Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Vision einer Ausbildung von Millennials im Garten- und Landschaftsbau. Auszubildende heute und vor allem in der Zukunft, haben eine gänzlich andere Sozialisation als ihre Elterngeneration. Sie stammen zumeist aus einem Schulsystem, welches im 19ten Jahrhundert aktuell war, sie gehen in eine Ausbildung, die sich strukturell seit dem Berufsbildungsgesetz von 1969 kaum verändert hat. Es wird zeit eine Antwort auf die Frage zu finden: "Wie wollen wir jetzt und zukünftig junge Menschen für die Zukunft gerüstet, ausbilden? Es bedarf dazu einer Ausbildungs-(r)Evolution.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2014
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Meinem Sohn
Vorwort
Kurz zu mir
Teil 1
– Gedanken zum Stand der Dinge
Was sind eigentlich Millennials?
Das Klagen der Ausbildungsbetriebe
Das Klagen der Auszubildenden
Das Klagen anderer Beteiligter
Kommunikation zwischen den Milieus
Erwartungshaltungen und andere Basics
Erwartungen der Auszubildenden
Der Verlust der Sinnlichkeit und anderer Eigenschaften
Das Lernen des Gehirns
Der Übergang in die Schule, der Anfang der Demotivation
Das organisatorische Chaos in der allgemeinbildenden Schule
Wofür ist die Schule da
Unterricht den kein Mensch braucht
Was braucht denn der Mensch
Berufsorientierung
Ein Exkurs in die Aussagekraft von Zensuren
Es wird sich was ändern; revolutionär
Zu den guten Erfahrungen
Einfluss von extremen Elternhäusern
Milieus aus denen unsere Azubis kommen
Teil 2
– Die Folge aus Teil 1 „Stand der Dinge“
Motivation die nicht intrinsisch sein kann und extrinsisch nicht sein soll
Mangelnde rechtliche Grundlagen
Veränderung der Ausbildungszeit
Duale Ausbildung
Lern- und Schulmaterialien
Individualisiertes Lernen
Überbetriebliche Ausbildung
Berichtsheft
Zulassung zur Prüfung
Ausbildungsentgelt
Erfolg der Ausbildung / Prüfung
Alte Denkweisen und neue Handlungsansätze
Was wir heute schon verändern und verbessern können
Generelle Haltung zu Ausbildung
Den Anfang gestalten
Sicherheit
Azubis als Unterstützer nutzen
Dazugehörigkeit zum Betrieb
Ausbildungsgespräch
Nachhilfestunden
Praktische Kooperationen mit anderen Betrieben
Delegieren der Aufgaben
Informationskette und andere Kommunikationsmöglichkeiten
Zeit zum praktischen Üben
Unternehmungen
Verantwortung übertragen
Fortbildung und Austausch der Ausbilder
Betrieb und Schule – Schule und Betrieb
Kreativität in den eigenen Qualitäten
Literatur- und Quellenverzeichnis
Impressum
Gestern sagten sie es wieder im Radio, „Es gibt eine Menge an Ausbildungsplätzen, die nicht besetzt sind, dem stehen Ausbildungssuchende gegenüber, die keinen Ausbildungsplatz finden“. Im gleichen Nachrichtentext hieß es auch, dass ein Nachwuchskräftemangel vor der Tür stünde. Und weiter hieß es, dass die Qualifikation von jungen Menschen häufig nicht ausreichend ist, um in eine Ausbildung aufgenommen zu werden.
Was bedeutet dieser Nachrichtenblock? Hat man da nicht eben gerade gesagt, dass unsere jungen Menschen für eine Ausbildung zu blöd sind?
Ich nehme mal die Antwort vorneweg. Zu blöd sind unsere jungen Menschen nicht und dennoch häufig unfähig für eine Ausbildung. Wie passt das aber überein?
Wie alle, bin auch ich in eine Schule gegangen, bzw. habe eine Schullaufbahn durchlitten, meistens jedenfalls. Nach meinem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau absolviert, dann mein Fachabitur nachgeholt, anschließend bin ich für vier Jahre (1990–1994) nach Berlin gezogen und habe dort in einem renommierten GaLaBau- Betrieb kleinere wie größere Baustellen geleitet. Nach Berlin bin ich nicht wegen der Arbeit gezogen, sondern weil ich nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung am Puls der Geschichte teilhaben wollte. 1994–1996 habe ich meine Ausbildung in Hannover zum Techniker, Fachrichtung GaLaBau absolviert; während-dessen in einem Kinderheim gejobbt und die Jugendlichen ein wenig arbeitspädagogisch betreut.
Dies hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dann auch noch Sozialwissenschaften in Lüneburg studiert habe. 2000 – 2009 habe ich dann dieses besagte Kinderheim geleitet. Mit einem anderen Konzept dieses umstrukturiert und schwer verhaltensauffällige junge Menschen über die Arbeitstherapie und Arbeitspädagogik versucht Potentiale aus den jungen Menschen zu holen, die sie in sich trugen.
Ein gutes Konzept, ein erfolgreiches Konzept, aber auch eine Tätigkeit, die ihren Preis hat.
2009 beendete ich diese Jugendeinrichtung und arbeitete zunächst als Berufseinstiegsbegleiter in Förder- und Hauptschulen.
2010 wechselte ich in meinen ursprünglich gelernten Beruf, bzw. verknüpfte meine Technikerausbildung mit dem Dipl.-Soz./Päd. und bildete für eine kurze Zeit junge Menschen zu Landschaftsgärtnern aus.
Seit 2011 setzte ich eine Kooperationsausbildung der Bundesagentur für Arbeit in Hamburg um. Derzeit bin ich für 11 Auszubildende Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau verantwortlicher Ausbilder. Diese Auszubildenden sind alle von der Bundesagentur für Arbeit / Jobcenter zu uns verwiesen. Alle Auszubildenden mit einem besonderen Förderbedarf. Manchmal ist der Förderbedarf nur schwer zu erkennen, bisweilen so hoch, dass eine Ausbildung nicht wirklich erfolgversprechend ist.
Im Teil 1 dieses Buches mache ich mir Gedanken über den Stand der Dinge. Mein subjektiver Stand der Dinge.
Im Teil 2 dieses Buches möchte ich eine Antwort geben, eine Vision darstellen, wie Ausbildung im Jahr 202X aussehen kann oder besser, aussehen sollte.
Unter Millennials versteht man die Gruppe von jungen Menschen, die ihre Sozialisation im 21. Jahrhundert hat(te). Andere Bezeichnungen der gleichen jungen Menschen sind z.B. „Generation Y“, „Gen Y“ oder auch „Digital natives“. Egal wie man sie nennt, eines muss man sich bei der jetzigen Generation, die auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt strömt beachten und verstehen; für keine Generation zuvor gab es so viele Möglichkeiten sich zu entwickeln, zu sozialisieren und zu orientieren. Dies mit all seinen Vorzügen, Chancen und Möglichkeiten, aber auch mit all seinen Schwierigkeiten und Gefahren.
Die Generation der Millennials zeichnet sich aber vor allem durch eines aus; noch nie hat die Sozialisation durch das Elternhaus so eine geringe Rolle gespielt, noch nie hat Netzwerk / digitales Netzwerk / Peer-Education in der Sozialisation so eine große Rolle gespielt.
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit höre ich immer wieder von den ausbildenden Betrieben des Garten- und Landschaftsbaus das Klagen über die Bewerber. Die jungen Menschen können sich nicht mehr adäquat in der Muttersprache ausdrücken, von der Rechtschreibung ganz zu schweigen. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sieht es häufig noch schlechter aus. Auf das Thema Rechnen angesprochen, würden Bewerber erschreckt zurückweichen. Selbst für das Kleine-Ein-mal-Eins wird der Taschenrechner in Anspruch genommen oder das Tool des Handys. Flächen-, Volumen- und Massenberechnung würde man schon gar nicht mehr abfragen, weil man die Ergebnisse schon vorweg kenne. Die Allgemeinbildung beziehe sich auf Facebook-Inhalte, Fußball und Musikgruppen der bevorzugten Stilrichtung / Genres. Besonders beklagt wird jedoch, dass junge Menschen von heute nur selten handwerkliches Geschick mitbringen, kaum Hobbys hätten, die mit dem Beruf in Verbindung stünden, körperlich häufig unfit seien. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen keinerlei Vorstellung von dem Beruf des Landschaftsgärtners haben, wenig motiviert sind, keine Leidenschaft besäßen und die sozialen Verhaltensweisen häufig so dissozial sind, dass man die Bewerber gerne erst einmal zu einem Verhaltenstherapeuten schicken würde. Dieses Klagen über die jungen Menschen, die in das Arbeitsleben treten wollen, höre ich regelmäßig von Chefs, Ausbildern und Vorarbeitern des GaLaBaus.
Ein desolates Bild von den jungen Menschen, auf die sich der GaLaBau zukünftig stützen soll.
Wenn man mal davon absieht, dass die positiven Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Azubiwahl häufig nicht berichtet werden, muss man dennoch den ausbildenden Betrieben bescheinigen: „Ja! Ihr habt Recht… so sind sie… die Azubis.“
Als Mentor für Auszubildende im Garten- und Landschaftsbau unterhalte mich viel mit den Azubis, wenn sie während der Überbetrieblichen Ausbildung bei uns sind. Und auch hier höre ich das Klagen von jungen Menschen zu Beginn der Ausbildung, währenddessen und auch nach der Prüfung. Viele Klagen bereits darüber, dass sie nicht ermitteln konnten, welche Betriebe Ausbildungsplätze anbieten. Auf den entsprechenden Internetseiten und den dortigen Jobbörsen, sind Jobangebote / Ausbildungsplatzangebote nur selten zu finden. In Hamburg haben sich von rund 70 Ausbildungsbetrieben, die beim Fachverband organisiert sind, nur 2 – 3 Betriebe bei www.landschadtgaertner.com in die Ausbildungsbörse eingetragen. Die bundesweite Recherche ergab stets, dass dort 10 – bis 30 Ausbildungsstellen aufgeführt sind.
Die Aufnahmekriterien einzelner GaLaBau Betriebe seien häufig nicht erfüllbar. Realschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 2,0 und in den Fächern Mathe und Deutsch mindestens eine 2. Das Klagen geht dann zu Beginn der Ausbildung häufig in die Richtung weiter, dass sie sich den Beruf völlig anders vorgestellt hätten und der Betrieb ganz andere Arbeiten ausführen würde, als man in den Gartensendungen des Fernsehens gesehen hätte.
Befragungen der Azubis zum Ende des ersten Ausbildungsjahres beim Fachverband in Hamburg hat dann ergeben, dass die Auszubildenden beklagen, dass der jeweilige Ausbilder im Betrieb zu wenig Zeit hat, sich nicht wirklich kümmern würde. Man würde nur für billige Arbeit herangezogen werden; unter Ausbildung verstehen viele etwas ganz anderes. Spreche ich die Azubis auf die eigene Verantwortung zur Gestaltung der eigenen Ausbildung an, sehe ich häufig in ratlose Gesichter, denn vielen ist nicht bewusst, dass sie jetzt in einer Berufsausbildung sind und Eigenverantwortung zeigen müssen und nicht mehr in der Schule sind, wo ihnen alles „vorgekaut“ wird.
Auf meine obligatorische Frage zum Ende der Ausbildung und kurz danach, ob sich die Prüflinge nach bestandener Prüfung für genug ausgebildet empfinden, um auf den Baustellen vollwertig arbeiten zu können und den Ansprüchen des Betriebes zu genügen, antworten die meisten mit einem klaren „Nein“.
Lässt man mal außer Acht, welche Anteile die Auszubildenden an einer schlechten Ausbildung selbst zu verantworten haben, muss man auch den Auszubildenden bescheinigen: “Ja! – ihr habt Recht, Ausbildung hat in vielen Betrieben nicht den Stellenwert, den sie haben sollte.“
Die Bundesagentur klagt über die jungen Menschen, Lehrer der Berufsschule klagen über die Azubis, die Ausbilder der überbetrieblichen Ausbildung klagen und manchmal klagen auch die Eltern.
Fassen wir zusammen wodurch Ausbildung häufig gekennzeichnet ist, dann steht das Wort „Klagen“ an oberster Stelle. Es wird aber nicht nur über den Azubi geklagt, auch gegenseitige Schuldzuweisungen, eigene Rechtfertigungen und unklare Verantwortlichkeiten sind häufig festzustellen.
Als Leser werden sie sicherlich sagen: „Da muss man doch nur miteinander reden.“
Sicher, Kommunikation ist häufig eine Lösung bei der Bewältigung von Problemen, das wird keiner bestreiten. Gut ist auch, wenn gegenseitige Erwartungen miteinander abgeglichen werden. Immer vorausgesetzt, jeder weiß um die Probleme und hat auch eine Vorstellung davon, dass sein Gegenüber andere Erwartungshaltungen haben könnte. Dies ist aber leider häufig nicht der Fall. Vieles wird als selbstverständlich empfunden und weil „allgemeingültig und selbstverständlich“, nicht kommuniziert. Vieles wird als „Basics“ vorausgesetzt, während für das Gegenüber dieselben Verhaltensweisen nicht einmal der Überlegung wert ist.
Bereits durch diesen Mini-Exkurs wird deutlich, dass Kommunikation schwierig ist, wenn zwei Gesprächspartner eine „andere Sprache“ sprechen.
Junge Menschen kommen aus einem ganz anderen Milieu. Sie sind anders sozialisiert, haben andere Sichtweisen, andere Vorstellungen und andere Verhaltensweisen als der 48-jährige Vorarbeiter, der seit 25 Jahren im Betrieb sein Geld verdient um seine 4 köpfige Familie versorgen zu können.
Ich möchte an dieser Stelle einen kleinen Ausflug in die Sinus-Studie und das Buch „Wie ticken Jugendliche“ wagen.
Abb.1 SINUS-Institut
Diese Studie zeigt sehr deutlich auf, aus welchen Milieus junge Menschen von heute kommen, welche Eigenschaften und Eigenarten sie mitbringen, wie sie sozialisiert werden / wurden bzw. sich selbst sozialisiert haben. Sie zeigt, welche Interessen die Jugendlichen aus den jeweiligen Milieus haben und welche Werte, Normen, Tugenden und sogenannte Soft-Skills sie mitbringen.
Die Studie ermittelte durch verschiedene Methoden, im Verhältnis von sozialer Lage und Grundorientierung, die folgenden Milieus:
Abb.2 SINUS-Institut
Abb.3 SINUS-Institut
Abb.4 SINUS-Institut
Abb.5 SINUS-Institut
Abb.6 SINUS-Institut
Abb.7 SINUS-Institut
Abb.8 SINUS-Institut
Abb.9 SINUS-Institut
Abb.10 SINUS-Institut
Abb.11 SINUS-Institut
Empfehlung für Interessierte: Dr.M.Calmbach, SINUS Institut „Wie ticken Jugendliche“ Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14–17 Jahren, Heidelberg&Berlin, Verlag Haus Altenberg, 2012 http://www.sinus-institut.de/loesungen/sinus-milieus.html
Schaut man sich die Milieus und vor allem die dazugehörigen jungen Menschen an, stellt man sehr schnell fest, dass jedes Milieu „seine eigene Sprache spricht“. Geht es beispielsweise um Grundorientierung, so reichen die Werte von Traditionen des Festhaltens und Bewahren über modernisierte und individualisierte Orientierungen des Habens und Genießens, des Seins und Verändern bis zur Neuorientierung über das Machen und Erleben und Grenzen zu überwinden.
Schnell wird klar, dass eine Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Milieus bereits dadurch erschwert ist, weil andere Sichtweisen herrschen. Bedenkt man, dass auch erwachsene Menschen, Ausbilder und alle anderen die am Klagen sind, ebenfalls aus Milieus entstammen, ist eine Kommunikation nur dann möglich, wenn einer von beiden Gesprächspartnern über diese Kommunikationsschwierigkeiten weiß. Immer mit dem Ziel, auf eine gemeinsame Ebene / Basis zu kommen.