Aufbau und Förderung sozialer Kompetenz - Nikola M. Stenzel - E-Book

Aufbau und Förderung sozialer Kompetenz E-Book

Nikola M. Stenzel

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Beschreibung

Jeder Mensch ist im Alltag auf die Kommunikation mit anderen Personen angewiesen. Es existiert kaum ein Lebensbereich, der nicht durch die Interaktion mit anderen mitbestimmt wird. Die Fähigkeit, Beziehungen langfristig positiv zu gestalten und gleichzeitig individuelle Ziele zu erreichen, spielt eine zentrale Rolle für das menschliche Wohlbefinden. Entsprechend spielt die Förderung sozialer Kompetenzen in vielen psychotherapeutischen Kontexten eine wichtige Rolle. Das Buch informiert über wissenschaftlich etablierte Interventionen sowie innovative Konzepte zum Aufbau sozialer Kompetenzen. Es wird ein praxisorientierter Leitfaden vorgestellt, der vor allem auf die besonderen therapeutischen Herausforderungen eingeht, die sich im einzeltherapeutischen Setting für ein interaktives Verfahren wie das soziale Kompetenztraining ergeben: z.B. die praktische Umsetzung von Rollenspielen und die Schwierigkeiten, die durch die Doppelrolle "Therapeut – Rollenspielpartner" entstehen. Zusätzlich werden auch gruppentherapeutische Interventionen beschrieben und zahlreiche Arbeitsmaterialien präsentiert, die die Umsetzung des Vorgehens in der klinischen Praxis unterstützen.

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Nikola Maria Stenzel

Anna-Maria de Veer

Aufbau und Förderung sozialer Kompetenz

Standards der Psychotherapie

Band 9

Aufbau und Förderung sozialer Kompetenz

Prof. Dr. Nikola Maria Stenzel, Anna-Maria de Veer, M.Sc.

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Tania Lincoln, Prof. Dr. Jürgen Margraf Prof. Dr. Winfried Rief, Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier

Begründer der Reihe:

Martin Hautzinger, Kurt Hahlweg, Jürgen Margraf, Winfried Rief

Prof. Dr. rer. nat. Nikola Maria Stenzel, geb. 1981. 2000 – 2006 Studium der Psychologie in Osnabrück und Marburg. 2006 – 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der AG Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Philipps-Universität Marburg. 2013 – 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leipzig sowie Mitwirkung in der Ausbildungsleitung am Leipziger Ausbildungsinstitut für Psychologische Psychotherapie (LAP). Psychologische Psychotherapeutin (VT). Seit 2015 Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB), dort Leitung der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz sowie Studiengangleitung des M.Sc. Psychologie.

Anna-Maria de Veer, M.Sc. Psych., M.Sc. VT, geb. 1987. 2007 – 2012 Studium der Psychologie in Leipzig. 2012 – 2016 Postgraduales Masterstudium der Verhaltenstherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin (PHB). Seit 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Psychologischen Hochschule Berlin und Leitung der Allgemeinen Studienberatung. 2019 Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin (VT). Seit 2019 Aufbau und Leitung der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende an der Psychologischen Hochschule Berlin. Seit 2020 Psychotherapeutin in eigener Praxis für Verhaltenstherapie, Paarberatung, Auftritt- und Prüfungscoaching sowie in der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Psychologischen Hochschule Berlin.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2021

© 2021 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2933-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2933-6)

ISBN 978-3-8017-2933-2

https://doi.org/10.1026/02933-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

1  Theoretischer Hintergrund

1.1  Soziale Kompetenz – Definition und Einordnung eines Konzeptes

1.1.1  Soziale Kompetenz als Balanceakt zwischen Durchsetzung und Anpassung

1.2  Modelle sozialer Kompetenz

1.2.1  Strukturmodelle

1.2.2  Prozessmodelle

1.3  Soziale Kompetenz als relevanter Faktor für die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen

1.4  Aufbau sozialer Kompetenzen: Interventionen und Anwendungsbereiche

2  Diagnostik und Indikation

2.1  Diagnostik sozialer Kompetenzen

2.1.1  Erfassung sozialer Kompetenz anhand von Fragebögen

2.1.2  Erfassung sozialer Kompetenz anhand von Verhaltenstests

2.1.3  Erfassung sozialer Kompetenz anhand strukturierter Interviews

2.2  Indikationsbereiche sozialer Kompetenztrainings

2.3  Kontraindikationen und Nebenwirkungen

2.4  Kombination von Interventionen zur Förderung sozialer Kompetenz mit anderen therapeutischen Strategien

3  Behandlungsleitfaden zum Aufbau sozialer Kompetenzen

3.1  Psychoedukation und Vermittlung eines Erklärungsmodells (Modul 1)

3.1.1  Einführung in das Thema soziale Kompetenz

3.1.2  Erklärungsmodell, Verhaltens- und Bedingungsanalyse

3.1.3  Psychoedukation „Situationstypen“

3.1.4  Psychoedukation „Verhaltenstypen“ (verbal, nonverbal, paraverbal)

3.2  Kontakt initiieren, Kommunikation aufrechterhalten und vertiefen (Modul 2)

Psychoedukation und Hierarchisierung

3.2.1  Vermittlung von Gesprächsführungstechniken

3.2.2  Angemessene Gesprächsinhalte finden: Small Talk und Selbstöffnung

3.2.3  Signale für eine vorliegende Gesprächsbereitschaft aussenden und wahrnehmen

3.2.4  Gespräche beenden bzw. unterbrechen

3.2.5  Praktisches Einüben komplexer Fertigkeiten

3.3  Fertigkeiten zum Äußern von Ansprüchen und Forderungen (Modul 3)

3.3.1  Berechtigte Ansprüche durchsetzen

3.3.2  Um Sympathie werben und eine Bitte äußern

3.4  Konfliktmanagement und langfristige positive Beziehungsgestaltung (Modul 4)

3.4.1  Einführung, Psychoedukation, Situationskompass

3.4.2  Soziale Kompetenz und Emotionsregulation

3.4.3  Gefühle (und deren Funktion) erkennen und benennen

3.4.4  Nonverbaler Ausdruck von Gefühlen

3.4.5  Direkter verbaler Ausdruck von Gefühlen

3.4.6  Eigene Bedürfnisse äußern und sich abgrenzen

3.4.7  Konstruktive Kritik äußern und Konflikte lösen

3.4.8  Bestehende Beziehungen vertiefen

3.4.9  Anderen Menschen emotionale Unterstützung anbieten

4  Allgemeine Behandlungsprinzipien und typische Probleme bei der Durchführung

4.1  Anleitung und Durchführung von Rollenspielen

4.1.1  Modellverhalten bzw. Modellrollenspiel

4.1.2  Auswahl einer Situation und kognitive Vorbereitung

4.1.3  Durchführung des ersten Rollenspiels

4.1.4  Reflexion bzw. Nachbesprechung des Rollenspiels

4.1.5  Wiederholung des Rollenspiels

4.1.6  Zusammenfassung/Generalisierung

4.2  Therapeutisches Feedback funktional einsetzen

4.2.1  Patienten in der differenzierten Selbstwahrnehmung schulen

4.2.2  Pseudoassertives Verhalten

4.2.3  Feedback im Gruppensetting: Vorteile und Besonderheiten

4.2.4  Videofeedback richtig einsetzen

4.3  Transfersicherung und Rückfallprophylaxe

4.3.1  Hausaufgaben im sozialen Kompetenztraining

4.3.2  Umgang mit Erfolg und Misserfolg und Rückfallprophylaxe

4.4  Weitere häufige Probleme bei Behandlungsplanung und -durchführung

4.4.1  Motivation für Rollenspiele schaffen

4.4.2  Spezifische Problemstellungen im Einzel- und Gruppensetting

4.4.3  Realistische Erwartungen beim Patienten wecken

5  Varianten der Methode: Spezifische Anwendungsbereiche und innovative Ansätze

5.1  Schizophrenie

5.2  Substanzbezogene Störungen

5.3  Persönlichkeitsstörungen

5.4  Die Forensik als spezifischer Anwendungsbereich

5.5  Autismus-Spektrum-Störungen

5.6  Mediale Kommunikationskompetenz

5.7  Virtual Reality Tools zur Förderung sozialer Kompetenzen

6  Evidenzlage, Effektivität und Prognose

6.1  Wirksamkeit „klassischer“ sozialer Kompetenztrainings

6.2  Spezifische Wirksamkeit von Varianten und Weiterentwicklungen

6.3  Zusammenfassung und Ausblick

7  Weiterführende Literatur

8  Literatur

9  Kompetenzziele und Lernkontrollfragen

10  Anhang

Arbeitsblatt: Modell sozial kompetenten Verhaltens

Informationsblatt I: Kontakte initiieren und vertiefen

Informationsblatt II: Berechtigte Ansprüche durchsetzen

Informationsblatt III: Um Sympathie werben und eine Bitte äußern

Informationsblatt IVa: Eigene Bedürfnisse äußern und sich abgrenzen (langfristige positive Beziehungsgestaltung)

Informationsblatt IVb: Konstruktive Konfliktlösung (langfristige positive Beziehungsgestaltung)

Beispielsituationen I: Kontakte initiieren, Kommunikation aufrechterhalten und vertiefen

Beispielsituationen II: Berechtigte Ansprüche durchsetzen

Beispielsituationen III: Um Sympathie werben und eine Bitte äußern

Beispielsituationen IV: Konfliktmanagement und langfristige positive Beziehungsgestaltung

|1|Einführung

Soziale Interaktionen sind ein komplexes Geschehen. Sie werden nicht nur von der interagierenden Person mit ihren individuellen Eigenschaften und Fertigkeiten beeinflusst, sondern auch von der Reaktion des jeweiligen Gegenübers und dem sozialen Kontext, in dem die Interaktion stattfindet. Im menschlichen Alltag existiert quasi kein Bereich, der nicht durch die Interaktion mit anderen Menschen mitbestimmt wird. Auch deswegen spielt die Fähigkeit, Beziehungen langfristig positiv zu gestalten und mit anderen Menschen so zu interagieren, dass eigene soziale, emotionale oder interpersonale Ziele erreicht werden – also soziale Kompetenz – eine zentrale Rolle für das menschliche Wohlbefinden. Dies gilt in besonderem Maße für Menschen, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden.

Ziel des vorliegenden Buches ist eine umfassende und aktuelle Darstellung sozialer Kompetenztrainings aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Vermittlung der praktischen Umsetzung therapeutischer Interventionen. In Kapitel 3 wird ein therapeutischer Leitfaden vorgestellt, der sich insbesondere auf das einzeltherapeutische Setting bezieht und auf die besonderen Herausforderungen eingeht, die sich in diesem Setting für ein interaktives Verfahren wie das soziale Kompetenztraining ergeben (z. B. praktische Umsetzung von Rollenspielen, Schwierigkeiten der Doppelrolle Therapeut/Rollenspielpartner, Feedback im Einzelsetting). Dabei soll vorrangig das Vorgehen in einer „typischen ambulanten Therapiesituation“ vorgestellt werden, es wird jedoch auch beschrieben, inwiefern sich das Vorgehen auf das Gruppensetting übertragen lässt.

Der Leitfaden ist modularisiert aufgebaut, sodass Therapeutinnen die Interventionen auswählen können, die für die spezifische Problemstellung ihrer Patienten indiziert sind. Er wird ergänzt um ausführliche Fallbeispiele und beispielhafte Therapiedialoge. Inzwischen existieren viele Varianten und Anpassungen der Methode für spezifische Anwendungsfelder (z. B. Patienten mit Suchterkrankungen oder Schizophrenie). Auch diese spezifischen Problemstellungen werden hier beschrieben und entsprechende therapeutische Herangehensweisen vorgestellt (vgl. Kapitel 5).

Zudem wird eine Auswahl der wichtigsten Informations- und Arbeitsblätter sowie von Beispielsituationen für Rollenspiele zur Verfügung gestellt. Umfassendes Arbeitsmaterial (inkl. weitere, zum hier beschriebenen Leitfaden passende Beispielsituationen) findet sich bei Stenzel und de Veer (in Vorb.).

|2|Wir haben uns bei der Erstellung dieses Buches um eine gendergerechte Sprache bemüht. Wenn möglich, verwenden wir eine geschlechtsneutrale Formulierung oder sprechen explizit von mehreren Geschlechtern. Wenn die praktische Durchführung therapeutischer Interventionen beschrieben wird, nutzen wir für Therapeuten und Therapeutinnen durchgängig die weibliche Form („Therapeutin“, „Behandlerin“), für Patienten und Patientinnen die männliche Form („Patient“, „Teilnehmer“).

Ziele des vorliegenden Buches

Aktuelle Darstellung sozialer Kompetenztrainings aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive.

Vorstellung eines therapeutischen Leitfadens, der sich insbesondere auf das einzeltherapeutische Setting bezieht und auf die besonderen Herausforderungen eingeht, die sich dort für ein interaktives Verfahren wie das soziale Kompetenztraining ergeben.

Ermöglichung einer hohen Flexibilisierung und Individualisierung der vorgestellten Interventionen durch die Darstellung von modularisiert aufgebauten Interventionen.

Veranschaulichung des Vorgehens mithilfe von Fallbeispielen.

|3|1  Theoretischer Hintergrund

1.1  Soziale Kompetenz – Definition und Einordnung eines Konzeptes

Jeder Mensch ist im Alltag auf die Kommunikation mit anderen Personen angewiesen und es existiert quasi kein Lebensbereich, der nicht durch die Interaktion mit anderen Menschen mitbestimmt wird. Die Fähigkeit, Beziehungen langfristig positiv zu gestalten und mit anderen Menschen so zu interagieren, dass eigene soziale, emotionale oder interpersonale Ziele erreicht werden, spielt daher eine zentrale Rolle für unser Wohlbefinden.

Folgerichtig findet das Konzept der sozialen Kompetenz seit Jahrzehnten in mehreren wissenschaftlichen Grunddisziplinen eine große Beachtung. Neben der Psychologie wird es beispielsweise auch in der Soziologie oder Pädagogik näher betrachtet. Auch innerhalb der Psychologie wird es in verschiedenen Teilbereichen berücksichtigt, beispielsweise in der Klinischen Psychologie, der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie der Pädagogischen und Entwicklungspsychologie. Bei der Definition und Konzeptualisierung des Konstruktes wird der Fokus in den verschiedenen Forschungstraditionen allerdings auf unterschiedliche Aspekte gelegt. Das hat zur Folge, dass in den letzten Jahren eine Begriffsdiffusion entstanden ist und viele Definitionen und Operationalisierungen sozialer Kompetenz existieren (vgl. Grover, Nangle, Buffie & Andrews, 2020).

1.1.1  Soziale Kompetenz als Balanceakt zwischen Durchsetzung und Anpassung

Das Konzept der sozialen Kompetenz wurde im klinischen Kontext ursprünglich vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung von Selbstsicherheit und der Reduktion sozialer Ängste betrachtet (Salter, 1949). Aus der Tradition der „Assertiveness-Trainings“ heraus wurde daher zunächst eher der Durchsetzungsaspekt betont. Beispielsweise beschreiben Ullrich und Ullrich de Muynck (2001) „Selbstsicherheit“ im Rahmen ihres „Assertiveness-Trainings“ als „Fähigkeit eines Individuums, in Relation zu seiner Umgebung eigene Ansprüche zu stellen und sie auch verwirklichen zu können. Dazu gehört (1) sich zu erlauben, eigene Ansprüche zu haben, (2) sich zu trauen, sie |4|auch zu äußern und (3) die Fähigkeit zu besitzen, sie auch durchzusetzen“ (Ullrich & Ullrich de Muynck, 2001, S. 19).

Im entwicklungspsychologischen Kontext wird traditionell ein großer Schwerpunkt auf die Anpassung eines Individuums an Normen und Werte einer Gesellschaft vor dem Hintergrund seines aktuellen Entwicklungsstandes gelegt. Denn basale Fähigkeiten zur sozialen Kognition, Emotionsregulation und Selbststeuerung sind eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Adaptation an das jeweilige soziale Umfeld. So bezeichnet Schneider (1993) beispielsweise soziale Kompetenz als Fähigkeit, dem Entwicklungsstand entsprechend soziale Verhaltensweisen zu zeigen, die den eigenen Beziehungen dienen und niemandem schaden.

Aktuelle Definitionen sozialer Kompetenz berücksichtigen, mehr oder weniger explizit, sowohl den Durchsetzungs- als auch den Anpassungsaspekt. Beispielsweise bezeichnen Topping und Kolleginnen (2000) soziale Kompetenz als „Verfügen und Nutzen der Fähigkeit, seine Kognitionen, Emotionen und sein Verhalten so einzusetzen, dass soziale Aufgaben erfüllt und angestrebte soziale Ziele erreicht werden“ (Topping et al., 2000, S. 32, Übers. d. Autorinnen).

Soziale Kompetenz wird in dieser Definition als erforderlich dafür beschrieben, in der Interaktion mit anderen Menschen eigene Bedürfnisse zu verwirklichen und individuelle (soziale) Ziele zu erreichen – dabei jedoch auch soziale Normen (soziale Aufgaben) zu berücksichtigen. Es wird also die Fähigkeit beschrieben, sowohl interpersonell angemessen als auch effektiv – im Sinne der Verwirklichung eigener Ziele und Bedürfnisse – zu agieren. Auch in anderen Definitionen ist diese Kombination aus Durchsetzung und Anpassung enthalten. Beispielsweise definieren Hinsch und Pfingsten soziale Kompetenz als „Verfügbarkeit von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten sozialen Situationen (…) zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen führen“ (Hinsch & Pfingsten, 2015, S. 18).

Aktuellen Definitionen ist also gemeinsam, dass soziale Kompetenz nicht nur der Verwirklichung aktueller und kurzfristiger Bedürfnisse dient, sondern auch eine Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Kommunikation mit der Umwelt darstellt. Darüber hinaus ist es wichtig, Kompetenz und Performanz zu unterscheiden. Unter Kompetenz versteht man das zeitlich überdauernde Potenzial eines Individuums. Performanz beschreibt die tatsächliche Umsetzung dieses Potenzials in Form von sozial kompetentem Verhalten (vgl. Tabelle 1).

Diese Unterscheidung zwischen der allgemeinen Kompetenz einer Person und der tatsächlich situativ gezeigten Performanz ist auch für den klinisch-psychologischen Kontext relevant. Dies lässt sich anhand des Störungsbilds der so|5|zialen Phobie erläutern. Selbst wenn beispielsweise sozialphobische Patienten eine schlechtere soziale Performanz zeigen, muss diese nicht primär durch ein „soziales Fähigkeitsdefizit“ verursacht sein. Eine schlechte Performanz kann durch viele Faktoren zustande kommen: Beispielsweise können sowohl starke soziale Ängste als auch die häufig damit einhergehende hohe Selbstaufmerksamkeit der Betroffenen oder das ausgeprägte Sicherheitsverhalten dazu führen, dass sich die grundsätzlich vorhandene Kompetenz einer Person nicht in der Performanz, also dem Verhalten abbildet. Soziale Kompetenz ist als Eigenschaft daher eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die individuelle Performanz – also das jeweilige sozial kompetente Verhalten einer Person in einer bestimmten Situation. Für eine gezielte Interventionsplanung ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen und in der Behandlungsplanung angemessen zu berücksichtigen (vgl. Kapitel 3).

Tabelle 1:  Abgrenzung soziale Kompetenz und sozial kompetentes Verhalten (vgl. Kanning, 2015, S. 4)

Soziale Kompetenz

Sozial kompetentes Verhalten

Definition

Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person, welche die Qualität eigenen Sozialverhaltens – im Sinne der Definition sozial kompetenten Verhaltens – fördert

Verhalten einer Person, das in einer spezifischen Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen, wobei gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird

Zentrale Merkmale

zeitlich überdauerndes Potenzial

indirekt zu erschließen

multidimensional

situationsspezifisch

beeinflusst durch externe Faktoren

direkt beobachtbar

1.2  Modelle sozialer Kompetenz

Es existieren viele Modelle zur Beschreibung sozialer Kompetenzen. Diese können grob in Struktur- und Prozessmodelle unterteilt werden. Anhand von Strukturmodellen wird versucht, die Komponenten zu beschreiben, die das Konstrukt der sozialen Kompetenz ausmachen. Sie helfen praktisch tätigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, sich einen differenzierten Eindruck von der sozialen Kompetenz einer Person zu verschaffen und können helfen, Ideen für die Organismusvariable bzw. auch für die Makroanalyse zu generieren. Prozessmodelle versuchen dagegen, die Aktualgenese des sozial kompetenten Verhaltens zu erklären. Es geht also darum, den Ablauf einer konkreten Verhaltenssequenz zu beschreiben. In einer vereinfachten Form eignen |6|sich Prozessmodelle gut für die Psychoedukation und dafür, gemeinsam mit Patienten Ansatzpunkte für (therapeutische) Interventionen zu erarbeiten. Im Folgenden werden ausgewählte Struktur- und Prozessmodelle vorgestellt.

1.2.1  Strukturmodelle

Es existieren sowohl theoretisch als auch empirisch hergeleitete Strukturmodelle. Wir möchten uns im Folgenden vorrangig dem Modell sozialer Kompetenz nach Kanning (vgl. 2003, 2015) widmen. Wir haben uns aus mehreren Gründen dafür entschieden: Zum einen handelt es sich um ein empirisch hergeleitetes Modell, das in mehreren aufeinander folgenden Arbeiten entwickelt worden ist. Zum anderen liegt diesem Modell ein breites Verständnis sozialer Kompetenz zugrunde, das nicht allein auf Durchsetzungs- oder Anpassungsverhalten fokussiert, sondern weitere Aspekte mit einbezieht (Prosozialität, Wertepluralismus oder Unterstützung anderer). Es erweitert die Sichtweise damit um Dimensionen, die für eine langfristige positive Beziehungsgestaltung wichtig sind und die wir auch in unserem praktischen Behandlungsleitfaden adressieren (vgl. Kapitel 3).

Für sein Modell analysierte Kanning zunächst mehrere Kompetenzkataloge. In der Folge extrahierte er 15 Kompetenzen, die er drei Kompetenzgruppen zuordnete: Perzeptiv-kognitiv, motivational-emotional und behavioral (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2:  Integration diverser Kompetenzkataloge (zit. nach Kanning, 2003, S. 21)

Perzeptiv-kognitiver Bereich

Motivational-emotionaler Bereich

Behavioraler Bereich

Selbstaufmerksamkeit (direkt, indirekt)

Personenwahrnehmung

Perspektivenübernahme

Kontrollüberzeugung (internal, external)

Entscheidungsfreudigkeit

Wissen

Emotionale Stabilität

Prosozialität

Wertepluralismus

Extraversion

Durchsetzungsfähigkeit

Handlungsflexibilität

Kommunikationsstil (z. B. Unterstützung, Zuhören, Einflussnahme, Expressivität)

Konfliktverhalten (Verwirklichung eigener Interessen, Berücksichtigung anderer)

Selbststeuerung (Verhaltenskontrolle im sozialen Kontext, Selbstdarstellung)

|7|Diese Aufteilung des Konstruktes sozialer Kompetenz in mehrere Kompetenzgruppen entspricht dem aktuellen Forschungsverständnis: Anstatt lediglich sozial kompetentes Verhalten zu beschreiben („Social Skills-Perspektive“), wird inzwischen eine integrative Perspektive vertreten, in der soziale Kompetenz als Mantelkonstrukt bezeichnet wird, das sich sowohl aus kognitiven als auch aus emotionalen und behavioralen Aspekten zusammensetzt. Im Rahmen mehrerer Folgeuntersuchungen extrahierte Kanning schließlich aus den 15 Kompetenzen (Primärfaktoren) vier übergeordnete Faktoren (Sekundärfaktoren):

Soziale Orientierung: Ausmaß, in dem eine Person anderen Menschen offen, mit positiver Grundhaltung gegenübertritt.

Offensivität: Fähigkeit, aus sich herauszugehen; im Kontakt mit anderen Menschen eigene Interessen aktiv verwirklichen zu können.

Selbststeuerung: Fähigkeit eines Menschen flexibel und rational zu handeln, wobei man sich selbst als bewusster Akteur begreift.

Reflexibilität: Ausmaß, in dem sich eine Person mit sich und ihren Interaktionspartnern aktiv auseinandersetzt.

1.2.2  Prozessmodelle

Während sich Strukturmodelle mit den latenten Dimensionen beschäftigen, die dem Konstrukt „Soziale Kompetenz“ zugrunde liegen, versuchen Prozessmodelle, die Aktualgenese sozial kompetenten Verhaltens zu beschreiben. Es geht also darum, das individuelle Verhalten und Erleben einer Person in einer Interaktionssituation zu erklären. In einer vereinfachten Form eignen sich Prozessmodelle daher gut für die Psychoedukation und dafür, Ansatzpunkte für (therapeutische) Interventionen zu erarbeiten.

Das bedingungsanalytische Modell sozial kompetenten Verhaltens

Als Basis für Interventionen zur Förderung sozialer Kompetenzen haben sich Prozessmodelle bewährt, die sich an den Grundstrukturen der funktionalen Verhaltensanalyse (SORKC) orientieren und diese auf den sozial-interaktionalen Kontext übertragen. Konsistent dazu steht auch am Beginn unserer Modellbetrachtung eine soziale Situation mit bestimmten antezendenten Bedingungen. Diese Bedingungen treffen auf eine Person, die mit spezifischen biologisch-physiologischen sowie psychosozialen Eigenschaften ausgestattetet ist (Organismusvariable). Auf dieser Basis zeigt die Person eine spezifische kognitive und emotionale Verarbeitung sowie physiologische Reaktionen. Es resultiert schließlich ein bestimmtes Verhalten (Annährung, Vermeidung, Si|8|cherheitsverhalten), das wiederum durch (kurz- und langfristige) Verhaltenskonsequenzen aufrechterhalten wird.

Fallbeispiel: Herr T.

Herr T. meldet sich zum Erstgespräch in der Ambulanz. Er ist 45 Jahre alt, geschieden und hat zwei Kinder aus erster Ehe. Die Diagnostik ergibt eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig mittelgradig, F33.1) sowie eine Dysthymie (F34.1). Zusätzlich wird eine dependente Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (F60.7).

Im Laufe der Depressionsbehandlung werden zunächst Interventionen zur Aktivierung und Stimmungsstabilisierung durchgeführt (Hautzinger, 2013). Im weiteren Verlauf wird deutlich, dass bei Herrn T. umfassende Defizite im Bereich sozialer Kompetenzen vorliegen. Beispielsweise berichtet der Patient von großen Schwierigkeiten, seine Bedürfnisse durchzusetzen und sich abzugrenzen. An seiner Arbeitsstelle neigt er dazu, viel zu viele Aufgaben anzunehmen und deswegen sehr oft Überstunden zu machen. Auch mit seiner Exfrau kommt es häufig zu Konflikten, in deren Verlauf Herr T. meistens das tut, was sie von ihm verlangt. Außerdem ist Herr T. sehr isoliert. Eigentlich möchte er gerne neue Kontakte aufbauen, es fällt ihm jedoch schwer, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Aus diesem Grund sollen in der Behandlung zusätzlich Interventionen zum Aufbau und zur Förderung sozialer Kompetenzen durchgeführt werden.

Ein bedingungsanalytisches Modell sozial kompetenten Verhaltens könnte bei Herrn T. folgendermaßen aussehen:

Interne und externe Stimulusbedingungen. Bei der Analyse der Stimulusbedingungen geht es darum, die dem problematischen Verhalten vorausgehenden Reizbedingungen möglichst umfassend herauszuarbeiten und zu berücksichtigen. Wir unterscheiden zwischen internen (persönlichen) und externen Bedingungen. Damit ist zum einen die Situation mit den damit einhergehenden raumzeitlichen und sozialen Bedingungen gemeint, als auch situative interne Bedingungen, die in der handelnden Person begründet sind.

|9|

Abbildung 1:  Bedingungsanalytisches Modell sozial kompetenten Verhaltens

Fallbeispiel: Herr T. – Stimulusbedingungen

Stimulus (extern)

Herr T. hat einen wichtigen beruflichen Termin. Als er sich grade auf den Weg machen will, kommt seine Exfrau ohne Ankündigung vorbei. Sie bittet ihn schroff, mit ihr einige Papiere durchzugehen. In die Stadt könne er „morgen immer noch fahren“, er solle „mal aufhören, nur an sich zu denken“.

|10|Stimulus (intern)

Herr T. ist sehr angespannt vor seinem beruflichen Termin und übermüdet, da er bis spät in die Nacht dafür gearbeitet hat.

Organismusvariablen. Die Stimulusbedingungen treffen auf eine Person mit individuellen biologischen und psychischen Voraussetzungen, welche den weiteren Prozess moderieren. Folgende Faktoren sind für sozial kompetentes Interaktionsverhalten potenziell bedeutsam:

Als relevante biologische Faktoren gelten beispielsweise eine erhöhte biologische Vulnerabilität für physiologische Reaktionen (z. B. Erröten, Schwitzen, Zittern), da diese sich direkt auf die soziale Performanz auswirken können; auch „behavioral inhibition“ (Verhaltenshemmung) als individuelles Temperamentsmerkmal kann relevant sein.

Als wichtige psychosoziale Faktoren gelten die Fähigkeit zur sozialen Wahrnehmung (z. B. Berücksichtigung sozialer Kontexte und Rollen) und zur Perspektivübernahme.