Aus Liebe zur Kirche - Bernard Fellay - E-Book

Aus Liebe zur Kirche E-Book

Bernard Fellay

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Beschreibung

Bischof Bernard Fellay, ehemaliger Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X., spricht in großer missionarischer Nächstenliebe von seinem Engagement für das Priestertum, den reinen Glauben und für die Kirche. Das Zeugnis eines Lebens, das der Mission und der Suche nach der Wahrheit gewidmet ist, ist auch das Porträt eines Mannes auf einer ungewöhnlichen Reise. Offen für alle Fragen – auch für aufwühlende Fragen zur Situation der katholischen Kirche – befasst sich Bischof Fellay eingehend mit vielen komplexen Themen – sei es die Geschichte der Priesterbruderschaft St. Pius X., die Lebensweise des Priesters in der heutigen Gesellschaft oder die Dringlichkeiten für die Kirche in ihrer heutigen Lage. Worte, die auf ihre Weise die Frage nach dem wesentlichen Platz der Priesterbruderschaft im Herzen der Kirche aufwerfen.

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Seitenzahl: 175

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Gespräche mit Robert Landers

Mgr. Bernard Fellay – Aus Liebe zur Kirche

Mgr. Bernard Fellay –

Aus Liebe zur Kirche

Gespräche mit Robert Landers

Patrimonium-Verlag 2020

Die französische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Pour l‘amour de l‘Église : entretiens avec Robert Landers« bei »VIA ROMANA«

© VIA ROMANA, Le Chesnay, 2019

Impressum

1. Auflage 2020

© Patrimonium-Verlag

In der Verlagsgruppe Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Erschienen in der Edition »Patrimonium Theologicum«

Patrimonium-Verlag

Verlagsgruppe Mainz

Süsterfeldstraße 83

52072 Aachen

www.patrimonium-verlag.de

Gestaltung, Druck und Vertrieb:

Druck & Verlagshaus Mainz

Süsterfeldstraße 83

52072 Aachen

www.verlag-mainz.de

www.druckereimainz.de

Abbildungsnachweise(Umschlag):

https://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Fellay#/media/

Datei:Bernard_Fellay_FSSPX.jpg

Druckbuch:

ISBN-10: 3-86417-141-5

ISBN-13: 978-3-86417-141-3

E-Book:

ISBN-10: 3-86417-154-7

ISBN-13: 978-3-86417-154-3

Vorwort

Die Vorbereitung dieses Buches hat mir erlaubt, mich mehrmals im Generalhaus der Bruderschaft St. Pius X. in Menzingen aufzuhalten. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, in das Innere eines Hauses des Gebets einzutreten, eines Ortes, wo das brüderliche Leben einfach und freudig ist. Die Oblatinnen der Bruderschaft, diskret und voll feinen Empfindens, haben mein Herz berührt. Ich denke zurück an diese aus den Philippinen stammende Schwester, aber auch an die spontane Einfachheit der dort wohnenden Priester. Alle, vom Generaloberen Monseigneur Bernard Fellay bis zum für das Materielle beauftragten Bruder, haben mich mit einem Lächeln und einer großen Offenheit des Herzens empfangen, genau wissend, dass ich kein Gläubiger der Bruderschaft St. Pius X. bin.

Was mich dazu gedrängt hat, mich in dieses Buch zu stürzen, ist die Sicherheit, dass die katholische Kirche der mystische Leib Christi ist und dass jedes seiner Glieder einen besonderen Aufruf bekommen hat, der so dargestellt werden kann:

Weil die Kirche eine ist, bittet uns Jesus, mit Ihm zu sein, indem wir uns von uns selbst freimachen. Das heißt, dass wir den gegenwärtigen Augenblick in einem Geist der Stille und in der Vereinigung mit Gott leben müssen. In diese Innerlichkeit eintretend, sind wir wirklich vereint und leben das Mysterium der Kirche.

Weil die Kirche heilig ist, bittet uns Jesus, Maria zu uns zu nehmen. Mit Ihr lebend, entdecken wir, was die Demut ist und erwerben mit ihr die Gnade, das Heil Gottes zu erlangen.

Weil die Kirche katholisch ist, lädt Jesus uns ein, uns ohne Unterlass auf Sein Wort zu verlassen, auf die Tradition, empfangen von den Aposteln und den Vätern.

Weil die Kirche apostolisch ist, gibt uns Jesus die Anweisung, die Liebe Seines verwundeten Herzens jenen bekannt zu machen, deren Herz aus Traurigkeit und Verzweiflung weint. Und wir sind alle aufgerufen, diese Aufgabe zu erfüllen, indem wir auf jenen schauen, der uns anzieht.

Schließlich muss ich einen Gesichtspunkt unterstreichen, der in mir bei jeder Sakramentsandacht starke Spuren hinterlassen hat: Am Donnerstag betet die in der Kapelle vereinte Gemeinschaft mit Eifer für den Papst …

Mehr denn je sage ich mir, dass es keine Häresie gibt, die nicht mit einem schlechten Verständnis des Mysteriums der Kirche zusammenhängt, noch eine Kommunion, die nicht die Verlängerung dieses Mysteriums ist.

Robert Landers

13. Mai 2019

I. Zurück zu den Ursprüngen

Was ist die Bruderschaft St. Pius X.?

Genau gesagt, ist die Priesterbruderschaft St. Pius X. eine Gemeinschaft von Priestern, noch genauer eine Gemeinschaft des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde. Von nun an zieht es das kanonische Recht vor, von einer Gemeinschaft des apostolischen Lebens zu sprechen. Der Name hat sich geändert, aber die Realität ist dieselbe.

Der Zweck der Bruderschaft St. Pius X. ist das Priestertum. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Formung der Priester in den Seminaren, aber nicht nur darin. Die Bruderschaft wünscht, junge Leute zum Priestertum zu führen, aber auch den Priestern zu helfen, während der ganzen Zeit ihres Dienstes ihr intellektuelles und spirituelles Leben zu nähren. Das ist eine Aufgabe von großer Dringlichkeit. Ich glaube, dass eines der großen Unglücke von heute im Mangel an geistlicher Formung der Priester liegt. Es genügt nicht, eine Universität besucht zu haben, um ein Priester zu sein. Es ist zudem notwendig, ein innerliches Leben zu führen. Das war eine sehr starke Überzeugung von Erzbischof Lefebvre.

Da Erzbischof Lefebvre bemerkte, dass das Priestertum angegriffen wurde, schon vor dem Konzil, aber vor allem während demselben und danach, gründete er eine Gesellschaft von Priestern, die auf ein Priestertum ausgerichtet ist, das alle seine Gesichtspunkte in Betracht zieht. Das ist der Ursprung der Bruderschaft St. Pius X. Dieses Werk ist ein wenig wie sein geistliches Testament. Der Erzbischof gab ihm den Auftrag, den Glauben in seiner ganzen Reinheit zu vermitteln und eine wirklich apostolische Nächstenliebe zu entwickeln, aber hauptsächlich Priester gemäß dem Herzen Jesu zu formen, Priester, die in der großen und erhabenen Wirklichkeit des heiligen Messopfers, der wesentlichen Handlung des Priestertums, verankert sind. Für Erzbischof Lefebvre beruht darauf die Grundlage einer jeden Reform der Kirche.

Welchen Platz nimmt Ihrer Meinung nach die Bruderschaft in der Kirche in Bezug auf diese Besonderheit, die Sie gerade beschrieben haben, ein?

Die Bruderschaft befindet sich im Herzen der Kirche. Warum? Weil die Messe das Herz der Kirche ist. Sie ist das auf unblutige Weise vergegenwärtigte Opfer von Golgotha, wie es das Konzil von Trient sagt. Die Messe ist das Erlösungsopfer, das die Kirche am Leben erhält. Ohne die Messe kann die Kirche, wie Padre Pio sagt, nicht überleben. Wenn es die Messe nicht mehr gibt, steht das Herz der Kirche still. In der Bruderschaft St. Pius X. versuchen wir, diesen wesentlichen Akt der Liebe, den nur der Priester vollbringen kann, ganz nahe zu leben. Erzbischof Lefebvre verwendete gerne das Wort transzendental, um das Band zwischen der Messe und dem Priester zum Ausdruck zu bringen. Man muss dies gut verstehen. Eine transzendentale Beziehung ist eine Beziehung zwischen zwei Wesen, die absolut notwendig für ihre Existenz ist. Es kann keine Messe ohne Priester geben, während ein Priester ohne Messe nicht den wesentlichen Akt seines Priestertums vollziehen kann. Der Priester ist per Definition ein Mittler. Nun ist aber die Zelebration des heiligen Messopfers der fruchtbarste Akt dieser Vermittlung, zugleich für die Kirche, die Welt und den Priester selbst. Was ich da sage, fasst unsere Position im Herzen der Kirche zusammen. Aber ich will nicht so weit gehen zu sagen, dass wir die Einzigen sind, die diese Wirklichkeit leben.

Sie haben mit uns über Ihren Gründer gesprochen. Die Vorstellung, die man oft von ihm hat, ist die eines Reaktionärs, zu dem die jungen, von der Situation der Kirche Verwundeten gekommen sind, um ihn aus seinem Ruhestand zu holen … Wer war Erzbischof Lefebvre wirklich?

Erzbischof Lefebvre war in seiner Seele ein Missionar und ein bodenständiger Mann und gleichzeitig ein Intellektueller, da er den Doktortitel in Philosophie und Theologie von der Universität Gregoriana in Rom führte.

Geboren 1905, Priester mit knapp 24 Jahren, beginnt er seinen Dienst als Vikar in einer Arbeiterpfarrei im Norden Frankreichs. Sein tiefer Wunsch, in die Mission zu gehen, veranlasst ihn sehr bald, sich der Kongregation der Spiritaner zuzuwenden. Er wird nach Schwarzafrika – nach Gabun – geschickt, wo er 13 Jahre lang bleibt. Er ist Rektor des Seminars, dann hat er verschiedene Posten im Busch inne. 1945 kehrt er nach Frankreich zurück. Ihm wird die Leitung des Scholastikats der Spiritaner von Mortain in der Normandie übertragen.

Erzbischof Lefebvre reist bald wieder nach Afrika. 1947 ernennt ihn Pius XII. zum Apostolischen Vikar, dann 1955 zum ersten Erzbischof von Dakar im Senegal. 1948 macht ihn der Papst zu seinem Apostolischen Delegaten für das französischsprachige Afrika, das unermesslich große Gebiete umfasst. Eine solche Ernennung zeigt die Wertschätzung, die der Papst unserem Gründer entgegenbrachte. Dieses schöne missionarische Leben würde es verdienen, von jenen besser gekannt zu werden, die Erzbischof Lefebvre streng beurteilt haben. Das dürfte dazu beitragen, ein gerechteres und differenzierteres Urteil über sein Verhalten, das er später an den Tag legte, mit sich zu bringen. Monseigneur hat Beweise seiner Qualitäten als großer Mann der Kirche erbracht.

1962 setzt Johannes XXIII. den Funktionen Erzbischof Lefebvres in Afrika ein Ende, wahrscheinlich von bestimmten Bischöfen beeinflusst, die auf seine Ausstrahlung neidisch waren. Erzbischof Lefebvre wird zum Bischof der kleinen Diözese von Tulle in Frankreich ernannt. Er bleibt dort sechs Monate lang, bis er zum Generaloberen der Kongregation vom Heiligen Geist gewählt wird, die mehr als fünftausend Mitglieder zählt. Zur selben Zeit wird Monseigneur zum päpstlichen Thronassistenten und zum Mitglied der Zentralen Vorbereitungskommission für das Zweite Vatikanische Konzil ernannt. Bis dahin ist Erzbischof Lefebvre ein anerkannter und geehrter Bischof, der seinen Dienst gemäß dem ausübt, was er auf dem Schoß der Kirche gelernt hat.

Mit dem II. Vaticanum ändert sich die Situation. Als Mann des Glaubens entdeckt Erzbischof Lefebvre im Inneren der konziliaren Versammlung bestimmte, dem Geist der Kirche fremde Tendenzen. Von da an widersetzt er sich mit mehreren Bischöfen zum Wohl der Seelen mit allen seinen Kräften. 1968 tritt er von seinem Amt als Generaloberer der Spiritaner zurück, da er nicht dazu beitragen will, eine Kongregation zu zerstören, die er geliebt und der er mehr als 30 Jahre lang gedient hat. Von da an befindet er sich im Alter von 63 Jahren in der Arbeitslosigkeit. Sehr bald bitten ihn Seminaristen um Hilfe, die durch die Veränderungen, die sie in der Kirche feststellen, ratlos geworden sind. In der ersten Zeit antwortet Monseigneur, dass man in seinem Alter kein Werk beginnt. Nichtsdestoweniger lässt er sich durch diese Bitten rühren, die von jungen begeisterten Leviten kommen. Deshalb lässt er sich 1969 mit neun Seminaristen in Fribourg in der Schweiz nieder, wo ihm die Universität noch rechtgläubig zu sein scheint.

Man konnte sagen, dass Erzbischof Lefebvre von einer politischen Schule geprägt war, die der Action française nahestand, und deshalb ein Mann war, der eine Ideologie vertrat. Wie denken Sie darüber?

Ich denke, dass das ganz und gar falsch ist. Erzbischof Lefebvre war nie mit irgendeiner politischen Bewegung verbunden. Er ist katholisch. Das ist alles. Im französischen Seminar haben bestimmte Leute die wirklichen oder vermuteten Beziehungen des damaligen Oberen Pater Le Floch mit einer solchen Bewegung gebrandmarkt. Erzbischof Lefebvre ist nie mit solchen Denunziationen behelligt worden. Als es Machenschaften gab, um Pater Le Floch sein Amt zu entziehen, war er nicht da. Im Seminar hat nie jemand sagen gehört, dass Erzbischof Lefebvre Beziehungen zur Action française unterhalte.

Wenn man den Charakter Erzbischof Lefebvres darstellen müsste, was würden Sie sagen?

Monseigneur war bescheiden, fröhlich und liebenswürdig. Er diskutierte nicht über den Glauben. Er war fest. Dennoch strahlte er eine große Güte aus. Er war allen zugänglich. Es gab in ihm überhaupt keine Härte. Seine Nächstenliebe war offensichtlich. Er zeigte sich stets treu seiner bischöflichen Devise: »Wir haben an die Liebe geglaubt.« Jedermann konnte es sehen und bestätigen. Ich erinnere mich an eine Person, die sagte: »Es ist schon bemerkenswert. Hier ist ein Mann, der 20 Jahre lang im Kampf gelebt, ein sehr schweres Kreuz getragen hat und Widerständen und Verurteilungen in jedem Sinn ausgesetzt war, und es ist in ihm keine Bitterkeit vorhanden.« Diese Bemerkung kommt von einem Mann, der kein Gläubiger der Bruderschaft St. Pius X. war …

Könnten Sie auf die Umstände der Gründung der Bruderschaft zurückkommen? Welche waren die auslösenden Elemente?

Wie ich gesagt habe, sind es Seminaristen, die Erzbischof Lefebvre anflehen, etwas für sie zu tun. Diese jungen Leute sind in Rom, zum größten Teil an der Universität Gregoriana und dem französischen Seminar. Sie rufen den Erzbischof buchstäblich zu Hilfe. Nachdem er versucht hat, Zeit zu gewinnen, mietet er einige Zimmer in Fribourg bei den Salesianern. Dort beginnt die Bruderschaft. Ihre Statuten werden ein Jahr später, im Jahr 1970, vom Bischof von Fribourg anerkannt. Wenn er auch auf die Bitte von Seminaristen antwortet, so wird Erzbischof Lefebvre ebenso von hervorragenden Dominikanern und Hochschullehrern wie von Prälaten, besonders dem Abt von Hauterive, gedrängt zu handeln. Monseigneur sieht diese Unterstützung als ein eindeutiges Zeichen der göttlichen Vorsehung. Als er sein Projekt dem Bischof von Fribourg, Mgr. Charrière, darlegt, sagt er sich, dass entweder die positive oder die negative Antwort, die er erhalten würde, der Ausdruck des Willens Gottes sei. Und Mgr. Charrière ermutigt ihn: »Aber ja, aber ja, Monseigneur, handeln Sie, handeln Sie, es besteht eine dringende Notwendigkeit für ein solches Werk.« Erzbischof Lefebvre liegt es fern zu sagen: »Ich werde die Kirche retten.« Die Wirklichkeit ist anders. Erzbischof Lefebvre unterbreitet sein Projekt der örtlichen Autorität, die nach einer Prüfung ihre Zustimmung erteilt. Er sagt stattdessen: »Hier haben wir das Siegel der göttlichen Vorsehung.« Erzbischof Lefebvre hat es immer vorgezogen, der Vorsehung zu folgen, statt ihr vorzugreifen. In allen Augenblicken seines Lebens hat er darauf gewartet, dass sie sich auf die eine oder andere Weise offenbart. Seine Abhängigkeit vom lieben Gott ist bemerkenswert, vor allem, wenn man die Kämpfe sieht, denen er sich stellen musste …

Gab es keine andere Möglichkeit als eine solche Gründung am Rande? Formten die damaligen Seminare nicht auch Priester für die Kirche?

Sicherlich! Alle hatten ohne Zweifel die Absicht, Priester für die Kirche heranzubilden. In vielen Häusern der Formung wehte jedoch ein neuer Geist. Ohne Unterlass war die Rede vom aggiornamento und der »Öffnung zur Welt«. Das war die erste Sorge des kirchlichen Personals der Zeit, wenigstens in unserem westlichen Europa. In gewisser Weise erreichte die berühmte Krise von 1968 die Kirche selbst.

War das ein Protest?

Ja. Alles, was den Anschein der Strenge und Festigkeit hatte, wurde angegriffen. Sogar die Liturgie, die den Gläubigen dank ihrer Stabilität hätte helfen können, diese Kulturkrise zu überstehen, wurde angefochten und sogar verwüstet. Diese Umwälzungen waren für eine große Anzahl von Gläubigen schmerzhaft. Tatsächlich baut sich die Kirche auf dem Glauben und den Sakramenten des Glaubens auf, während die Liturgie ein unverzichtbares Kleid dieser letzteren ist. Ab dem Ende der sechziger Jahre hat Erzbischof Lefebvre reagiert, denn er konnte es nicht zugeben, dass die Kirche sich dem Zeitgeist anpasst, indem sie zu häufig die Absicht und den Gedanken ihres göttlichen Gründers, unseres Herrn Jesus Christus, verrät. Ohne Zweifel sind bestimmte Reformen und Änderungen der Liturgie möglich. Jedoch muss diese ganz von der Anbetung, die Gott, unserem Schöpfer, geschuldet ist, durchtränkt bleiben. Die Liturgie versetzt den Menschen wieder an seinen richtigen Platz. Sie erinnert ihn daran, dass er ein armes und schwaches Wesen ist, das geschaffen wurde, um den dreimal heiligen Gott anzubeten. Erzbischof Lefebvre hat angesichts dieser Anfechtung nicht aufgegeben. Er hat sich seiner Pflicht, die Kirche zu schützen, nicht entzogen.

Verlangt der Gehorsam in der Kirche nicht, gelegentlich Widerspruch zu ertragen und einige Ungerechtigkeiten auszuhalten? Zahlreiche Heilige sind von der Hierarchie buchstäblich verfolgt worden und trotzdem lebten sie nicht im Bruch. Ich denke hier an den heiligen Padre Pio; wie denken Sie darüber?

Das Prinzip des Gehorsams ist für den Christen grundlegend. Der Grund dafür ist einfach. Der Ungehorsam hat die Menschheit ins Verderben gestürzt, während der Gehorsam sie erlöst hat. Durch den Gehorsam zeigt der Mensch seine Unterordnung Gott gegenüber. Der Gehorsam ist das Gesetz der Kirche. Es kommt der Braut Christi zu, sich ihrem Bräutigam anzugleichen. Für jeden Menschen ist diese Pflicht des Gehorsams fundamental. Sie hat ihren Wert selbst in der zeitlichen Ordnung. Ist dieses Prinzip jedoch universell? Lässt es sich immer auf jede Situation anwenden? Hier drängt es sich auf, denke ich, eine Unterscheidung zwischen dem wahren und dem scheinbaren Gehorsam zu treffen. Der heilige Thomas von Aquin erklärt es sehr gut: Durch die geschaffene Autorität leistet jedermann Gott Gehorsam. Von daher gesehen, ist es nicht mehr ein Akt des Gehorsams, wenn man sich dem Inhaber der Autorität unterwirft, wenn dieser im Widerspruch zur Autorität Gottes steht, von dem er seine Amtsgewalt empfangen hat. Manchmal ist es notwendig zu widerstehen, wenn die Autorität nicht mehr in Übereinstimmung mit Gott handelt.

Diese Haltung ist nicht einfach. Sie verlangt Überlegung und Unterscheidung. In einer solchen Situation muss man beten, um das Licht des Heiligen Geistes zu erhalten. Angesichts einer möglicherweise schädlichen Entscheidung, die weder den Glauben noch das Heil betrifft, ist es notwendig, sich unterzuordnen. Es gibt manchmal große Leiden im Gehorsam, ob es sich nun um Autoritäten der Kirche oder des Staates handelt. Es gibt Heilige, die vonseiten der Männer der Kirche gelitten haben. Sie haben den Anordnungen Folge geleistet, die, ohne schlecht zu sein, nicht sehr weise oder gerecht waren. Wenn hingegen eine schlechte Anweisung das Risiko beinhaltet, einen Schaden an der Seele zu verursachen und ihr Heil zu gefährden, dann darf man ihr nicht Folge leisten. Die Kirche hat diese Haltung bestätigt, indem sie sagt: »Prima lex salus animarum.« Das oberste Gesetz, das alle anderen lenkt und leitet, das ist das Heil der Seelen.

Und wenn man Ihnen im Vergleich dazu sagt, dass Luther es vorzog, seiner persönlichen Neigung zu folgen, die ihm mit dem Willen der Kirche mehr übereinzustimmen schien, wie positionieren Sie sich dazu?

Um die Legitimität einer Anordnung zu beurteilen, ist das Kriterium, das in Betracht gezogen werden muss, das folgende: Stimmt diese Anordnung objektiv mit dem Willen Gottes überein? Wenn die Autorität eine unberechtigte und sogar gefährliche Entscheidung auf einem Gebiet trifft, das direkt den Glauben oder den göttlichen Kult betrifft, ist es möglich, sich zu widersetzen. Es ist sogar ohne Zweifel eine Pflicht. Das haben wir getan, indem wir die Messe verteidigten. Wir sagten wiederholt: »Die Messe des heiligen Papstes Pius V. ist nie verboten gewesen«, oder: »Was die Kirche im Lauf von Jahrhunderten getan hat, kann nicht verboten sein.« Unser Widerstand stützte sich auf eine juristische Argumentation, aber auch auf eine liturgische Praxis, die in der Tradition verankert ist, so dass Rom verpflichtet war, seine Position zu revidieren. In der ersten Zeit erhoben sich Stimmen, die sagten, dass die tridentinische Messe nie abgeschafft worden ist. Ich hatte Kenntnis von einer internen Notiz der Kurie, die bestätigte, dass es kein Argument zugunsten der Unterdrückung der tridentinischen Messe gibt, weder ein theologisches noch ein kanonisches. Dann kam 2007 das Motu Proprio Summorum Pontificum. In diesem Text gesteht der Papst selbst ein, dass die Messe des heiligen Pius V. niemals verboten war. Dieser sehr wichtige Akt wäre ohne Zweifel niemals gesetzt worden, wenn es nicht den Widerstand der Bruderschaft St. Pius X. und die Reaktion der Gläubigen, die mit ihrem Glaubenssinn, dem sensus fidelium, protestierten, gegeben hätte.

Die Situation von Luther unterscheidet sich davon radikal. Es handelt sich um einen Christen, der sich auf sein eigenes Urteil stützt, indem er vorgibt, der Heilige Geist erleuchte ihn direkt … Diese Art zu handeln ist nicht gerechtfertigt. Auf der Erde gibt es Autoritäten und Institutionen. Der Heilige Geist wirkt normalerweise durch sie, um seine Anweisungen zu geben und seinen göttlichen Willen kundzutun.

Hinsichtlich des Verhältnisses zur Autorität scheint es, dass es vonseiten bestimmter Leute den Willen gab, Monseigneur davon abzuhalten, eine gelassene Beziehung zu den römischen Autoritäten aufzubauen. Wie analysieren Sie das?

Nach dem Konzil bemerkte Monseigneur Lefebvre, dass die konservativen Bischöfe sich dem Papst nicht mehr nähern konnten. Er führte Beispiele von Prälaten an, die keinen Zugang mehr zum Papst hatten, hauptsächlich der Bischof von Madrid und der Primas von Irland. Ohne jeglichen Zweifel gab es nach dem Konzil in der Kirche eine Art von Säuberung. Die Konservativen sind zur Seite gestellt worden. Erzbischof Lefebvre und die Bruderschaft wurden hart behandelt. Paradoxerweise, so denke ich im Nachhinein, hat diese Situation der Marginalisierung die Entwicklung unseres Werkes begünstigt.

Meinen Sie nicht, dass eine solche Haltung des Widerstandes gegen den Heiligen Stuhl das Risiko mit sich brachte, im Geist der Gläubigen und der Priester die Liebe zur Kirche, die zugleich menschlich und göttlich ist, abnehmen zu lassen?

Es besteht eine unermesslich große Gefahr, das ist wahr! Eine große Klugheit ist bei dieser Haltung der Opposition verlangt. Betrachten wir den heiligen Paulus, als er dem heiligen Petrus widerstand … Sich der Autorität zu widersetzen besteht darin, einfach zu sagen: »Vorsicht, die Kirche hat in diesem Punkt bereits gesprochen, eure Vorschläge oder eure Entscheidungen sind problematisch.« Eine solche Reaktion ist gut, denn auf eine bestimmte Art und Weise schützt sie die Autorität gegenüber sich selbst. Jedoch ist ein solches Vorgehen heikel. Die Gefahr besteht darin, zu weit zu gehen und kritische Äußerungen zu machen, die unberechtigt und übertrieben sind, und sogar unbedachte Forderungen zu stellen, wie die Donatisten es taten. Es ist nicht richtig, die vollkommene Heiligkeit von allen Mitgliedern der Kirche zu verlangen und eine Kirche der Reinen zu wollen, wie es die Katharer taten. Die Kirche ist ohne Sünde, aber in dieser Welt setzt sie sich aus Sündern zusammen … Es empfiehlt sich, diese Realität nie aus dem Blick zu verlieren. Die Antwort auf die aktuelle Krise ist in der Tradition zu finden. Dort haben wir sichere Anhaltspunkte. Man darf sie nicht unbeachtet lassen … Auf der anderen Seite haben viele Eltern ihre Kinder verloren, indem sie sie in den Jahren 1960–1980 einer katholischen Schule anvertrauten.

Nach den Jahren der Entfremdung von den vatikanischen Autoritäten werden die Diskussionen 1987 wieder aufgenommen. Aber nach Ablauf eines Jahres haben sie zu keinem Ergebnis geführt und Erzbischof Lefebvre beschließt, Nachfolger für die Bruderschaft zu weihen. Sie sind einer der vier geweihten Bischöfe. Wie haben Sie diese Momente erlebt, haben Sie gezweifelt oder wegen der Folgen gezögert? Ist Erzbischof Lefebvre damals nicht das Risiko eines endgültigen Bruches eingegangen?