung, Resignation nach bislang erfolglosen Lösungsversuchen. Zu den eigenen Ressourcen besteht dagegen zum Zeitpunkt des Therapiegesuchs wenig Zugang. Vor diesem Hintergrund ist es ein wichtiges Ziel in der Psychotherapie, an die verfügbaren und verschütteten – weil aktuell nicht sichtbaren – Ressourcen unserer Patientinnen „heranzukommen“. Selbst wenn wir aus therapeutischer Sicht Ressourcen bei Patienten erkennen, bleibt noch die große Herausforderung, unsere Patienten selbst davon zu überzeugen, dass sie neben ihren Problemen auch über Ressourcen verfügen.

Wir vergleichen den Therapieprozess der Ressourcenaktivierung mit einem aufregenden Projekt: eine „Expedition zu den Ressourcen-Schätzen unserer Patienten“. Eine kurze theoretische Einführung zur Einstimmung auf die Praxis der ressourcenorientierten Psychotherapie soll helfen, die „Schatzkarte zu entziffern“ (vgl. Kapitel 2): Woran erkennen wir Ressourcen? Warum lohnt es sich, sich auf die Suche zu machen? Welche Pfade können wir bei der Suche nach Ressourcen betreten? Was tun, wenn wir tatsächlich auf Ressourcen stoßen?

Da die therapeutische Haltung bei Ressourcenaktivierung eine tragende Rolle spielt, beschäftigen wir uns damit, wie wir Psychotherapeuten uns als „Reiseleiter“ für die Expedition gut vorbereiten können (vgl. Kapitel 3): Wie können wir den Rahmen der Expedition gestalten? Wie können wir unsere Patienten – die Schatzsucher – bei der Erforschung ihrer Schätze unterstützen? Dazu brauchen wir selbst Expertise bei der Erforschung eigener Schätze und explizite Kompetenzen, den Schatzsuchern als Experten zur Seite zu stehen.

Deutlich wird, dass unsere Patienten die Hauptpersonen dieser Expedition sind: die „Schatzsucher“. Um die „Reise gut vorzubereiten“, benötigen wir Ideen für |14|Methoden der Diagnostik und Ideen für die ressourcenorientierte Therapieplanung (vgl. Kapitel 4). Die Expedition beginnt und wir schauen uns erst einmal um: Was machen wir mit den Ressourcen, die wir bereits auf den ersten Blick in unserer Schatztruhe erkennen können? „Die funkelnden Schätze bewundern“ beschreibt den Prozess, aktuell verfügbare Ressourcen zu fördern und für die eigenen Ziele einzusetzen (vgl. Kapitel 5).

Oft ist für unsere Schatzsucher jedoch der Blick auf die Ressourcen verstellt: Wir machen uns zusammen mit unseren Patienten auf die „Suche nach verborgenen Schätzen“ und versuchen, einen Zugang zu verschütteten Ressourcen freizulegen, die aus verschiedenen Gründen eine Zeit lang nicht mehr aktiviert wurden (vgl. Kapitel 6). Stets geht es darum, die gefundenen Schätze wertzuschätzen, sie bewusst in die Ressourcentruhe zu legen, wo sie betrachtet werden können. Sie können auch herausgenommen werden, eingelöst werden für etwas, was unsere Patienten gerade dringend brauchen.

Um den Wert dieser Ressourcen zu steigern, sollten unsere Schatzsucher lernen „Diamanten zu schleifen“ (vgl. Kapitel 7): Wie können Ressourcen passend gemacht werden für die aktuelle Lebenssituation, für die aktuellen Herausforderungen? Wie können die Ressourcen-Schätze im Alltag verankert werden und damit ihre größtmögliche Kraft entfalten?

„Unter die Lupe genommen“: Für die, die noch einmal genauer hinsehen wollen – auf Details der konkreten Gestaltung von ressourcenorientierten Therapiesitzungen. Wie es uns gelingen kann, unabhängig von der konkreten Etappe unserer Expedition – also unabhängig von Therapiephasen oder aktuellen Themen – gemeinsam mit unseren Schatzsuchern die Diamanten zu betrachten (vgl. Kapitel 8).

Schließlich lenken wir den Blick für die Leserinnen und Leser explizit auf den „Beginn und das Ende der Expedition“ (vgl. Kapitel 9). Denn wir wissen, was wir uns besonders gut einprägen und für ein positives Gelingen unserer Reise wegweisend ist: dass unsere Reise einen guten Start und ein gutes Ende hat! Wir enden mit einem „Reisebericht“, in dem wir die wesentlichen Eindrücke der Ressourcenexpedition zusammenfassen (vgl. Kapitel 10). Und damit wir unser Handwerkzeug jederzeit schnell zur Hand haben, wenn wir es brauchen, findet am Schluss des Buches „ein gut sortierter Werkzeugkoffer“ mit Anleitungen für einzelne Übungen Platz (vgl. Kapitel 11). Die Übungsanleitungen aus dem Werkzeugkoffer sind zusätzlich auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM abgespeichert und können gemeinsam mit den dort ebenfalls vorhandenen Arbeitsblättern direkt ausgedruckt werden.

Diese Form der ressourcenorientierten Psychotherapie bieten wir nun seit vielen Jahren an und machen damit wirklich nur gute Erfahrung. Wenn wir uns unsere |15|heutigen Videobänder aus Therapiesitzungen ansehen und auf das Ausmaß unserer Ressourcenaktivierung bei unseren Patienten achten, können wir zufrieden feststellen: da hat sich was verändert. Auf die Ressourcen kommt es an!

Berlin, Oktober 2015

Uta Deppe-Schmitz und Miriam Deubner-Böhme

|17|Kapitel 2Die Schatzkarte entziffern

Eine kurze theoretische Abhandlung über ressourcenorientierte Psychotherapie

|18|Eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Gestaltung einer Expedition ist die Kompetenz, die Karte zu entziffern. Dazu gehört, dass wir den Umgang mit der Karte erlernt haben und Botschaften und Hinweise verstehen. Genau das ist unser Ziel einer kurzen theoretischen Abhandlung über ressourcenorientierte Psychotherapie.

Im Rahmen einer ressourcenorientierten Psychotherapie unterstützen wir Patienten darin, wieder einen Zugang zu ihren Ressourcen zu finden. Damit erfahren unsere Patienten einerseits eine Stärkung ihres Wohlbefindens und andererseits können sie Belastungen und störungsbezogene Probleme besser bewältigen. Genau das ist das Anliegen unseres Praxisleitfadens für Ressourcenaktivierung. Was verstehen wir nun genau unter Ressourcen? Welche Rolle spielen sie für unsere körperliche und seelische Gesundheit? Und wie können wir mit den Ressourcen unserer Patienten in der Therapie arbeiten? Zu diesen Fragen wollen wir Sie in diesem Kapitel mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft vertraut machen. Uns geht es dabei weniger darum, einen umfassenden Forschungsüberblick zu geben. Wir wollen uns vielmehr auf die Aspekte konzentrieren, die aus unserer Sicht für die ressourcenorientierte Praxis bedeutsam sind. Wir wollen den Bezug zur therapeutischen Praxis allgemein und zu den von uns vorgestellten Interventionen in den Vordergrund stellen. Das geht sicherlich zulasten einer Komplexität der Darstellung sowie zulasten eines wissenschaftlichen Diskurses. Wenn Sie an „mehr Stoff“ interessiert sind, empfehlen wir Ihnen hierzu das Buch mit dem Titel Ressourcen … ein Hand- und Lesebuch zur psychotherapeutischen Arbeit von Schemmel und Schaller (2013), in dem ein wirklich guter Überblick zum aktuellen Stand der Thematik in verschiedenen Feldern der klinischen Forschung sowie Einblicke in verschiedene Anwendungsfelder gegeben werden.

Wir beginnen nun ganz grundsätzlich damit, was wir genau unter Ressourcen in der ressourcenorientierten Psychotherapie verstehen.

2.1 Ressourcen – eine Begriffsklärung

Eine Ressource (lat. resurgere: hervorquellen, wiedererstehen) wird im Duden beschrieben als „… natürlich vorhandener Bestand von etwas, was für einen bestimmten Zweck, besonders zur Ernährung der Menschen und zur wirtschaftlichen Produktion ständig benötigt wird sowie als Bestand an Geldmitteln oder als Geldquelle, auf die jemand zurückgreifen kann …“ (www.duden.de). Zentrale Aspekte von Ressourcen sind also Bindung an einen Zweck, Funktionalität und Existenzsicherung. Was sind Ressourcen, wenn wir an seelische Gesundheit denken? Sind Ressourcen gleichzusetzten mit den gesundheitsförderlichen Faktoren, die seit den 1980er Jahren in der Gesundheitspsychologie als gut erforscht gelten?

|19|Nestmann versuchte 1996, die Vielzahl an Definitionen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen:

Letztlich alles, was von einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation wertgeschätzt wird oder als hilfreich erlebt wird, kann als eine Ressource betrachtet werden…Eine Sache ist nicht an sich eine Ressource, sondern wird erst dann zu einer solchen, wenn sie von einem Menschen für dessen individuelle Zwecke genutzt wird. (1996, S. 362)

Grawe betont den Bezug zu psychischen Grundbedürfnissen (1998, 2004): Als Ressource gilt nur, was zur Befriedigung angeborener Bedürfnisse führt und somit der Lebenserhaltung und Lebensverbesserung dient (Gutscher, Hornung & Flury-Kleubler, 1998).

Ressourcen:

Bei der Betrachtung von Ressourcen geht es weit über die inhaltliche Berücksichtigung gesundheitsförderlicher Faktoren hinaus. Wenn wir von Ressourcen sprechen, sind drei Kriterien erfüllt:

Eine Person empfindet diese Aspekte für sich persönlich als hilfreich und wertvoll.

Eine Person setzt diese Aspekte situationsabhängig auf einen bestimmten Zweck hin ein.

Eine Person erfüllt mit diesen Aspekten angeborene Grundbedürfnisse.

Bedeutung für die ressourcenorientierte therapeutische Praxis:

Letztendlich entscheidet also unsere Patientin allein, ob ein gesundheitsförderlicher Aspekt für sie persönlich eine Ressource darstellt. Beispiel: „Joggen“ kann für eine Patientin eine Ressource darstellen und für einen anderen Patienten eine Quälerei.

Ob ein Aspekt eine Ressource ist, hängt von der konkreten Situation ab: Der gleiche Aspekt kann in unterschiedlichen Situationen mal eine Ressource sein und mal eine Belastung. Beispiel „Durchhaltevermögen“: Ressource im Zusammenhang mit „regelmäßig ins Training gehen“, keine Ressource, wenn eine Person sich krank in die Arbeit schleppt.

Aspekte, die nicht der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen bzw. die ihnen sogar schaden, kommen nicht als Ressource in Frage. Beispiel: „Alkohol trinken“ mag zwar in bestimmten Situationen als hilfreich (angenehmer Zustand) wahrgenommen werden und einen bestimmten Zweck erfüllen (lockerer im Kontakt mit anderen Menschen), hat aber keinen Wert für die Befriedigung von Grundbedürfnissen.

|20|2.2 Psychische Grundbedürfnisse und Gesundheit

Wenn wir von Ressourcen in der Psychotherapie sprechen, geht es uns also im bedürfnistheoretischen Sinne um Mittel, die der Befriedigung von psychischen Grundbedürfnissen dienen. Von welchen Grundbedürfnissen sprechen wir hier genau? Für Grawe (2004, S. 185) war für das Verständnis von psychischen Grundbedürfnissen maßgeblich, dass es sich dabei um neurologisch verankerte, existenzielle Bedürfnisse handeln sollte, die bei allen Menschen vorhanden sind und deren Verletzung oder dauerhafte Nichtbefriedigung zu einer Reduktion des Wohlbefindens und zu einer Schädigung der psychischen Gesundheit führt. Grawe bezog sich deswegen auf die integrative Persönlichkeitstheorie von Epstein („Cognitive-Experiental Self-Theory“, 1991, 1993, 1994), die postuliert, dass Menschen sich an Zielen orientieren und durch deren Realisierung bewusst und unbewusst ihre psychischen Grundbedürfnisse befriedigen.

Psychische Grundbedürfnisse, denen eine Vielzahl von Bedürfnissen zugeordnet werden können (Grawe, 1998, 2004):

•das Bindungsbedürfnis,

•das Bedürfnis nach Kontrolle und Orientierung,

•das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz,

•das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung.

Das Bedürfnis nach Bindung beschreibt das Streben von Menschen nach sozialem Eingebundensein, z. B. Bindung zu Bezugspersonen, Partnerschaft, Familie, Freunde, Gruppen. Das Kontrollbedürfnis beinhaltet die Tendenz, dass Menschen selbstbestimmt leben, nach Freiheit streben und aktiv Entscheidungen treffen. Dazu gehört ebenfalls das Bedürfnis nach Orientierung, also Ziele und Werte zu haben, die Realität erklären und verstehen zu können sowie Spiritualität zu leben. Das Grundbedürfnis nach Selbstwertschutz bzw. Erhöhung von Selbstwert beschreibt den Wunsch, sich selbst als wertvoll und liebenswert zu erleben sowie von anderen akzeptiert zu werden. Grundsätzlich streben Menschen nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. Dieses Grundbedürfnis kann durch die Befriedigung der anderen Grundbedürfnisse selbst befriedigt werden.

Nach Grawe lassen sich diese psychischen Grundbedürfnisse gut aus der aktuell vorliegenden Forschung begründen. Er sah ausreichende empirische Evidenz dafür, dass zumindest drei dieser vier Grundbedürfnisse in den neurologischen Strukturen verankert sind. Unzureichend nachgewiesen werden kann bislang der neurobiologische Hintergrund für das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz bzw. Selbstregulation (siehe Grawe, 2004). Nach Epstein (1991, 1993, 1994) muss im Verhalten ein Kompromiss gefunden werden zwischen den Vorgaben aus den einzelnen Bedürfnissen, um die Entstehung von fehlange|21|passtem Verhalten durch eine einseitige Bedürfnisbefriedigung zu vermeiden. Grawe modifiziert an dieser Stelle den Ansatz von Epstein, indem er für diese Regulierung der psychischen Grundbedürfnisse ein übergeordnetes Prinzip, das sog. „Konsistenzprinzip“, postuliert, was die Vereinbarkeit gleichzeitig ablaufender neuronaler und psychischer Prozesse ermöglicht.

Konsistenzprinzip:

Das Konsistenzprinzip wird nach Grawe als Grundprinzip des psychischen Funktionierens angesehen. Menschen streben danach, Kongruenzerfahrungen im Hinblick auf ihre Grundbedürfnisse zu machen. Das Erleben von Inkongruenz (Nichtbefriedigung von Bedürfnissen) wird zum Antrieb für die Weiterentwicklung der Person. „Seelisch sehr gesunde, glückliche Menschen unterscheiden sich von anderen nicht nur dadurch, dass sie in ihren Grundbedürfnissen wenig verletzt wurden und deshalb gut entwickelte Schemata um ihre Grundbedürfnisse herum entwickelt haben, sie zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie ihre Bedürfnisse in Übereinstimmung miteinander, also in konsistenter Weise befriedigen können. Wenn wir menschliches Glück aus der Konsistenzperspektive definieren sollten, dann wäre dies ein Zustand von ,mit sich und der Welt eins sein‘. Geringe Konsistenz geht immer auf Kosten einer wirksamen Bedürfnisbefriedigung. Ein hohes Ausmaß an Inkonsistenz bedeutet seelisches Leiden und menschliches Unglück.“ (Grawe, 1998; S. 111)

Ausführlich beschrieben werden Studien zum Zusammenhang zwischen diesen Grundbedürfnissen und psychischer Gesundheit bei Grawe (2004). Vor diesem bedürfnistheoretischen Hintergrund werden Ressourcen von Grawe (1998) als positive Potenziale und Bedingungen gesehen, die dem Patienten zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse dienen, die zur Verfolgung von Identitätszielen verfügbar sind und die der Patient als Kraftquellen auch in den therapeutischen Prozess einbringen kann. Ressourcen können demnach motivationale Bereitschaften, Ziele, Wünsche, Interessen, Überzeugungen, Werthaltungen, Geschmack, Einstellungen, Wissen, Bildung, Fähigkeiten, Gewohnheiten, Interaktionsstile, physische Merkmale wie Aussehen, Kraft, Ausdauer, finanzielle Möglichkeiten sowie zwischenmenschliche Beziehungen sein (Grawe, 2004). Psychische Störungen entstehen, wenn Ressourcen fehlen, damit eine Person ihre psychischen Grundbedürfnisse erfüllen kann. Grawe und Grawe-Gerber (1999) sowie Smith und Grawe (2003) gehen davon aus, dass die eingeschränkten Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung und die daraus resultierende Inkonsistenzspannung die eigentliche Motivation von Patienten für den Beginn einer Psychotherapie darstellen.

Nach der Theorie der Ressourcenkonservierung von Hobfoll (1989) führt im Sinne von „Ressourcengewinn und -verlustspiralen“ ein Ressourcenmangel zu einem weiteren Ressourcenverlust, dagegen begünstigen ausreichende Ressour|22|cen einen weiteren Ressourcengewinn. Ein Mangel an Ressourcen stellt demnach einen Risikofaktor für die Entwicklung von psychischen Störungen dar. Stark ausgeprägte Ressourcen begünstigen wiederum ein besseres aktuelles Wohlbefinden, einen besseren psychischen Gesundheitszustand und einen weiteren Ressourcengewinn (z. B. Becker, 1997). Vieles spricht also dafür, in der Therapie Ressourcen zu fördern und zumindest den mit psychischer Erkrankung einhergehenden Ressourcenverlust zu beenden.

Bedeutung für die ressourcenorientierte therapeutische Praxis:

Wenn Patienten in die Therapie kommen, ist in der Regel mindestens ein psychisches Grundbedürfnis verletzt – häufig sogar alle vier. Wir Therapeuten sollten vom ersten Kontakt an sensibel für diese Verletzungen sein.

Patienten haben häufig den Zugang zu wichtigen Ressourcen verloren und befinden sich in einem Abwärtstrend mit weiterem Ressourcenverlust. Wir Therapeuten sollten versuchen, diesem Ressourcenverlust vom ersten Kontakt an entgegenzuwirken.

2.3 Ressourcenrealisierung und Ressourcenaktivierung in der ressourcenorientierten Psychotherapie

Das übergeordnete Ziel einer ressourcenorientierten Psychotherapie besteht darin, Patienten Erfahrungen von Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen. Das Ausmaß, inwieweit eine Person Ressourcen als subjektiv verfügbar und realisierbar wahrnimmt – also inwieweit aus der subjektiven Einschätzung der Person heraus tatsächlich bedürfnisbefriedigende Erfahrungen gemacht werden – wird Ressourcenrealisierung genannt (Trösken & Grawe, 2003). Die Ergebnisse unserer Studie zur Ressourcenrealisierung von Sucht- und Psychosomatikpatienten einer stationären Rehabilitationsklinik zeigen, dass sich die Ressourcenrealisierung von Patienten im Verlauf der stationären Therapie erhöht, selbst wenn keine explizite und systematische Ressourcenaktivierung stattfindet (Deubner-Böhme et al., 2011, Deppe-Schmitz et al., 2009). Wir gehen davon aus, dass in störungsbezogenen Behandlungen das Ressourcenpotenzial nicht genug ausgeschöpft wird und dass Patienten durch eine explizite, systematische Ressourcenaktivierung eine deutlich höhere Ressourcenrealisierung und damit eine bessere Bedürfnisbefriedigung erreichen können.

Wir versuchen also in der ressourcenorientierten Psychotherapie unsere Patienten darin zu unterstützen, ihre Ressourcenrealisierung auszubauen. Dies gelingt durch ein gezieltes Anknüpfen an das Ressourcenpotenzial dieser Person. Und damit sind wir auch bei dem Begriff der Ressourcenaktivierung: Gemeint ist |23|damit das Bemühen von Therapeut und Patient, das Ausmaß an Ressourcenrealisierung des Patienten zu verbessern. Unser Anliegen ist es, Ihnen im Rahmen unseres Praxisleitfadens verschiedene Möglichkeiten der Ressourcenaktivierung aufzuzeigen, damit Ihre Patienten mehr Ressourcen realisieren können.

Beachte:

Ressourcenaktivierung umfasst einerseits das Bemühen des Therapeuten, Patienten bedürfnisbefriedigende Erfahrungen bereits direkt innerhalb der therapeutischen Sitzungen zu vermitteln. Ressourcenaktivierung bezieht sich andererseits auf Strategien des Therapeuten, Patienten darin zu unterstützen, auch außerhalb der Therapie – in ihrem realen Leben – eine höhere Realisierung von Ressourcen und damit eine höhere Erfüllung psychischer Grundbedürfnisse zu erreichen.

Nach Grawe ist ein Großteil der therapeutischen Wirkung auf Ressourcenaktivierung zurückzuführen. Sie stellt neben der Problemaktualisierung, der motivationalen Klärung und der Problembewältigung ein primäres Wirkprinzip für Psychotherapie dar. Was passiert, wenn Ressourcen unserer Patienten aktiviert werden? Patienten befinden sich in der Regel in einer negativen Dynamik: In negativer Stimmung werden emotional negative Gedächtnisinhalte und Erwartungen aktiviert, die im Sinne von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen wiederholt zu negativ erlebten Erfahrungen führen und damit wiederum eine weitere Verschlechterung der Stimmung anstoßen. Damit schließt sich der Teufelskreis und eine weitere Aktivierung negativer Gedächtnisinhalte entsteht. Auf neuronaler Ebene können diese negativen Gedächtnisinhalte als spezifische synaptische Erregungsbereitschaften gesehen werden. Durch Ressourcenaktivierung soll nun ein gegenläufiger, ein positiver Rückkopplungsprozess in Richtung einer progressiven Verbesserung der Befindlichkeit und der Störungen des Patienten in Gang gesetzt und gefördert werden, der auch auf neuronaler Ebene Veränderungen bewirken soll (Grawe, 1998, 2004; Grawe & Grawe-Gerber, 1999):

Ressourcenaktivierende Interventionen vermitteln dem Patienten bedürfnisbefriedigende Erfahrungen, führen zu selbstwerterhöhenden Wahrnehmungen und verbessertem Wohlbefinden. Der Patient bemerkt somit durch stattfindende positive Veränderungen am eigenen Leib erste positive Wirkungen der Behandlung, wodurch sich seine Kooperationsbereitschaft und sein aktives Engagement für die Therapie erhöhen und auch die Bereitschaft zur Problembearbeitung wächst. Die erkennbaren Behandlungserfolge wirken wiederum als Kompetenzbestätigung auf den Therapeuten, verstärken sein Engagement und die Wertschätzung des Patienten, wodurch dieser sich in der Erwartung bestätigt sieht, dass der Therapeut gemeinsam mit ihm am gleichen Strang zieht und ihm helfen kann. Diese beiderseitigen positiven Erfahrungen führen zu weiteren Verbesserungen der Therapiebeziehung und stärken zunehmend das Vertrauen des Patienten in die Behandlungskompetenz des Therapeuten. (zitiert aus Klemenz, 2009)

|24|In der ressourcenorientierten Psychotherapie geht es neben der Vermittlung und Förderung von bedürfnisbefriedigenden Erfahrungen auch darum, Patienten zu unterstützen, sich besser vor einer weiteren Verletzung ihrer psychischen Grundbedürfnisse schützen zu können. An dieser Stelle kommen störungsspezifische Behandlungsstrategien zum Zug, mit deren Hilfe psychopathologische Teufelskreise und Ablaufmuster durchbrochen werden sollen und diese durch adaptive Verhaltensweisen ersetzen (Grosse Holtforth & Schneider, 2008). Im Gegensatz zu Ansätzen aus der „Positiven Psychologie“ geht es bei der ressourcenorientierten Psychotherapie – so wie wir sie verstehen und praktizieren – also nicht um ein ausschließliches Fokussieren von positiven Aspekten, sondern um ein verzahntes Miteinander aus Ressourcenaktivierung und störungsbezogener Problemarbeit.

An dieser Stelle kommen wir zu Annäherungs- und Vermeidungszielen. Die Erfüllung von Bedürfnissen gelingt am ehesten über eine Orientierung an Annäherungszielen („Freunde einladen“, „Kontakt halten“, „mehr bewegen“, „Bewerbungen schreiben“ etc.). In der ressourcenorientierten Psychotherapie wird Annäherungsverhalten durch die Aktivierung von Ressourcenpotenzialen gefördert. Das Realisieren von Vermeidungszielen („nicht grübeln“, „nicht trinken“, „nicht den ganzen Tag auf dem Sofa verbringen“ etc.) dient dem Schutz vor der Verletzung von Bedürfnissen. Vermeidungsverhalten kann durch Störungsabbau reduziert werden (Grosse Holtforth & Castonguay, 2007; Grosse Holtforth & Schneider, 2008).

Bedeutung für die ressourcenorientierte therapeutische Praxis:

Verbesserung der Ressourcenrealisierung durch Ressourcenaktivierung: Wir Therapeuten sollten Patienten darin unterstützen, eigene Ressourcen zu identifizieren und sie in der Sitzung sowie im Alltag (wieder) erlebbar zu machen, da das Erleben dieser Ressourcen psychische Grundbedürfnisse stillt und damit bedeutsam für die psychische Gesundheit ist.

Ressourcenorientierte Therapie berücksichtigt ein Miteinander aus Ressourcenaktivierung und Problembewältigung.

Ressourcenaktivierung ist auf Annäherungsziele hin ausgerichtet!

2.4 Ressourcenaktivierung und Therapieerfolg

Einige Studien sprechen dafür, dass Ressourcenaktivierung als Mediatorfunktion eine direkte therapeutische Wirkung hat (Smith & Grawe, 2003; Schmied & Grawe, 2013). Problemlöseversuche von Patienten können allein durch Aufmerksamkeitslenkung auf ihre vorhandenen Ressourcen gefördert werden und ihre |25|Entwicklung damit in eine positive Richtung gelenkt werden. Smith (2001) konnte zeigen, dass Therapiesitzungen, die von Patienten als produktiv beurteilt wurden – also reich an Klärungs-, Bewältigungs- und Selbstwirksamkeitserfahrungen waren –, sich im Vergleich zu unproduktiven Sitzungen nicht durch das Ausmaß oder die Art an Problembearbeitung unterschieden, wohl aber hinsichtlich des Ausmaßes an Ressourcenaktivierung. Produktive Sitzungen zeichneten sich durch eine hohe Ressourcenaktivierung aus! Die gleichen Ergebnisse lieferten Studien, die Sitzungen miteinander verglichen aus Therapiephasen mit einer Verbesserung bzw. Verschlechterung des Wohlbefindens (Dick, 1999) sowie Sitzungen aus erfolgreichen Therapien und weniger erfolgreichen Therapien (Regli, Bieber, Mathier & Grawe, 2000). Stets waren positive Outcome-Variablen verbunden mit einer hohen Ressourcenaktivierung, während sich keine Unterschiede hinsichtlich der Problembearbeitung nachweisen ließen.

Beachte:

Ressourcenaktivierung wirkt sich direkt positiv auf das Therapiegeschehen aus!

Ressourcenaktivierung hat neben dem Fördern von Ressourcenpotenzial die Funktion, korrektive Erfahrungen bei der Problemaktivierung zu ermöglichen. Studien zeigen, dass Problemaktivierung nicht ausreicht, maladaptive Muster, sogenannte „Attraktoren“, im Gedächtnis zu verändern. Diese können nicht einfach gelöscht werden, sondern müssen durch neue Erfahrungen überschrieben werden. Der Attraktor ist jedoch gleichzeitig ein Wahrnehmungsfilter. Das bedeutet, wenn eine Problemaktualisierung stattfindet, wird die Erfahrung durch die „Brille der Störung“ gesehen und zur Störung passende Wahrnehmungen herausgefiltert, sodass keine korrektive Erfahrung gemacht wird. Erst die gleichzeitige Aktivierung von Ressourcen führt dazu, dass der maladaptive Informationsverarbeitungsprozess unterbrochen wird und ein Neulernen in Form einer Überschreibung des Attraktors stattfindet. Schmied spricht in diesem Zusammenhang von einer Moderatorfunktion von Ressourcenaktivierung für die problemfokussierte Arbeit in der Therapie (Smith & Grawe, 2003; Schmied & Grawe, 2013), für die es mittlerweile ausreichend empirische Hinweise gibt, z. B. aus dem Vergleich produktiver und unproduktiver Sitzungen bei hoher Problemaktivierung (Smith, Regli & Grawe, 1999), in unterschiedlichen Problembearbeitungsstadien (Dick, 1999; Smith, 2001), bei der Bearbeitung verschiedener Störungen (Dick, 1999; Dick, Grawe, Regli & Heim, 1999) und bei Klärungs- und Bewältigungsarbeit (Arnscheid, 1999; Smith, 2001). Ressourcenaktivierung trug in den genannten Studien im Stadium der Umsetzung von Veränderungen im Erleben und Verhalten in fast allen Arten der problembezogenen Arbeit dazu bei, dass die Therapiesitzungen als produktiver eingeschätzt wurden im Vergleich zu Sitzungen, in denen Problemaktivierung ohne Ressourcenaktivierung stattfand. |26|Weiterer Forschungsbedarf besteht tatsächlich darin, verschiedene Interventionen von Ressourcenaktivierung zu evaluieren hinsichtlich ihres Beitrags zur Verbesserung der Problembearbeitung im therapeutischen Veränderungsprozess.

Beachte:

Problemaktivierung allein ist also für die Veränderung von Erleben und Verhalten nicht hilfreich. Problemaktivierung scheint erst dann hilfreich zu sein, wenn gleichzeitig eine Ressourcenaktivierung stattfindet.

Schemmel, Schaller und Schössow (2013) haben die Rolle von Ressourcenaktivierung für die anderen drei wichtigsten Wirkfaktoren der Psychotherapie in einem Überblicksartikel folgendermaßen zusammengefasst:

Ressourcenaktivierung stärkt die Zuversicht und die Bereitschaft, sich bedrohlichen Situationen stellen zu wollen und zu können. Ressourcenaktivierung scheint dazu beizutragen, dass insgesamt eine veränderungsförderliche Atmosphäre entsteht – verbunden mit einem Zuwachs an Bewältigungszuversicht, Aktivität und Engagement der Klienten. Zuversichtlichere und engagiertere Klienten werden natürlich auch eher bereit sein, über alternative Ideen zur Problembewältigung (Wirkfaktor 3) nachzudenken und sie auszuprobieren oder sich mit ihren bewussten und unbewussten Annäherungs- und Vermeidungszielen auseinanderzusetzten, im Klärungsprozess (Wirkfaktor 4) weiterzukommen und neue Einsichten zu gewinnen. Insofern wirkt Ressourcenaktivierung auf die Umsetzung aller anderen Wirkfaktoren moderierend. Ressourcenaktivierung verbessert also das Klima für das Pflänzchen, „Veränderung“. (Schemmel, Schaller & Schössow, 2013, S. 140)

Für den ressourcenorientierten Therapeuten bedeutet dies, dass die Aktivierung von Ressourcen nicht ein „Zusatz“ oder eine „sinnvolle Ergänzung“ der störungsbezogenen Therapie darstellt, sondern einen sehr viel höheren Stellenwert in der therapeutischen Arbeit einnimmt: Ressourcenaktivierung bereitet den Nährboden für Veränderungen.

Beachte:

Die primäre Funktion von Ressourcenaktivierung in der Psychotherapie ist die Förderung des vorhandenen Ressourcenpotenzials. Die zweite wichtige Funktion von Ressourcenaktivierung besteht in der Förderung korrektiver Erfahrungen bei der Problemaktivierung.

Bedeutung für die ressourcenorientierte therapeutische Praxis:

Therapeuten brauchen Kompetenzen zur systematischen Ressourcenaktivierung bei ihren Patienten, um

•einerseits das Ressourcenpotenzial von Patienten zu fördern und damit das Wohlbefinden von Patienten zu verbessern und

•andererseits die in der Therapie angestrebten Veränderungsprozesse effektiver zu gestalten.

|27|2.5 Methoden der Ressourcenaktivierung

In der Literatur finden sich Vorschläge, Interventionen zur Ressourcenaktivierung dahingehend zu unterscheiden, ob es um eine inhaltliche Thematisierung von Ressourcen geht, oder um den Aspekt der prozessualen Ressourcenaktivierung, der sich überwiegend auf Beziehungsgestaltung bezieht (z. B. Flückiger & Wüsten, 2008; Klemenz, 2009). Uns kommt diese Unterscheidung sehr künstlich und auf die Bedürfnisse von Forschung ausgerichtet vor. In der Praxis findet Ressourcenaktivierung meist gleichzeitig auf mehreren Ebenen statt: Ressourcenaktivierung wird gelebt im Rückkopplungsprozess zwischen Patient und Therapeut, beim Sprechen über Ressourcen von einer Metaebene aus, beim inhaltlichen Vertiefen einzelner Ressourcenthemen etc. In diesem Sinne wollen wir nicht einzelne Interventionen bestimmten Ebenen zuordnen, sondern anhand von Interventionen diese Ebenen beschreiben, damit die vielschichtige Wirkung einfacher ressourcenaktivierender Übungen deutlich wird.