Aus Stein werde Fleisch - Asia Aquileo - E-Book

Aus Stein werde Fleisch E-Book

Asia Aquileo

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Beschreibung

Museumskuratorin Nele ist wieder solo. Sie liebt antike Statuen und denkt in ihrer neuen Einsamkeit auch an ihren alten Freund Luc, der fünf Jahre zuvor in ein tiefes Koma gefallen ist.

Eines Abends nimmt Nele den Kopf einer männlichen Skulptur mit nach Hause, in ihr Bett ... Auch die neu eingetroffene Statue des Herkules fasziniert sie, und als sie eines Nachts im Museum herumstreift, sich in ihrer Sehnsucht entkleidet und die Statue umgarnt, geschieht etwas Unfassbares …

Kann es sein, dass der im Koma liegender Luc und seine übernatürlichen Fähigkeiten etwas damit zu tun haben?

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Asia Aquileo

Aus Stein werde Fleisch

Erotische Erzählung

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Aus Stein werde Fleisch

von

Asia Aquileo

Sie dachte an den sterbenden Gallier, diese griechisch-römische Skulptur, halb liegend, halb sitzend, mit gesenktem Kopf, so traurig und sinnlich zugleich, ermüdet von Kraftanstrengungen und doch würdevoll im Angesicht des bevorstehenden Todes.

Nele starb nicht, aber sie hatte gerade zum letzten Mal mit Jon geschlafen. Sie betrachtete ihn, während er sich am Bett aufsetzte und eine Zigarette anzündete. Diese Hände hatten sie heute zum letzten Mal durchgeknetet, diesen nun träge baumelnden Schwanz hatte sie heute zum letzten Mal gelutscht, zum letzten Mal bei sich empfangen.

Denk dir einfach die negativen Seiten, dachte sie. Seine Schuppen, ständig rieselnd auf seinen dunklen Pullovern, sein Gefurze nach gutem Essen. Und diese Haare am Arsch, sie hatten Nele schon immer gestört. Nele liebte glatte Haut, hatte zwar nichts gegen Kopfhaar, doch sowohl Bart als auch jede andere Art von zu starker Behaarung törnte sie ab. Ständig musste man die Existenz von Haaren kompensieren. Für Nele waren deshalb die Statuen im Museum die wahren Menschen. Die ebenen, glatten Brüste und Oblique-Muskeln, die steinerne Scham, die betörenden Rücken und Ärsche von Marcellus, Antinous, Hermes und all den anderen.

Als sie vor vier Monaten den Job als Kuratorin bekommen hatte, war sie fast verrückt geworden vor Freude. Die Beziehung mit Jon stand zwar schon damals auf der Kippe, aber man war noch in der Lage gewesen, die Realität zu verdrängen. Jon würde wegziehen, etwa 700 km, um eine sehr aussichtsreiche Stellung anzunehmen.

Keiner von beiden sprach. Sie hatten alles gesagt. Jon hatte sich schon kritisch über Neles neue Frisur geäußert. Nach Jahren des Tragens langer Lockenpracht trug sie ihre schwarze Naturkrause nun kurz, mit leichtem Einfall in die Stirn. Veränderungen der Haartracht bedeutete fast immer auch Veränderungen im Leben. Nele würde allein sein, zumindest technisch gesehen. Denn im Museum standen, saßen und lagen ihre Traummänner, griechische und römische Statuen, die sie nicht anlogen, sie nicht betrogen oder fortgingen. Von ihnen konnte man Kopien machen. Sie sahen fantastisch aus, edel und manchmal auch etwas wild und selbstverliebt. Sie hatten Körper, die zugleich Seele waren. Alles an ihnen war eine Einheit.

Es schlug zwei Uhr nachts. Jon konnte nicht mehr bei ihr schlafen, zog sich an und fuhr nach Hause, in eine Wohnung voller gepackter Umzugskartons. Vielleicht würde man noch einmal telefonieren, aber wozu noch? Er hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass für ihn eine Fernbeziehung nicht infrage kam. Nele hätte es riskiert. Trotz der Mängel, die Jon aufwies. Trotz seiner Ignoranz gegenüber ihrem akademischen Beruf. Damit konnte man doch kein Geld verdienen, es ging immer nur um Vergangenes, um Totes. So etwas konnte, und das war Neles unumstößliche Meinung, nur jemand sagen, der sich selbst nicht für lebendig hielt. Denn ein lebendiger Mensch fand auch in den ach so toten Dingen etwas von seinem Wesen wieder. Für die Skulpturen galt das ganz besonders.

Nele erhob sich von ihrem alten Doppelbett, das sie von den Eltern geschenkt bekommen hatte, und ging an den freien Fenstern entlang, längs durch den Raum, zum Badezimmer.

Sie wohnte in einem kleinen Penthouse mit einem großen Zimmer, das auch den Küchenbereich beinhaltete. Es machte ihr nichts aus, nackt im unverhüllten Raum herumzulaufen. So erhaben über der Stadt würde sie kaum jemand sehen können, und obendrein war Nele noch nie eine besonders schamhafte Person gewesen, im Unterschied zu ihrer sechs Jahre älteren Schwester Pia, die ein recht introvertierter und vorsichtiger Mensch war. Wie es manchmal so spielte bei geschwisterlichen Koinzidenzen, befand sich auch Pia gerade in einer Trennungsphase.

Die Dusche tat gut. Tut sie immer. Nele spülte sich den Rest von Jons letztem Sperma aus der Möse. Da verrann es, vermischt mit Wasser, sich bereitmachend für das Nichts. Er hatte sie heute recht ordentlich gestoßen. Das war nicht immer der Fall. Wahrscheinlich hatte er vorgehabt, ihr noch etwas zum Erinnern zu geben.

Nele hatte sich noch keine Gedanken um ihr künftiges Liebesleben gemacht. Eigentlich brauchte sie nur mit den Fingern zu schnippen. Allein im Museum gab es zwei Kerle, die scharf auf sie waren. Aber mit den Männern aus Stein konnten sie nicht konkurrieren.

Mit einer Flasche Weißwein bewaffnet legte sich Nele wieder nackt ins Bett und schaute eine weitere Folge von „Boardwalk Empire“, denn Geschichte war ihr Ding, und nicht nur die Antike. Die Zwanzigerjahre faszinierten sie, und auch die Renaissance, die ebenso wie das alte Rom und Griechenland ein paar nette hüllenlose Männerbildnisse zu bieten hatte. Den David von Michelangelo mochte sie ganz besonders, aber auch den von Donatello, der weniger bekannt ist. Dieser sieht eher aus wie ein adoleszenter Jüngling, wenig muskulös, aber in einer dezent erotischen Haltung durch den sogenannten Kontrapost, die Verlagerung des Gewichts auf ein Bein, das die Hüfte auf beinah feminine Weise betont. Ebenso auffalend ist der leicht eingezogene Bauch, der Eindruck von weichem Fleisch, der den Betrachter nach unten hin verführt, zu seinem Schwanz, der natürlich wie bei fast allen Statuen dieser Art ein nicht erigierter Blutschwanz ist, und nicht beschnitten. Donatellos David war seit der Antike die erste dreidimensionale Darstellung eines nackten Menschen.

„Guten Morgen, Frau Sandrelli … Ich muss schon sagen, seit sie die Haare anders haben, sehen sie aus wie eine strenge Zuchtmeisterin.“ lächelte der Pförtner.

„Lassen sie es nicht drauf ankommen …!“ zwinkerte Nele und stolzierte in ihrem mittellangen Rock und dem geschäftsmäßigen Jackett ins Innere des Museums für alte Geschichte. Es gab einiges zu tun, neue Leihgaben und Schenkungen mussten katalogisiert, und auch einiges für Leihgaben an andere Museen ausgewählt werden. Auf dem Weg in den Keller schritt sie ihre „Zottelköppe“ ab, Büsten der römischen Kaiser des 2. Jahrhunderts, die alle bis auf Trajan eine üppige Haartracht und Bärte trugen. Keine Männer für Nele.

Eines der neuen Exponate war ein wunderschöner griechischer Arsch mit noch ein bisschen Bein dran. Nele legte die ausgebreiteten Hände auf die glatten, perfekt geformten Hinterbacken und wartete, bis ihre Körperwärme in den Stein überging. Langsam wurde solch eine Berührung zu einer Art Ritual.

Es gab viele neue Artefakte, die mit den Eingangslisten verglichen werden mussten. Scherben von Tongefäßen, Splitter von Reliefs und Teile von Statuen – Füße, Torsos, Hände und halbe Gesichter. Das meiste war griechisch, stammte von der Ostküste der Türkei, aus der Gegend von Halikarnassos. Nele liebte und hasste zugleich diese Art von Arbeit. Die Bürokratie ging ihr auf die Nerven, aber es war immer ein Hochgenuss, neue Exponate von ihren Verpackungen zu befreien und an die Luft zu lassen, sie zu berühren und zu bewundern.

„Volker, haben wir schon Nachricht aus New York?“

„Ja! Hast du deine Mails gestern nicht gecheckt? Er müsste morgen ankommen.“

„Morgen? Du großer Gott, ich war abgelenkt. Privater Scheiß. Morgen … Fantastisch.“

„Ja, wir sind alle schon ganz aufgeregt.“

Das Metropolitan Museum hatte sich bereiterklärt, eine Kopie der römischen Statue des jungen Herkules als Leihgabe zu übersenden. Sie stammte aus dem ersten Jahrhundert und war komplett erhalten. Ein stehender Herkules mit seiner Keule, in der Darstellung anders als die üblichen Bildnisse, denn bei diesem war Herkules bartlos und sollte ihn in einer Phase zeigen, in der er noch nicht seine glorreichen Taten vollbracht hatte. Eine Art Herkules-Prequel.

Nele rief sofort das Transportunternehmen an, nachdem sie die E-Mail aus Amerika gelesen hatte. Der Herkules würde am späten Nachmittag am Flughafen eintreffen. Das hieß für alle Überstunden, denn es würde sich lang hinziehen, das Kunstwerk auszupacken und mit größter Sachkenntnis und Vorsicht an seinen Platz zu stellen. Nele war überaus entzückt, dass dieses Werk hier im Museum ausgestellt werden würde. Das hatte sie ihrer Fähigkeit zu verdanken, Kuratoren anderer Museen um den Finger wickeln zu können.

Zufrieden und müde wanderte Nele durch die Ausstellungsräume. Sie tat das, um die Besucher zu beobachten, aber auch, um einfach nur inmitten ihrer Exponate zu sein, zwischen all den Büsten und Körpern. Sie spürte, dass sie von zwei jungen Studenten beäugt wurde. Sie wirkten keinesfalls wie Aufreißer, machten einen ziemlich netten Eindruck, aber sie waren unfähig zu verbergen, dass sie an Nele interesiert waren. Es amüsierte sie, als sie die beiden flüstern hörte, die sich fragten, ob Nele eine einfache Besucherin war oder hier arbeitete. Als Nele schließlich einen Smallkalk mit einem Herrn vom Wachpersonal begann, wussten sie Bescheid. Nele stolzierte bewusst ganz dicht an ihnen vorbei und setzte einen gespielt würdevollen Gesichtsausdruck auf. Es machte ihr Spaß, mit der Aura ihrer Position herum zu spielen ...

Beim Museumspersonal gab es mindestens zwei Männer, die es auf sie abgesehen hatten und es nur halbherzig verbargen. Einer stand an der Theke der Cafeteria, der andere arbeitete in der Verwaltung. Nele war so etwas gewohnt. Sie besaß die Fähigkeit, mit Verehrern umzugehen, ohne sie vor den Kopf zu stoßen. Es galt, ihnen nur einen winzigen Happen zuzuwerfen. So blieben sie aufmerksam, aber nicht übermütig. Außerdem verbreitete Nele einen Eindruck der Undurchschaubarkeit. Niemand wusste genaueres über ihr Privatleben, aber natürlich gingen alle davon aus, dass sie einen Partner hatte, was bis gestern auch noch gestimmt hatte.

Mit einer anderen Person aus der Verwaltung verstand sich Nele ausgezeichnet. Es war ein homosexueller, türkischstämmiger Mann von Anfang 40 namens Tarik. Sie fragte ihn manchmal um Rat, vertraute sich ihm an und hatte schon oft erwogen, sich mit ihm und seinem Partner privat zu treffen. Kurz vor Feierabend trank sie mit ihm einen Kaffee und erzählte von ihrer Trennung. Tarik war der einzige im Museum, dem sie private Dinge erzählte, weil sie wusste, dass er den Mund hielt.

„Willst du jetzt zurück auf die Piste? Also mir wäre das mittlerweile zu anstrengend. Ich bin so froh, dass ich Klaus habe.“

„Ich bin jetzt 33 Jahre alt. Die meisten meiner alten Freundinnen sind verheiratet und leben in Doppelhaushälften, haben geworfen und quetschen jetzt den Buggy in die Straßenbahn. Auf die Piste wäre nicht verkehrt, aber ich habe niemanden mehr, der mich begleiten könnte.“

„Hey, so jemand steht vor dir!“

„Ja, das wäre wirklich zu überdenken. Mit zwei Tunten ist man immer auf der sicheren Seite. Ich überlege es mir. Aber ihr Zwei seid doch totale Stubenhocker geworden.“

„Ja schon, meistens. Aber manchmal kriegen wir so ein Jucken und gehen auf Streife, um ein anderes Paar zu finden … Du verstehst?“

„Meine Güte. Für so etwas wäre ich zu eifersüchtig. Ich will Exklusivität.“

„Du bist halt die klassische Hete.“

„Lieber die klassische Hebe.“

„Wie bitte?“

„Hebe ist die griechische Göttin der Jugend.“

Beide lachten, und dann ging Nele in den Feierabend. Ausklingend warf sie noch einen Blick in den Museumsbuchladen. Dort lauschte sie unfreiwillig einem Gespräch zwischen zwei Frauen von Ende 40. Sie hörte, wie die eine zur anderen sagte:

„... Nun schon drei Wochen. Und die Ärzte sagen, dass es unwahrscheinlich ist, dass er noch einmal aufwacht. Er ist nur noch vegetativ, wie eine Pflanze ...“

„Die arme Katrin!“

Unwillkürlich dachte Nele an Luc. Vor fünf Jahren hatte er einen Schlaganfall erlitten, und zwar einen der schlimmsten Sorte. Sie hatte Luc geliebt, richtig geliebt. Doch seit damals lag er im Koma, und es gab keine Aussicht darauf, dass sich das änderte. Luc war der Mann ihres Lebens gewesen, ein wunderbarer Mensch, schön und inspirierend, aber auch schwer zu händeln. Luc war oft unberechenbar in seinen Launen, aber nie gewalttätig. Er war zugleich der zärtlichste und brutalste Mann, den sie je gekannt hatte. Alles an ihm war absolut gewesen. Seine Gefühle schienen einen manchmal zu überfordern. Seine Intelliganz war außergewöhnlich, aber das war nicht das einzige. Was Luc so einzigartig machte, waren seine übersinnlichen Fähigkeiten. Zuvor hatte Nele so etwas immer als Unfug und Einbildung abgetan, doch seit Luc wusste sie, dass es alle diese Dinge gab. Er wurde sogar von entsprechenden Wissenschaftlern untersucht und getestet, und es gab mehrere Zeitungsartikel über ihn. Luc hatte die Fähigkeit, Dinge zu bewegen, beherrschte die sogenannte Psychokinese, und er behauptete, mit dem Geist in leblose Gegenstände fahren und sie so gänzlich erfassen zu können. Außerdem meisterte er das eine oder andere Mal das „Remote Viewing“. Das hieß, er konnte mit seinen Gedanken zu einem anderen Ort reisen und beobachten, was dort geschah. Diese Gabe wurde auch tatsächlich wissenschaftlich bestätigt.