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Der Staat und seine Einrichtungen hat bei Gesetzesverstößen oder zum Schutz der Allgemeinheit die Möglichkeit, aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen zu erlassen und somit einer Person das Verlassen einer Gegend anzuordnen. Insb. in den Polizeigesetzen der Länder ist der Einsatz von Aufenthaltsverboten als Maßnahme zur Gefahrenabwehr möglich. Die Maßnahmen sind im gegenwärtigen Polizeirecht bedeutende Mittel zur Abwehr von Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit. Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den rechtlichen Grundlagen der Aufenthaltsverbote in Baden-Württemberg, sowie möglichen Anwendungsbereichen. Ziel ist es, durch die Erläuterung der rechtlichen Grundlagen und der Auslegung von unbestimmten Begrifflichkeiten auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite, der Abgrenzung zu weiteren Rechtsgrundlagen, sowie dem Aufzeigen von Anwendungsbereichen die Möglichkeiten und Grenzen der Maßnahmen in Baden-Württemberg seit der Einführung Ende 2008 herauszuarbeiten und die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Erlass aufzuzeigen.
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Thema und Zielsetzung der Arbeit
Vorgehensweise
Gefahrenabwehrfunktion
Schutzgüter
Öffentliche Sicherheit
Öffentliche Ordnung
Gefahrenbegriff
Rechtsgrundlagen
Spezialermächtigung - § 27a PolG
Anwendungsbereiche
Platzverweis
Aufenthaltsverbot
Wohnungsverweis, Rückkehr- und Annäherungsverbot
aa) Allgemein
bb) Abgrenzung zum GewSchG
Tatbestandsvoraussetzungen
§ 27a Abs. 1 PolG – Platzverweis
§ 27a Abs. 2 PolG – Aufenthaltsverbot
§ 27a Abs. 3 PolG – Wohnungsverweis, Rückkehr- und Annäherungsverbot
Rechtsfolgenseite
Auslegung der Rechtsfolgen
aa) Rechtsfolge des Platzverweises
aaa) Auslegung der zeitlichen Dimension
bbb) Auslegung der räumlichen Dimension
ccc) Befugnis zur Richtungsanweisung, Entfernungsangabe und Platzanweisung
bb) Rechtsfolge des Aufenthaltsverbotes
aaa) Auslegung der zeitlichen Dimension
bbb) Auslegung der räumlichen Dimension
cc) Rechtsfolge des Wohnungsverweises mit ergänzendem Rückkehr- und Annäherungsverbot
aaa) Auslegung der zeitlichen Dimension
bbb) Auslegung der räumlichen Dimension
Grundrechtseingriffe und Verhältnismäßigkeit
aa) Zu Art. 2 Abs. 1 GG – Freie Entfaltung der Persönlichkeit
bb) Zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG – Freiheit der Person
cc) Zu Art. 11 GG - Freizügigkeit
dd) Zu Art. 13 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung
ee) Zu Art. 14 GG - Eigentumsgarantie
ff) Sonstige mögliche Eingriffe in Grundrechte
gg) Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen
Adressat der Maßnahmen
Bei Platzverweisen
Bei Aufenthaltsverboten
Bei Wohnungsverweisen, Rückkehr- und Annäherungsverboten
Erlass von Aufenthaltsverboten nach § 27a PolG in Form einer Allgemeinverfügung
Generalklausel - §§ 3, 1 Abs. PolG
Anwendungsbereich der Generalklausel
Anwendungsbereiche im Zusammenhang mit Aufenthaltsverboten
Weitere spezialgesetzliche Rechtsgrundlagen
Formelle Voraussetzungen
Zuständigkeit
Verfahren
Form
Möglichkeiten der Polizei zur Durchsetzung
Anordnung der sofortigen Vollziehung
Zwangsweise Durchsetzung
Durchsetzung durch Gewahrsam
Anwendungsbereiche am Beispiel der Stadt Freiburg i. Br.
Sachliche Anwendungsbereiche
Räumliche Anwendungsbereiche
Zeitliche Anwendungsbereiche
Alternative Maßnahmen und Handlungsoptionen
Alternativen zum Einsatz von Aufenthaltsverboten
Handlungsoptionen für Kommunen
Fazit
Literaturverzeichnis
a. A.
anderer Ansicht
Abs.
Absatz
Alt.
Alternative
Art.
Artikel
Az.
Aktenzeichen
BBauBl
Bundesbaublatt (Zeitschrift)
BeckRS
Rechtsprechungs-Sammlung des C. H. Beck Verlages
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BImSchG
Bundesimmissionsschutzgesetz
BremPolG
Polizeigesetz für Bremen
BtMG
Betäubungsmittelgesetz
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
DPolBl
Deutsches Polizeiblatt (Zeitschrift)
DVBl
Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
EGStGB
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch
ElektroG
Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche
Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten
etc.
et cetera
f.
folgende
ff.
fortfolgende
GBl.
Gesetzblatt
gem.
gemäß
GemO
Gemeindeordnung
GewSchG
Gewaltschutzgesetz
GG
Grundgesetz
ggfs.
gegebenenfalls
h.M.
herrschende Meinung
i. Br.
im Breisgau
i. d. R.
in der Regel
insb.
insbesondere
i. S. d.
im Sinne der/des
i. V. m.
in Verbindung mit
i. w. S.
im weiteren Sinne
juris
Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland
JuS
Juristische Schulung (Zeitschrift)
JuSchG
Jugendschutzgesetz
LBO
Landesbauordnung für Baden-Württemberg
LKatSG
Landeskatastrophenschut zgesetz für Baden-Württemberg
LT-Drs.
Drucksache des Landtages Baden-Württemberg
LVwVfG
Landesverwaltungsverfahr ensgesetz für Baden-Württemberg
LVwVG
Landesverwaltungsvollstr eckungsgesetz für Baden-Württemberg
m
Meter
NJW
Neue Juristische Wochenzeitschrift (Zeitschrift)
Nr.
Nummer
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift)
OVG
Oberverwaltungsgericht
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PolG
Polizeigesetz für Baden-Württemberg
Rn.
Randnummer
S.
Seite
SC
Sportclub
sog.
sogenannt
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
StVO
Straßenverkehrsordnung
u. a.
unter anderem
u. w.
und weitere
VBlBW
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift)
VersG
Versammlungsgesetz
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
z. B.
zum Beispiel
z. T.
zum Teil
„Wer sich den Gesetzen nicht fügen will, muss die Gegend verlassen, wo sie gelten.“ Johann Wolfgang von Goethe
Die Aussage des Zitates von Johann Wolfgang von Goethe scheint auf den ersten Blick nicht zur Vorgehensweise in der heutigen Bundesrepublik Deutschland zu passen. Für viele Deutsche ist es mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden, sich überall frei aufhalten zu können. 1 Durch zahlreiche Grundrechte wird diese Freiheit vor Eingriffen des Staates geschützt, allen voran durch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, sowie das Recht auf Freizügigkeit gem. Art. 11 Abs. 1 GG. Doch betrachtet man die heutigen Rechtsgrundlagen der Gesetze in Deutschland, stellt man fest, dass der Staat und seine Einrichtungen bei Gesetzesverstößen oder zum Schutz der Allgemeinheit sehr wohl auch heutzutage noch die Möglichkeit haben, aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen zu erlassen und somit einer Person das Verlassen einer Gegend anzuordnen. Insb. in den Polizeigesetzen der Länder ist der Einsatz von Aufenthaltsverboten als Maßnahme zur Gefahrenabwehr möglich.2
So führte der baden-württembergische Gesetzgeber mit dem Änderungsgesetz vom 18.11.2008 § 27a PolG ein und normierte so Aufenthaltsverbote als Standardmaßnahmen im PolG. 3 Zuvor wurden diese bereits auf Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel gem. §§ 3, 1 Abs. 1 PolG angeordnet. 4 Die Begrifflichkeiten Aufenthaltsverbote als Überbegriff, Verweisungsmaßnahmen oder auch aufenthalts-beschränkende Maßnahmen umfassen vorliegend die folgenden polizeirechtlichen Maßnahmen i.S.d. Legaldefinitionen des § 27a Abs. 1 bis 3 PolG: den Platzverweis (§ 27a Abs. 1 PolG), das Aufenthaltsverbot als Maßnahme gem. § 27a Abs. 2 PolG sowie den Wohnungsverweis mit ggfs. ergänzendem Rückkehr- und Annäherungsverbot (§ 27a Abs. 3 PolG). I. w. S. werden durch die Maßnahmen ein oder mehrere Personen eines Ortes verwiesen und das Betreten des Ortes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verboten. Die Maßnahmen sind im gegenwärtigen Polizeirecht bedeutende Mittel zur Abwehr von Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit5. Für den Betroffenen sind sie meist mit gewichtigen grundrechtlichen Einschränkungen verbunden.6 Gerade deshalb ist es für die Polizei bedeutend, die rechtlichen Grundlagen, sowie die möglichen Anwendungsbereiche und Grenzen der Maßnahmen zu kennen, um den rechtmäßigen Erlass zu gewährleisten. Durch die Einführung als Standardmaßnahme hat der baden-württembergische Gesetzgeber die Maßnahme zwar genauer geregelt, Tatbestand und Rechtsfolge bedürfen dennoch einer Auslegung. Die Abgrenzung der Maßnahmen in Bezug auf weitere mögliche Rechtsgrundlagen für aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen und die Anwendung ergänzender Maßnahmen, wie beispielsweise der Meldeauflage, sind durch die Einführung als Standardmaßnahme rechtlich zu prüfen.
Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den rechtlichen Grundlagen der Aufenthaltsverbote in Baden-Württemberg, sowie möglichen Anwendungsbereichen. Ziel ist es, durch die Erläuterung der rechtlichen Grundlagen und der Auslegung von unbestimmten Begrifflichkeiten auf Tatbestands- und Rechtsfolgeseite, der Abgrenzung zu weiteren Rechtsgrundlagen, sowie dem Aufzeigen von Anwendungsbereichen die Möglichkeiten und Grenzen der Maßnahmen in Baden-Württemberg seit der Einführung Ende 2008 herauszuarbeiten und die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Erlass aufzuzeigen.
1 Nach Neuner, S. 15.
2 Vgl. Schucht, S. 144 ff.
3 Vgl. Trurnit, VBIBW 2009, 205 (205).
4 Nach Stephan/Deger, § 27a Rn. 1.
5 In Anlehnung an Neuner, S. 15.
6 Vgl. Stephan/Deger, § 27a Rn. 1.
Zu Beginn der Arbeit wird auf die Gefahrenabwehrfunktion als Aufgabe der Polizei eingegangen. Die Beschäftigung mit dieser, sowie die Auslegung der polizeirechtlichen Schutzgüter und des Gefahrenbegriffes, sind erforderlich für die Betrachtung von polizeirechtlichen Aufenthaltsverboten. Im Kapitel C. wird zum einen geklärt auf welchen Rechtsgrundlagen Aufenthaltsverbote erlassen werden können, zum anderen werden die materiellen Voraussetzungen von Aufenthaltsverboten untersucht. Ein Überblick über den Einsatz der Maßnahmen wird zunächst durch das Aufzeigen von möglichen Anwendungsbereichen aus Literatur und Rechtsprechung gegeben. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf den anschließenden Ausführungen zu den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen, sowie der Untersuchung der Rechtsfolgenseite von Platzverweisen, Aufenthaltsverboten und Wohnungsverweisen mit Rückkehr- und Annäherungsverboten. In diesem Zusammenhang werden auch mögliche Grundrechtseingriffe geprüft und weitere mögliche Rechtsgrundlagen abgegrenzt. In den folgenden Kapiteln wird noch kurz auf die wichtigsten formellen Voraussetzungen eingegangen und die Möglichkeiten aufgezeigt, welche die Polizei zur Durchsetzung der Maßnahmen heranziehen kann. Auf die Rechtschutzmöglichkeiten für die Betroffenen wird nicht eingegangen. Des Weiteren werden anhand von erlassenen Maßnahmen der Stadt Freiburg i.Br. konkrete Anwendungsbeispiele einer Kommune aufgezeigt und so der praktische Einsatz der Maßnahmen in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht exemplarisch dargestellt. Eine kritische Sicht auf die praktischen Anwendungsfelder erfolgt in vorliegender Arbeit nicht. Auf der Grundlage der erarbeiteten Erkenntnisse werden abschließend mögliche Alternativen und Handlungsoptionen für Kommunen in Bezug auf den Einsatz der Maßnahmen zur Gefahrenabwehr dargelegt.
Für die Zusammenarbeit zwischen dem Polizeivollzugsdienst des Landes und den Polizeibehörden der Kommunen, sowie zur Abgrenzung der Zuständigkeit, ist es von Bedeutung, dass die Maßnahmen auch aus der Sicht des Polizeivollzugsdienstes erläutert werden. Der Schwerpunkt, insb. in Bezug auf die Anwendungsbereiche und Handlungsoptionen, liegt in vorliegender Arbeit jedoch auf den Möglichkeiten durch den Einsatz der Maßnahmen für Kommunen und somit auf der behördlichen Sicht.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit ist die männliche Sprachform gewählt worden. Alle personenbezogenen Formulierungen gelten jedoch stets für Frauen und Männer gleichermaßen.
Alle Aufenthaltsverbote haben die Funktion Gefahren abzuwehren.7 Dadurch ist es bei der Beschäftigung mit aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen des Polizeirechtes zwingend notwendig, die Gefahrenabwehrfunktion zu erläutern. Um diesbezüglich Wiederholungen zu vermeiden, werden in der vorliegenden Arbeit die Ausführungen zur Gefahrenabwehrfunktion vorangestellt.
„Das Polizei- und Ordnungsrecht überträgt der Polizei und den Ordnungsbehörden die Aufgabe der Gefahrenabwehr und stattet sie zu ihrer Erfüllung mit Eingriffsbefugnissen aus.“8, wie beispielsweise den polizeirechtlichen Aufenthaltsverboten nach § 27a Abs. 1 bis 3 PolG. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den repressiven Aufgaben der Polizei um ein präventives Tätigwerden zur Vermeidung von Straftaten und Störungen. 9 Die repressiven Aufgaben, insb. die Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten nach der StPO und von Ordnungswidrigkeiten nach dem OWiG, hat die Polizei gem. § 1 Abs. 2 PolG auf Grund von anderen Rechtsvorschriften, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, wahrzunehmen. 10 Im Folgenden geht es um die gefahrenabwehrenden, präventiven Aufgaben der Polizei.
Die Gefahrenabwehrfunktion beruht auf § 1 Abs. 1 PolG11. § 1 PolG definiert grundlegend die Aufgaben der Polizei in Baden-Württemberg. „Es handelt sich um eine [sog.] Aufgabenzuweisungsnorm.“ 12 , welche den Handlungsrahmen der Polizei in Baden-Württemberg präzisiert.
Danach hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PolG). § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG erweitert die Aufgabe der Gefahrenabwehr nach Satz 1 teilweise durch die aufgeführte Gewährleistung der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte. Hierunter fällt beispielsweise das Wahlrecht nach Art. 28, 38 GG. Die ebenfalls in Satz 2 genannte Gewährleistung der verfassungsmäßigen Ordnung ist bereits ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und somit keine Erweiterung des 1. Satzes. 13 Somit ist nach dem PolG die Gefahrenabwehr Hauptaufgabe der Polizei. Demnach kommt der Auslegung des Begriffes „Gefahrenabwehr“ ein großes Interesse entgegen, da u.a. hierdurch die polizeilichen Handlungsbefugnisse erweitert oder beschränkt werden können.14
Im Folgenden wird deshalb versucht, die Gefahrenabwehr möglichst genau zu definieren, um bei der Behandlung der Verweisungsmaßnahmen gem. § 27a PolG klarere Aussagen über deren Rechtmäßigkeit treffen zu können.
Nach Götz15 ist die Aufgabe der Gefahrenabwehr in drei Elemente zu unterteilen:
Die Schutzgüter „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“
Der Begriff „Gefahr“
Die Ausübung von Eingriffsbefugnissen zur „Abwehr“ der Gefahr.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich bereits, dass zur genaueren Definition der Gefahrenabwehr auch die Schutzgüter „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ sowie der Gefahrenbegriff näher zu erläutern sind.
Gem. § 1 Abs. 1, Satz 1 PolG müssen die Schutzgüter „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ berührt sein, damit ein Sachverhalt in den Aufgabenbereich der polizeirechtlichen Gefahrenabwehr fällt. „Bei diesen Begriffen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die vor der Subsumtion einer Auslegung bedürfen.“ 16 Vom badenwürttembergischen Gesetzgeber werden keine Legaldefinitionen für die Schutzgüter im Gesetz genannt.17 „Öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ sind alternative Schutzgüter. Zunächst ist das Merkmal „öffentliche Sicherheit“ zu prüfen. Wird dieses bejaht, erübrigt sich ein Eingehen auf das Merkmal „öffentliche Ordnung“. Nur wenn ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit nicht vorliegt, bleibt Raum zur Prüfung des Merkmals „öffentliche Ordnung“.“18 Trotz der Weite der unbestimmten Rechtsbegriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ wird ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot angenommen, da sie durch Lehre und Rechtsprechung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert seien.19
Nachfolgend soll das Schutzgut „öffentliche Sicherheit“ näher betrachtet werden. Durch die Rechtsprechung hat sich für den Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ i. S. d. PolG eine Definition entwickelt. Danach umfasst der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der Individualrechtsgüter jedes Einzelnen, sowie die Unverletzlichkeit des Staates und seiner Einrichtungen.20 Die „öffentliche Sicherheit“ schützt somit Rechtsgüter, wobei das Wort „Sicherheit“ die Abwesenheit von Gefahren für etwas oder jemanden meint. Die „öffentliche Sicherheit“ begründet das Schutzgut dabei nicht selbst, sie verweist auf Rechtsgüter anderer Gesetze oder Vorschriften.21 Eine Eingrenzung findet dadurch statt, dass die Polizei dabei nicht alle Rechtsgüter schützen soll, sondern lediglich die „im öffentlichen Interesse“ Liegenden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PolG). Gem. § 2 Abs. 2 PolG obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass das Recht nicht verwirklicht werden kann (Gefahr im Verzug). Somit geht es grundsätzlich um Rechtsgüter, die durch öffentlich-rechtliche Normen geschützt sind, wie insb. das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie das allgemeine und besondere Verwaltungsrecht.22 „Beim Schutz öffentlich-rechtlicher Normen ist grundsätzlich erforderlich, dass diese ein Ge- oder Verbot enthalten und durch ein Tun oder Unterlassen des Einzelnen verletzt werden können.“23
Der Begriff der objektiven Rechtsordnung meint grundsätzlich alle geschriebenen Rechtsnormen, also von der Verfassung bzw. dem Europarecht bis zu den Satzungen und Rechtsverordnungen. Dabei soll deren Unverletzlichkeit geschützt werden.24 „Es ist der Zustand, bei dem die Rechtsordnung nicht verletzt wird, wobei die Rechtsordnung selbst die Voraussetzungen bestimmt, unter denen eine Verletzung vorliegt“25