Auf Stelzen gehen - Lena S - E-Book

Auf Stelzen gehen E-Book

Lena S

4,9

Beschreibung

Auf Stelzen gehen vermittelt sehr eindringlich das Gefühlsleben einer Magersüchtigen. Ein Buch für essgestörte Mädchen und junge Frauen sowie ihre Eltern und Helfer. Lena ist 15, als sie feststellt, dass der Körper alles ist, was ihr gehört. So beginnt der Kampf um den perfekten Körper, um die Kontrolle über Kilo und Gramm. Nicht unwillkommen ist die Möglichkeit, noch dünner zu werden als die Mutter, die nervt und immer alles besser weiß. Sie hat auch nichts dagegen, dass man nun nicht mehr wie selbstverständlich vorausSetzt, dass sie funktioniert, eine gute Tochter ist, eine gute Schülerin, eine gute Freundin. Aber Aufmerksamkeit zieht nicht automatisch Verständnis nach sich. So dünn kann Lena nicht werden. Die Sucht bleibt. Das Abi schafft Lena noch in gewohnter Perfektion als Jahrgangsbeste, dann muss sie in die Klinik. Langsam wird Lena klar, dass man auch anders essen kann und sie versucht es. Die Klinik hilft ihr, vor allem Chris, in dem sie sich erkennt, dessen grammweises Sich-Dünnemachen ihr aber auch Angst einjagt. Die Nähe tut gut, aber sie weiß nun genau: Sie will nicht sterben, sie will leben.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 244

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
14
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lena S.

Auf Stelzen gehen

Geschichte einer Magersucht

Mit einem Nachwort von Alexa Franke

Lena S.

Auf Stelzen gehen. Geschichte einer Magersucht.

3. Auflage 2011

© BALANCE buch + medien verlag GmbH & Co. KG, Köln 2007

Der BALANCE buch + medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden.

ISBN-ePub 978-3-86739-818-3

ISBN-Print 978-3-86739-014-9

ISBN-PDF 978-3-86739-718-6

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Originalausgabe Psychiatrie Verlag, Köln 2006

Lektorat: Anne Katrin Bläser, Bonn

Umschlagkonzeption: p.o.l: kommunikation design, Köln, unter Verwendung eines Bildes von Heribert Schulmeyer, Köln

Satz: BALANCE buch + medien verlag, Köln

Homepage: www.balance-verlag.de

Menü

Buch lesen

Innentitel

Inhaltsübersicht

Informationen zur Autorin

Impressum

Als ich 17 war …

I don’t care …

Digging in the dirt

Dreh dich um

Beim Rausgehen sagt …

Nachwort

Informationen zur Autorin

Als ich 17 war, begann ich zu sterben, mit 19 hatte ich es fast geschafft. Ich bin noch einmal umgekehrt. Warum? Vielleicht weil jemand mir gesagt hat, dass es sich nicht gehört, so zu sterben. Vielleicht weil ich doch auf einmal Angst bekommen habe. Vielleicht weil ich an einen Ort gekommen war, wo man mich nicht in Ruhe sterben ließ. Vielleicht aber auch, weil ich endlich einmal ausprobieren wollte, was denn das andere ist, wie es sich anfühlt, was es wohl für eine Erfahrung ist. Das, was ich noch niemals versucht hatte, von dem ich keine Ahnung hatte, wie es ging: leben.

I don’t care if it hurts

I wanna have control

I want a perfect body

I want a perfect soul

Radiohead

Wer bin ich? Ich bin 15 und schreibe in mein Tagebuch: Meine Figur ist alles, was ich noch habe, also muss ich sie unbedingt behalten.

An meinem Körper halte ich mich fest. Versuche es zumindest. An irgendetwas muss ich mich festhalten.

Ich sitze Nachmittage lang in meinem Zimmer, höre Radio, wundere mich, wenn Nachrichten vorgelesen werden, dass schon wieder eine Stunde vergangen ist. Ich schließe mich in mir ein, die Welt um mich herum macht mir Angst. Ich passe nicht hinein. Reden tue ich darüber nicht. Es ist doch alles so gut. Mein Ungutes passt nicht, ich habe doch immer so schön gepasst, ich werde geliebt, weil ich passe, weil es mir gut geht, weil ich einfach bin, pflegeleicht. Alles andere wäre zu viel, würde belasten, dürfte nicht wahr sein. Und ich will geliebt sein, ich darf nicht enttäuschen. Darum ziehe ich mich zurück. Baue mir eine Fassade aus perfekt ausgesuchten Anziehsachen, aus Ringen an jedem Finger, aus Lächeln, aus Worten. Leeres Lächeln und leere Worte.

Jemand soll mich verstehen. Aber ich vertraue mich niemandem an. Das, worüber ich reden möchte, ist doch nicht wahr. Es ist doch alles in Ordnung. Eine Familie, ein Haus, keine Geldsorgen, kein prügelnder Vater, keine geschiedenen Eltern. Stark bin ich und erfolgreich, ich schreibe gute Noten und bin beliebt, ich mache keine Probleme. Ich bin ein fröhliches Kind. Ein fröhlicher Teenager. Ich habe keine Stimme außer der, die ausspricht, was alle hören wollen. Ich halte mich fest an meinem Spiegelbild. Manchmal hasse ich meine Eltern abgrundtief. Danach: Schuldgefühle.

Woher der Hass kommt? Weil er nicht sein darf, darf ich auch darüber nicht nachdenken. Nicht darüber nachdenken, dass meine Familie ein Kartenhaus ist, aufgebaut aus Lügen, aus So-tun-als-ob. Ein Haus, das einstürzte, funktionierte ich nicht. Also funktioniere ich und schäme mich für den Hass, der nicht sein darf. Wir haben uns alle lieb. Aber wann haben wir uns lieb? Wenn wir abends ins Bett gehen und versichern, dass wir uns nicht böse sind. Wenn es uns gut geht. Wenn es nur eine Frage gibt: Ist alles in Ordnung?, und nur eine Antwort: Ja. Wenn ich stark bin, groß und einsichtig. Also bin ich stark, groß und einsichtig. Aber ich bin niemand außer für die anderen.

Ich sollte mich wehren. Ich sollte nicht mitspielen. Ich sollte protestieren. Aber erstens möchte ich so gerne geliebt werden. Und zweitens gehört Protest nicht zu meinem Verhaltensrepertoire. Ein Junge von meiner Schule bringt sich um. Wenn ich seinen Bruder angerufen habe, war er manchmal am Telefon: »Moment, ich hole ihn mal.« Jetzt ist er tot. Ich sitze in meinem Zimmer, Nachrichten, eine Stunde Zeit, Nachrichten, und lerne seine Todesanzeigen auswendig. Meine Eltern sind im Urlaub. Als sie anrufen, erzähle ich, dass Lenard sich umgebracht hat. Oh. »Da reden wir mal drüber, wenn wir wieder zu Hause sind.« Klar. Ja. Sicher. Es ist eine böse Information aus der Welt, die nicht sein darf, und wir reden niemals tatsächlich darüber. Schon gar nicht darüber, wie gut ich diesen Tod verstehen kann. Ich tue so, als würde ich schnell vergessen.

Auch sonst rede ich immer weniger. Meinen Freunden gegenüber fühle ich mich fremd. Ich verliebe mich in unerreichbare Typen. Der würde mich verstehen! Wenn ich mit dem zusammen wäre, wäre alles gelöst, könnte ich sein, wie ich bin! Immer wieder steigere ich mich in dieses Aussichtslose hinein, quäle mich mit unerfüllbaren Wünschen. Jedes Scheitern lässt mich noch einsamer zurück. Der wäre es gewesen! Nun ist alles zu spät! Aber auch, wenn ich weine, sieht man mich nur lachen.

Lachen an den dafür vorgesehenen Stellen. Hier ist alles festgelegt, alles läuft in geordneten Bahnen. Die Ordnung meiner Eltern. Wenn wir Milchreis essen, dann den ersten Teller mit Kirschen, den zweiten mit geschmolzener Butter und Zucker und Zimt. Zum Frühstück gibt es Mischbrot (nur am Samstag Brötchen und am Sonntag Toastbrot oder Rosinenbrot) und zum Abendbrot gibt es Schwarzbrot. Beilagen zum Frühstück sind süß (Marmelade, Honig, Nutella, dazu Butter), zum Abendbrot herzhaft (Käse, Wurst, dazu Margarine). Salzkartoffeln werden zerdrückt, Pellkartoffeln zerschnitten. Die Nudeln werden so lange gekocht, wie auf der Packung steht. Was das Seltsame ist: Es wird niemals hinterfragt. Weder mein Bruder noch ich verlangen jemals erst den Zimt zu essen und dann die Kirschen oder beides auf einmal, fordern Rosinenbrot am Dienstagabend. Niemand stellt dieses Leben in Frage, es ist so, naturgesetzgleich, und hinterfragst du es einmal, passt du nicht mehr, passt du nicht in diese Welt, wirst du herausfallen.

Was ich mag: Ich mag mich morgens nach dem Duschen gerne nass im Spiegel angucken, wenn ich am Tag davor und beim Frühstück wenig gegessen habe.

Bald werde ich jeden Morgen vor dem Spiegel stehen und ausschließlich daran denken, was ich am Tag zuvor und zum Frühstück gegessen habe. Werde mich hassen für jeden Milliliter Milch in meinem Kaffee.

Tagein, tagaus laufe ich mit einer Rasierklinge in der Jackentasche herum. Mich jederzeit umbringen zu können gibt mir Sicherheit. Vielleicht tue ich es darum niemals. Wenn du jetzt in der Mathestunde auf die Toilette gehen und dir die Pulsadern aufschneiden kannst, dann kannst du genauso gut auch noch warten bis nach der Schule. Vielleicht im Wald auf dem Nachhauseweg. Oder zu Hause. Oder später bei einem Spaziergang. Oder oder oder. Ich brauche mich nicht umzubringen, denn ich könnte es jederzeit tun. Beruhigende Sicherheit.

Ich möchte am liebsten ausziehen. Es ist so unerträglich, mit Tausenden von unausgesprochenen Äußerungen und Erwartungen und Wünschen und Bewertungen zu leben. Ich versuche immer alles zu spüren, zu wissen, was nicht gesagt wird, zu passen. Niemand stellt den Anspruch, aber wenn ich ihn nicht erfülle, enttäusche ich. Ersticke daran, möchte um Hilfe schreien, aber mit welchem Recht?

Es wäre nicht zu rechtfertigen. Wenn ich drogenabhängig wäre. Wenn ich Krebs hätte. Wenn ich blass wäre mit dunklen Augenrändern. Wenn ich ganz, ganz dünn wäre. Das wäre etwas anderes. Dann hätte ich Anspruch auf Hilfe. Dann würde jemand sehen. So sieht mich niemand. Niemand versteht, wie drogenabhängig, krebskrank, blass, augengerändert und dünn ich innerlich bin.

Ich fülle Bewerbungsbögen aus für ein Schuljahr in Amerika. Machen, was sich gut macht im Lebenslauf. Und vor allem weg von hier. Fragebögen: »Did you ever suffer from bulimia, anorexia nervosa, or any other kind of eating disorder?« No, no, no. Wie ich mich fühle, geht schließlich niemanden etwas an. Did you ever feel as if you could suffer from bulimia, anorexia nervosa, or any other kind of eating disorder ...?

Mit meinem Auslandsjahr fällt der Auszug meines Bruders zusammen. Mit ihm geht das Familienmitglied, das mein Verbündeter hätte sein können. Hätte sein können, wenn wir geredet hätten, schon früher geredet hätten, als wir es dann taten. Später wird er mein Vertrauter werden, mein Angehöriger. Jetzt zieht er aus und ich weiß noch nicht einmal, was ich verloren habe, weiß noch nicht, wie sehr ich einen Partner brauchte in den letzten Jahren zu Hause. So geht er und ich fliege zwanzig Stunden lang in ein neues Land.

Aber auch nach Amerika gehöre ich nicht. Doch genau wie zu Hause, weiß ich auch dort, was ich tun soll, was meine Gasteltern, meine Eltern, meine Mitschüler von mir erwarten. Ich hasse das Land. Hasse die Menschen. Hasse die Sportteams, in denen ich überall Mitglied bin. Ich verliebe mich das erste Mal in meinem Leben in ein Mädchen. Eine Todsünde in diesem Land, in diesem Landstrich. Ich rede mit niemandem darüber. Wäre ich nicht vorher bereits allein gewesen, würde ich noch nie in meinem Leben so allein gewesen sein. Ich habe Gewaltfantasien, erst nur abends allein in meinem Zimmer, später fast überall. Manchmal werden sie so mächtig, dass ich vor mir selbst erschrecke. Stelle mir vor, wie ich nachts aufstehe, die Treppe hinaufgehe, Pistole in der Hand, die Tür zum Schlafzimmer meiner Gasteltern öffne und sie im Schlaf erschieße. Eiskalt, ohne Zweifel. Höre die Schüsse, sehe das Blut.

Nach der Hälfte des Jahres beginne ich die Tage bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland zu zählen.

Als ich zurückkomme, bin ich dick. In Amerika habe ich nicht gemerkt, dass ich zugenommen habe. Früher war ich immer eine der Dünnsten. Jetzt bin ich dick. Im Nachhinein betrachtet, könnte man sagen, ich bin weiblicher geworden, runder. Übergewichtig bin ich nicht. Aber gemessen an mir als Kind und gemessen an meiner Mutter sind meine Rundungen unangemessen.

Ich fahre mit meinen Eltern und meiner besten Freundin Sarah in den Urlaub nach Irland. Wir kaufen Wollpullover. Meiner reicht nicht über den Po. Meine Mutter ist unschlüssig. Begutachtet mich. Fragt, ob es mich nicht störe, dass der Pullover so kurz sei. Er geht nicht über den Po. Sarah sagt: »Meiner doch auch nicht.« – »Aber du kannst es dir leisten«, sagt meine Mutter zu Sarah, meiner Freundin. Getroffen. Ich falle. Später entschuldigt meine Mutter sich. Sie wisse doch, wie tief solche Bemerkungen gehen, sie habe selbst darunter gelitten. Aber sie hat es gesagt. Und was sie gesagt hat, muss sie vorher gedacht haben.

Wir probieren mitten im Sommer Wollpullover an. Wenn ich im Winter diesen Pullover anziehen werde, wird niemand mehr auf die Idee kommen, ich könne es mir nicht leisten.

In mein Tagebuch schreibe ich nichts von alledem. Nur ein Bild von Kate Moss klebt dort, die Arme verschränkt.

Von meiner Mutter habe ich im Laufe der Jahre viele Anmerkungen zu meinem Körper bekommen. Und alle widersprechen sich. Das werde ich erst Jahre später merken, Mitte 20, nach sieben Jahren Therapie. Noch sind sie alle gleich gegenwärtig und ich versuche krampfhaft, sie zusammenzubekommen. Teile zusammenzusetzen, die niemals zusammenpassen werden. Als Kind war ich groß und schlaksig. Aber schon damals: bloß keine kurzen Pullover, denn Frauenhintern und Frauenbeine sind grundsätzlich zu dick. Auch meine Mutter findet ihre Beine zu dick, hat angeblich immer von ihrer eigenen Mutter zu hören bekommen, dass sie zu dick sei. Von derselben eigenen Mutter, die sie andererseits als Kind in ein Ferienlager zum Zunehmen geschickt hat, weil sie so dünn war. Okay. Über meinen Busen könne ich jedoch froh sein (meine Mutter findet ihren zu klein). Zu groß soll ein Busen aber auch nicht sein und zeigen soll man ihn erst recht nicht. Als ich im Turnverein einen Gymnastikanzug bekomme, sagt meine Mutter, ich solle ein T-Shirt drüberziehen. Ich bin neun Jahre alt. Mein erster Gymnastikanzug, einer, wie ihn alle Mädchen haben, ich bin furchtbar stolz, als ich ihn auspacke. Ein T-Shirt über meinen glitzernden Gymnastikanzug? Mit dreizehn will ich einen BH anziehen. Warum? Sie, meine Mutter, zieht keinen an.

Ich soll einmal fraulicher aussehen als sie. Sie findet, ich bin zu rund. Mein Kopf dreht sich. Alles widerspricht sich. Meine Mutter scheint nicht zu wollen, dass ich eine Frau werde. Als ich aufhöre, das große schlaksige Kind zu sein, fangen die Verständigungsprobleme an.

Ich komme niemals bei einer kohärenten Vorstellung von meinem Körper, von mir als Frau an.

Ich will essen, aber wenn ich esse, habe ich hinterher ein schlechtes Gewissen. Bald wird dies Dauerzustand sein: essen und ein schlechtes Gewissen haben. Wer sich vorstellt, bei jedem Atemzug ein schlechtes Gewissen zu haben, der stellt sich eben dies vor. Wenn jemand mich nicht mag, bin ich hilflos. Menschen zu enttäuschen, bringe ich nicht fertig. Ich bin doch nur durch Gemochtwerden da. Oft bringe ich nicht den Mut dazu auf, irgendwo abzusagen. Dann tut meine Mutter es für mich, springt ein, erklärt. In solchen Momenten bin ich ihr unendlich dankbar und schäme mich noch viel mehr für meinen Hass.

Ich schließe die Haustür abwechselnd mit der linken und mit der rechten Hand auf, damit keine sich benachteiligt fühlen soll. Niemand darf sich verletzt fühlen durch mich, niemand soll unzufrieden sein mit mir, ich will auf alle achten.

Innerlich eine immense Sehnsucht nach Schwäche. Wünsche mir, ganz klein zu sein, wünsche, dass jemand mich in den Arm nimmt, mir über den Kopf streichelt, mir über die Augen streicht und alles wieder gut macht, heil. Nach außen bin ich cool, brauche nichts und niemanden, meine Sehnsucht ist mir peinlich, man soll sie mir nicht ansehen. Ich bin die Tochter, die immer versteht. Versteht, dass die Mutter nicht zu sehr belastet werden kann, weil sie Rückenschmerzen hat, weil sie Kopfschmerzen hat. Versteht, dass die Mutter ihr als Kind keine Zöpfe binden konnte, weil sie »nicht so eine Mutter ist«. Versteht, dass es für alle einfacher ist, wenn sie abends von selbst erklärt, schlafen gehen zu wollen, statt mit den Erwachsenen aufzubleiben. Wie oft habe ich als Kind nachts stundenlang wach im Bett gelegen, nachdem ich gesagt habe, dass ich schlafen gehen möchte. Ich war nicht müde, ich hielt es einfach für die Sache, die man macht, die selbstverständlich ist. Ich darf die Erwachsenen nicht stören. Es ist seltsam, weil niemand es verlangt. Meine Eltern wundern sich, dass ich so selten gequengelt habe. Darum wird es später so schwer werden, ihnen zu erklären, dass ich unglücklich war. Sie haben doch nichts gemacht, nichts verlangt. Ich bin dem Ungeforderten nachgekommen.

Fakt ist, ich habe niemals gelernt zu spüren, wann ich müde bin. Jahre später werde ich es zu lernen beginnen. Lernen, es in Ordnung zu finden, wenn ich mich müde fühle, obwohl es noch früh ist oder ich wach bin, obwohl ich extrem wenig geschlafen habe. Lernen, dass die Uhrzeit nichts zu sagen hat. Denn die Uhr bestimmt mich, hat mich immer bestimmt: Ist es Zeit, ins Bett zu gehen, ist es Zeit, zu essen? Ich habe mich niemals nach mir gerichtet, niemals nach meinem Körper, niemals nach meinem Gefühl. Immer die anderen, immer die große Uhr, immer man man man.

Nicht stark zu sein würde Unsicherheit bedeuten. Und Unsicherheit ist Abhängigkeit.

Abhängigkeit ist das Schlimmste, Vertrauen ebenso schlimm. Gleichbedeutend mit Ausgeliefertsein. Ich will nicht mehr ausgeliefert sein. Ich will mich auf nichts verlassen. Wenn jemand zu mir sagt: »Bis morgen!«, vertraue ich nicht darauf, dass »morgen« kommt. Meine Welt steht doch nur auf wackeligen Als-ob-Beinen. Wenn ich etwas falsch mache oder wenn sich irgendein Schicksal gegen mich verschwört, wird morgen nicht kommen. Ein Fehler kann alles zerstören. Manchmal singen wir abends auf der Bettkante ein Lied: »Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt ...« Jedes Mal räume ich in meinem Kopf die Möglichkeit ein, dass Gott nicht will.

Ich beschließe, kein Fleisch mehr zu essen. Eine kleine Nische, in der ich selbst bestimmen kann. Hier ziehen meine Eltern nicht mit. Ansonsten gehört mir nicht viel allein. Alles wird von ihnen an sich gerissen. Färbe ich mir die Haare, färbt meine Mutter sie sich auch. Rauchen ist akzeptiert, meine zerlöcherten Ohrläppchen sind witzig, als Protest taugt nichts. Selbst meine Kleidung wird nachgeahmt. Du bist doch wir.

Eine Lehrerin schlägt mich für ein Seminar der Begabtenförderung vor. Es kommt mir unsagbar falsch vor. Ich fühle mich nicht begabt, entspreche keiner meiner Anforderungen an Begabung. Es wäre auch unbequem, wenn es so wäre. Es würde schon wieder nicht passen, würde Schwierigkeiten machen. Hoch begabte Kinder, gesonderte Förderung. Seufzen, wenn die Rede auf diese vermeintliche Begabung kommt. Eltern mit begabten Kindern haben es schwer, das wissen meine Eltern, selbst Lehrer.

Sie fragen mich, ob ich mich wohl fühle in meiner Klasse. Natürlich fühle ich mich wohl, ich nicke, einfach aus dem Grund, dass ich nicht weiß, wie es anders wäre. Weil ich das Gefühl nicht kenne, dass jemand in dieser Hinsicht auf meine Bedürfnisse eingeht. Ich weiß nicht, wie es ist, viel zu lernen, Grenzen auszutesten. Mit dem Nicken ist alles in Ordnung, ich bin vielleicht intelligent, aber ich bin glücklicherweise kein Fall, der Schwierigkeiten macht. Erst später, an der Uni, werde ich mich trauen, mehr zu wollen, werde mein damaliges Nicken verfluchen und verfluchen, dass niemand versucht hat mir einen anderen Weg zu zeigen, dass niemand verstanden hat, dass man nicht anders kann als nicken, wenn man nur einen Weg kennt.

Und dann, als es Frühling wird, ist da plötzlich jemand, jemand, nach dem ich mich die ganze Zeit gesehnt habe, jemand, der mich versteht: Julie. Julie, die ich schon lange von der Schule kenne, von der Schulband, von verschiedenen Fahrten, und die jetzt in Berlin studiert. Ich bin verliebt. Verliebt in eine Frau, das kenne ich aus Amerika, aber hier ist es anders, denn Julie kommt, wann immer sie kann, sie ist tatsächlich da, hält mich fest, streichelt mich. Das wollte ich doch, das war es doch, was ich wollte.

Kaum hat es richtig angefangen, merke ich, dass ich es nicht kann. Ich kann niemanden lieben, meine Sicherheit aufgeben. Nähe, das war doch Vertrauen, das war doch Schwäche, das war doch Hingabe. Sich hergeben? Niemals. Mit jemandem auf einer Party herumknutschen, das ist das Einzige, was geht, lieben niemals. Ich bin alles, was ich habe, nur auf mich verlasse ich mich. Menschen können jederzeit verschwinden. Das Ende ist immer abzusehen. Ich habe das Ende im Blick. Ein Ende gibt Sicherheit, wenn man es erwartet. Lieben setzt voraus, dass man es nicht erwartet. Lieben macht unsicher.

Kontroll-Freak. Kontrolle über die Leistung, über die Nahrung, über die Gefühle.

Ich kann schon nicht mehr ohne diese Kontrolle leben. Die Beziehung könnte großartig werden. Aber mit meiner Angst kann nichts großartig werden. Als die Beziehung bestehen bleibt, steigert sich die Angst zur Panik. Panik vor allem, was unkontrollierbar scheint. Panik vor dem Essen. Zu viel, zu viel, heute habe ich zu viel gegessen. Ich lebe gefährlich, wenn ich zu viel esse, Essen macht mich dreckig. Morgen weniger. Kann es nicht ertragen, mich nicht unter Kontrolle zu haben. Reden, ich müsste darüber reden. Aber wem soll ich sagen, dass ich mich fürchte? Ich fürchte mich zu sehr.

Inzwischen haben meine Eltern bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich esse so wenig. Aber warum? Als sie schließlich von der Beziehung mit Julie erfahren, ist alles klar. Nun kann Julie die Schuldige sein. Ich bin ja nur verführt worden, ich bin ja nur hineingezogen worden in etwas, das ich doch eigentlich gar nicht will – ich selbst weiß zwar, was ich will, aber meine Eltern wissen, was ich eigentlich will. Darum komme ich wahrscheinlich mit meinem Körper nicht mehr klar: weil ich eine lesbische Beziehung führe. So einfach ist das. Nun ist alles klar: Wir wissen, wie du eigentlich bist, und wir sind immer für dich da, immer für dich da, immer für dich.

Die kleine Stimme in mir, die sagt, wehr dich, du bist doch verliebt, ist zu schwach.

Ich beende die Beziehung. Laufe davon aus Angst und Schwäche. Meiner Angst vor Nähe und meiner Schwäche gegenüber meinen Eltern. Überzeugt von Gründen, die nicht meine eigenen sind. Gründe meiner Mutter. Ihre Waffen: reden, argumentieren, überzeugen, bis ich mich am Ende mit ihren Argumenten schlage. Als ich neun war, habe ich mir ein Kaninchen gewünscht. Meine Mutter wollte keine Haustiere. Meine Eltern kamen mit Gründen. Gründe gegen ein Kaninchen. Gründe gegen Tiere. Vernünftige Gründe. Erwachsenengründe. Irgendwann wusste ich nicht mehr, dass ich ein Kaninchen wollte. Dachte, ich wäre diejenige, die gegen Tiere sei. Dachte, es wären meine Gründe. Wenn mich jemand fragte, was denn jetzt mit dem Kaninchen sei, hielt ich einen Vortrag wie eine Erwachsene. Führte all die Argumente an, die nicht meine waren, verteidigte meine Position, kein Kaninchen haben zu wollen, mit der Vernunft der anderen, die ich vorher doch versucht hatte zu bekämpfen. Die Erwachsenen brauchten mich gar nicht zu besiegen, ich schlug mich selbst mit deren Waffen.

Die hinterlistigste Art zu manipulieren: dem »Ich will« des Kindes kein »Du darfst nicht«, sondern ein »Du willst nicht« entgegensetzen. Hilfloser Hass aufgrund dieser Manipulation. Aber auf der anderen Seite auch immer die Erleichterung, dass jemand anderes entscheidet. Es macht die Konsequenzen einer Entscheidung irrelevant, weil ich nicht die Verantwortung trage. Ich fürchte mich vor eigenen Entscheidungen, weil ich dann selbst schuld wäre, wenn das Entschiedene schief ginge.

Aber eine Entscheidung treffe ich innerlich, die einzige, die noch offen ist. Die Entscheidung: Nein. Ich brauche eure Liebe nicht, ich brauche euer Leben nicht. Aber vor allem: Ich brauche euer Essen nicht. Von hier an übernimmt das Nichtessen die Führung. Und von hier an geht alles sehr schnell.

Jegliche Nahrungsaufnahme wird jetzt registriert. Das Punktesystem: für jede Nahrungsaufnahme ein Kreuz auf dem Papier. Für Nichtjoggen ebenfalls ein Kreuz. Jedes Kreuz wiegt schwer. Egal, ob es ein Apfel ist oder ein Teller mit Nudeln. Jeder Bissen ein Kreuz. Jeder Verstoß gegen die mir selbst auferlegten Regeln eine Folter. Drei in den Mund geschobene Nudeln werden zum Nudel-Naschanfall. Magersüchtig? Nicht der Erwähnung wert.

Ein Kilo, noch ein Kilo.

Ich lese, dass man lediglich weniger Fett essen muss, um abzunehmen. 60 Gramm Fett am Tag für normalgewichtige Menschen, Menschen, die ihr Gewicht halten wollen. 30 Gramm für Menschen, die abnehmen wollen. Ich versuche, unter zehn Gramm zu kommen. Später auf nahezu null Gramm. Nur noch rohes Obst und Gemüse, Knäckebrot. Magerquark, Cola light.

Meine Hosen werden zu weit. Ich mag es, wenn sie um meine Hüften schlabbern.

Wenn ich joggen gehe, sehe ich meinen Schatten am Boden vor mir herlaufen. Die Strecken sind mir die liebsten, auf denen die Sonne direkt hinter mir steht. Anfangs berühren sich meine Oberschenkel, reiben aneinander, bilden einen zusammenhängenden Schatten auf dem Sandboden. Ich hasse diesen Schatten. Ich hasse das Gefühl, wenn meine Beine sich berühren. Irgendwann beginnt die Sonne durch mich hindurchzuscheinen, jedem Bein seinen Schatten. Irgendwann berühren sich meine Beine nicht einmal mehr, wenn ich auf einem Stuhl sitze, die Schenkel auf der Sitzfläche ausgebreitet. Erfolg.

Meine beste Freundin Sarah macht sich Sorgen. Redet mit mir, bringt mich dazu, bei einem Psychotherapeuten anzurufen, nicht nachher, nicht morgen, jetzt. Da sitze ich, mit einem Terminzettel in der Hand. Ich werde jemandem erzählen können, dass ich nicht mehr essen kann. Ich werde es nicht erzählen. Es ist nicht wichtig.

Damit die Krankenkasse den Termin bezahlt, muss ich ihn meinen Eltern mitteilen.

Meine Nerven spielen verrückt. Ein Wochenende lang liege ich nur im Bett und heule. Ich kann mein rechtes Auge nicht richtig bewegen. Schmerzen. Ich kann nicht richtig sehen. Weinen macht es noch schlimmer, aber ich kann nicht aufhören zu weinen. Bin völlig erschöpft. Kaputt. Ich gehe kaputt. Verglichen mit dem Kaputtgehen ist einer Grippe doch leichter ins Auge zu sehen. Also behaupte ich, grippekrank zu sein.

Noch ein Kilo. Und noch eins.

Ich gehe zum Psychotherapeuten. Er versteht nicht, will mir Antidepressiva geben. Mein Essproblem werde sich dann schon lösen. Erst Medikamente nehmen, dann reden wir ein bisschen. Aber reden ist das Einzige, was ich will. Allerdings nicht mit ihm. Ich kann mich nicht mal an sein Gesicht erinnern. Er hinterlässt keinen Eindruck und ich gehe nicht wieder hin.

Inzwischen habe ich ständig das Gefühl, zu viel zu essen. Fühle mich ekelhaft. Permanent ekelhaft. Verabscheuungswürdig. Alles Gegessene bleibt unvergesslich in meinem Gedächtnis haften. Wie viel Ekel sich ansammeln kann ... Und kotzen kann ich nicht, werde es niemals können. Es wäre auch nicht richtig. Ich beherrsche mich doch völlig. Niemals die Kontrolle verlieren. Dass der Therapeut mich nicht verstanden hat, ist mir nicht unrecht. Ich will mich auf keine Therapie einlassen, in der man mich zum Essen bringt. Von Tag zu Tag sehe ich doch besser aus. Das aufgeben? Niemals. Es ist das Einzige, woran ich mich festhalten kann, das Einzige, was bleibt.

Synapsen. Alles ist nur körperlich bedingt. Das hat der Therapeut gesagt, das sage ich darum auch meiner Mutter, darum habe ich ja Antidepressiva bekommen.

Eine Spalte in der Rubrik der Nebenwirkungen: kann Gewichtszunahme hervorrufen. Wie kann ich diese Tabletten nehmen? Ich werde fett davon werden, ich merke förmlich, wie ich immer dicker werde mit jedem Tag, an dem ich eine Tablette nehme, wie die Tabletten mich aufgehen lassen. Egal, wie schlecht es mir geht, wenn ich zunähme, ginge es mir noch schlechter. Das wenigstens weiß ich. Dessen bin ich mir sicher.

»Synapsen«, sage ich zu meiner Mutter, damit die beruhigt ist. Es ist doch alles nur körperlich, ansonsten würde ich doch funktionieren, ich bin nicht traurig, ich habe keine Probleme. Mein Körper funktioniert halt nicht, das muss doch jeder verstehen. Synapsen. Die Tabletten nehme ich nicht weiter. Ich weiß doch nicht, wie viele Kreuze eine Tablette auf meiner Liste zählt.

Ich schmiede heimlich Pläne auszuziehen. Endlich essen zu dürfen, was ich will. Oder eher: nicht essen zu dürfen. Keine vorwurfsvollen Blicke mehr, keine sorgenvollen Bemerkungen. »Nun reicht es doch auch langsam mal mit dem Abnehmen!« Nein nein nein, es wird nie reichen, das begreift ihr nicht, niemand begreift es. Also hülle ich mich in Schweigen oder Lügen: Nein, ich habe schon in der Stadt gegessen, nein, heute frühstücken wir in der Schule, nein, nachher fahre ich noch zu Sarah, da gibt es etwas zu essen, nein, ich habe keinen Hunger. Diese letzte Lüge ist die schlimmste, weil ich sie irgendwann selbst glaube: Was immer ich habe, was immer in mir sitzt und nagt und schreit und fordert und rebelliert, alles kann es sein, aber Hunger habe ich nicht, ich kann keinen Hunger haben, ich nicht. Habe keinen Hunger, hatte niemals Hunger, werde niemals mehr Hunger haben. Die anderen sehen mich an, und bestimmt glauben sie mir. Sie müssen doch sehen, wie dick ich bin, wie unwahrscheinlich fett, sie müssen doch sehen, dass ich es am allernötigsten habe abzunehmen von allen Menschen auf der ganzen Welt.

Ich hasse das Gefühl, nach Hause zu müssen, zum häuslichen Plan. Der Plan, wann ich freundlich, geduldig, witzig sein muss. Wann ich dies sagen darf und das tun. Wünsche mir nichts sehnlicher, als dem zu entkommen, aber auf der anderen Seite ist es genau das, was mir Sicherheit gibt. Hier habe ich meine Sachen, mein Müsli, mein Zimmer, hier weiß ich wenigstens, wie ich mich zu verhalten habe. Woanders würden andere Regeln gelten und mit denen kenne ich mich nicht aus. Und ohne Regeln geht es gar nicht, alles Fremde verunsichert mich. Ich kann ohne bestimmte Sachen nicht sein. Immer dieselbe Müslischale zum Frühstück, immer derselbe Löffel. Mein Löffel. Gelber Griff mit Blümchen. Abends überlege ich genau, was ich am nächsten Tag anziehen will. Jedes Detail. Hose, Pullover, T-Shirt, Unterwäsche, Socken, Schuhe, Haargummi. Wenn ich morgens merke, dass das geplante Paar Socken in der Wäsche ist, drehe ich durch. Suche im Wäschekorb, fange an zu heulen, ziehe mich tausendmal um. Mit den falschen Sachen fühle ich mich den ganzen Tag unwohl.

Am Ende scheitern alle Umzugspläne, werden von mir verworfen, weil ich nicht weiß, wie ich sie jemals begründen sollte. Außerdem, es ist ja nur noch ein Jahr, dann habe ich mein Abitur, dann bin ich sowieso weg.

Meine Mutter wird wütend. Die Atmosphäre wird gespannter. Einmal in der Woche esse ich nur Obst und Gemüse. Den ganzen Tag lang. Immer freitags. Egal, wo ich bin. Wenn ich schon zur Magersucht neige, solle ich damit aufhören, sagt, schreit, wirft meine Mutter mir vor. Zur Magersucht neigen? Zum Lachen. Als könne man zur Magersucht neigen wie zu fettigen Haaren. Wenn es so einfach wäre, dann hörte ich auf. Hörte ich dann auf? Niemals. Ich will nicht, und ich kann auch gar nicht mehr. Das ist doch mein Leben.

Einmal bin ich krank, komme mit Fieber nach Hause. Es ist Freitag. Ich fühle mich schwach, aber Honig in den Tee? Ein Brot essen? Einen Joghurt? Das kommt nicht in Frage, es ist Freitag, auf Freitage ist Rücksicht zu nehmen, da kann mich kein Fieber zum Essen bringen, sonst natürlich, jederzeit, aber nicht freitags, nicht nicht nicht freitags.

Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Spiele ich die (fast) funktionierende Tochter, oder spiele ich das deprimierte, zu dünne Mädchen mit einem Haufen Probleme? Was ist die Wirklichkeit? Ich verliere den Bezug zur Welt immer mehr. Eine Welt, die nicht verstehen kann, dass eine einzige Tablette fett macht, ist nicht meine Welt.