Auf Samtpfoten durch die Geschichte - die Katze Baba - E-Book

Auf Samtpfoten durch die Geschichte E-Book

die Katze Baba

0,0
20,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es begann mit der Mäusejagd: ein packender Streifzug durch die Geschichte der Hauskatze   Kulturgeschichte aus Katzenhand! Auf unnachahmliche Art erzählt Katzendame Baba in diesem prächtig gestalteten Geschenkbuch von der wechselhaften Beziehung zwischen Mensch und Mieze. Gemeinsam mit ihrem zweibeinigen Co-Autor Paul Koudounaris, Kunsthistoriker und Katzenexperte, begibt sie sich auf eine Reise durch die Zeit. Sie begegnen Babas wilder Urahnin Felis und der altägyptischen Katzengöttin Bastet, lernen Wissenswertes über die Rolle der Katze in Mittelalter und Aufklärung, stechen mit den wagemutigsten Schiffskatzen in See und folgen den Spuren von Babas Vorfahren bis hin ins Weltall.   - Amüsanter Streifzug: von der prähistorischen Felis bis zu den berühmten Katzen der Gegenwart   - Humorvolles Katzenbuch: Anekdoten und Geschichten über eine Jahrtausende alte Beziehung   - Historisch fundiert: Alles über Abstammung, Mythologie und Historie der beliebten Stubentiger   - Geschenkbuch in hochwertiger Ausstattung, reich illustriert und mit ungewöhnlichen Fotografien   Was Katzen denken und wie sie den Menschen immer wieder eroberten  Katze und Mensch: Diese Konstellation hat Weltgeschichte geschrieben! Stubentiger Baba erklärt, wie clevere Samtpfoten der Historie ihren Stempel aufgedrückt haben. Wer wissen will, wie sich Katzen über die Jahrtausende hinweg selbst domestizierten und so flauschig wie geschmeidig vom Leben und Denken der Menschen Besitz ergriffen haben, liegt mit diesem Buch goldrichtig. Ein ungewöhnliches und unterhaltsames Geschenk für Katzenliebhaber und alle, die es werden wollen. Ihre Katze rät: Sie brauchen dieses Buch, denn die Geschichte der Katze wird hier endlich hinreichend gewürdigt!  

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 296

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



BABA, die Katzemit PAUL KOUDOUNARIS

AUF SAMTPFOTEN DURCH DIE GESCHICHTE

Wie wir Katzendie Welt eroberten

Aus dem Amerikanischenvon Elisabeth Liebl

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2023

Copyright © 2020 by Paul Koudounaris

Translated from the English language:

A CAT’S TALE. A JOURNEY THROUGH FELINE HISTORY

Published by arrangement with Henry Holt & Company, New York

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 Benevento Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz:

Schimmelpenninck.Gestaltung nach einem Design von Simona Materazzini at Barnbrook

Umschlaggestaltung:

Schimmelpenninck.Gestaltung

Umschlagmotive:

Schimmelpenninck.Gestaltung

Übersetzung:

Elisabeth Liebl

ISBN: 978-3-7109-0162-1

eISBN: 978-3-7109-5151-0

Dieses Buch ist gewidmet all den unbeugsamen Katzen, die Eingang in die Geschichte gefunden haben. Und den Menschen, die klug genug waren, sich nicht einzumischen und sie gewähren zu lassen.

INHALT

Einführung – Auf ein Abenteuer mit einer sehr gelehrten Tigerkatze

Das Goldene Zeitalter – Katzen im Neolithikum und Alten Ägypten

Ruhmreiche Pfade – Der Siegeszug der Katze in Asien

Triumph und Tragödie in Europa Aufstieg und Fall des Katzenreiches

Auf großer Fahrt – Schiffskatzen und andere kätzische Helden

Wiedergutmachung – Die Aufklärung und der Weg der Katze in die Moderne

Ein Neuanfang Katzen in Amerika

Ein kurzes Wort von Babas Mensch

Bibliografie

DankundBildnachweis

AUF EIN ABENTEUER MIT EINER SEHR GELEHRTEN TIGERKATZE

Menschen sagen ja gerne, dass es ihnen unglaublich schwerfällt, Katzen zu verstehen. Da euch dies vor Probleme zu stellen scheint, sei hier eines in aller Deutlichkeit betont: Wir Katzen verstehen einander mühelos. Wenn ihr also aus uns nicht schlau werdet, so liegt das einzig und allein an euch. Und außerdem, wenn ich mal so offen sein darf, ist es schon etwas anmaßend von der Menschheit zu glauben, sie habe Anspruch darauf zu wissen, was in unseren Köpfen vorgeht.

Allerdings kann ein bisschen Verständnis für uns Katzen auch nicht schaden. Ihr habt ja durch den Kauf dieses Buches eure guten Absichten und euer Interesse bereits unter Beweis gestellt. Daher möchte ich euch einladen, euer mageres Wissen ein wenig aufzupolieren. Und ich muss schon sagen: Wenn ihr mehr über uns Katzen erfahren wollt, dann seid ihr hier goldrichtig, denn keine andere Katze hat sich so intensiv mit dem Studium ihrer Art befasst wie ich!

Aber was wollt ihr denn eigentlich wissen?

Vielleicht möchtet ihr ja, dass ich euch etwas über die verschiedenen Rassen erzähle und warum die Zeichnung des Fells die eine zum Zuchtsieger macht, während die andere weiter ein Leben als Straßenkatze führen darf? Oder seid ihr eher an Celebrity-Katzen aus Cartoons, Fernsehen und Internet interessiert? Jenen Katzen, die es zu so viel Ruhm gebracht haben, dass man ihr Konterfei auf T-Shirts druckt und ihre Possen Millionen von Menschen vorführt?

Ihr Menschen interessiert euch tatsächlich für so was. Das Problem ist nur: Wer sich für solche Themen begeistert, interessiert sich nicht wirklich für Katzen! Darüber zu schreiben, würde euch nur in eurem albernen Treiben bestärken. Denn diesen ganzen Unsinn hat sich der Mensch ausgedacht, und keine Katze auf dieser Welt würde sich je damit beschäftigen. Was kratzt es uns, ob der Farbton unseres Fells euren Zuchtstandards entspricht? Wir schätzen uns aus ganz anderen Gründen. Auch sind uns Zeichentrickfiguren zutiefst gleichgültig, vor allem wenn sie als Spiegel für euer dümmliches menschliches Verhalten herhalten müssen. Und die berühmten Internetkatzen? Sie spülen Geld in eure Kassen, ohne auch nur das Geringste über das stolze Leben einer Katze auszusagen. Bloße Klischees, die suggerieren, wir seien auf der Welt, um süß zu wirken und euch Menschen zu amüsieren. Keine Katze, die etwas auf sich hält, würde sich je für so etwas hergeben.

Wenn ihr wirklich etwas über uns erfahren wollt, dann müsst ihr derlei Albernheiten vergessen. Ihr müsst vielmehr eintauchen in unsere Geschichte. Eine Saga, die vor sehr langer Zeit begann, als wir, der Stolz der Natur, die urzeitlichen Wälder durchstreiften, in denen die Menschen nicht anders lebten als die Tiere. Wenn ihr uns Katzen auf dem Weg durch die Jahrtausende folgt, werdet ihr feststellen, dass die Geschichte unserer Art ebenso von Liebe und Ehre geprägt ist wie die jeder anderen Spezies, von unseren kätzischen Helden mal ganz abgesehen. Unsere Geschichte ist reich an großen Namen und ehrwürdigen Katzen, die unglaubliche Leistungen vollbracht haben, an die man sich auch Jahrhunderte später noch erinnert. Aber auch Leid und Verluste mussten wir erfahren.

– Was? Eine Weltgeschichte der Katzen? Also weißt du, Baba! –

Na klar! Du tust ja gerade so, als wäre das etwas Außergewöhnliches. Das Ego deiner Spezies ist so ausgeprägt, dass es denkt, »Geschichte« sei eine Errungenschaft, die allein ihr zukomme. Eure Annalen berichten nur von Menschen. Selten würdigen sie den Beitrag, den andere Arten geleistet haben. Dabei wärt ihr ohne deren Unterstützung wohl kaum dort, wo ihr heute steht. Beweise? Wenn ihr über Alexander den Großen redet, dann erzählt ihr voller Ehrerbietung von seinen Siegen und großen Taten, die in Filmen und Büchern geschildert werden. Wer aber verehrt Bukephalos?

Falls ihr euch überhaupt an seinen Namen erinnert, dann ist er für euch nur das Reittier, das tat, was der große Mann von ihm wollte. Aber hat nicht dieses »Nur-Pferd« Alexander zu jedem Sieg getragen? War es nicht ebenso kühn? Hat es nicht ebenso sein Leben riskiert, während es den Feldherrn schnell wie der Wind in die Schlacht trug – und ihn genauso schnell wieder in Sicherheit brachte, wenn er in Gefahr war? Die beiden vertrauten einander und teilten ihr Leben. Sie waren Partner. Und wenn ihr nun meint, das Pferd sei weniger wichtig gewesen, dann fragt euch doch mal: Wo wäre Alexander ohne Bukephalos? Das kann ich euch sagen: in Makedonien. Ohne sein Pferd hätte er wohl kaum nach Indien ziehen können und von dort nach Ägypten!

Wie ihr seht, hatten in der Geschichte der Menschheit alle Arten ihre Hand mit im Spiel – oder besser gesagt: den Huf beziehungsweise die Pfote. Jede Art hat ihr eigene, an Geschichten reiche Historie, und all diese Geschichten sind eng miteinander verknüpft. Das gilt vor allem für die Geschichte von Katze und Mensch, denn die historische Partnerschaft zwischen unseren Arten ist eine höchst innige. Wir standen schon in grauer Vorzeit helfend an eurer Seite. Ihr habt uns zu Göttern erhoben, und wir sind auf unserem Thron zu Zeugen eurer Fortschritte geworden. Wir sind mit euch durch dick und dünn gegangen bis in weit entfernte Länder. Und wir stehen euch auch heute noch zur Seite.

Trotzdem nehmen die Menschen von unserer Geschichte meist keine Notiz, und unsere größten Errungenschaften gelten euch als banal. Es ist typisch für euch, dass ihr uns als eure Schutzbefohlenen betrachtet, als hilflose Geschöpfe, die ohne euch verloren wären. Diese Vorstellung ist ebenso amüsant wie beleidigend. »Lass bloß die arme Katze nicht raus!«, heißt es, wenn wir sehnsüchtig durchs Fenster nach draußen blicken oder auf die offene Tür zu spurten. Ihr glaubt, dass wir da draußen keine fünf Minuten überleben würden. Wenn ihr wüsstet, womit unsere Art nicht schon fertiggeworden ist! Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich bezweifle, dass es selbst die kräftigsten Menschen in puncto Überlebensinstinkt auch nur ansatzweise mit einer x-beliebigen Straßenkatze aufnehmen können!

Diejenigen unter euch, die uns für sanfte, niedliche Geschöpfe halten, werden auf den folgenden Seiten jedenfalls dieser Illusion beraubt. Ich werde euch mit Katzen bekannt machen, die nicht nur Weltreisen unternommen haben, sondern sogar ins All geflogen sind. (So viel zu: »Lass bloß die Katze nicht raus!«) Ihr werdet Katzen kennenlernen, die in den großen Kriegen dieser Welt an der Seite der Menschenarmeen standen und Tapferkeitsmedaillen verdient haben. Warum glaubt ihr, hat man zu Ehren von Trim, der im 18. und 19. Jahrhundert die sieben Weltmeere befahren hat, vier Statuen errichtet? Weil er die berühmteste Schiffskatze aller Zeiten war. Na, wie viele eurer Menschenhelden können da mithalten?

Ja, meine Freunde, wenn ihr wirklich mehr über Katzen wissen wollt, wird dieses Buch euer Bild von uns ein für alle Mal vom Kopf auf die Füße stellen. Wenn ihr uns für selbstsüchtig haltet, werdet ihr Katzen kennenlernen, die bereitwillig ihr Leben riskierten für den Menschen, den sie liebten. Und wenn ihr glaubt, wir seien faul, werde ich euch mit Katzen bekannt machen, die gefährliche Reisen unternahmen, die sie Tausende Kilometer durch unbekannte Gegenden führten. Und wer unseren Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte bezweifelt, wird feststellen, dass wir mit den größten Künstlern, Schriftstellern und Politikern der Welt zusammen waren und sie zu ihren Leistungen inspirierten. Ja, mitunter waren wir sogar in ihre Intrigen verstrickt.

Wer jetzt glaubt, unser Leben wäre stets eitel Freud und Sonnenschein gewesen, wird erfahren, dass wir auch Leid ertragen mussten wie kaum eine andere Art. Seid also gewarnt, was auf diesen Seiten berichtet wird, ist nicht immer erbaulich. Denn die Hände, die uns einst auf den Thron der Götter erhoben, stießen uns auch wieder herunter und damit in tiefste Verzweiflung. Ich werde hier nicht um des guten Tons willen darauf verzichten, von unseren finstersten Tagen zu berichten. Und ich bin mir sicher, dass euch das ebenso erschüttern wird wie mich. Aber meine Art verfügt über eine enorme Resilienz, und so werdet ihr im letzten Kapitel lesen, wie wir modernen Katzen die wütenden Mühlen der Geschichte bezwungen haben … Ein Triumph, der euch das Kätzchen im Wohnzimmer vermutlich mit anderen Augen sehen lässt!

Also? Ist es immer noch euer Wunsch, mehr über meine Art zu erfahren, jetzt, da ihr wisst, was euch erwartet? Werdet ihr uns auf unserem Pfad folgen? Wenn ja, dann reiche ich euch hiermit die Pfote. Unsere Geschichte wird sich vor euren Augen entfalten, während ich mit euch durch längst vergessene Jahrhunderte streife. Wir werden über sanfte Wasser gleiten unter dem goldenen Licht der uralten Sonne. Vorbei an den Ufern launischer Gezeiten, über Stromschnellen hinweg, bis in die Moderne. Ein gewaltiges Abenteuer erwartet euch. Natürlich liegt es an euch, ob ihr in See stechen wollt. Aber da ihr nun schon so weit gelesen habt, würde ich euch doch empfehlen, an Bord zu kommen! Einmal umblättern und ihr taucht ein in die Nebel der Zeit.

AUF SAMTPFOTEN DURCH DIE GESCHICHTE

Wir Katzen sind schon seit sehr langer Zeit Verbündete der Menschen. Es sind zwar die Hunde, die ihr als den »besten Freund des Menschen« bezeichnet, aber ich hätte da ein paar Argumente zu bieten, die euch vom Gegenteil überzeugen könnten. Denn wie archäologische Funde zeigen, begleiten Katzen euch genauso lange, wenn nicht noch länger als Hunde. Die Partnerschaft zwischen Katze und Mensch ist jedenfalls älter als das Geld, als die Kunst der Metallbearbeitung und als eure geschriebene Sprache. Sie reicht zurück bis in graue Vorzeit. Ohne uns hätte eure Zivilisation vermutlich nicht zum Höhenflug angesetzt. Ihr mögt uns für großspurig halten, aber eure Vorfahren waren für unser Eingreifen so dankbar, dass sie in uns die Verkörperung einer Gottheit sahen. Das waren die glorreichen Tage, als sich Mensch und Katze gemeinsam in ungeahnte Höhen aufschwangen.

Die frühen kätzischen Begleiter des Menschen stammten von Felis sylvestris lybica ab, einer Wildkatze, die in Nordafrika und im Nahen Osten lebte. Sie war kaum größer als heutige Katzen und hatte ein lohfarbenes, gestreiftes Fell. Tatsächlich sahen meine werten Urahnen nicht sehr viel anders aus als ich. Wir Hauskatzen haben zwar unbestreitbar viele Vorzüge, doch wir würden unseren Vorfahren unrecht tun, trieben wir die Gleichsetzung allzu weit. Denn diese Tiere waren so schlau, schnell und stark, wie es nur Wildkatzen sein können. Ihr Menschen seid ja schon ganz aus dem Häuschen, wenn wir euch mal eine Eidechse mitbringen, aber unsere Vorfahren waren als Jäger unübertroffen.

Warum aber ist Felis so ein geschickter Beutefänger? Nun, 13 Millionen Jahre Evolution haben dafür gesorgt, dass die Wildkatze perfekt an ihre Umgebung angepasst ist. Und wir Hauskatzen stammen in direkter Linie von ihr ab, was heißt, dass wir vor euch entstanden sind. Der Homo sapiens ist nämlich erst circa 300 000 Jahre alt. Ihr werdet uns also nachsehen, wenn wir gelegentlich ein wenig hochmütig wirken, aber wir sind von der Zeit geprüft und für gut befunden worden. Außerdem muss ich da noch ein häufiges Missverständnis ausräumen, was Großkatzen angeht, denn die gibt es erst seit ungefähr 3 Millionen Jahren. Wer also meint, dass wir die Bonsai-Version von Tiger, Löwe und Co. sind, hat sich getäuscht. Bei den Katzen haben die Kleinen die Großen hervorgebracht.

Und noch einen Mythos gibt es da! Der Mensch hat uns nämlich keineswegs domestiziert. Wir haben uns selbst gezähmt. Felis brauchte eure Hilfe nicht, um zu überleben. Und da dieses Tier alles andere als dumm war, hättet ihr es nie dazu zwingen können, eure Gesellschaft zu akzeptieren. Nein, Felis hat sich aus freien Stücken euren Siedlungen genähert, und als sie feststellte, dass es eine Basis für ein erfolgreiches Miteinander gab, ist sie geblieben. Also Schluss mit diesem Unsinn von wegen »Zähmung«. Ich bevorzuge den Begriff »Partnerschaft«. Ich habe ja schon in der Einleitung erwähnt, warum das vernünftiger ist. Hier noch ein paar weitere Gründe.

Im Neolithikum, der Jungsteinzeit, begannen Menschen in Mesopotamien, Landwirtschaft zu betreiben. Diese Entwicklung beeinflusste ihr Leben massiv. Der Mensch wurde sesshaft und gründete die ersten Siedlungen. Wobei es vermutlich ziemlich an eurem Stolz kratzen würde, könntet ihr die Lehmhütten sehen, in denen ihr damals gehaust habt. Die sahen aus wie übergroße Biberbauten! Eines aber muss man euch lassen: Den Getreideanbau habt ihr perfekt beherrscht. Ihr habt so hohe Überschüsse erzielt, dass dies nicht nur euer Leben veränderte, sondern auch das aller Arten in eurer Umgebung.

Da waren die Ratten und Mäuse, schlaue Biester, die eng mit unserer eigenen Geschichte verflochten sind. Natürlich war so ein Kornspeicher für sie ein gefundenes Fressen, weshalb eure Häuser immer mehr von den Nagern anzogen. Typisch Mensch, hattet ihr das nicht bedacht. Ihr mit euren ausgeklügelten Anbaumethoden seid gar nicht auf die Idee gekommen, dass euch jemand die Früchte eurer Arbeit einfach wegfressen könnte! Ganz schön unvorsichtig! Denn die hungrigen Biester zwackten euch auf leisen Sohlen einen ordentlichen Anteil der Ernte ab und verdarben dabei auch noch das übrige Getreide.

Ihr wart verzweifelt! Aber nicht lange – denn mit der kleinen Felis war eine Lösung in Sicht. Ihr mochtet die Nager nicht, sie schon. Sie hatten eine prima Nährstoffbilanz, und da Felis nun wusste, wo sie im Überfluss zu finden waren – nämlich in euren Getreidespeichern –, bezog sie dort Quartier. Anfangs war sie noch ziemlich misstrauisch, was euch Menschen angeht. Und das kann man ihr nicht verübeln. Überlegt nur mal, wie ihr in Katzenaugen wirkt: groß, ja riesig! Ihr bewegt euch auf euren Hinterbeinen auf eine Art, die man nur tapsig nennen kann. Und dann seid ihr auch noch laut. Ich würde euch nicht gerade ungehobelt nennen, aber besonders subtil geht ihr nicht zu Werke, wenn ihr versucht, euch die Herrschaft über eure Umgebung zu verschaffen.

Aber die kleine Felis hatte ein wackeres Herz. Sie näherte sich euren Siedlungen auf der Suche nach Nahrung und entdeckte in eurer Nähe noch einen weiteren Vorteil für sich. Zu eurem Schutz hattet ihr alle großen Beutegreifer um die Siedlungen herum vertrieben oder getötet. Für kleine Beutegreifer war es dort also sehr sicher. Und Felis merkte schnell, dass eine Katze in diesem Umfeld leichtes Spiel hatte! Sie entwickelte sich zum Spitzenräuber, der in der lokalen Nahrungspyramide ganz oben stand. Indem sie die Nager dezimierte, die eure Vorräte fraßen, wurde das Fundament für ein symbiotisches Miteinander von Katze und Mensch gelegt.

Was nicht heißt, dass nun der Weg an euren Herd frei war. Denn so wie Felis sich vor euch fürchtete, ist anzunehmen, dass auch die Menschen die Katzen mit einem gewissen Argwohn beäugten. Wildkatzen mochten zwar klein sein, aber sie hatten trotzdem spitze Krallen und Zähne. Wenn Felis mit einem Hieb den Bauch einer Ratte aufschlitzen konnte, was würde sie mit einer menschlichen Hand anstellen?

Trotzdem entwickelte sich die Beziehung recht gut, denn ihr wolltet ja nicht, dass wir uns wieder trollen, sonst wäre ja die nächste Nagerinvasion über euch hereingebrochen. Und so habt ihr uns wohl gelegentlich den einen oder anderen Leckerbissen von eurer Tafel zukommen lassen. Gekochtes Fleisch war vielleicht nicht gerade die Leibspeise einer prähistorischen Katze, andererseits schmeckte es aber auch nicht so übel. Und es vereinfachte das Leben, wenn einem hin und wieder eine gebratene Taube ins Maul flog. Also verspeiste Felis sie gnädig. Was aber Katze wie Mensch darob entging: Beide Arten verließen sich immer stärker aufeinander. Natürlich gewinnt man das Herz einer Katze nicht so leicht, und bei Felis dauerte das mehrere Jahrhunderte. Aber schlussendlich war es wohl unvermeidlich.

Sofern mir diese romantisierende Sicht gestattet sei: Ich glaube, das Ganze passierte vor gut 10 000 Jahren irgendwo im Irak oder in Syrien. Es war Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel. Der Mann richtete seinen Blick auf das Buschland, welches die Grenze der Menschensiedlung markierte. Hier ist das Ende seiner Welt. Dahinter beginnt die Wildnis. Er blinzelt in den Schatten hinein und erkennt plötzlich, dass es da zurückblinzelt. Unzählige mandelförmige Augenpaare von funkelndem Grün. Er kennt diese Tiere wie die anderen Dorfbewohner. Das sind die Augen jener Katzen, die die Ratten töten.

Dann raschelt es plötzlich im Busch, und die Augen verschwinden, wie sie es meistens tun. Dieses Mal aber ist etwas anders: Ein Augenpaar bleibt. Ein unverwandter Blick trifft den Mann, der in die Hocke geht. Nie hat er so ein Tier genau gesehen. Sein Herz klopft wie wild, als er langsam die Hand ausstreckt. Und da steht sie: die kleine Felis. Natürlich war der Mensch neugierig, wem denn diese Augen gehörten, aber das galt auch für die Katze. Was waren das nur für riesige, laute Geschöpfe, die da über die Felder tapsten? Auch ihr Herz klopft wie wild, als sie unter dem Busch hervorkommt.

Und dann senkt sich die Hand des Mannes unendlich langsam herab, und Felis streckt das Köpfchen. Und die Hand berührt sachte die Stelle zwischen den Ohren, bevor ihre Finger den Rücken entlangstreichen. Was für ein fantastisches Gefühl! Die raue Hand des Mannes streicht über das seidig weiche Fell. Und Schluss! Auf der Stelle verschwindet Felis im Busch. Die Begegnung endet blitzartig. Sie hat nur Sekunden gedauert. Aber diese einfache Geste machte in zwei Welten etwas grundlegend anders.

Diese Szene spielte sich sicher überall im Nahen Osten und in Ägypten ab. Die kleine Felis kam immer wieder unter dem Busch hervor und war jedes Mal ein bisschen weniger nervös. Und auch der Mann fürchtete sich nicht mehr vor den Krallen, sondern freute sich auf die Begegnung. Seine Hand lag länger auf dem Fell. Aus der Berührung wurde ein Streicheln, aus dem Streicheln ein Kuscheln. Am Ende bat der Mensch die kleine Felis in sein Heim. Und Felis gewöhnte sich an die Hand und die schönen Dinge, die sie anbot. Und sie ließ kurzfristig außer Acht, dass sie eigentlich ein unglaublich unabhängiges Geschöpf war.

Was mit der Mäusejagd begann, endete als höchst unwahrscheinlicher Zusammenschluss zweier sehr verschiedener Arten. Dieser Zusammenschluss geschah zuerst in Nordafrika an den Ufern des Nils. Seine reißenden Wasser trugen den Schlamm aus dem Dschungel am Oberlauf nach Norden. Der Fluss suchte sich seinen Weg durch die Sahara hin zum Mittelmeer, und das Land, das eigentlich trocken und ungastlich war, bot an seinen Ufern Lebensraum für viele. Der Schlamm, den der Fluss anschwemmte, ließ an den Ufern ein grünes Band entstehen, das Heimat für Mensch und Tier bot. Herumziehende Jäger und Sammler entdeckten das Paradies und ließen sich darin nieder. 4000 v. Chr. begannen sie, Getreide anzubauen und Siedlungen zu gründen wie ihre Artgenossen im Nahen Osten.

Ich bezweifle ja nicht, dass ihr den weiteren Verlauf der Geschichte kennt: Die Dörfer gediehen, und als man sie zu einem Reich vereinigt hatte, entstand mit Ägypten eine Zivilisation, die 3000 Jahre lang die größte sein sollte, die die Welt je gesehen hatte. Aber dieses Kapitel liegt noch gut 1000 Jahre in der Zukunft und ließ sich zu jener Zeit nicht vorausahnen. Denn die armen Bauern am Nilufer hatten zu Beginn schwer zu kämpfen. Der Boden war gut, die Kornspeicher waren voll, aber die Siedlungen wurden von einer besonders lästigen Art Flussratten bedrängt. Und wer eilte den Vorfahren der Ägypter nun zu Hilfe? Unser Freund Felis natürlich! Die kleinen Wildkatzen erledigten die Flussratten und eroberten sich so einen Platz im Herzen der Bauern.

Das Band, das dort zwischen den Arten entstand, war besonders stark. Von all den frühgeschichtlichen Gesellschaften, die uns aufnahmen, waren die Ägypter uns für unsere Dienste am dankbarsten. Unsere Partnerschaft mit dem Menschen bedeutete, dass wir uns gegenseitig gute Dienste leisteten. Aber mit der Zeit übernahm der Mensch immer mehr die Pflichten, die aus dieser Verbindung erwuchsen. Die Ägypter vergaßen nie, welche Dienste wir ihnen erwiesen hatten, als sich ihr Reich formierte. Und als sie aus dem Dunkel der Geschichte heraustraten, ins Licht der Zivilisation, baten sie uns, sie zu begleiten. Und wir blieben an ihrer Seite und stiegen auf zum Zenit der felinen Kultur, während sie die Gipfel menschlicher Entwicklung erklommen.

– Doch was sind die Gründe dafür, Baba? Haben die Katzen die Menschen am Nil etwa verzaubert? –

Dass wir sie bezaubert haben, ist ja klar. Unsere stimmlichen Äußerungen befanden sie für so hinreißend, dass man daraus unsere Namen formte: miu stand für Kater, miit für Katze. Sie waren also die ersten Menschen, die ein Wort prägten, das wir heute als »miauen« kennen. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Wir haben alle Menschen bezaubert, die sich je auf uns einließen. Doch allein mit unserem Charme lässt sich unsere Stellung in Ägypten nicht erklären. Die Menschen am Nil, die uns in ihr bescheidenes Heim aufnahmen, merkten nämlich bald: Wir waren nicht nur tödliche Mäuse- und Rattenfänger. Wir erledigten auch Skorpione, Kobras und andere Giftschlangen.

Dass wir die Menschen von tödlichen Eindringlingen befreiten, verstärkte offensichtlich ihr Pflichtgefühl uns gegenüber. Aber es machte die Menschen auch neugierig. Sie beobachteten uns und merkten, dass Katzen sozusagen hellsehen konnten. Manche Tiere schienen im Voraus zu wissen, wann das Wetter umschlug. Andere spürten, dass ein Erdbeben bevorstand. Sie warnten ihre Menschen vor scheinbar unsichtbaren Gefahren. Und so kamen die Ägypter auf die Idee, dass unseren Fähigkeiten etwas Übernatürliches anhaften musste. Vielleicht hatten wir also tatsächlich einen Zauber gewirkt. Auf jeden Fall zogen die Menschen den Schluss, dass Katzen eine besondere Magie eigen war.

In der alten Welt nahm man Magie sehr ernst. Sie diente auch keineswegs finsteren Zwecken. Alle Gesellschaftsschichten bedienten sich ihrer. Sie galt als transzendente Kraft, mit deren Hilfe man die Mühen und Plagen einer chaotischen, feindlichen Welt in den Griff bekommen konnte. Wie auch immer: Vermutlich zweifelt ihr an den magischen Fähigkeiten der Katzen? Nun, die Ägypter wussten nicht, dass sich das, was sie für Magie hielten, mit der überlegenen felinen Sinneswahrnehmung erklären lässt, die jene des Menschen bei Weitem übertrifft. Während der Mensch ein Gewitter erst bemerkt, wenn sich finstere Wolken am Himmel zusammenballen, spürt eine Katze dies lange vorher am sich verändernden Luftdruck. Und wir nehmen heimliche Eindringlinge schon wahr, während ihr noch im Bett liegt und schlaft.

So wurden wir zum Bollwerk gegen das Böse. Die Unheil abwehrenden Fähigkeiten von Katzen standen außer Frage. Wenn eine Katze sich erst einmal für einen bestimmten Menschen entschied, so der Glaube, würde sie ihn und seine Familie vor Schaden bewahren. Aber bevor ihr jetzt auf die alten Ägypter herabschaut, solltet ihr eines bedenken: Zu jener Zeit und an jenem Ort war es nicht nur vernünftig, dass sie sich auf unsere Fähigkeiten verließen, es war sogar ein weiser Schachzug. In eurem neuzeitlichen Hochmut habt ihr verlernt, die Signale der Arten in eurem Umfeld zu erkennen und zu verstehen. Die Ägypter hingegen, die auf ihre Katzen achteten, konnten sich deren Gabe der Voraussicht zunutze machen.

Magie? Nein, aber der Nutzen aus unseren besonderen Fähigkeiten war unverkennbar. Daher nahmen die Ägypter uns bald in jene Rituale auf, die ihrem Schutz dienen sollten. Sie bannten unser Bild auf alle Gegenstände, die dazu dienten, übernatürliche Kräfte herbeizurufen: vom kleinsten Amulett bis zum größten Schutzstein der Welt, der Großen Sphinx von Gizeh. Hier sitzt der Kopf des Pharaos, des ägyptischen Gottkönigs, auf dem Körper einer gewaltigen Katze. Man assoziierte uns mit magischen Gegenständen wie dem Spiegel, der zu jener Zeit nicht nur die Eitelkeit seines Besitzers befriedigte. Polierte Kupferplatten reflektierten das Böse und warfen es auf seine Ursprünge zurück. Supertrick, aber um wirksam zu sein, brauchte der Spiegel eine reale Kraft, und aus diesem Grund gravierte man auf der Rückseite oder auf dem Griff das Bild einer Katze ein. Man bannte unser Konterfei auch auf eine Bronzerassel, das Sistrum, das weit mehr als nur ein simples Musikinstrument war. Der runde Teil stand für den Mutterleib, der lange Griff für den Phallus. Wer diese Rassel schüttelte, rief damit die Kräfte, die für Geburt, Tod und Wiedergeburt standen. Und die Katze auf dem Oberteil des Sistrums wachte über diesen ewigen Kreislauf.

Wie sehr haben sich doch die Zeiten geändert! Heute wacht ihr über uns. Damals waren wir es, die euch beschützten. Zu jener Zeit war die menschliche Psyche so eng mit uns verwoben, dass jede Katze als Sinnbild der Schöpfung galt. Das hatte mit einer alten Legende zu tun, in der es um die Zeit vor jenen Tagen ging, als nur Dunkelheit herrschte und es noch kein Leben gab. Bis der Sonnengott Ra in Form der Miu Oa erschien, der Großen Katze. Als er seine ersten Pfotenabdrücke in der Leere hinterließ, wünschte er sich eine Welt, in der der Mensch leben könne.

Es war klug von Ra, dass er die Gestalt einer Katze annahm, denn bald entstand ein Tier, das ihr ewiger Gegenspieler wurde. Man nannte es Apophis. Es hatte die Gestalt einer Schlange. Apophis war der Gott der Finsternis, und sein Begehren war es, dass diese für immer bestehen blieb. Doch der Entschluss der Großen Katze stand fest, und so stürzte sie sich auf die Schlange.

Wie lange dieser urzeitliche Kampf dauerte, kann niemand sagen, denn die Zeit existierte noch nicht. Es war ein schwerer Kampf, doch Miu Oa besiegte die Schlange. Und so lichtete sich die Dunkelheit, und die Welt und alles, was in ihr sein sollte, konnten ins Sein eintreten. Ich habe euch doch gesagt, dass die Ägypter uns schätzten, weil wir sogar Schlangen besiegen! Wir haben aber nicht nur ihr Heim beschützt, wir haben die Schöpfung selbst ermöglicht.

– Die Schöpfung aus Katzenpfoten? Das ist mir neu, Baba. Gibt es dazu auch eine Geschichte? –

Na klar! Die Priester von Heliopolis erzählten, dass Ra – immer noch in Gestalt einer Katze – die anderen Götter hervorgebracht hat. Zuerst kamen die Götter der Luft und des Wassers, die Erde und Himmel schufen. Aus denen wiederum gingen die großen Götter wie Osiris, Isis, Seth und Nephthys hervor. Wie viele Götter ergab das insgesamt? Lassen wir Ra die Zählung übernehmen: »Ich bin der Eine, der zur Zwei wurde, die Zwei, die zur Vier wurde, die Vier, die zur Acht wurde, und ich bin immer noch einer mehr.« In anderen Worten: Miu Oa, die Große Katze, ist acht Gottheiten und eine zusätzliche. Eine von neun! Ja, genau, neun Leben. Diese Geschichte überlebte selbst das altägyptische Reich und ist die bekannteste aller Legenden um meine Katzenverwandten. Es gibt in Amerika sogar ein Katzenfutter, das so heißt: 9Lives. Vermutlich ein wahrlich göttlicher Schmaus.

Die ägyptischen Götter liebten Katzen sehr, sodass sich am Ende immer mehr Legenden um uns rankten. Da war zum Beispiel die elegante und geheimnisvolle Isis, die unsere Geschichte entscheidend beeinflusste. Als Göttin der Magie hatte sie eine natürliche Verbindung zu uns, und die Ägypter fragten sich, ob wir unsere hellseherischen Fähigkeiten vielleicht ihr verdankten. Außerdem war sie die Göttin der Nacht, und obwohl wir ursprünglich mit dem Sonnengott Ra assoziiert wurden, ging unter der Herrschaft der Isis der Mond über uns auf. Vor allem schwarze Katzen mit ihrem nachtfarbenen Fell galten als Isis-Tiere. Ja, man spekulierte sogar, dass sie Isis in Tiergestalt seien.

Als Nachttiere waren wir jedenfalls populärer denn als Sonnentiere. Kein Wunder, das passt auch besser zu unserer nachtaktiven Natur. Diese Assoziation übernahmen auch andere Kulturen. Griechen und Römer glaubten sogar, dass unsere Pupillen sich mit den Mondphasen veränderten. Der romantische Mythos, dass unsere Pupillen bei Vollmond rund seien, verfestigte sich über die Jahrzehnte. Die alten Weisen gingen im Übrigen davon aus, dass Katzen bei der Geburt ihrer Jungen einem bestimmten Schema folgten: beim ersten Wurf ein Kätzchen, beim zweiten zwei, beim dritten drei usw. Das macht bei sieben Würfen insgesamt 28 Kätzchen, eines für jeden Tag des Mondmonats. Natürlich hätte die Katzenmama dann alle Pfoten voll zu tun … Aber es zeigt einmal mehr, wie sehr Katzen zur Repräsentation der Mondgöttin wurden, die man als heilig erachtete.

Als Patronin der Geburt und Mutterschaft herrschte Isis naturgemäß über die Frauen. Vielleicht waren wir ja auch in dieser Hinsicht ihr Totemtier, das für Weiblichkeit, Häuslichkeit und den Schutz der Kinder stand? Denn seit jeher galten Katzen als Hüterinnen des heimischen Herdes. Eine nicht sterilisierte Katze hat viele Junge. Und was unsere Jungen angeht, so sind wir Katzenweibchen berühmt dafür, unseren Nachwuchs mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, sogar unser Leben würden wir für sie geben.

Das passte alles ganz wunderbar zusammen, fanden die Ägypter, und so wurde jede Hauskatze zu einer Hausgottheit. Man hängte bereits Kleinkindern Amulette mit einem Katzenbild um den Hals in der Hoffnung, dass wir sie genauso leidenschaftlich beschützen würden wie unsere eigenen Jungen. Auch diese Beziehung wurde durch eine Legende untermauert, denn das Horuskind war angeblich von einer Katze genährt worden. Da Horus für den gottköniglichen Pharao stand, hieß das, dass Katzen seine Ersatzmütter waren. Und wenn euch das immer noch nicht beeindruckt, dann überlegt mal: Auch heute lieben Menschen ihre Katzen, aber wann hätte man schon einmal gehört, dass sie den Präsidenten der Vereinigten Staaten genährt hätten oder die Königin von England?

Die Verbindung zwischen Katze und Weiblichkeit wurde schließlich so stark, dass die ideale Frau etwas von einer Katze an sich haben musste. Die vollendete Frau war katzenhaft. Das ging so weit, dass Kleopatra, die wohl berühmteste ägyptische Königin, ihr Augen-Make-up so gestaltete, dass es dem Gesicht ihrer felinen Gefährtin Charmian glich. Offensichtlich hatte die Königin Geschmack. Auf jeden Fall inspirierte die natürliche Schönheit der Katze sie dazu, ihren eigenen Augen mit dicken schwarzen Strichen eine mandelförmige Anmutung zu geben. Ihr Make-up revolutionierte die Beautyregeln jener Zeit und ist bis heute Inbegriff von geheimnisvoller Schönheit. Im Alten Ägypten war das nicht weiter verwunderlich, weil dadurch zwei innig harmonierende Prinzipien zusammenfanden.

Da war es nur natürlich, dass unsere Anhänger zu guter Letzt ein Bild schufen, das beides in sich vereinte, eine Gottheit, die beide Archetypen gleichzeitig repräsentierte. Bastet wurde geboren. Sie wurde dargestellt als schöne Frau mit dem Kopf einer Katze. Dabei stand sie keineswegs symbolisch für die Katze. Bastet war die Synthese aus Katze und Mensch, das höchste Geschenk von uns an euch. Spätere Menschengenerationen entthronten sie und beschimpften sie als unheilig, wir aber haben sie immer in Ehren gehalten. Wir riefen sie in unseren dunkelsten Stunden an, weil wir wussten, dass die Vereinigung mit den Menschen, für die Bastet stand, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft war.

Wie es ihrer kätzischen Natur entspricht, war Bastet sehr geheimnisvoll. Wo ihre Ursprünge liegen, wissen wir bis heute nicht. Auch die Ägypter konnten sie nicht genau benennen. In der ägyptischen Frühzeit kannte man Bastet nicht. Gelehrte hielten sie für die Tochter von Isis und Ra. Oder von Isis und Osiris. Oder konnte sie nicht Isis selbst sein – in ihrer felinen Inkarnation? Das wurde nie vollständig geklärt, eines aber war gewiss: Bastet war eine echte Katze, denn wie diese tauchte sie plötzlich aus dem Dunkel auf. Ihre Herkunft gab Rätsel auf, aber sie stahl so manches Herz – in diesem Fall das eines ganzen Reiches.

Im Laufe des zweiten vorchristlichen Jahrtausends wurde sie allmählich immer populärer. Und warum auch nicht? Als braves Kätzchen sorgte sie dafür, dass ihre Anhänger ein ruhiges Leben führen konnten und beschützt wurden. Da sie als echte Katze galt, schenkte sie ihren Verehrern alle positiven Katzeneigenschaften. Aber eine kam noch dazu. Sie wurde zur Hüterin der Toten. Traditionell war es der Schakal-köpfige Gott Anubis, der die Toten ins Jenseits geleitete. Aber der alte Hund konnte endlich ein paar neue Tricks lernen, als Bastet diese Aufgabe für ihn übernahm.

Die Anbetung der Katze war nicht mehr aufzuhalten. Im Jahr 1000 hatten wir die anderen ägyptischen Götter auf der Beliebtheitsskala definitiv abgehängt. Wir bekamen sogar eine eigene Stadt im Nildelta mit Namen Bubastis. Das war der Sitz der Bastet. Aber natürlich hätte sie das nie allein zuwege gebracht. Die Ägypter kannten uns gut. Sie wussten um unsere zwiefältige Natur, was heute meist übersehen wird. Natürlich sind wir süße Kuscheltiere, die sich auf dem Sofa gern in eure Arme betten. Aber das ist nur eine Seite der felinen Natur. Denn wir sind auch tödliche Jäger. Und war es nicht ebendiese Eigenschaft, die ihr zuerst an uns zu schätzen wusstet, Jahrhunderte bevor wir zu Schmusekatzen wurden?

Die Ägypter gaben Bastet eine Schwester zur Seite, die ebendiesen Aspekt verkörperte. Sie hieß Sechmet, eine Frau mit dem Haupt einer Löwin. Sie war das wilde Gegenstück zur possierlichen Hauskatze. Doch die beiden ergänzten einander auch. Die eine war ohne die andere nicht vollständig. »Sie wütet wie Sechmet und schnurrt wie Bastet«, lautete ein Sprichwort aus dieser Zeit, das die beiden Pole unserer Natur thematisierte. Bastet beherrschte die Herzen und schützte das Heim. Sie war die Katze, welche das Volk anbetete. Sechmet hingegen stand für die feline Kraft und Schläue. Sie war die furchterregende Patronin des Heeres und Beschützerin der Nation.

Als Gespann eroberten die beiden Ägypten, das am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrtausends politisch in hellem Aufruhr war. Die Nation fand in der Anbetung der Katze ein verbindendes Element, und so war das Volk zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends wieder versöhnt. Am Ende fiel der königlichen Dynastie von Bubastis sogar die Krone zu, sodass die Macht der Katzen konsolidiert wurde. Und als König Osorkon III. Bastet gehorsam all seine Ländereien überschrieb und alle Macht des Ra auf sie übertrug, war die Monarchie selbst zur Dienerin der göttlichen Katze geworden. Wenn wir an die Zeit zurückdenken, als Mensch und Wildkatze das grüne Band am Nil gemeinsam in Besitz nahmen, hätte man wohl kaum ein solches Ergebnis vorhersagen können. Aber die Saat, die vor 3000 Jahren ausgebracht worden war, ging auf und trug Früchte: Ägypten war zu jener Zeit ein Spielball in unseren Pfoten.

Wie aber sah unser Leben im Goldenen Zeitalter aus? Im Heim der Menschen waren wir, wie ihr vermutlich erraten habt, unantastbar, die Seele des Haushalts. Die Katze zu versorgen war eine wichtige Aufgabe, die dem Haushaltsvorstand oblag. Wenn er starb, übernahm sie der erstgeborene Sohn. Wir trugen schwere, juwelenbesetzte Halsbänder und Ohrschmuck, und die Familien wetteiferten miteinander, wer seine Katze schöner herausputzen konnte, denn ihr sozialer Status stand und fiel mit ihren Katzen. Da diese Frage manchmal gestellt wird, will ich sie hier beantworten: Ja, die meisten Katzen stehen nicht auf solchen Zierrat, der eher der menschlichen Eitelkeit entspringt. Aber da die Ägypter für ihre Katzen eine innige Hingabe empfanden, verziehen unsere Vorfahren ihnen und duldeten die Klunker als Teil ihrer göttlichen Rolle.