Aus den Sudelbüchern - Georg Christoph Lichtenberg - E-Book

Aus den Sudelbüchern E-Book

Georg Christoph Lichtenberg

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Autoren. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Wie ein Schwamm saugte Georg Christoph Lichtenberg alles auf, mit dem er in Berührung kam. Seine Aphorismen kommentieren mathematische Formeln genauso wie Beobachtungen auf dem Marktplatz oder Gepflogenheiten in Persien. Dieses bunte Sammelsurium, mit dem er sich die Welt zu eigen machte, stellt genau das infrage, was wir für bare Münze nehmen, und sieht das, was leicht übersehen wird. Warum sich all diese Gedanken machen? »Es ist eine Frage, welches schwerer ist, zu denken oder nicht zu denken. Der Mensch denkt aus Trieb, und wer weiß nicht, wie schwer es ist, einen Trieb zu unterdrücken.«

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Georg Christoph Lichtenberg

Aus den Sudelbüchern

Ausgewählt von Heinz Ludwig Arnold und Hannah Arnold

 

 

 

 

Die Kaufleute haben ihr Waste book (Sudelbuch, Klitterbuch glaube ich im Deutschen), darin tragen sie von Tag zu Tag alles ein was sie verkaufen und kaufen, alles durch einander ohne Ordnung, aus diesem wird es in das Journal getragen, wo alles mehr systematisch steht, und endlich kommt es in den Leidger at double entrance nach der italiänischen Art buchzuhalten. In diesem wird mit jedem Mann besonders abgerechnet und zwar erst als Debitor und dann als Creditor gegenüber. Dieses verdient von den Gelehrten nachgeahmt zu werden. Erst ein Buch worin ich alles einschreibe, so wie ich es sehe oder wie es mir meine Gedanken eingeben, alsdann kann dieses wieder in ein anderes getragen werden, wo die Materien mehr abgesondert und geordnet sind, und der Leidger könnte dann die Verbindung und die daraus fließende Erläuterung der Sache in einem ordentlichen Ausdruck enthalten. vid. p. XXVI

Georg Christoph Lichtenberg

1765–1770

Es ist eine Frage ob in den Wissenschaften und Künsten ein Bestes möglich sei, über welches unser Verstand nicht gehen kann. Vielleicht ist dieser Punkt unendlich weit entfernt, ohnerachtet bei jeder Näherung wir weniger vor uns haben.

[A 2]

 

Die Gesichter der Menschen sind oft bis zum Ekelhaften häßlich. Warum dieses? Vermutlich konnte die nötige Verschiedenheit der Gemüts-Arten nicht erhalten werden ohne eine solche Einrichtung; man kann dieses als eine Seelen-Charakteristik ansehen, welche zu lesen wir uns vielleicht mehr befleißigen sollten. Um einigen Grund in dieser schweren und weitläuftigen Wissenschaft zu legen müßte man, bei verschiednen Nationen, die größten Männer, die Gefängnisse und die Tollhäuser durchsehen, denn diese Fächer sind so zu reden die 3 Hauptfarben, durch deren Mischung gemeiniglich die übrigen entstehen.

[A 4]

 

Bei einem großen Genie gehet das in einem Augenblicke vor, was oft bei einem andern ganze Stunden dauert. Ein gewisser Mensch, der eben keine großen Gaben hatte, hielt einen zum Betrug mit der Feder nachgemachten Druck eine ganze Stunde würklich dafür, andere sahen es im ersten Augenblick.

[A 7]

 

Die Erfindung der wichtigsten Wahrheiten hängt von einer feinen Abstraktion ab, und unser gemeines Leben ist eine beständige Bestrebung uns zu derselben unfähig zu machen, alle Fertigkeiten, Angewohnheiten, Routine, bei einem mehr, als bei dem andern, und die Beschäftigung der Philosophen ist es, diese kleinen blinden Fertigkeiten, die wir durch Beobachtungen von Kindheit an uns erworben haben, wieder zu verlernen. Ein Philosoph sollte also billig als ein Kind schon besonders erzogen werden.

[A 11]

 

Die größten Dinge in der Welt werden durch andere zuwege gebracht, die wir nichts achten, kleine Ursachen, die wir übersehen, und die sich endlich häufen.

[A 19]

 

Der Einfluß des Stils auf unsere Gesinnungen und Gedanken, von dem ich an einem andern Ort geredet habe, zeigt sich sogar bei dem sonst gnauen Linnaeus, er sagt die Steine wachsen, die Pflanzen wachsen und leben, die Tiere wachsen leben und empfinden, das erste ist falsch, denn der Wachstum der Steine hat keine Ähnlichkeit mit dem Wachstum der Tiere und Pflanzen. Vermutlich hat ihn das Steigende des Ausdrucks, den er bei den letzten gespürt hat, auf den Gedanken gebracht, auch die erstern mit unter diese Klasse zu bringen.

[A 22]

 

Da alle Glieder der Tiere eine sehr weisliche Absicht ihres großen Schöpfers zeigen, so fragt sich warum die Menschen oft Gewächse, Glieder ohne eine Absicht, bekommen.

[A 25]

 

Die Esel haben die traurige Situation, worin sie jetzo in der Welt leben, vielleicht bloß dem witzigen Einfall eines losen Menschen zu danken, dieser ist Schuld, daß sie zum verächtlichsten Tier auf immer geworden sind und es auch bleiben werden, denn viele Eselstreiber gehen deswegen mit ihren Eleven so fürchterlich um, weil es Esel, nicht weil es träge und langsame Tiere sind.

[A 26]

 

Die Schnecke baut ihr Haus nicht, sondern es wächst ihr aus dem Leib.

[A 31]

 

Aus den Träumen der Menschen, wenn sie dieselben gnau anzeigten, ließe sich vielleicht vieles auf ihren Charakter schließen. Es gehörte aber dazu nicht etwa einer sondern eine ziemliche Menge.

[A 33]

 

Am 4ten Julii 1765 lag ich an einem Tag, wo immer heller Himmel mit Wolken abwechselte, mit einem Buche auf dem Bette, so daß ich die Buchstaben ganz deutlich erkennen konnte, auf einmal drehte sich die Hand, worin ich das Buch hielt, unvermutet, ohne daß ich etwas verspürte, und weil dadurch mir einiges Licht entzogen wurde, so schloß ich es müßte eine dicke Wolke vor die Sonne getretten sein, und alles schien mir düster, da sich doch nichts von Licht in der Stube verloren hatte. So sind oft unsere Schlüsse beschaffen, wir suchen Gründe in der Ferne, die oft in uns selbst ganz nahe liegen.

[A 35]

 

Die Speisen haben vermutlich einen sehr großen Einfluß auf den Zustand der Menschen, wie er jetzo ist, der Wein äußert seinen Einfluß mehr sichtbarlich, die Speisen tun es langsamer, aber vielleicht ebenso gewiß, wer weiß ob wir nicht einer gut gekochten Suppe die Luftpumpe und einer schlechten den Krieg oft zu verdanken haben. Es verdiente dieses eine gnauere Untersuchung. Allein wer weiß ob nicht der Himmel damit große Endzwecke erreicht, Untertanen treu erhält, Regierungen ändert und freie Staaten macht, [und ob nicht die Speisen das tun was wir den Einfluß des Klima nennen.]

[A 43]

 

Heftigen Ehrgeiz und Mißtrauen habe ich noch allemal beisammen gesehen.

[A 46]

 

Ich habe etliche Mal bemerkt, daß ich Kopf-Weh bekam wenn ich mich lange in einem Hohl-Spiegel betrachtete.

[A 49]

 

Wenn ich bisweilen viel Kaffee getrunken hatte und daher über alles erschrak, so konnte ich ganz gnau merken, daß ich eher erschrak ehe ich den Krach hörte, wir hören also gleichsam noch mit andern Werkzeugen, als mit den Ohren.

[A 50]

 

Leute, die nicht die feine Verstellungskunst völlig inne haben, und andere mit Fleiß hintergehen wollen, entdecken uns gemeiniglich das Generelle ihrer ganzen Denkungs-Art bei der ersten Zusammenkunft, wer also der Neigung eines andern schmeicheln will und sich in dieselbe schicken lernen will, der muß bei der ersten Zusammenkunft sehr acht geben, dort findet man gemeiniglich die bestimmende Punkte der ganzen Denkungs-Art vereinigt.

[A 51]

 

Der Tod ist eine unveränderliche Größe, allein der Schmerz ist eine veränderliche die unendlich wachsen kann. Dieses ist ein Satz, den die Verteidiger der Folter zugeben müssen, denn sonst foltern sie vergeblich, allein in vielen wird der Schmerz ein Größtes und < der Tod.

[A 53]

 

Die Vorurteile sind so zu reden die Kunsttriebe der Menschen, sie tun dadurch vieles, das ihnen zu schwer werden würde bis zum Entschluß durchzudenken, ohne alle Mühe.

[A 58]

 

Ich wünschte mir an jedem Abend die Sekunde des vergangenen Tags zu wissen, da mein Leben den geringsten Wert hatte, das ist, da wenn Reinigkeit der Absichten, und Sicherheit des Leben Geld wert sind, ich am allermeisten würde gegolten haben.

[A 60]

 

Man muß sich in acht nehmen, daß man um die Möglichkeit mancher Dinge zu erweisen nicht gar zu bald auf die Macht eines höchstvollkommenen Wesens appelliert, denn sobald man z.E. glaubt [daß] Gott die Materie denken mache, so kann man nicht mehr erweisen, daß ein Gott außer der Materie sei.

[A 62]

 

Unser Leben hängt so gnau in der Mitte zwischen Vergnügen und Schmerz, daß uns schon zuweilen Dinge schädlich werden können, die uns zu unserm Unterhalt dienen, wie ganz natürlich veränderte Luft, da wir doch in die Luft geschaffen sind. Allein wer weiß ob nicht vieles von unserm Vergnügen von diesem Balancement abhängt, diese Empfindlichkeit ist vielleicht ein wichtiges Stück von dem was unsern Vorzug vor den Tieren ausmacht.

[A 64]

 

Ein gewisses großes Genie fängt aus einem besondern Hang an eine Verrichtung vorzüglich zu treiben, weil es schwer war, so wird er bewundert, andere reizt dieses. Nun demonstriert man den Nutzen dieser Beschäftigungen. So entstehen Wissenschaften.

[A 67]

 

Um uns ein Glück, das uns gleichgültig scheint, recht fühlbar zu machen müssen wir immer denken, daß es verloren sei, und daß wir es diesen Augenblick wieder erhielten, es gehört aber etwas Erfahrung in allerlei Leiden dazu um diese Versuche glücklich anzustellen.

[A 72]

 

Wenn wir so vollständig sprechen könnten als wir empfinden, die Redner würden wenige Widerspenstige, und die Verliebten wenig Grausame finden. Unser ganzer Körper wünschet bei der Abreise eines geliebten Mädgens, daß sie dableiben mögte, kein Teil drückt es aber so deutlich aus als der Mund: wie soll er sich aber ausdrucken, daß man auch etwas von den Wünschen der übrigen Teile empfindet, gewiß das ist sehr schwer zu raten, wenn man noch nicht in dem Fall würklich ist, und noch schwerer wenn man nie darin war.

[A 83]

 

Zu Dorlar einem Dorf an der Lahn nicht weit von Gießen haben fast alle Leute rote Haare.

[A 98]

 

Der Streit über bedeuten und sein, der in der Religion so viel Unheil angestiftet hat, wäre vielleicht heilsamer gewesen, wenn man ihn über andere Materien geführt hätte, denn es ist eine allgemeine Quelle unsers Unglücks, daß wir glauben die Dinge seien das würklich, was sie doch nur bedeuten.

[A 114]

 

[Ein Narr, der sich einbildet, ein Fürst zu sein, ist von dem Fürsten der es in der Tat ist durch nichts unterschieden, als daß jener ein negativer Fürst, und dieser ein negativer Narr ist, ohne Zeichen betrachtet sind sie gleich.]

[A 117]

 

Kein Fürst wird jemals den Wert eines Mannes durch seine Gunst bestimmen, denn es ist ein Schluß, der nicht auf eine einzige Erfahrung etwa gegründet ist, daß ein Regent meistens ein schlechter Mann ist. Der in Frankreich backt Pasteten und betrügt ehrliche Mädgen, der König von Spanien haut unter Pauken und Trompeten Hasen in Stücken, der letzte König in Polen der Kurfürst von Sachsen war schoß seinem Hofnarren mit dem Blasrohr nach dem Arsch, der Fürst von Löwenstein beklagt bei einem großen Brand nichts als seinen Sattel, der Landgraf von Kassel fährt einer Tänzerin zu Gefallen in der Suite eines Fürsten der nicht viel mehr ist als er und wird durch die erbärmlichsten Leute betrogen, der Herzog von Württemberg ist ein Wahnsinniger, der König von Engelland macht ....... Engelländerin P...., der Fürst von Weilburg badet sich öffentlich in der Lahn; die meisten übrigen Beherrscher dieser Welt sind Tambours, Fouriers, Jäger. Und dieses sind die Obersten unter den Menschen; wie kann es denn in der Welt nur erträglich hergehen; was helfen die Einleitungen ins Kommerzien-Wesen, die arts de s’enrichir par l’agriculture, die Hausväter, wenn ein Narr der Herr von allen ist, der keine Oberen erkennt, als seine Dummheit, seine Caprice, seine Huren und seinen Kammer-Diener, o wenn doch die Welt einmal erwachte, und wenn auch drei Millionen am Galgen stürben, so würden doch vielleicht 50 bis 80 Millionen dadurch glücklich; so sprach einst ein Peruquenmacher in Landau auf der Herberge, man hielt ihn aber mit Recht für völlig verrückt, er wurde ergriffen, und von einem Unteroffizier noch ehe er in Verhaft gebracht wurde mit dem Stock todgeschlagen, der Unteroffizier verlor den Kopf.

[A 119]

 

Wenn Plato sagt die Leidenschaften und die natürlichen Triebe seien die Flügel der Seele, so drückt er sich sehr lehrreich aus, solche Vergleichungen erläutern die Sache und sind gleichsam Übersetzung der schweren Begriffe eines Mannes in eine jedermann bekannte Sprache, wahrhafte Definitionen.

[A 120]

 

Es kann ohnstreitig Kreaturen geben, deren Organe so fein sind, daß sie nicht im Stande sind durch einen Lichtstrahl durchzugreifen, so wie wir nicht durch einen Stein durchgreifen können, weil unsere Hände eher zerstört werden würden.

[A 121]

 

Träume führen uns oft in Umstände, und Begebenheiten hinein, in die wir wachend nicht leicht hätten können verwickelt werden, oder lassen uns Unbequemlichkeiten fühlen welche wir vielleicht als klein in der Ferne verachtet hätten, und eben dadurch mit der Zeit in dieselben verwickelt worden wären. Ein Traum ändert daher oft unsern Entschluß, sichert unsern moralischen Fond besser als alle Lehren, die durch einen Umweg ins Herz gehen.

[A 125]

 

Der Bauer, welcher glaubt, der Mond sei nicht größer als ein Pflug-Rad, denkt niemals daran daß in einer Entfernung von einigen Meilen eine ganze Kirche nur wie ein weißer Fleck aussieht, und daß der Mond hingegen immer gleich groß scheint, was hemmt bei ihm diese Verbindung von Ideen, die er einzeln alle hat? Er verbindet in seinem gemeinen Leben auch wirklich Ideen vielleicht durch künstlichere Bande, als diese. Diese Betrachtung sollte den Philosophen aufmerksam machen, der vielleicht noch immer der Bauer in gewissen Verbindungen ist. Wir denken früh genug aber wir wissen nicht daß wir denken, so wenig als wir wissen daß wir wachsen oder verdauen, viele Menschen unter den gemeinen erfahren es niemals. Eine gnaue Betrachtung der äußeren Dinge führt leicht auf den betrachtenden Punkt, uns selbst, zurück und umgekehrt wer sich selbst einmal erst recht gewahr wird gerät leicht auf die Betrachtung der Dinge um ihn. Sei aufmerksam, empfinde nichts umsonst, messe und vergleiche; dieses ist das ganze Gesetz der Philosophie.

[A 130]

 

Den 25. Febr. 1770.

Was ist es, das macht, daß wir uns zuweilen eines geheimen Kummers standhaft entschlagen können, da die Vorstellung, daß wir unter dem Schutz einer höchstgütigen Vorsicht stehen, die größte Würkung auf uns hat, und dennoch oft in der nächsten halben Stunde diesem nämlichen Kummer beinah unterliegen. Mit mir ist es wenigstens so, ohne daß ich sagen könnte, daß ich bei der 2ten Vorstellung meinen Kummer von einer neuen Seite betrachte, andere Relationen einsehe, nichts weniger. Fände dieses statt, so würde ich diese Anmerkung nicht einmal niedergeschrieben haben. Ich glaube vielmehr, daß die moralische Empfindlichkeit im Menschen zu unterschiedenen Zeiten verschieden ist, des Morgens stärker als des Abends.

[A 132]

 

Es donnert, heult, brüllt, zischt, pfeift, braust, saust, summet, brummet, rumpelt, quäkt, ächzt, singt, rappelt, prasselt, knallt, rasselt, knistert, klappert, knurret, poltert, winselt, wimmert, rauscht, murmelt, kracht, gluckset, röcheln, klingelt, bläset, schnarcht, klatscht, lispeln, keuchen, es kocht, schreien, weinen, schluchzen, krächzen, stottern, lallen, girren, hauchen, klirren, blöken, wiehern, schnarren, scharren, sprudeln. Diese Wörter und noch andere, welche Töne ausdrücken, sind nicht bloße Zeichen, sondern eine Art von Bilderschrift für das Ohr.

[A 134]

 

Weiser werden heißt immer mehr und mehr die Fehler kennen lernen, denen dieses Instrument, womit wir empfinden und urteilen, unterworfen sein kann. Vorsichtigkeit im Urteilen ist was heutzutage allen und jeden zu empfehlen ist, gewönnen wir alle 10 Jahre nur eine unstreitige Wahrheit von jedem philosophischen Schriftsteller, so wäre unsere Ernde immer reich genug.

[A 137]

 

Den Männern in der Welt haben wir soviel seltsame Erfindung[en] in der Dichtkunst zu danken, die alle ihren Grund in dem Erzeugungstrieb haben, alle die Ideale von Mädchen und dergleichen. Es ist schade, daß die feurigen Mädchen nicht von den schönen Jünglingen schreiben dürfen wie sie wohl könnten, wenn es erlaubt wäre. So ist die männliche Schönheit noch nicht von denjenigen Händen gezeichnet, die sie allein recht mit Feuer zeichnen könnten. Es ist wahrscheinlich, daß das Geistiche, was ein paar bezauberte Augen in einem Körper erblicken, der sie bezaubert hat, ganz von einer andern Art sich den Mädchen in männlichen Körpern zeigt, als es sich dem Jüngling in weiblichen Körpern entdeckt.

[A 139]

 

Es ist zum Erstaunen, wie wenig dasjenige oft, was wir für nützlich halten, und was auch leicht zu tun wäre, doch von uns getan wird. Die Begierde, geschwind viel wissen zu wollen, hindert oft an gnauen Untersuchungen, allein es ist selbst dem Menschen, der dieses weiß, sehr schwer etwas gnau zu prüfen, da er doch weiß, er kommt auch nicht zu seinem Endzwecke viel zu lernen, wenn er nicht prüft.

[A 140]

 

Aus einer Menge von unordentlichen Strichen bildet man sich leicht eine Gegend, aber aus unordentlichen Tönen keine Musik.

[A 141]

 

Wenn Leute etwas Schweres an dem einen Arm tragen, so pflegen sie den andern gradaus zu strecken, um das Moment bei einer geringeren Biegung des Körpers dennoch zu verstärken.

[A 165]

 

Wenn zwei Seifen-Blasen von ungleicher Größe gegen einander gehen und sich an einander anschließen die Größe des halben Zirkels zu bestimmen, der ihren gemeinschaftlichen Durchschnitt abgibt.

[A 168]

 

Hat man wohl schon elektrische Versuche mit Eiern angestellt; die man hernach der Henne untergelegt? Mit Insekten? Eiern von Insekten?

[A 175]

 

Würde man wohl eine Wärme verspüren wenn man das Licht des Blitzes mit einem großen Brennspiegel auffinge?

[A 177]

 

Die Sonne wärmt sagt man; vielleicht nur unsere Erde, es ist die Frage ob sie andere Körper warm macht. Hieraus läßt sich einigermaßen die Möglichkeit einsehen wie es auf dem Saturn und dem Merkur eben so sein könne als auf unserer Erde.

[A 181]

 

Regen, der aus den Wolken fällt [be]kommt eine Geschwindigkeit in welcher er [von] der Luft zerteilt wird. Da nun vermutlich die Zerteilung ohne eine augenblickliche Ruhe nicht vorgeht, so ereignet sich hier etwas Ähnliches wie mit den Pendel-Uhren, die Beschleunigung wird wieder aufgehoben, und kann also niemals sehr groß werden.

[A 190]

 

Regen, Schnee Winde folgen so aufeinander daß wir kein gewisses Gesetz unter ihrer Folge gewahr werden können, Gesetze sind aber wieder nur von uns erdacht um uns den Begriff einer Sache zu erleichtern, so wie wir uns Geschlechter schaffen.

[A 192]

 

In Göttingen gab es vor einiger Zeit eine Familie Hühner, die alle Vier Füße hatten. An einem derselben, welches Herr Prof. Büttner in Spiritu vini hatte sahe ich, daß die zwei Vorder-Füße statt der Flügel herausgewachsen waren, und daß ihnen die Flügel ganz fehlten. Ein Beweis daß das Feder-Vieh mit unter die 4füßigen Tiere gehört nur mit dem Unterschied, daß sie zwei Füße für die Luft bekommen haben, so wie man die Füße der Gänse Wasser-Flügel nennen könnte.

[A 197]

 

Es kann vielleicht eine durchsichtig machende Materie in der Welt sein, die sich in die verschiedenen Körper zieht und die Schwingungen des Lichts annimmt und fortpflanzt.

[A 206]

 

Ich bin gar nicht abgeneigt zu glauben, daß die Menschen mit der Zeit können fliegen lernen. Junge Kinder müssen aber dazu gewöhnt werden, dabei müßte eine eiserne Stange der Rücken herauf über den Kopf weggehen, um ein Geg[enge]wicht anzubringen damit der Mittelpunkt der Schwere zwischen die Arme fiele, diese Stange könnte auch zur Befestigung der Flügel dienen. An der Stange, just dem Schwerpunkt gegenüber könnte ein Ring angebracht werden woran man sich bei der Übung aufhängen könnte. Die Arme vom Ellenbogen an brauchte der Fliegende nicht.

[A 218]

Κέρας ἀµαλϑείάς Lesebemerkungen 1765–1772

Die Yameos in Westindien können nur bis auf 3 zählen, welche Zahl Drei sie durch das weitläufige Wort: Poettarrarorincouroac anzeigen. (Vid. Condamine relat. de la Riviere des Amazons p. 67) Sie mögen wohl einen Begriff von größeren Zahlen haben, ob ihnen gleich die Benennungen fehlen; daher helfen sie sich gemeiniglich mit den Ausdrücken der Europäischen Sprachen.

[KA 1]

 

Unter Cromwelln, war das Wort Königreich in Engelland so verhaßt, daß man man im Vater unser nicht mehr beten wollte thy kingdom come, sondern thy republick come zu uns komme deine Republik.

[KA 2]

 

Die Einwohner der Marianischen Insuln die so umwissend waren, daß sie bei der Landung des Magellan noch nichts vom Feuer wußten, und die erste Flamme, die sie sahen für ein fressendes Tier hielten, wußten sich sehr zärtlich in Liedern auszudrücken.

[KA 3]

 

Die wilden Amerikaner konnten die Spanier von ferne riechen.

[KA 4]

 

Eben diesem Weltweisen [Sokrates] wurden einst Löcher in den Kopf geschlagen, so ließ er drunter schreiben N. N. fecit.

[KA 10]

 

Ein alter sehr schwächlicher Soldat bat einmal den Cäsar um Erlaubnis sich selbst umbringen zu dürfen; so antwortete Cäsar ei lebst du denn noch.

[KA 12]

 

Caviar ist der italiänische Namen einer Speise, die in Rußland aus dem Rogen des Störs zubereitet wird, ein grüner Schleim der [auf] gerösteten Brod mit Butter und Zitronen-Saft gegessen wird. Vid. Arzt. St. T. V. St. 115

[KA 15]

 

In jedem Haar sein 8 hohle Röhren die mit unzähligen Querfaden verbunden sind, sie laufen bis in die Spitze hinaus.

[KA 51]

 

Dante sieht in der Hölle die falschen Propheten mit umgedrehten Kopf, so daß ihnen die Tränen, die sie weinen über den Hintern fließen.

[KA 129]

 

Der Esel ist nur in Europa durch seine lange Sklaverei so faul geworden. In den orientalischen Fabeln heißt er der Aufgeweckte und spielt fast eine Rolle, wie unser Fuchs. Vid. Gött. gel. Anz. 1767 p. 784. 98tes St.

[KA 131]

 

Man sagte einem Menschen die Seele sei ein Punkt, worauf er antwortete, warum kein Semikolon, so hätte sie einen Schwanz.

[KA 135]

 

Die Mexikaner glaubten, als ihr 100jähriger Kalender zu Ende ging, die Welt würde untergehen.

[KA 137]

 

Im Jahr 968 den 22ten Dez: geriet die Armee des tapferen Otto I. über eine Sonnenfinsternis in ein solches Schrecken, daß sie zum Teil in Fässer und Kasten krochen. Vid. Schröckh T. I. p. 233.

[KA 139]

 

Liscow. Die Leute die den Reim für das Wichtigste in der Poesie halten, betrachten die Verse wie Ochsen-Käufer von hinten.

[KA 141]

 

Ebendas. Ein elender Schriftsteller, der sich nicht mehr zu helfen weiß faßt endlich die Hörner des Altars.

[KA 142]

 

Ebend. Schlechte Schriftsteller sind nach meinem Begriff diejenige, welche allerhand abgeschmackte Grillen und läppische Einfälle, die Ihnen eigen sind und deren Torheit alle Leute die nur ihre 3 Sinne haben begreifen können in einer albernen scheußlichen Schreibart so verworren und undeutlich vortragen, daß man mit Hände[n] greifen kann daß sie nicht recht unter dem Hut verwahrt sind und daß sie selbst nicht wissen was sie haben wollen.

[KA 143]

 

Als der Pabst unter Karl dem 5ten von den Spaniern in der Engelsburg eingeschlossen war so betete man doch in allen Kirchen in Spanien daß Gott den Pabst aus den Händen seiner Feinde befreien mögte.

[KA 159]

 

Ein Churfürst von Bayern mußte einmal in Holland für Speck und Eier, wobei er seinen eigenen Wein noch trank 50 Dukaten bezahlen. Was Henker, fragte er den Wirt, sind denn hier die Eier so selten. Nein antwortete er ganz trocken, die Eier nicht aber die Churfürsten.

[KA 178]

 

Arzt 1ter Band. 2tes Stück

Die Arzeneikunst machet künstliche Krankheiten, bloß um die natürlichen damit zu heilen.

[KA 188]

 

4tes Stück

Ich weiß es wohl daß es Leute gibt, die kaum Zeit haben zu leben, und die keine andre Gesundheit verlangen, als die man im Lehnstuhle erlangen kann.

[KA 190]

 

17tes St.

Ein einziger, kühler Wind in einer Hundstags-Nacht reißet mehr Menschen dahin als tausend Gewitter.

[KA 191]

 

18tes St.

Unser ganzer Leib ist gleichsam mit Seele durchwürkt.

[KA 193]

 

106tes St.

Das Bier ist ein fließendes Brodt.

[KA 199]

 

Es gibt ein Sprüchwort im Englischen, das heißt: er ist zu dumm um ein Narr zu werden. Es steckt sehr viel feine Bemerkung hierin.

[KA 231]

 

Je wilder eine Nation ist desto weniger kann man die Weiber an den Gesichtern von den Männern unterscheiden. Defenses des recherches philos. sur les Americains p. 19

[KA 234]

 

Die Maulwürfe zu vertreiben wird ein sonderbares bewährt gefundenes Mittel in den Schwed. Abh. für das Jahr 1761 angegeben. Herr Hederström ist der Erfinder. Ein[e] Tonne mit einen Boden wird mit der offnen Seite in die Erde eingesenkt, durch den Boden wird eine Stange gesteckt, die nach unten in die Erde getrieben wird, oben an der Stange befestigt man eine gewöhnliche Windklapper die durch ihre Umdrehung eine Erschütterung und Getöse in der Tonne verursachen soll, welche die Maulwürfe sehr weit spüren, und weil sie dadurch in dem Schlaf nach ihren Mahlzeiten, den sie sehr lieben gestört werden, so sollen sie die Gegend verlassen.

[KA 250]

 

Wo muß ich hierbei hin sehen um etwas zu finden, was noch kein Mensch gefunden hat?

[KA 252]

 

Die Bibliotheken werden endlich Städte werden sagt Leibniz.

[KA 257]

 

Alles gelernt, nicht um es zu zeigen, sondern um es zu nutzen.

[KA 262]

 

Ideal davon, und Karikatur davon.

[KA 288]

 

Man soll öfters dasjenige untersuchen was von den Menschen meist vergessen wird, wo sie nicht hinsehen, und was so sehr als bekannt angenommen wird, daß es keiner Untersuchung mehr wert geachtet wird.

[KA 291]

 

Vielleicht ist dieses nur durch eine beständige Gewohnheit von Kindheit an in mir so entstanden. Was für Ansichten würden wir bekommen, wenn wir unser Kapital von Wahrheiten einmal von demjenigen entblößen könnten, was ihnen nicht so wohl wesentlich ist als vielmehr aus der öfteren Wiederholung zuwächst.

[KA 294]

 

Was für Mühe hat es nicht die ersten Menschen oder das Kind gekostet bis es zu dieser Erkenntnis gelangt ist?

[KA 333]

 

Mein Gott wenn das so fort geht.

[KA 342]

1768–1771

Wenn er seinen Verstand gebrauchen sollte, so war es ihm als wenn jemand, der beständig seine rechte Hand gebraucht hat, etwas mit der linken tun soll.

[B 1]

 

Er hatte zu nichts Appetit und aß doch von allem.

[B 3]

 

Mich dünkt immer die ganz schlechten Schriftsteller sollte man immer in den gelehrten Zeitungen ungeahndet lassen, die gelehrten Zeitungsschreiber verfallen in den Fehler der Indianer die den Orang Outang für ihres gleichen, und seine natürliche Stummheit für einen Eigensinn halten, von welchem sie ihn durch häufige Prügel vergeblich abzubringen suchen.

[B 12]

 

Es gibt eine gewisse Art von Büchern, und wir haben in Deutschland eine große Menge, die nicht vom Lesen abschrecken, nicht plötzlich einschläfern, oder mürrisch machen, aber in Zeit von einer Stunde den Geist in eine gewisse Mattigkeit versetzen, die zu allen Zeiten einige Ähnlichkeit mit derjenigen hat, die man einige Stunden vor einem Gewitter verspürt. Legt man das Buch weg, so fühlt man sich zu nichts aufgelegt, fängt man an zu schreiben, so schreibt man eben so, selbst gute Schriften scheinen diese laue Geschmacklosigkeit anzunehmen, wenn man sie zu lesen anfängt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß gegen diesen traurigen Zustand nichts geschwinder hilft als eine Tasse Kaffee mit einer Pfeife Varinas.

[B 15]

 

Der Pöbel ruiniert sich durch das Fleisch das wider den Geist, und der Gelehrte durch den Geist dem zu sehr wider den Leib gelüstet.

[B 21]

 

Diese Frau war mit einer Zunge schon eine Fama, was würde sie erst getan haben, wenn sie tausendzüngig gewesen wäre.

[B 24]

 

In den Romanen gibt es tödliche Krankheiten, die im gemeinen Leben nichts weniger als tödlich sind, und umgekehrt im gemeinen Leben tödliche, die es in Romanen nicht sind.

[B 29]

 

Der Deutsche liegt im Charakter so zwischen dem Franzosen und Engelländer in der Mitte, daß unsere Romanen-Schreiber leicht einen von diesen beiden schildern, wenn sie einen Deutschen nur mit etwas starken Farben malen wollen.

[B 30]

 

Der eigentliche Mensch sieht wie eine Zwiebel mit vielen tausend Wurzeln aus, die Nerven empfinden allein in ihm, das andere dient diese Wurzeln zu halten, und bequemer fortzuschaffen, was wir sehen ist also nur der Topf, in welchen der Mensch (die Nerven) gepflanzt ist.

[B 35]

 

Es sind sehr wenige Dinge von denen wir uns durch alle 5 Sinne Begriffe erwerben können.

[B 37]

 

Jedermann sollte wenigstens so viel Philosophie und schöne Wissenschaften studieren als nötig ist um sich die Wollust angenehmer zu machen. Merkten sich dieses unsere Landjunker, Hof-Kavalier, Grafen und andere, sie würden oft über die Würkung eines Buchs erstaunen. Sie würden kaum glauben wie sehr Wieland den Champagner erhöhet, seine häufge Rosenfarbe, sein Silberflor, seine leinenen Nebel würden ihnen selbst den Genuß eines guten elastischen Dorf-Mädgens mehr sublimieren.

[B 41]

 

Sein Rock war mehr wert als seine Ehre, und jeder Jude hätte ihm mehr für jenen als für diese gegeben.

[B 48]

 

Südostwärts von Herrn Grätzels Mühl

Am Wege, der da heißt Kaßpühl,

Da liegt ein schön gepflastert Städtgen

Von dem man hat ein ganz Traktätgen.

Da sieht man stets Jahr aus Jahr ein

Bei Regen und bei Sonnen-Schein

Auf breiten Steinen und in Buden,

An Musen-Söhnen und bei Juden,

Steinschnallen, Ringe, goldne Borten,

Gekaufte und geborgte Sorten;

Kurz sylphisch ausstaffierte Menschen

Mit allem was ein Mädgen nennt schön.

Dies Völkgen, das sich öfters umbrächt’,

Wär kein Prorektor und kein Gumprecht,

Von dem man vieles hört und liest

Was lieblich klingt und doch nicht wahr ist,

Von dem will ich nun Taten singen

Die wahr sind, und nicht lieblich klingen.

Dazu Johann, bring mir Tobak, Pfeif’

Und Bier und meines Butlers Sack-Pfeif’.

Und soll die Wahrheit ja was anziehn,

So seis der Wams vom Harlekin.

[B 49]

 

Gott schuf den Weibern die Haare lang und um die Schultern hängend, aber ein Perüquenmacher fand für gut dieses zu ändern, und sie hinaufzukämmen.

[B 55]

 

Wir können gar nichts von der Seele sehen wenn sie nicht in den Mienen sitzt, die Gesichter einer großen Versammlung von Menschen könnte man eine Geschichte der menschlichen Seele nennen mit einer Art von chinesischen Zeichen geschrieben. Die Seele legt, so wie der Magnet den Feilstaub, so das Gesicht um sich herum und die Verschiedenheit der Lage dieser Teile bestimmt die Verschiedenheit dessen, das sie ihnen gegeben hat. Je länger man Gesichter beobachtet, desto mehr wird man an den sogenannten nichtsbedeutenden Gesichtern Dinge wahrnehmen, die sie individuell machen.

[B 69]

 

Unsere Kunstkammern sind alle voll von elfenbeinernen Bechern, ein Beweis von der Favorit-Neigung unserer lieben Voreltern, ein Stück Elfenbein woraus der Grieche einen Apoll geschnitzt hätte schnitten sie zum Becher hohl.

[B 72]

 

Jeder Mensch hat auch seine moralische backside, die er nicht ohne Not zeigt, und die er so lange als möglich mit den Hosen des guten Anstandes zudeckt.

[B 78]

 

In dem Hause, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten hölzernen Treppe gelernt, und zugleich den Takt, in welchem sie jeder meiner Freunde, der zu mir wollte, schlug, und, ich muß gestehen, ich bebte allemal, wenn sie von einem Paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden.

[B 79]

 

Der Mann zu sein, der so absolut in Deutschland herrschen könnte wie ich auf meinem Schreibtische, wünsche ich mir nie, ich würde gewiß nur Dintenfässer umwerfen, und durch Aufräumen die Sachen nur noch mehr verwirren.

[B 85]

 

Mein Buchbinder hält mich länger mit des Herrn N. Büchern auf, als Herr N. den Verleger.

[B 93]

 

Er hatte einige Definitionen hergesagt ohne zu stocken und wenn er ein Wort ausließ, so wußte er es gleich nachzuholen, seine Zunge mehr als sein Verstand lehrte ihn daß etwas fehlte, denn er hatte alles auswendig gelernt.

[B 98]

 

Der Mensch kommt unter allen Tieren in der Welt dem Affen am nächsten.

[B 107]

 

Er war der Verfasser verschiedener Abhandlungen die hier und da unter dem Artikel Nonsense in den Journalen erschienen.

[B 108]

 

Das Ding von dessen Augen und Ohren wir nichts und von dessen Nase und Kopfe wir nur sehr wenig sehen, kurz unser Körper.

[B 109]

 

Ein Licht (die Sonne) über 18000000 Meilen zu stellen so daß man mittags um 12 Uhr in der halben Welt, gedruckt und geschrieben, lesen kann, ist würklich etwas Großes.

[B 110]

 

Er hatte seine Bibliothek verwachsen, so wie man eine Weste verwächst. Bibliotheken können überhaupt der Seele zu enge und zu weit werden.

[B 112]

 

Der Stolz des Menschen ist ein seltsames Ding, es läßt sich nicht sogleich unterdrücken, und guckt, wenn man das Loch A zugestopft hat, ehe man sichs versieht zu einem andern Loch B wieder heraus und hält man da zu, so steht er hinter dem Loch C usw.

[B 123]

 

Es gibt zwei Wege das Leben zu verlängern, erstlich daß man die beiden Punkte geboren und gestorben weiter von einander bringt und also den Weg länger macht, diesen Weg länger zu machen hat man so viele Maschinen und Dinge erfunden, daß man wenn man sie allein sähe unmöglich glauben könnte, daß sie dazu dienen könnten einen Weg länger zu machen, in diesem Fache haben einige unter den Ärzten sehr viel geleistet. Die andere Art ist, daß man langsamer geht und die beiden Punkte stehen läßt, wo Gott will, und dieses gehört für die Philosophen, diese haben nun gefunden, daß es am besten ist daß man zugleich botanisieren geht, zickzack, hier versucht über einen Graben zu springen und dann wieder herüber, wo es rein ist, und es niemand sieht, einen Purzelbaum wagt und so fort.

[B 129]

 

Der Trieb zum Bücherschreiben, der gemeiniglich wie ein andrer eben so starker in die Zeit des ersten Barts fällt, hat sich bei mir etwas früher eingestellt, mein erstes Jucken, wenn ich vom ersten Vers der Messiade zu zählen anfange, fiel in das 6te Jahr des deutschen Hexameters und ohngefähr in das 14te wenn ich mit meiner Geburt anfange. Es ist dieses eine etwas kützliche Zeit und Eltern und Lehrer haben gnau acht zu geben auf ihre Kinder. Ich will daher beschreiben was ich in mir fühlte, man wird leicht erachten können wie jemand aussehen muß, der dieses fühlt. Ich fand die Sprache in unserer Familie etwas zu plan, ich vermißte hier und da die Beiwörter und fühlte mich so voll wenn ich welche fand, zumal die ich selbst gemacht hatte pp.

[B 132]

 

den 3ten Mai 1769.

Alle Leute, welche Sachen von uns kaufen, die wir nicht mehr brauchen, und eben aus dieser einzigen Ursache weggeben, stehen nicht in dem besten Kredit bei der Welt, die Antiquarii, die geringen Juden, alle Trödler, die Dungkärrner, die ihre Grade haben und endlich sich gar in das Unehrliche verlieren.

[B 142]

 

Ich gehe zuweilen in 8 Tagen nicht aus dem Hause und lebe sehr vergnügt, ein eben so langer Hausarrest auf Befehl würde mich in eine Krankheit werfen. Wo Freiheit zu denken ist, da bewegt man sich mit einer Leichtigkeit in seinem Zirkel, wo Gedanken-Zwang ist, da kommen auch die erlaubten mit einer scheuen Miene hervor.

[B 143]

 

Trinken, wenn es nicht vor dem fünf und dreißigsten Jahre geschieht, ist nicht so sehr zu tadlen, als sich viele von meinen Lesern vorstellen werden. Dieses ist ohngefähr die Zeit, da der Mensch aus den Irrgängen seines Lebens heraus auf die Ebene tritt in welcher er seine künftige Bahn von nun an offen vor sich hinlaufen sieht. Es ist betrübt, wenn er alsdann erst sieht daß es die rechte nicht ist, eine andre zu suchen, wenn er nicht sehr gut zu Fuß ist, ist gemeiniglich zu spät. Ist diese Entdeckung mit einer Unruhe verknüpft, so hat man durch die Erfahrung befunden, daß der Wein zuweilen Wunder tut, fünf bis sechs Gläser oder bis an die Spes dives des Horaz getrunken, gibt nun dem Menschen die Lage die er verfehlt hat, das Gesinnungen-System findet alles Äußere mit seinem angenehmsten Stande harmonisch, wo Prospekte verbaut sind, da reißt die Seele ein, und überall schafft sie sich die schönsten Perspektive, von dem reinsten rosenfarbenen Licht erhellt, oder dem erquickendsten Grün das nur ein Auge zur Stärkung und eine Seele zur angenehmsten Füllung verlangen kann.

[B 159]

 

Der Genuß seiner selbst findet mehr bei ruhigen Seelen statt, sagt Winckelmann.

[B 163]

 

Wenn man die Kur in Regenwasser trinken will, so muß man nach Göttingen kommen, da hat man es allezeit frisch.

[B 172]

 

Er mußte etwas zu spielen haben, hätte ich ihn keine Vögel halten lassen, so hätte er Maitressen gehalten.

[B 175]

 

Schreiben an einen Freund. Göttingen den pp.

Seitdem mein Kutscher und mein Schicksal

Mich, Teuerster, aus deinem Blick stahl,

Leb’ ich in diesem Vaterstädtgen

Von hoher Weisheit in Traktätgen,[1]

Berühmt in allerlei Bedeutung

Durch Würste, Bibliothek und Zeitung,

Durch Professorn, und schlechtes Wetter,

Und breite Stein, und Wochenblätter.

Du kennst zwar schon aus einem Bändgen

Dies geistliche Schlaraffen-Ländgen.

Liebst du die gare Wahrheit, heißt es,

So öffne hier das Maul des Geistes,

Nur aufgesperrt, mein lieber Sohn,

Das andere gibt sich selber schon.

Hier trieft der Honig der Erkenntnis

Und dort die Sahne vom Verständnis.

Kommt, Jünglinge, die ihr gebessert

Sein wollt, und trinkt sie ungewässert.

Ihr zahlt, und trinkt sie nirgends so schön,

Vier Taler vier und zwanzig Groschen.

Nun kommen die Ursachen warum so viele die sie trinken doch nicht weiser werden.

Doch ists Herrn Stephans Fehler daß er

Sie trank zur Kur wie Selzer Wasser

Vier Wochen nur, um wie wir wissen

Sie doppelt wieder wegzupissen.

Dabei lebt er so diaitetisch

Als Kunkel kaum an seinem Teetisch,

Las statt Poeten die Poetik

Und zur Abwechslung Crusens Logik.

Verlangt sein Magen was Piquantes,

So half Picander und Menantes[2].

Die geistische Vereinigung

Mit Doppelbier war ihm Begeistrung

Und dennoch war sein großer Hang

Zu Liedgen Mangel an bon sens.

[B 176]

 

Er verstund Philosophie, so wie sie der gemeine Mensch gewöhnlich versteht, er raisonierte in die Haushaltung, machte Hypothesen in die Haushaltung, kurz was Kästnern und Leibnizen die Welt ist das war für ihn der Platz zwischen Bossiegel und Schmahlens Laden.

[B 177]

 

Sprach allzeit zärtlich tändelnd so wie

Der Nachtgedankenfeind Jacobi,

Piquant wie Wittenberg der lose

In seiner steifsten Festtags-Prose,

Schrieb jedem Mädgen holde Briefgen

Voll Liebe und Diminutivgen,

Nie alles voll, stets nur ein bißgen,

Knosp ward ein Knöspgen, Fuß ein Füßgen,

Und wie ein Trüppgen von Pygmäen

Stehn da die Marzipan-Ideen.

Oh ruft man aus, das ist gewiß von

Gleim oder gar Anakreon?

[B 178]

 

Man soll sehr gut schießen, wenn man etwas getrunken, sehet da die Verwandtschaft zwischen Schützenkunst und Poesie.

[B 183]

 

Er hörte immer lieber einen Papagei sprechen als einen Professor und nächst Sinngedichten, die nicht sehr schwer waren, hörte er am liebsten Kanarien-Vögel. Die Graunische Passion hatte nicht so viel Reize für ihn als: Straf mich nicht in deinem Zorn pp wenn es von einem Finken gepfiffen wurde. In der Poesie hat er den falsch zärtlichen Geschmack, der heutzutage mehr junge Genies hinreißt, als die Pocken Kinder, und wenn er geheilt wird nicht selten Narben zurückläßt; eine wahre Dörrsucht der Seele, die gemeiniglich den Patienten endlich zu dem macht was er selbst den Vertrauten der Grazien, und der vernünftige Mann einen Gecken nennt.

[B 191]

 

Man pflegte ihn den Halbköpfigten zu nennen, nicht wegen einer besondern Einrichtung und Form seines Kopfes, als vielmehr desjenigen unsichtbaren Wesens, das nach der meisten Menschen Urteil im Kopf sitzt.

[B 192]

 

Ein gewisser Mensch bleibt allezeit in den Augen des Weltweisen einerlei, er mag Perüquenmacher oder Minister sein, so wie der Marmor derselbe bleibt, die Statue mag einen Kapuziner oder den Apollo vorstellen, Bronze oder Sandstein wird er aber nicht.

[B 194]

 

Er besaß viel Philosophie, oder common sense, der so aussah.

[B 205]

 

Ein Deutscher, der eben aus Paris kam und nun wieder in seinem Städtgen aus dem Fenster sah, wo es sehr still war, fragte in der Hitze Mon Dieu, est ce qu’il n’y a point de bruit ici?

[B 207]

 

Ihr Unterrock war rot und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt.

[B 216]

 

Weil er seinem Vater nun einmal bei der Zeugung mißlungen war, so getraute sich kein Kupferstecher nachher noch einmal sein Heil mit ihm in Kupfer zu versuchen.

[B 217]

 

Taten, die zum Schaden der Täter, allein zum Vorteil anderer eben deswegen gereichten, hat man weil sie ihrer Natur nach keine bare Bezahlung zuließen mit Lob zu bezahlen gesucht, und Ehrengedächtnisse sind Wechsel, die man auf die Nachwelt stellen muß, weil sie oft die lebende Welt mit Protest würde zurückgehen lassen.

[B 220]

 

Leute werden oft Gelehrte so wie manche Soldaten werden, bloß weil sie zu keinem andern Stand taugen, ihre rechte Hand muß ihnen Brod schaffen, sie legen sich, kann man sagen, wie die Bären im Winter hin und saugen aus der Tatze.

[B 223]

 

[Witz und Laune müssen, wie alle korrosive Sachen, mit Sorgfalt gebraucht werden.]

[B 232]

 

Jedermann kennt das Vergnügen und die angenehme Sicherheit mit welcher man in neuen Strümpfen ausgeht, wenn die vorhergehenden schon öfters geflickt worden, und dennoch zuweilen die Aufmerksamkeit der Leute durch ein Loch auf sich gezogen haben.

[B 233]

 

Das Trinken hat wie die Malerei seinen mechanischen und dichterischen Teil, so wie auch die Liebe. Dieses gehört mit zur Pinik.

[B 236]

 

Wer ist da? Nur ich. O das ist überflüssig genug.

[B 240]

 

Und mit dem Wein, der nun nicht mehr in den Bouteillen, sondern im Kopf war, gingen sie auf die Straße.

[B 245]

 

Es wäre nicht gut, wenn die Selbstmörder oft mit der eigentlichen Sprache ihre Gründe erzählen könnten, so aber reduziert sie sich jeder Hörer auf seine eigene Sprache und entkräftet sie nicht sowohl dadurch, als macht ganz andere Dinge daraus. Einen Menschen recht zu verstehen müßte man zuweilen der nämliche Mensch sein, den man verstehen will. Wer versteht, was Gedanken-System ist, wird mir Beifall geben. Öfters allein zu sein, und über sich selbst zu denken, und seine Welt aus sich zu machen kann uns großes Vergnügen gewähren, aber wir arbeiten auf diese Art unvermerkt an einer Philosophie, nach welcher der Selbst-Mord billig und erlaubt ist, es ist daher gut sich durch ein Mädgen oder einen Freund wieder an die Welt anzuhaken, um nicht ganz abzufallen.

[B 262]

 

Bei unsrem frühzeitigen und oft gar zu häufigen Lesen, wodurch wir so viele Materialien erhalten ohne sie zu verbauen, wodurch unser Gedächtnis gewöhnt wird die Haushaltung für Empfindung und Geschmack zu führen, da bedarf es oft einer tiefen Philosophie unserm Gefühl den ersten Stand der Unschuld wiederzugeben, sich aus dem Schutt fremder Dinge herauszufinden, selbst anfangen zu fühlen, und selbst zu sprechen und ich mögte fast sagen auch einmal selbst zu existieren.

[B 264]

 

Kein Schriftsteller muß je glauben, daß das, was einer gemischten Gesellschaft gefällt, deswegen der Welt gefalle. Die kleine Gesellschaft hat alle erforderliche Mittel einen Gedanken in allen seinen Relationen zu betrachten, sie kann aus der Gelegenheit und Umständen die Zeit messen, die der Urheber brauchte ihn hervorzubringen, die Vergleichung der Zeit oder anderer Umstände mit dem inneren Gewicht des Gedankens könnte man sein Moment nennen, und man sieht, daß ein schlechter Gedanke zuweilen ein großes Moment bekommen, wenn er unerwartet kommt, dabei nicht viel Zeit kann gekostet haben. Die Welt schätzt bloß das Werk nach dem Gewicht, nicht nach der Zeit, worin es ist zu Stande gebracht worden. Wüßte der Leser die Umstände gnau, so würde der Gedanke nichts verlieren, es ist aber höchst ungereimt zu glauben, daß dasjenige, was ich einer Gesellschaft sage die ich kenne, eben die Wirkung auf ein ganzes Publikum haben soll das ich doch nicht kenne.

[B 271]

 

Was mich allein angeht denke ich nur, was meine guten Freunde angeht sage ich ihnen, was nur ein kleines Publikum bekümmern kann schreibe ich, und was die Welt wissen soll wird gedruckt. Von einem Gedanken der mich angeht brauche [ich] nur ein Exemplar, eben so für den Freund und das kleine Publikum eben so viel, jedes auf eine Art gedruckt wie es sich für sie am besten schickt und am bequemsten ist, die Welt muß mehrere Exemplare haben, und so lassen wir drucken. Wäre es möglich auf irgend eine andere Art mit ihr zu sprechen, daß das Zurücknehmen noch mehr stattfände, so wäre es gewiß dem Druck vorzuziehen.

[B 272]

 

Ich habe mit ihm 2 Jahre in einerlei Nachtgeschirr gepisset und kann also schon wissen was an ihm ist.

[B 273]

 

Lernen sich selbst zu prüfen und zu belehren, hat so viele Bequemlichkeit und ist nicht so gefährlich als sich selbst zu rasieren, jedermann sollte es in einem gewissen Alter lernen, aus Furcht irgend einmal der Raub eines übelgeführten Schermessers zu werden.

[B 279]

 

Etwas in Prose oder in Versen arbeiten zu können, ist zu gewissen Zeiten eben so bequem, als sich selbst rasieren und frisieren zu können.

[B 288]

 

Ich habe eine Menge kleiner Gedanken und Entwürfe zusammengeschrieben, sie erwarten aber nicht sowohl noch die letzte Hand, als vielmehr noch einige Sonnenblicke, die sie zum Aufgehen bringen.

[B 295]

 

Es waren ihrer zwo Schwestern, die ältere majestätisch, still, und alles verkündigte ohne Zwang den Verstand den sie besaß, die jüngere einnehmend, flatterhaft, aber dennoch vortrefflich, kurz wenn man sie beisammen sah, so glaubte man Freundschaft und Liebe zu sehen.

[B 298]

 

Man könnte also deutsche Gesellschaften als ein Kabinett ansehen worin oft ein philosophischer Ältester junge Affen in ihrer Überzeugung große Geister zu sein, wie in einem leichten Spiritus aufbewahrt, um daraus Glieder zu der Kette zu finden mit welcher der Gelehrte an dem Kopisten anhängt.

[B 306]

 

Berthold Schwarz, der aller Wahrscheinlichkeit nach der erste war, der sich die Finger mit Schießpulver verbrannte, hat doch nun auch Leute gefunden die ihm diese geringe Ehre streitig machen wollen.

[B 307]

 

Es ist eine Frage, welches schwerer ist, zu denken oder nicht zu denken. Der Mensch denkt aus Trieb, und wer weiß nicht wie schwer es ist einen Trieb zu unterdrücken. Die kleinen Geister verdienen also würklich die Verachtung nicht, mit der man [ihnen] nun in allen Landen zu begegnen anfängt.

[B 308]

 

Es ist ein Fehler, den der bloß witzige Schriftsteller mit dem ganz schlechten gemein hat, daß er gemeiniglich seinen Gegenstand eigentlich nicht erleuchtet, sondern ihn nur dazu braucht sich selbst zu zeigen. Man lernt den Schriftsteller kennen und sonst nichts. So hart es auch zuweilen widergehen sollte eine witzige Periode wegzulassen, so muß es doch geschehen, wenn sie nicht notwendig aus der Sache fließt. Diese Kreuzigung gewöhnt allmählig den Witz an die Zügel die ihm die Vernunft anlegen muß, wenn sie beide zusammen mit Ehren auskommen sollen.

[B 310]

 

Zwischen Wachen und Traum, auch bei der herannahenden Gottheit des Bacchus, nimmt oft die Erinnerung längst vergangener Wollust einen ganz himmlischen Schwung in unsern Seelen.

[B 329]

 

Ich fand ihn in seiner Stube, die Hose bis an die Knie herunterhängend und mit einem Messer in der Rechten, jedermann, der ihn so gefunden haben würde, würde geglaubt haben er wolle sich kastrieren, er hatte eben die Hosen die ihm geplatzt waren mit einem langen Bindfaden zugebunden, den er beschäftigt war abzuschneiden.

[B 340]

 

Die Natur des Menschen erfordert es, und die Natur des Affen selbst ist nicht abgeneigt es anzunehmen.

[B 341]

 

Ein gewisser Freund den ich kannte pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, daß sich die Hausleute der obersten und der untersten Etage besser vertragen könnten.

[B 344]

 

Der liebe Gott muß uns doch recht lieb haben, daß er immer in so schlechtem Wetter zu uns kommt.

[B 359]

 

Sie glauben oft um ein schöner Geist zu sein müsse man etwas liederlich leben, und gleichsam das Genie mit verdorbenen Sitten fett machen.

[B 361]

 

Ist es denn so unrecht daß der Mensch wieder durch die nämliche Pforte zur Welt hinausgeht durch die er hineingekommen ist?

[B 369]

 

Ich spreche jetzo nicht mit Ihrem Witz, der alles zu bemänteln weiß, sondern mit Ihrem Gewissen spreche ich.

[B 375]

 

Es kann nicht alles ganz richtig sein in der Welt weil die Menschen noch mit Betrügereien regiert werden müssen.

[B 387]

 

Es tun mir viele Sachen weh, die andern nur leid tun.

[B 389]

 

Dieser Mann teilte alles sehr gerne mit, was ihn nichts kostete, unter allen aber Komplimente, beleidigte niemanden, wenigstens wußte man es nicht, hatte allezeit eine liebreiche Miene und seine Bescheidenheit war so groß, daß sie in der Stimme sogar an das Klägliche grenzte, er passierte bei vielen Leuten für tugendhaft und bei den meisten für demütig, kurz er war von der Art Leute, die man so ziemlich häufig antrifft, und die man in England mit dem Namen sneaking rascals zu beehren pflegt.

[B 392]

 

Sa Majesté très Voltairienne. Der König von Preußen.

[B 393]

 

Ein Mann, der gut schreiben will, soll, so viel er kann, außer allem medio resistente schreiben, und bloß sich durch die Natur der Sache leiten lassen.

[B 405]

 

Ich sehe nicht ein warum nur derjenige Mann bekannt werden soll dessen Fähigkeiten durch viel Lärmen und Schimmer hörbar und sichtbar werden, der nicht ihr eigen ist. Alexanders Genie war ein Funke, der in ein Pulver-Magazin fiel, das aufflog und Asien beben machte, unser Funke fiel neben vorbei ins Feuchte, ich sage nur was hätte das für eine Erschütterung geben können, wenn er auf das Pulver gefallen wäre.

[B 408]

 

Die beste Politik ist doch noch nicht für den Zustand von Europa, was ein gutes Barometer für das Wetter ist.

[B 414]

Fußnoten

[1]

Von großen Geistern und Tratätgen.

[2]

so wars ein neuerer Menantes.

1772–1773

Die eine Schwester ergriff den Schleier und die andere den Hosen-Schlitz. πµ

[C 5]

 

Bei mir liegt das Herz dem Kopf wenigstens um einen ganzen Schuh näher als bei den übrigen Menschen, daher meine große Billigkeit. Die Entschlüsse können noch ganz warm ratifiziert werden.

[C 20]

 

Flick-Sentenzen.

[C 21]

 

Ein Drei-Groschen-Stück ist immer besser als eine Träne.

[C 22]

 

Ihr die ihr so empfindsam von der Seele eurer Mädchen sprechen könnt, ich gönne euch diese Freude, glaubt aber ja nicht, daß ihr so was Erhabenes tut oder sagt, oder dünkt euch nicht edler als der Pöbel, der gewiß so gar unrecht nicht hat sich hauptsächlich an den Körper zu halten. Was doch ein junger Rezensionen-Leser für eine Idee von einem so feinen Sentiment hat! Der Bauerknecht schielt nach dem Unterrock-Schlitz und sucht den Himmel dort, den du in den Augen suchst. Wer hat recht? Ich wäge keine Gründe in dieser Frage und noch viel weniger entscheide ich sie, aber raten will [ich] es aus treuem Herzen allen empfindsamen Kandidaten, daß sie sich mit dem Bauern setzen, es könnte sonst auf verdrießliche Weitläuftigkeiten hinlaufen.

[C 23]

 

Die Sand-Uhren erinnern nicht bloß an die schnelle Flucht der Zeit, sondern auch zugleich an den Staub in welchen wir einst verfallen werden.

[C 27]

 

Vergangener Schmerz ist in der Erinnerung angenehm, vergangenes Vergnügen auch, künftiges Vergnügen wieder, auch gegenwärtiges, also ist nur der zukünftige und gegenwärtige Schmerz, was uns quälet; ein merkliches Übergewicht von Seiten des Vergnügens in der Welt, das noch dadurch vermehrt wird, daß wir uns beständig Vergnügen zu verschaffen suchen dessen Erhaltung wir in vielen Fällen mit ziemlicher Gewißheit voraussehen können; hingegen der noch künftige Schmerz weit seltner vorausgesagt werden kann.

[C 31]

 

Ja die Nonnen haben nicht allein ein strenges Gelübde der Keuschheit getan, sondern haben auch noch starke Gitter vor ihren Fenstern.

A. O durch das Gelübde wollten wir wohl kommen, wenn wir nur durch die Gitter wären.

[C 37]

 

Die Mädchen hören euch vielleicht gerne zu, wenn ihr auf euren Lauten eure Phantasien vorklimpert, wenn es ihnen aber zu tun ist zwischen Geist und Fleisch Friede zu stiften, so werdet ihr nie zum Kongreß gelassen.

[C 51]

 

Ich will dir keinen Schatten machen kleines Tierchen (es war eine Spinne), die Sonne gehört dir so gut als mir.

[C 57]

 

Er ist schon in den Vierzigen und trägt noch immer rotes Unterfutter und helle Farbe. Also ins historische Lexikon wird er nie kommen, weder als Genie noch als Spitzbube.

[C 66]

 

Unsere Gelehrten verfallen in den Fehler der Krämer in den kleinen Städten, sie kaufen nicht an der Stelle, wo es wächst, sondern lassen sich es lieber erst von einem Engländer oder Franzosen vorsagen. Das ewige Unsern-Lands-Leuten-bekannt-Machen, warum suchen wir unsern Landsleuten nicht den Geist einzuprägen selbst zu versuchen, und immer auf das Bessermachen zu denken?

[C 67]

 

Aus den gemeinen in Kandidaten-Prose abgefaßten moralischen Erzählungen ließen sich zuweilen gute Sachen machen, wenn man die kleinen Umstände einmischte, die einer Erzählung Wahrheit geben.

[C 74]

 

Was einem das Liegen auf dem rechten Ellenbogen ist, nachdem man eine Stunde auf dem linken gelegen.

[C 81]

 

Seitdem jedermann kritische Chartequen liest, so sind die Produkte des Witzes der Leute gewissermaßen der Maßstab geworden, nach welchem man ihren Wert als Mensch überhaupt bestimmt.

[C 87]

 

Herr Westenhof in Osnabrück erzählte mir, daß ihn einmal ein Bauer gefragt hätte: Ich hebbe hört Ihr sollt elendigen schön sprecken. Elendig schön ist eine sehr gemeine Redensart und sagt so viel als sehr schön.

[C 88]

 

Im Osnabrückischen Land-Recht steht: Wenn fremde Hühner Schaden tun und mein Korn abfressen, bin ich befugt ihnen die Kröpfe auszuschneiden und das Korn daraus zu nehmen.

[C 94]

 

Es gibt 100 Witzige gegen einen der Verstand hat, ist ein wahrer Satz, womit sich mancher witzlose Dummkopf beruhigt, der bedenken sollte, wenn das nicht zuviel von einem Dummkopf gefordert heißt, daß es wieder 100 Leute, die weder Witz noch Verstand haben, gegen einen gebe, der Witz hat.

[C 100]

 

Aus der Weisheit Gottes manche Sachen schließen zu wollen ist nicht viel besser, als es aus seinem eignen Verstand zu tun.

[C 103]

 

Er führte erst den Degen fürs Vaterland mit nicht sonderlichem Glück und nun fing er an die Meßkette für dasselbe zu führen.

[C 105]

 

Diogenes ging in einem schmutzigen Aufzug über die prächtigen Fußdecken in den Zimmern des Plato. Ich trette, sagte er, den Stolz des Plato mit Füßen; ja, erwiderte Plato, aber nur durch eine andere Art von Stolz.

[C 115]

 

Er speit Geheimnisse und Wein.

[C 120]

 

Die Mutter sagts, der Vater glaubts und ein Narr leugnets.

[C 123]

 

Tue nicht allzufein, damit nicht ein natürlich Feinerer zuweilen merkt, daß du würklich so bist, wie du ihn gerne finden wolltest. pm

[C 124]

 

Wir Protestanten glauben nunmehr in sehr aufgeklärten Zeiten in Absicht auf unsere Religion zu leben. Wie wenn nun ein neuer Luther aufstünde? Vielleicht heißen unsre Zeiten noch einmal die finstern. Man wird eher den Wind drehen oder aufhalten können, als die Gesinnungen des Menschen heften.

[C 148]

 

Die Regeln der Grammatik sind bloße Menschen-Satzungen daher auch der Teufel selbst, wenn er aus besessenen Leuten geredet, schlecht Latein geredet. Wie man dieses in der Geschichte des Urbain Grandier im Pitaval Tome II. mit mehrerm nachlesen kann.

[C 151]

 

Die Mönche zu Lodève in Gascogne erklärten eine Maus für heilig, die eine geweihte Hostie gefressen hatte.

[C 169]

 

Der bekannte Barelette gedenket eines Bischofs, der dem Fluchen sehr ergeben gewesen. Barelette nahm sich einesmals die Freiheit es ihm vorzuhalten, worauf der Bischof antwortete, wer ins Teufels Namen hat Euch gesagt, daß ich fluche?

[C 171]

 

Ein Vater schloß einen Brief an seinen Sohn: Wenn du nicht gleich nach Hause kommst, so soll dich der Henker holen: Gott befohlen.

[C 172]

 

Es wird schwerlich Ein Mensch können gefunden werden, dessen Urteil über das Gute und Schöne als die Stimme der menschlichen Natur wird angesehen werden können. Man sollte anfänglich glauben, daß ein Mann von der größten Erfahrung und Einsicht allemal am besten schreiben würde. Allein ist der Witzige nicht eben so gut ein Mensch? Da ein menschliches Geschlecht von lauter Weisen so wenig das glücklichste wäre als eines von lauter Narren oder Witzigen, sondern das Glück desselben vielmehr in einer Mischung derselben besteht, so kann kein Glied desselben sein Gedanken- und Gesinnungen-System als das Maß des Besten angeben. Seneca und Plinius haben so gut recht als Cicero. Am besten wird derjenige schreiben, der so schreibt wie es die Vernünftigsten derjenigen Klasse gut finden würden die er durch seine Schriften zu belehren gedenkt. Allgemeine Regeln werden sich nie in diesem Stück angeben lassen.

[C 181]

 

Die kleinsten Unteroffizier sind die stolzesten.

[C 186]

 

Die Türken begegnen den Christen so, wie die schlechtesten Leute bei uns den Juden, der Türke nennt den Christen Dsjaur, das ist Ungläubiger, er gibt aber auch im Zorn seinem Vieh diesen Namen. Die Leute in Konstantinopel nötigen zuweilen vorbeigehende Christen die Straße vor ihren Häusern zu reinigen, oder für Erlassung davon Geld zu bezahlen. Herr Niebuhr sagt dieses Beschreibung von Arabien p. 44. Die Christen müssen von den Eseln steigen wenn ein Türke zu Pferd kommt. Die Edlen in Batavia sollen es aber den Indianern und Europäern selbst nicht besser machen, die Araber sind hierin besser. Ihre Gastfreiheit aber ist außerordentlich.

[C 187]

 

Herr Niebuhr (p. 55) hatte zwar in Arabien eine Kaffeemühle, er bediente sich aber derselben nicht mehr, so bald sie den gestoßenen Kaffee der Araber getrunken hatten, der viel besser ist, vermutlich bringt das Stoßen die öligen Teile besser heraus als das Mahlen.

[C 188]

 

Opium, Haschisch (eine Art von Hanfblättern den die Araber, um sich zu berauschen, rauchen) und Wein.

[C 189]

 

Bei der Abhandlung von Gespenstern könnte vorzüglich die Neigung der Menschen zum Wunderbaren, das daher entstehende Selbstbelügen, und das Bemühen die Sache wenigstens so vorteilhaft vorzustellen als sie es leidet [behandelt werden]. Es hat z.B. jemand etwas gesehen. So bald er es für würdig hält zu erzählen, so kann man sicher sein, er wird nichts fehlen lassen den Leuten wenigstens begreiflich zu machen, daß die Sache bemerkenswert gewesen sei. Jedem Kenner des Menschen ist es bekannt wie schwer es ist Erfahrungen so zu erzählen, daß sich in die Erzählung kein Urteil einmischt.

[C 192]

 

Bei einem Brief an einen guten Freund, der gut geschrieben sein soll, muß immer hauptsächlich der eine Gedanke durch das Ganze hervorsehen: Sie hatten nicht nötig gehabt sich zu bedanken. Im Jetzigen muß das Künftige schon verborgen liegen. Das heißt Plan. Ohne dieses ist nichts in der Welt gut.

[C 195]

 

So wie wir eine Messiade und Verlornes Paradies, wo alles Göttliche menschlich zugeht, haben, so könnte ein Bauer eine Henriade schreiben, wo alles wie in seinem Dorfe, nur idealisiert vorginge.

[C 197]

 

Er speiste so herrlich, daß 100 Menschen ihr: tägliches Brod gib uns heut davon hätte erfüllt werden können.

[C 205]

 

Das Bekehren der Missetäter vor ihrer Hinrichtung läßt sich mit einer Art von Mästung vergleichen, man macht sie geistlich fett, und schneidet ihnen hernach die Kehle ab, damit sie nicht wieder abfallen.

[C 206]

 

Die Bibliotheken werden endlich Städte werden, sagt Leibniz.

[C 212]

 

Der Mensch vergibt sich nichts ohne etwas zu erwarten, daher das Sammeln des Lohns im Himmel, Geißelung und dergleichen. Die Philosophie des gemeinen Mannes ist die Mutter der unsrigen, aus seinem Aberglauben konnte unsre Religion werden, so wie unsere Medizin aus seiner Hausmittelkenntnis. Er tat etwas ohne Belohnung vorauszusehen, er erhielt [sie] aber auch ohne sich eines kurz vorhergängigen Verdienstes bewußt zu sein, was war natürlicher als eine Verbindung zwischen jenem Verdienst und dieser Belohnung zu finden? Was konnte für den Religionsstifter wichtiger und was der Gesellschaft nützlicher sein? So wurde der Mensch aus Eigennutz uneigennützig und was ihm das Glück ohnehin zugeführt hätte wurde ihm als eine Bezahlung angerechnet, die ihn noch mehr verpflichtete.

[C 219]

 

Die Katholiken bedenken nicht, daß der Glauben der Menschen sich auch ändert, wie überhaupt die Zeiten und Kenntnisse der Menschen. Hier zunehmen und dort stille stehn ist den Menschen unmöglich. Selbst die Wahrheit bedarf zu andern Zeiten wieder einer andern Einkleidung um gefällig zu sein.

[C 223]

 

Ein närrischer Einfall ist im Deutschen so viel als ein guter Einfall, beziehen heißt im Deutschen so viel als betrügen, dieses könnte daher kommen daß beziehen plattdeutsch betrecken im praeterito betrocken hat, welches fast wie betrogen klingt.

[C 225]

 

Welches ist schwerer zu erklären, wie der Schnecke das Haus aus dem Leibe wächst, oder wie sich die Spinne ihr Netz webt? Wächst ihr dieses nicht auch aus dem Leibe? Könnten wir das Spiel der Drüsen wodurch der Schleim zum Schnecken-Haus abgesondert, und die Kanäle durch die er angesetzt wird sehen, so würden wir vielleicht sagen, die Schnecke bauet ihr Haus. Z.U.

[C 226]

 

Leichen. Schuhputzen ehe man sie wegwirft.

[C 230]

 

Einen Roman zu schreiben ist deswegen vorzüglich angenehm, weil man zu allen Meinungen, die man gerne einmal in die Welt laufen lassen will, allemal einen Mann finden kann, der sie als die seinigen vorträgt. […]

[C 242]

 

Du fragst mich Freund welches besser ist, von einem bösen Gewissen genagt zu werden oder ganz ruhig am Galgen zu hängen?