Auf nach Santiago! - Margit Rumpl - E-Book

Auf nach Santiago! E-Book

Margit Rumpl

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Beschreibung

Als ihr Hengstfohlen Galipolis geboren wird, beschließt Margit Rumpl, eines Tages mit ihm nach Santiago de Compostela zu reiten. Fast sechs Jahre später erfüllt sich die Autorin ihren Traum, sattelt ihr geliebtes Pferd und begibt sich auf den 3.100 km langen Ritt. Trotz vieler Schwierigkeiten und ihrer quälenden Asthmaanfälle denkt sie nie daran aufzugeben. Diese wunderbare Reise fernab jeglicher Alltagshektik bringt ihr neben abenteuerlichen Erlebnissen wertvolle Erfahrungen, unvergessliche Begegnungen und wichtige Erkenntnisse. Nur selbst den Jakobsweg zu wandern kann die Wirkung dieses starken Buches übertreffen!

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„Kein Weg ist lang mit einem

Freund an der Seite.“

Japanische Weisheit

Inhaltsverzeichnis

Aufbruch!

SCHWEIZ

FRANKREICH

Spanien

Letzte Etappe

Epilog

Vor beinahe zwanzig Jahren hatte ich eine Zeit lang in Südspanien, Andalusien, gelebt und dort unter anderem mit Pferden gearbeitet. Damals wurde mein Traum geboren, irgendwann vielleicht von diesem schönen Land aus bis in mein Heimatland Österreich zu reiten. Seither verfolgte mich dieser Gedanke unablässig, ich wusste, der richtige Zeitpunkt würde kommen, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Mein Leben wurde seit meiner Kindheit von meiner Liebe zu den Pferden und zur Natur bestimmt. Solange ich denken kann, bedeutete für mich Glück, vom Rücken eines Pferdes aus die Welt zu betrachten. Als dann in den letzten Jahren immer wieder vom legendären Jakobsweg zu hören war, wurde ich hellhörig. Eine Pilgerreise mit meinem Pferd – ja, das war es!

Mein ursprüngliches Vorhaben von Spanien nach Österreich zu reiten, würde ich ganz einfach umgekehrt angehen.

Santiago de Compostela sollte mein Ziel sein.

Am neunten März 2000 wurde mein erstes selbstgezogenes Fohlen geboren – ein Hengstchen, das ich auf den Namen Galipolis taufte. Als es so süß und klein im Stroh lag, wusste ich, mit diesem Pferdchen würde ich meinen Ritt nach Santiago machen!

Doch ein paar Jahre musste ich mich noch gedulden.

Er wuchs wohlbehütet mit drei anderen Hengstfohlen auf, die nach ihm auf unserem Hof geboren wurden. Galipolis entwickelte sich zu einem hübschen, intelligenten Pferd mit hervorragenden Grundgangarten und mit einem sehr angenehmen Charakter – stets lernbegierig und sehr motiviert bei der Ausbildung, mit der ich im Alter von dreieinhalb Jahren begann. Im Gelände war er von Anfang an trittsicher, fleißig und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Es machte wirklich Spaß, ihn zu reiten.

2004 wurde mein Mann nach einem Arbeitsunfall längere Zeit arbeitslos. So schlimm das auch war, für mich war nun die Zeit gekommen, meinen Traum zu verwirklichen. Die Beziehung zu meinem Mann war durch das ständige Beisammensein etwas angespannt, auch deshalb musste ich dringend mal raus aus dem Alltagstrott.

Die Zeit war reif für den Ritt nach Santiago, in jeder Hinsicht!

Mein Sohn war mit seinen sechszehn Jahren schon sehr selbstständig, er machte eine Lehre als Konditor und würde wohl ein paar Monate ohne Mama auskommen.

Beruflich hatte ich meinen Kindheitstraum verwirklicht, ich führte einen Reiterhof mit Einstellpferden, bildete Reiter und Pferde aus und nebenbei züchtete ich noch im kleinen Rahmen Warmblutpferde und Andalusier.

Den Hof hatten mein Mann und ich vor einigen Jahren gekauft. Es fiel mir nicht ganz leicht, einfach für ein paar Monate wegzugehen. Aber ich hatte in den letzten Jahren meine gesamte Energie in diesen eigenen Reitstall gesteckt und fühlte mich nun ausgelaugt und müde. Ich liebte meine Arbeit, aber ich brauchte unbedingt eine Veränderung, eine Verlangsamung, die ersten Anzeichen eines „burn-outs“ konnte ich kaum noch verdrängen.

Als ich meine Familie vor vollendete Tatsachen stellte und ihnen mitteilte, was ich vorhatte, hielten sie mich bestimmt für verrückt und glaubten nicht daran, dass ich wirklich vorhatte, über 3.000 Kilometer nach Spanien zu reiten.

Aber ich war fest dazu entschlossen und hatte nicht vor, mich durch pessimistische „Voraussagen“ von meinem Vorhaben abbringen zu lassen.

Meine Schulpferde bekamen Mitreiter, der Reitunterricht wurde einer fähigen, netten Einstellerin übergeben und eine Stallhilfe hatte ich ja sowieso eingestellt. Und meine Mutter versprach, ab und zu im Haushalt auszuhelfen. Mein Mann würde die Leitung des Reitbetriebes übernehmen, ich hatte Vertrauen, dass alles klappen würde. Man denkt doch meistens, dass man unabkömmlich ist, aber das stimmt nicht! Auch mir würde es sehr gut tun, alles Gewohnte eine Zeit lang loszulassen.

Voller Vorfreude begann ich nun mit den Vorbereitungen:

Ich kaufte Pilgerführer in Buchform, studierte sie hingebungsvoll, es gibt sogar herrliche Listen, was man alles einpacken soll! Leider fand ich keine Informationen über Pilgerreisen mit Pferd. Es gibt tolle Herbergsführer, aber keine Angaben, wo man auf dem legendären Jakobsweg mit einem Pferd übernachten könnte. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken, alles würde sich ergeben, so wie es gut war.

Sorgen machte mir die Auswahl des besten Sattels, er musste meinem Pferd gut passen, ich sollte mich darauf wohl fühlen und außerdem durfte er auch nicht zu schwer sein.

Unzählige Trekking- und Westernsättel probierte ich aus, keiner sagte mir richtig zu, ich war schon ganz verzweifelt. Schließlich war dies eine wichtige Entscheidung, mein Pferd sollte damit doch monatelang bequem laufen können, ohne Druckstellen und Schmerzen zu bekommen.

Ich gab die Sattelsuche auf und entschied mich, meinen alten Dressursattel, der Galipolis gut passte und den ich wirklich liebte, zu nehmen. Eine etwas ungewöhnliche Wahl, aber mein Gefühl sagte mir, dies sei die beste Entscheidung.

Ein Sattel ist für das Pferd wie ein paar Schuhe für den Wanderer!

Die Befestigung der Satteltaschen war nicht so einfach auf dem Dressursattel, aber mit etwas Fantasie und zahlreichen Bändern und Karabinern war auch das kein großes Problem.

Rückblickend würde ich einen Sattel mit einer größeren Auflagefläche bevorzugen wie zum Beispiel den „Sommer Evolution Wanderreitsattel“, den ich jetzt benutze.

Aufbruch!

Die letzten Nächte vor dem Aufbruch schlief ich schlecht. Ich begann mein Vorhaben in Frage zu stellen: War ich nicht doch verrückt, 3.100 km durch halb Europa, alleine, ohne Begleitfahrzeug, einfach drauf los zureiten?

Ein bisschen verrückt musste ich wohl sein, um so etwas in Angriff zu nehmen, doch das Abenteuer lockte, es gab für mich kein Zurück – diese Sehnsucht, das Ziehen in meiner Brust beim Gedanken an mein Vorhaben und die damit verbundene Vorfreude konnte nur bedeuten, dass ich das Richtige tat!

Fernweh war schon immer ein Teil meines Lebens gewesen, und das musste ich auch von Zeit zu Zeit ausleben ...

Für ein gezieltes Aufbautraining meines Pferdes fehlte mir die Zeit, allerdings machte ich mir nicht allzu große Sorgen deswegen, da mein Hengst den größten Teil seiner Weidezeit damit verbrachte, den Zaun entlang zu laufen und dadurch eine gute Grundkondition aufbaute. Leider war er zu seinem Koppelpartner, einem Wallach, ziemlich aggressiv geworden, daher musste er seit einigen Wochen alleine bleiben. Das tat mir sehr leid, aber da viele Stuten auf unserem Hof lebten, duldete Galipolis seit dem Frühjahr keinen möglichen Rivalen neben sich, dieser wurde gehetzt und gebissen. Nach meiner Rückkehr musste ich mir etwas überlegen, denn Einzelhaltung soll nicht sein Schicksal bleiben.

Im Sommer herrschte immer Hochbetrieb in unserem Stall. Ich gab Reitunterricht, veranstaltete Reitercamps für Kinder, die zwar gute Einnahmen brachten, aber auch viel Arbeit, an den Wochenenden besuchte ich mit einigen meiner Reitschüler kleinere Turniere.

Außerdem vertrat ich als Obfrau unseren Reitclub in der Öffentlichkeit, wir luden jährlich zu einem Reitturnier ein und viele meiner Schüler legten jeden Sommer Prüfungen wie Reiterpass, -nadel oder Lizenz ab, darauf musste ich sie reiterlich vorbereiten. Kurz gesagt, meine Tage waren vollkommen ausgefüllt.

Neben all den anderen Arbeiten, die auf dem Hof anfielen, blieb mir dadurch nur wenig Zeit für mein Pferd Galipolis. Trotzdem unternahm ich längere Ausritte mit ihm. Unser bergiges Alpenvorland eignete sich gut für Kraft- und Ausdauertraining.

Am achzehnten August war es endlich soweit.

Nach der Abschiedsparty, bei der ich zu spüren bekam, dass noch immer keiner wirklich an das Gelingen meines Vorhabens glaubte (außer mir natürlich), verließen wir am ersten schönen Tag nach einer verregneten Woche unser Zuhause.

Mit gemischten Gefühlen ritt ich weg – etwas unsicher, mit einer Spur schlechtem Gewissen meiner Familie gegenüber, aber mit jedem zurückgelegten Kilometer wuchsen mein Glück und die Lust nach Abenteuer und dem Unterwegssein ...

Ich denke, mein Vierbeiner ahnte, dass dies kein normaler Ausritt war, denn am ersten Tag, der uns nach Ludwigsdorf bei Zeillern führte, war er ungewöhnlich faul und unwillig. Ständig wollte er umkehren. So kannte ich meinen immer fleißigen Galipolis überhaupt nicht.

An diesem heißen Sommertag überquerten wir unseren ersten Berg, den Hochkogel auf der asphaltierten Straße. Ich fand keine gute Alternative.

Die ersten Tage ging ich viel zu Fuß, um mein Pferd langsam an die Strapazen zu gewöhnen. Ich hatte mir vor meiner Reise einige Reitställe in Österreich, die auf unserer Strecke lagen, aus dem Internet gesucht. Meine erste Station war ein kleiner, neuer Hof, wo wir überaus herzlich aufgenommen wurden. Obwohl ich mit einem Schlafplatz im Reiterstüberl zufrieden gewesen wäre, durfte ich ein gemütliches Zimmer beziehen.

Am zweiten Tag endlich stieß ich auf die Jakobswegmarkierungen bei Zeillern. Hier holte ich mir beim Pfarrer meinen ersten Stempel für meinen Pilgerausweis. Dabei wäre mir beinahe mein Pferd weggelaufen, wäre nicht in der Nähe des Pfarrhauses ein Apfelbaum mit saftigem Fallobst gewesen, dem Galipolis nicht widerstehen konnte.

Ich hatte einen Halsriemen aus dickem, dreifach genähten Leder und einen Anbindestrick mit einem starken Karabiner gekauft um kein Risiko einzugehen. Ein Hengst kann enorme Kräfte entwickeln, um sich zu befreien, wenn Pferdedamen in der Nähe sind und ich wollte diesbezüglich kein Risiko eingehen.

Nun aber, beim ersten Halt – ich ließ mein Pferd doch nur kurze Zeit unbeaufsichtigt – löste sich der Karabiner von diesem teuren Strick wegen eines Verarbeitungsfehlers, den ich beim Kauf nicht bemerkt hatte. Darüber ärgerte ich mich kurz, aber mit einem ordentlichen Knoten war das Problem für den Rest der Reise behoben.

Die Markierungen des Jakobsweges auf dem ersten Teil des Weges waren kaum zu finden, kleine Holztäfelchen mit der Jakobsmuschel waren meist an Bäumen angebracht. Versteckt, überwachsen von Gestrüpp oder verwittert und schlecht erkennbar. Ohne die gute Beschreibung meines Buches hätte ich den Weg kaum gefunden. Natürlich hatte ich mir zusätzlich eine Karte der Gegend besorgt, im Maßstab 1:200.000, das genügte.

Nicht immer folgten wir dem beschilderten Jakobsweg, da ich gerne größere Orte mied und statt asphaltierten Straßen, wenn möglich, weichere Feldwege benutzte.

Unser Weg führte uns an diesem Tag nach St. Valentin, Galipolis war nachts wiederum in einem komfortablen Reitstall und ich schlief bei Verwandten meines Mannes.

Um die erste größere Stadt, Linz zu umgehen, hielt ich mich südlich der Donau, der Jakobsweg dagegen führte bei Mauthausen nördlich der Donau weiter.

Nun verritt ich mich zum ersten Mal. Ärgerlich, denn es war sehr heiß und die Mücken unausstehlich. Mein Pferd sollte noch eine richtige Hysterie gegen diese Plagegeister entwickeln ...

Im Glauben, bereits am Weikerlsee angekommen zu sein, ritt ich einen Seitenarm der Donau entlang, eine halbe Stunde kostete uns dieser Irrtum. Aber mir blieb ja noch viel Zeit um mich im Karten lesen zu üben. Nach sechseinhalb Stunden erreichten wir schließlich unser Ziel, einen großen Reitstall in Linz-Ebelsberg. An Kondition fehlte es mir gewaltig, sämtliche Muskeln schmerzten. Ob es meinem Pferd auch so erging? Er machte zum Glück einen entspannten Eindruck. Ich duschte ihn kalt, er schien es zu genießen genau wie die Pferdegesellschaft in den Nachbarboxen nach ausgiebigem Wälzen in der Reithalle. Wir wurden wieder sehr gastfreundlich aufgenommen, ich durfte in einem leeren Pferdepflegerzimmer gratis übernachten.

Eine tolle Erfahrung von Beginn an: Erzählte ich von meinem Vorhaben, wurde ich oft eingeladen. Obwohl ich ungläubige zweifelnde Blicke erntete ... es half mir sehr, denn so eine lange Reise mit Pferd ist natürlich eine kostspielige Sache. Ich lernte aber sehr schnell, mit dem Nötigsten auszukommen und das tat mir gut. Außerdem war ich oft gezwungen, auf fremde Menschen als Bittstellerin zuzugehen, zu fragen: Können Sie mir helfen? Kann ich bei Ihnen nächtigen?

Zelt und mobiler Weidezaun wären natürlich eine Alternative gewesen und hätte den Ritt anspruchsvoller und autarker gestaltet. Doch ohne Packpferd? Zuviel Gepäck ...

Es kostete mich am Anfang Überwindung, da ich meistens versuchte, allein mit allem klarzukommen. Nun durfte ich endlich notgedrungen lernen, Hilfe von anderen zu erbitten und anzunehmen – eine wertvolle Erfahrung des Pilgerns.

Diese Strecke der Donau entlang war wunderschön – weiche, ebene Wege, herrlich zu reiten. Wären die Schwärme von langbeinigen rücksichtslos lästigen Mücken mit den schmerzhaften Stichen nicht gewesen ...

Viele Etappen entlang an traumhaften Flüssen sollten noch folgen: Traun, Rhein, Rhone, Lot, Garonne ... aber noch war ich am Beginn meines Abenteuers. Einige tausend Kilometer vor mir zu haben schien zu diesem Zeitpunkt irgendwie irreal.

Andererseits zweifelte ich nie am Erfolg meines Vorhabens, wenn auch manchmal das Gewissen plagte: Mutete ich meinem doch sehr jungen Pferd zuviel zu? War es nicht auch sehr egoistisch, einfach für Monate meine Familie zu verlassen? Diese Sorgen quälten mich anfangs ab und zu. Aber ich war schon infiziert – ein ganz besonderer Virus, der (Sehn-)Sucht – auf nach Santiago!

Andere Pilger, die zu Fuß meinen Weg kreuzten, bestätigten mir dieses Phänomen: Man wacht morgens auf und der Drang ist da, egal ob es regnet oder einem die Hitze zu schaffen macht – immer weiter, weiter!

Ein sehr gutes Gefühl, man marschiert einen Berg rauf und will unbedingt da oben ankommen, um zu wissen, was dahinter ist. Das Gleiche passiert bei jeder Kurve. Was erwartet einen? Und schon kommt die nächste ...

Ich war schon immer ein sehr naturverbundener Mensch. Manchmal war mir zum Weinen, dann zum Jubeln, Singen, Beten, wenn ich durch stille Wälder, über Berge oder durch Felder ritt. Hier fühlte ich mich ganz, Zuhause, bei mir – begleitet von der Präsenz meines geliebten Gefährten, sein Schnauben, seine Kraft, sein Vertrauen und diese Sanftheit seiner Augen.

Mit allen Sinnen nahm ich bei dieser langsamen Fortbewegung das Leben um mich herum auf. Man sieht plötzlich so vieles, woran man normalerweise in Gedanken versunken vorbeihastet. Der Kopf wird stiller, das Herz spürbarer.

Tiefe Dankbarkeit erfüllte mich, auf dieser herrlichen Erde sein zu dürfen. Für mich war es richtig, ohne Begleitung zu reisen, niemand lenkte mich ab, ich brauchte diese Zeit um nur mit mir alleine zu sein, abgesehen von meinem vierbeinigen Kameraden. Abends traf ich ohnehin meist liebenswerte Menschen.

Der Weg von Linz-Ebelsberg nach Stadl-Paura an einem Tag war unsere erste richtig harte Prüfung.

Der Tag begann mit schönem Wetter, aber allmählich wurde es sehr wechselhaft. Mal Regen, mal Sonne, richtig ermüdend. Ich wollte zu einem Bekannten nach Stadl-Paura, der einen Stall mit prächtigen Friesen hatte und uns ein Quartier geben würde. Leider musste ich nach der Stadt Wels die Traun verlassen da der Uferweg nicht reitbar war. Die Mücken waren sowieso unerträglich gewesen. Nun mussten wir eine ziemlich lange Strecke auf asphaltierten Straßen zurücklegen. Auf den letzten mühsamen Kilometern wurde es dunkel und es begann heftig zu regnen. Völlig erschöpft erreichten wir unser Nachtquartier nach über neun Stunden. Zu viel, waren wir doch beide konditionell noch nicht top. Ich nahm mir vor, in Zukunft morgens früher aufzubrechen. Leider war ich ein richtiger Morgenmuffel.

Erschöpft, ohne Abendessen schlief ich sogleich auf meiner Liege im Reiterstüberl ein, nachdem ich Galipolis gut versorgt in einer geräumigen Box untergebracht hatte. Nachts hörte ich ihn wiehern. Ob er wohl Heimweh hatte? Oder nur Sehnsucht nach einer der hübschen Friesenstuten im Stall?

Vielleicht träumte ich es auch nur.

Mich hatte der Ritt vom ersten Tag an in seinen Bann gezogen, ich lebte endlich in der Gegenwart, genoss oder litt jede Minute dieses Pilgerlebens intensiv, es war so anders, zwar mit Strapazen verbunden, aber gleichzeitig so einfach ohne den ganzen Ballast und Müll, den man so im Laufe der Zeit anhäuft an materiellen und mentalen Dingen.

Ich hatte das bald weitgehend hinter mir gelassen und fühlte eine Freiheit, die mir sehr gut tat. Auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit sein würde und ich wieder in den Alltag mit seinen ganzen Schwierigkeiten und oft unnötigen, selbsterschaffenen Problemen zurückkehren musste. Jetzt hatte ich Zeit um diese Sehnsucht nach Freiheit und einfachem Dasein auszuleben.

Wie wenig ich doch in meinen Packtaschen mitgenommen hatte und es fehlte an nichts!

Zwei Jodpurhosen, angenehm zum Reiten und bequem zum Marschieren, vier T-Shirts, eine Fleecejacke, lange Thermo-Unterwäsche in weiser Voraussicht, viermal Unterwäsche und Socken, Regenhose und einen Wachsmantel als Regenschutz, der allerdings zwei Kilo wog, und den ich bald nach Hause schicken sollte wegen des unnötig hohen Gewichts. Ich kaufte mir stattdessen einen dünnen Regenponcho, der viel angenehmer war und auch nur wenig Platz benötigte.

Den meisten Platz brauchten die Toiletteartikel. Man glaubt kaum, was Zahnpaste, Duschgel, Cremes, ... wiegen, auch wenn ich meist nur ganz kleine Packungen bei mir hatte. Ich war streng mit mir beim Einpacken gewesen und hatte nur wirklich nötige Dinge mitgenommen, trotzdem – es war eine ganze Menge.

Einen großen Glücksgriff hatte ich mit meinen Lowa Wanderschuhen gemacht. Sie waren mit 199 Euro zwar sehr teuer für meinen Geschmack, aber diese Ausgabe hatte sich gelohnt. Meine Füße dankten es mir fast vier Monate lang.

Der nächste Tag, Tag fünf unserer Reise, führte uns durch einen einsamen, schönen Wald bis Desselbrunn in Oberösterreich. Wir befanden uns nicht am markierten Jakobsweg, sondern benutzten einen schöneren, leicht reitbaren Alternativweg, den mir mein letzter Gastgeber Wolfgang verraten hatte. Ich war ihm dafür sehr dankbar und nutzte auch im Laufe der weiteren Reise noch oft die Ortskenntnisse der ansässigen Bevölkerung.

Mittags fand ich ein kleines Gasthaus mit Anbindemöglichkeit für Galipolis und gönnte mir ein seltenes, warmes Mittagessen.

Normalerweise zog ich es vor, in einem Supermarkt einzukaufen und auf einer saftigen Wiese Picknick für uns beide zu machen. Schon nach einigen Tagen verzichtete ich darauf Galipolis dabei anzubinden, vorausgesetzt es waren keine anderen Pferde in der Nähe.

In Vöcklabruck fand ich Aufnahme in einem Reitstall und abermals schlief ich in einem Reiterstüberl neben einem kleinen Gasofen, denn es war kalt und meine vom Regen nasse Kleidung konnte über Nacht trocknen. Nun regnete es täglich immer wieder und meine gesamte Kleidung fühlte sich bereits unangenehm feucht an.

Am nächsten Nachmittag verzweifelte ich beinahe, wir kamen in ein heftiges Gewitter und es regnete in Strömen. Sieben Kilometer trennten uns von meinem geplanten Quartier. Ich ritt eben durch einen kleinen Wald und wünschte mir nichts sehnlicher als eine trockene, geschützte Zuflucht.

Das Universum meinte es gut mit uns – ich traute kaum meinen Augen: Der Wald lichtete sich und plötzlich lag eine schöne Reitanlage vor uns. Welch Freude!

Solche Zufälle, schnell erfüllte Wünsche und Hilfe bei Sorgen, sollte ich noch oft erfahren auf meinem Jakobsweg.

Die Besitzerin war leider verreist, aber ihre kleine Tochter rief sie an und wir durften bleiben. Das Vertrauen rührte mich, das kleine Mädchen wies mir ein Zimmer in ihrem schönen Haus zu. Die Hausherrin lernte ich erst am nächsten Morgen beim Frühstück kennen, da sie erst spät in der Nacht heimkehrte.

Es ist schon unglaublich, dass diese Dame mir Unterkunft gewährte, ohne mich zu sehen. Schön, dass es Menschen gibt, die noch vertrauen können.

Beim Frühstück erfuhr ich dann ihre traurige Geschichte. Der Ehemann und Vater lag mit Krebs im Endstadium (wie kalt das klingt ...) im Krankenhaus. Ich dachte noch oft an diese Familie später und bat Gott, ihnen beizustehen.

Ich glaube fest an die mentale Kraft der Gedanken die uns verbindet und Positives bewirken kann.

Manche Menschen sagen, dies sei Unsinn, aber für mich ist das so sicher wie eine Telefonverbindung.

Wir haben unsere Fähigkeiten verkümmern lassen. Versteht man sich nicht oft ohne Worte oder weiß im Vorraus, was uns jemand sagen will, wenn er zu sprechen beginnt? Weiß man nicht oft schon beim Läuten des Telefons, wer dran ist? Also glaube ich auch daran, dass man Botschaften mental von Herz zu Herz senden kann.

Doch zurück zu meiner Reise:

Der siebente Tag entwickelte sich zu einem Gewaltmarsch bei teilweise heftigem Regen. Ich näherte mich dem Bundesland Salzburg. Bis jetzt hatten wir nicht allzu viele Höhenunterschiede zu bewältigen gehabt, der heutige Tag hatte es aber in sich.

Bei einem Bauern lief uns eine kleine Shetlandponystute hinterher, die frei beim Haus gehalten wurde. Obwohl die Besitzer dabeistanden, konnten sie sie nicht zurückhalten, sie verfolgte uns den Berg hinauf. Die Bäuerin lief schreiend hinterher und fing das freche Tier ein, dieses riss sich aber immer wieder los und schon war es wieder hinter uns.

Es war zermürbend, ich stoppte, bis die Stute gefangen war, und kaum glaubte ich, sie endlich los zu sein, kam sie wieder mit ihren kurzen Beinchen angaloppiert! Naja, Galipolis war auch ein hübsches Hengsti – wenn aber ein bisschen zu groß ...

Als die Ponystute endlich, unter Widerstand, abgeführt wurde, war es spät, und ich hatte noch zwölf Kilometer vor mir, denn ich hatte wiederum per Telefon um ein Nachtquartier angefragt. Auch diese Adresse hatte ich im Internet gefunden. Wir erreichten den Wallersee bei herrlichem Sonnenuntergang. Schmale Wege führten uns den See entlang, die bestimmt nicht für Pferde angelegt waren. Die Dunkelheit erreichte uns schneller als wir unser Ziel.

Beinahe schlief ich schon beim Abendessen ein. Meine Gastgeberin hatte sich Mühe gegeben und wollte mir eine fette Käsekrainer aufzwingen und sich mit mir unterhalten. Ich aber wollte nur schlafen, und würgte schnell ein paar Butterbrote herunter.

Der nächste Tag wurde unser erster Ruhetag. Galipolis durfte den ganzen Tag auf einer großen Weide verbringen und nur Pferd sein. Ich aber litt hier bei diesen gastfreundlichen Menschen Qualen. Zu viele Katzen – siebzehn um genau zu sein – und Hunde waren im Haus und ich litt seit Jahren unter einer Allergie gegen Katzen, einige Pollen und Hausstaubmilben. Meine Augen schwollen zu, die Nase rann ohne Pause, die Niesanfälle waren unerträglich und nachts dachte ich, ich müsste ersticken. In meinem Zimmer roch es auch ziemlich nach Katze und Hund – sie schliefen hier, wenn kein Besuch da war.

Ich hätte wohl besser im Gasthaus in der Nähe bleiben sollen, aber ich wurde wieder mal so nett willkommen geheißen und verwöhnt, dass ich die Gastfreundschaft nicht ausschlagen wollte. Also holte ich mir gleich am nächsten Morgen ein Antiallergikum aus der Apotheke. Mein Notfall-Asthmaspray allein reichte nicht, um meine Beschwerden zu lindern.

Ich bekam viel Aufmerksamkeit und Zuneigung, wohl weil es für die Menschen etwas Besonderes war, wenn sie meinen Erzählungen lauschten, ich pilgere nach Santiago de Compostela, auch wenn die meisten nicht wirklich an den Erfolg meines Unternehmens glaubten.

Menschen fiel es leicht, einer Fremden auf Durchreise ihre Sorgen anzuvertrauen. Viele schütteten mir ihr Herz aus, und so hatte ich das Gefühl, etwas zurückgeben zu können als Dank für so viel Gastfreundschaft – einfach durch Zuhören. Wir alle möchten gerne gehört werden.

Ich begegnete Menschen, mit denen hätte ich gerne mehr Zeit verbracht, ich fühlte, es könnte Freundschaft daraus werden. Aber ich musste mich immer wieder trennen, wollte ich mein Ziel nicht aus den Augen verlieren.

So lernte auch ich loslassen – jeden Tag ein wenig mehr. Diese Pilgerreise war ein Abenteuer voller neuer Erkenntnisse. Durch das Alleinreisen hatte ich Gelegenheit, mich auf Fremde(s) einzulassen und vieles zu lernen beziehungsweise neu zu überdenken.

Tags darauf traf ich im Wald bei Maria Plain auf eine Wanderin, die mir erzählte, sie sei den Schweizer Jakobsweg gegangen. Und sie warnte mich eindringlich, dass der Brünnigpass mit dem Pferd auf dem markierten Weg unpassierbar sei, ich müsse die Straße nehmen und sollte das nur nicht vergessen. Einige Wochen später würde ich mich daran erinnern ...

Wir passierten die Stadt Salzburg nur am Rande, vorbei am Fußballstadion und am Casino, kurz darauf waren wir schon wieder auf schönen, ruhigen Wegen unterwegs. Ich hatte mir wieder anhand von Karten Alternativwege gesucht, da ich nicht mitten durch die Stadt wollte. Irgendwo traf ich immer wieder auf die Jakobswegmarkierungen. Die folgende Nacht verbrachten wir in Walserberg bei einem Wirten mit ziemlich schäbigem Pferdestall. Ich aber freute mich über ein sauberes Zimmer. Meine Kurzatmigkeit war glücklicherweise schnell wieder verschwunden. Danach folgte eine wunderschöne Strecke über das „kleine deutsche Eck“. Hier brachte ich uns aber in die erste wirklich gefährliche Lage. Ich hatte die Markierung verloren und fragte ein junges Pärchen nach dem Weg nach Unken. Sie zeigten mir den Wanderweg durch die Aschauerklamm. Ich fragte noch, ob man diesen mit einem Pferd passieren kann, denn das Wort „Klamm“ warnte mich. Doch sie meinten mit Blick auf mein Pferd: „Kein Problem, der macht das schon!“

Doch schon nach hundert Meter begannen die Schwierigkeiten. Mein Herz raste vor Angst, als wir eine schräge Felsplatte überqueren mussten. Ich hoffte noch, dahinter würde es einfacher werden. Aber bald schon waren wir zur Umkehr gezwungen, unmöglich konnte Galipolis diesen immer enger werdenden Steig bewältigen. Er war durch die Packtaschen ja ziemlich breit und ich hatte Angst, er könnte in den Bach stürzen. Dieser lag zwar nur einige Meter tief, aber ein Absturz über den schroffen Felsen hätte unsere Reise schnell beendet.

Ich bewunderte mein trittsicheres Pferd, der mir ohne zu zögern voller Vertrauen folgte, und als wir wieder auf sicherem Areal waren, schwor ich mir, ihn nicht mehr in Gefahr zu bringen und nie wieder eine Klamm oder einen Steig zu betreten! Eigentlich ja logisch und mein Bauchgefühl hatte mich auch gewarnt, doch der Kopf hatte sich durchgesetzt oder die Bequemlichkeit? Ich wollte den Aussagen der unbekannten, zufällig Getroffenen vertrauen und mir nicht die Mühe machen, selber rauszufinden, ob es möglich ist ... Ja, ich hatte noch zu lernen!

Und so folgten wir die nächsten Kilometer lieber der asphaltierten Straße.

Spät erreichten wir unser nächstes Quartier. Galipolis blieb diesmal zum ersten Mal nachts auf der Weide eines kleinen Reitstalles. Die Boxen waren alle besetzt. Anfangs machte ich mir große Sorgen, mein Hengst könnte ausbrechen und auf die naheliegenden Bahngleise laufen. Aber das viele saftige Gras ließ ihn wohl gar nicht auf diese Idee kommen und das elektrische Weideband hielt ihn davon ab, sich auf die Suche nach anderen Pferden zu begeben. Ich durfte im Gartenhäuschen auf einer Liege schlafen.

Als nachts ein heftiges Gewitter tobte und es arg regnete, fand ich keinen Schlaf mehr, ich machte mir Sorgen um meinen vierbeinigen Freund. Dieser litt wahrscheinlich nicht so sehr in dieser nassen Nacht, aber obwohl ich doch schon Jahrzehnte mit Pferden zu tut hatte und weiß, dass ein wenig Regen nicht schlimm ist, so sorgte ich mich trotzdem um mein Pferd. Galipolis war mein Kamerad, mein Weggefährte, ich war für ihn verantwortlich und ein trockener Platz zum Übernachten bei so einer Tour war natürlich besser geeignet um bei Kräften zu bleiben. Morgens weckte mich die junge Frau, die uns hierher gebracht hatte und lud mich zum Frühstück ein. Ich hatte sie am Abend „zufällig“ nach einer Bleibe gefragt und sie hatte mich zu diesem Stall in der Nähe ihres Hauses geführt, wo sie selbst ein Pferd eingestellt hatte. Wieder mal war ich gerührt über so viel Freundlichkeit.

Nach einem gemütlichen Kaffeeplausch zog ich mit meinem Pferd guten Mutes weiter. Das herrliche Tirol lag vor uns. Entlang der Saalach und dem Loferbach bei traumhaftem Wetter ritt ich bis nach Waidrach, wo ich wiederum einen netten Reitstall fand, und ich nebenan, bei einem Bauern mit Fremdenzimmer, nächtigte.

Auch der folgende Tag war einfach schön. Flankiert vom mächtigen Gebirgszug „wilder Kaiser“ bewegten wir uns auf gepflegten Wanderwegen. Galipolis war motiviert, spitzte seine Ohren und ein leises Kitzeln meiner Wade genügte und der Wind pfiff im Galopp um meine Ohren. Als wir in Söll ankamen, hatten wir wieder ca. sechsunddreißig Kilometer hinter uns, genug für mich, um später todmüde ins Bett zu fallen.

Meine Pension lag etwas oberhalb des Ortes, einige hundert Meter vom Bauernhof entfernt, wo Galipolis die Nacht verbringen konnte. Er hatte einen leeren Kuhstall für sich alleine und genug Heu zu fressen, außerdem saftige Äpfel, die ich vor dem Haus eingesammelt hatte. Ausgeruht und gut gelaunt erwachte ich tags darauf, nichtahnend, dass uns wieder eine anstrengende Strecke erwartete. Das Wetter war herrlich, die Wege anfangs wunderbar – ich war glücklich.

Der gekennzeichnete Jakobsweg führte am Inn entlang, ich wollte aber eine Alternativroute nach Breitenbach nehmen, da durch das Hochwasser der vergangenen Tage die Wanderwege am Flussufer unpassierbar waren. In einem kleinen Wald verlor ich jedoch die Markierung meines Weges und entschied mich bei einer Gabelung für den breiten, bequemeren Weg. Die zweite Variante war ein verwachsener, kaum erkennbarer Pfad. Doch leider erwies sich der anfangs so schön aussehende bald als Irrweg. Es ging bergab, darüber freute ich mich noch, doch plötzlich befanden wir uns wieder am Inn. Der Weg wurde zum Steig und dieser bald zur Hälfte weggespült. Wir waren genau dort, wo ich den Ratschlägen zufolge nicht hin sollte.

Ich kämpfte mit den Tränen. Die ganze Strecke mussten wir wieder bergauf zurück und es war heiß. Natürlich ging ich solche Strecken immer zu Fuß, um mein Pferd nicht unnötig zu belasten. Der Arme war sowieso schon völlig am Ende wegen der vielen angriffslustigen Mücken, die ihn unablässig attackierten. Das Mückenspray half nicht wirklich bei einem verschwitzten Pferd.

Wie es auch oft im Leben geschieht – ich hatte mich für den scheinbar leichteren Weg entschieden und war bald vor einer Sackgasse gestanden. Der anfangs schwierig erscheinende Weg erweist sich dann doch oft als der richtige, oder?

Endlich erreichten wir wieder die Weggabelung und nach einigen Metern durch diesen engen, verwachsenen Pfad waren wir auf einer schönen Wiese und bald darauf in unserem Quartier. Eigentlich wollte ich ja weiter bis zur nächsten Ortschaft, aber wir standen plötzlich vor einem Bauernhof mit Zimmervermietung und Pferden. Ich entschied, gleich hier Rast zu machen. Manchmal schafft man halt nicht, was man sich für den Tag vorgenommen hatte – Basta! Auch Erwartungen an uns selbst dürfen losgelassen werden.

Es gefiel mir hier gut. Galipolis bekam eine Koppel vor dem Haus, wo er sich bei reichlich Futter erholen konnte. Da kein Getreide zu finden war (obwohl ungefähr zwanzig Pferde auf dem Hof lebten), wurde kurzerhand der Altbauer angerufen, der auf der Alm Vieh hütete, und dieser nette Herr brachte sogleich einen Sack Gerstenschrot. Die hauseigenen Pferde waren auf engen Ständen untergebracht, außer Galis kleiner Koppel sah ich auch keine eingezäunten Weiden. So ein schöner Hof mit Pferdemalerei an der Hausmauer und so schlechter Haltung. Darüber war ich enttäuscht und traurig.

Trotz meines bequemen Bettes lag ich lange wach. Es klingt eigenartig, aber ich war einfach zu erledigt, um Schlaf zu finden.

Nach dem Frühstück legte ich mich nochmals hin und schon war ich eingeschlafen. So war es bereits elf Uhr und wieder ziemlich heiß, als wir uns schlussendlich auf den Weg machten.

An diesem Tag mussten wir leider viel auf Asphalt gehen, ich verließ wieder die Jakobsmarkierungen und orientierte mich nach meiner Karte. Unterwegs, einen schönen Waldweg steil bergab folgend, bewies mir mein Pferd wieder mal seine Klugheit. Plötzlich blieb er stehen und war nicht dazu zu bewegen, weiterzugehen. Solch störrisches Verhalten kannte ich gar nicht an ihm. Ich sah genauer hin und bemerkte, dass das dicke Schafwoll-Sattelpad fehlte!

Ich hatte vergessen, den Sattelgurt fest zu ziehen nach unserer letzten Pause. Wäre er nicht so stur stehen geblieben, wann hätte ich es wohl bemerkt? Ich war damit beschäftigt gewesen auf den steinigen Weg zu achten. Also band ich Galipolis an einem Baum fest und ging zurück, um das Pad zu suchen. Zum Glück hatte ich es bald gefunden, diese gute Sattelunterlage durfte ich nicht verlieren.

Am späten Nachmittag entdeckte ich auf meiner Karte: „Stutenhof“. Da müssen wir hin, dachte ich, doch als wir davor standen, musste ich über mich lachen: ein verlassener, riesiger Hof lag vor uns.

Vor vielen Jahren war es bestimmt ein herrliches Anwesen gewesen, doch jetzt war es nur noch eine Ruine. Schade.

Also zogen wir weiter, voller Zuversicht im nächsten Ort eine Bleibe zu finden.

Und wirklich, noch vor dem Ortsschild von Jenbach empfingen uns Haflinger auf einer Weide. Ich fragte sogleich beim dazugehörigen Hof, doch leider hatten sie keinen Platz für einen Hengst. Aber netterweise beschrieben sie mir den Weg zu einem anderen Stall, wo ich eine schöne Box für mein Pferdchen bekam, und, obwohl ich beteuerte, im Stroh schlafen zu können, auch ein nettes Zimmer für mich. Außerdem kam ich mit einer Nachbarin ins Gespräch, die mit mir die Vorliebe für iberische Pferde teilte, und so kam es, dass ich bei ihr zum Spaghetti-Essen eingeladen wurde.

Als ich zurückkehrte, empfingen mich meine enttäuschten Gastgeber. Auch sie hatten extra für mich gekocht. Um sie nicht zu kränken, würgte ich noch einen halben Teller Suppe runter. Sie schmeckte ja ausgezeichnet, aber mehr ging einfach nicht!

Morgens erwartete mich noch ein ausgiebiges Frühstück und später, bei meinem Abritt, weigerten sie sich vehement, eine Bezahlung anzunehmen. Die Welt ist voller netter liebenswerter Menschen. Sie warten sozusagen am Wegesrand, wir müssen nur auf sie zugehen. Schön!

An diesem Tag las ich leider sehr oft: „Reiten verboten!“. Es war schon verrückt, Verkehrslawinen rollten an mir vorbei, die Abgase und der Lärm waren fürchterlich, und einem Pferd verbot man den Weg. So ging ich diese Strecken eben zu Fuß, um keinen Ärger heraufzubeschwören, beziehungsweise niemanden zu ängstigen. Die Straße zu benützen, wäre hier ja lebensgefährlich gewesen.

Später erfuhr ich, ein Pilger darf angeblich alle Wege bereiten, ob das stimmt? Weil wir ein edles Ziel haben? Guter Gedanke.