Ausbildungs-(r)Evolution - Pirmin Müller-Bernhardt - E-Book

Ausbildungs-(r)Evolution E-Book

Pirmin Müller-Bernhardt

0,0

Beschreibung

Die Vision einer Ausbildung von Millennials im Garten- und Landschaftsbau. Auszubildende heute und vor allem in der Zukunft, haben eine gänzlich andere Sozialisation als ihre Elterngeneration. Sie stammen zumeist aus einem Schulsystem, welches im 19ten Jahrhundert aktuell war, sie gehen in eine Ausbildung, die sich strukturell seit dem Berufsbildungsgesetz von 1969 kaum verändert hat. Es wird zeit eine Antwort auf die Frage zu finden: "Wie wollen wir jetzt und zukünftig junge Menschen für die Zukunft gerüstet, ausbilden? Es bedarf dazu einer Ausbildungs-(r)Evolution.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 99

Veröffentlichungsjahr: 2014

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Meinem Sohn

Inhalt

Vorwort

Kurz zu mir

Teil 1

– Gedanken zum Stand der Dinge

Was sind eigentlich Millennials?

Das Klagen der Ausbildungsbetriebe

Das Klagen der Auszubildenden

Das Klagen anderer Beteiligter

Kommunikation zwischen den Milieus

Erwartungshaltungen und andere Basics

Erwartungen der Auszubildenden

Der Verlust der Sinnlichkeit und anderer Eigenschaften

Das Lernen des Gehirns

Der Übergang in die Schule, der Anfang der Demotivation

Das organisatorische Chaos in der allgemeinbildenden Schule

Wofür ist die Schule da

Unterricht den kein Mensch braucht

Was braucht denn der Mensch

Berufsorientierung

Ein Exkurs in die Aussagekraft von Zensuren

Es wird sich was ändern; revolutionär

Zu den guten Erfahrungen

Einfluss von extremen Elternhäusern

Milieus aus denen unsere Azubis kommen

Teil 2

– Die Folge aus Teil 1 „Stand der Dinge“

Motivation die nicht intrinsisch sein kann und extrinsisch nicht sein soll

Mangelnde rechtliche Grundlagen

Veränderung der Ausbildungszeit

Duale Ausbildung

Lern- und Schulmaterialien

Individualisiertes Lernen

Überbetriebliche Ausbildung

Berichtsheft

Zulassung zur Prüfung

Ausbildungsentgelt

Erfolg der Ausbildung / Prüfung

Alte Denkweisen und neue Handlungsansätze

Was wir heute schon verändern und verbessern können

Generelle Haltung zu Ausbildung

Den Anfang gestalten

Sicherheit

Azubis als Unterstützer nutzen

Dazugehörigkeit zum Betrieb

Ausbildungsgespräch

Nachhilfestunden

Praktische Kooperationen mit anderen Betrieben

Delegieren der Aufgaben

Informationskette und andere Kommunikationsmöglichkeiten

Zeit zum praktischen Üben

Unternehmungen

Verantwortung übertragen

Fortbildung und Austausch der Ausbilder

Betrieb und Schule – Schule und Betrieb

Kreativität in den eigenen Qualitäten

Literatur- und Quellenverzeichnis

Impressum

Vorwort

Sind unsere Auszubildenden zu blöd oder warum taugen sie für die Ausbildung nix?

Gestern sagten sie es wieder im Radio, „Es gibt eine Menge an Ausbildungsplätzen, die nicht besetzt sind, dem stehen Ausbildungssuchende gegenüber, die keinen Ausbildungsplatz finden“. Im gleichen Nachrichtentext hieß es auch, dass ein Nachwuchskräftemangel vor der Tür stünde. Und weiter hieß es, dass die Qualifikation von jungen Menschen häufig nicht ausreichend ist, um in eine Ausbildung aufgenommen zu werden.

Was bedeutet dieser Nachrichtenblock? Hat man da nicht eben gerade gesagt, dass unsere jungen Menschen für eine Ausbildung zu blöd sind?

Ich nehme mal die Antwort vorneweg. Zu blöd sind unsere jungen Menschen nicht und dennoch häufig unfähig für eine Ausbildung. Wie passt das aber überein?

Kurz zu mir

Wie alle, bin auch ich in eine Schule gegangen, bzw. habe eine Schullaufbahn durchlitten, meistens jedenfalls. Nach meinem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zum Gärtner, Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau absolviert, dann mein Fachabitur nachgeholt, anschließend bin ich für vier Jahre (1990–1994) nach Berlin gezogen und habe dort in einem renommierten GaLaBau- Betrieb kleinere wie größere Baustellen geleitet. Nach Berlin bin ich nicht wegen der Arbeit gezogen, sondern weil ich nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung am Puls der Geschichte teilhaben wollte. 1994–1996 habe ich meine Ausbildung in Hannover zum Techniker, Fachrichtung GaLaBau absolviert; während-dessen in einem Kinderheim gejobbt und die Jugendlichen ein wenig arbeitspädagogisch betreut.

Dies hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dann auch noch Sozialwissenschaften in Lüneburg studiert habe. 2000 – 2009 habe ich dann dieses besagte Kinderheim geleitet. Mit einem anderen Konzept dieses umstrukturiert und schwer verhaltensauffällige junge Menschen über die Arbeitstherapie und Arbeitspädagogik versucht Potentiale aus den jungen Menschen zu holen, die sie in sich trugen.

Ein gutes Konzept, ein erfolgreiches Konzept, aber auch eine Tätigkeit, die ihren Preis hat.

2009 beendete ich diese Jugendeinrichtung und arbeitete zunächst als Berufseinstiegsbegleiter in Förder- und Hauptschulen.

2010 wechselte ich in meinen ursprünglich gelernten Beruf, bzw. verknüpfte meine Technikerausbildung mit dem Dipl.-Soz./Päd. und bildete für eine kurze Zeit junge Menschen zu Landschaftsgärtnern aus.

Seit 2011 setzte ich eine Kooperationsausbildung der Bundesagentur für Arbeit in Hamburg um. Derzeit bin ich für 11 Auszubildende Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau verantwortlicher Ausbilder. Diese Auszubildenden sind alle von der Bundesagentur für Arbeit / Jobcenter zu uns verwiesen. Alle Auszubildenden mit einem besonderen Förderbedarf. Manchmal ist der Förderbedarf nur schwer zu erkennen, bisweilen so hoch, dass eine Ausbildung nicht wirklich erfolgversprechend ist.

Teil 1 Gedanken zum Stand der Dinge

Im Teil 1 dieses Buches mache ich mir Gedanken über den Stand der Dinge. Mein subjektiver Stand der Dinge.

Im Teil 2 dieses Buches möchte ich eine Antwort geben, eine Vision darstellen, wie Ausbildung im Jahr 202X aussehen kann oder besser, aussehen sollte.

Was sind eigentlich Millennials?

Unter Millennials versteht man die Gruppe von jungen Menschen, die ihre Sozialisation im 21. Jahrhundert hat(te). Andere Bezeichnungen der gleichen jungen Menschen sind z.B. „Generation Y“, „Gen Y“ oder auch „Digital natives“. Egal wie man sie nennt, eines muss man sich bei der jetzigen Generation, die auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt strömt beachten und verstehen; für keine Generation zuvor gab es so viele Möglichkeiten sich zu entwickeln, zu sozialisieren und zu orientieren. Dies mit all seinen Vorzügen, Chancen und Möglichkeiten, aber auch mit all seinen Schwierigkeiten und Gefahren.

Die Generation der Millennials zeichnet sich aber vor allem durch eines aus; noch nie hat die Sozialisation durch das Elternhaus so eine geringe Rolle gespielt, noch nie hat Netzwerk / digitales Netzwerk / Peer-Education in der Sozialisation so eine große Rolle gespielt.

Das Klagen der Ausbildungsbetriebe

Mit einer gewissen Regelmäßigkeit höre ich immer wieder von den ausbildenden Betrieben des Garten- und Landschaftsbaus das Klagen über die Bewerber. Die jungen Menschen können sich nicht mehr adäquat in der Muttersprache ausdrücken, von der Rechtschreibung ganz zu schweigen. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sieht es häufig noch schlechter aus. Auf das Thema Rechnen angesprochen, würden Bewerber erschreckt zurückweichen. Selbst für das Kleine-Ein-mal-Eins wird der Taschenrechner in Anspruch genommen oder das Tool des Handys. Flächen-, Volumen- und Massenberechnung würde man schon gar nicht mehr abfragen, weil man die Ergebnisse schon vorweg kenne. Die Allgemeinbildung beziehe sich auf Facebook-Inhalte, Fußball und Musikgruppen der bevorzugten Stilrichtung / Genres. Besonders beklagt wird jedoch, dass junge Menschen von heute nur selten handwerkliches Geschick mitbringen, kaum Hobbys hätten, die mit dem Beruf in Verbindung stünden, körperlich häufig unfit seien. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen keinerlei Vorstellung von dem Beruf des Landschaftsgärtners haben, wenig motiviert sind, keine Leidenschaft besäßen und die sozialen Verhaltensweisen häufig so dissozial sind, dass man die Bewerber gerne erst einmal zu einem Verhaltenstherapeuten schicken würde. Dieses Klagen über die jungen Menschen, die in das Arbeitsleben treten wollen, höre ich regelmäßig von Chefs, Ausbildern und Vorarbeitern des GaLaBaus.

Ein desolates Bild von den jungen Menschen, auf die sich der GaLaBau zukünftig stützen soll.

Wenn man mal davon absieht, dass die positiven Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Azubiwahl häufig nicht berichtet werden, muss man dennoch den ausbildenden Betrieben bescheinigen: „Ja! Ihr habt Recht… so sind sie… die Azubis.“

Das Klagen der Auszubildenden

Als Mentor für Auszubildende im Garten- und Landschaftsbau unterhalte mich viel mit den Azubis, wenn sie während der Überbetrieblichen Ausbildung bei uns sind. Und auch hier höre ich das Klagen von jungen Menschen zu Beginn der Ausbildung, währenddessen und auch nach der Prüfung. Viele Klagen bereits darüber, dass sie nicht ermitteln konnten, welche Betriebe Ausbildungsplätze anbieten. Auf den entsprechenden Internetseiten und den dortigen Jobbörsen, sind Jobangebote / Ausbildungsplatzangebote nur selten zu finden. In Hamburg haben sich von rund 70 Ausbildungsbetrieben, die beim Fachverband organisiert sind, nur 2 – 3 Betriebe bei www.landschadtgaertner.com in die Ausbildungsbörse eingetragen. Die bundesweite Recherche ergab stets, dass dort 10 – bis 30 Ausbildungsstellen aufgeführt sind.

Die Aufnahmekriterien einzelner GaLaBau Betriebe seien häufig nicht erfüllbar. Realschulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 2,0 und in den Fächern Mathe und Deutsch mindestens eine 2. Das Klagen geht dann zu Beginn der Ausbildung häufig in die Richtung weiter, dass sie sich den Beruf völlig anders vorgestellt hätten und der Betrieb ganz andere Arbeiten ausführen würde, als man in den Gartensendungen des Fernsehens gesehen hätte.

Befragungen der Azubis zum Ende des ersten Ausbildungsjahres beim Fachverband in Hamburg hat dann ergeben, dass die Auszubildenden beklagen, dass der jeweilige Ausbilder im Betrieb zu wenig Zeit hat, sich nicht wirklich kümmern würde. Man würde nur für billige Arbeit herangezogen werden; unter Ausbildung verstehen viele etwas ganz anderes. Spreche ich die Azubis auf die eigene Verantwortung zur Gestaltung der eigenen Ausbildung an, sehe ich häufig in ratlose Gesichter, denn vielen ist nicht bewusst, dass sie jetzt in einer Berufsausbildung sind und Eigenverantwortung zeigen müssen und nicht mehr in der Schule sind, wo ihnen alles „vorgekaut“ wird.

Auf meine obligatorische Frage zum Ende der Ausbildung und kurz danach, ob sich die Prüflinge nach bestandener Prüfung für genug ausgebildet empfinden, um auf den Baustellen vollwertig arbeiten zu können und den Ansprüchen des Betriebes zu genügen, antworten die meisten mit einem klaren „Nein“.

Lässt man mal außer Acht, welche Anteile die Auszubildenden an einer schlechten Ausbildung selbst zu verantworten haben, muss man auch den Auszubildenden bescheinigen: “Ja! – ihr habt Recht, Ausbildung hat in vielen Betrieben nicht den Stellenwert, den sie haben sollte.“

Das Klagen anderer Beteiligter

Die Bundesagentur klagt über die jungen Menschen, Lehrer der Berufsschule klagen über die Azubis, die Ausbilder der überbetrieblichen Ausbildung klagen und manchmal klagen auch die Eltern.

Fassen wir zusammen wodurch Ausbildung häufig gekennzeichnet ist, dann steht das Wort „Klagen“ an oberster Stelle. Es wird aber nicht nur über den Azubi geklagt, auch gegenseitige Schuldzuweisungen, eigene Rechtfertigungen und unklare Verantwortlichkeiten sind häufig festzustellen.

Kommunikation zwischen den Milieus

Als Leser werden sie sicherlich sagen: „Da muss man doch nur miteinander reden.“

Sicher, Kommunikation ist häufig eine Lösung bei der Bewältigung von Problemen, das wird keiner bestreiten. Gut ist auch, wenn gegenseitige Erwartungen miteinander abgeglichen werden. Immer vorausgesetzt, jeder weiß um die Probleme und hat auch eine Vorstellung davon, dass sein Gegenüber andere Erwartungshaltungen haben könnte. Dies ist aber leider häufig nicht der Fall. Vieles wird als selbstverständlich empfunden und weil „allgemeingültig und selbstverständlich“, nicht kommuniziert. Vieles wird als „Basics“ vorausgesetzt, während für das Gegenüber dieselben Verhaltensweisen nicht einmal der Überlegung wert ist.

Bereits durch diesen Mini-Exkurs wird deutlich, dass Kommunikation schwierig ist, wenn zwei Gesprächspartner eine „andere Sprache“ sprechen.

Junge Menschen kommen aus einem ganz anderen Milieu. Sie sind anders sozialisiert, haben andere Sichtweisen, andere Vorstellungen und andere Verhaltensweisen als der 48-jährige Vorarbeiter, der seit 25 Jahren im Betrieb sein Geld verdient um seine 4 köpfige Familie versorgen zu können.

Ich möchte an dieser Stelle einen kleinen Ausflug in die Sinus-Studie und das Buch „Wie ticken Jugendliche“ wagen.

Abb.1 SINUS-Institut

Diese Studie zeigt sehr deutlich auf, aus welchen Milieus junge Menschen von heute kommen, welche Eigenschaften und Eigenarten sie mitbringen, wie sie sozialisiert werden / wurden bzw. sich selbst sozialisiert haben. Sie zeigt, welche Interessen die Jugendlichen aus den jeweiligen Milieus haben und welche Werte, Normen, Tugenden und sogenannte Soft-Skills sie mitbringen.

Die Studie ermittelte durch verschiedene Methoden, im Verhältnis von sozialer Lage und Grundorientierung, die folgenden Milieus:

Abb.2 SINUS-Institut

Abb.3 SINUS-Institut

Abb.4 SINUS-Institut

Abb.5 SINUS-Institut

Abb.6 SINUS-Institut

Abb.7 SINUS-Institut

Abb.8 SINUS-Institut

Abb.9 SINUS-Institut

Abb.10 SINUS-Institut

Abb.11 SINUS-Institut

Empfehlung für Interessierte: Dr.M.Calmbach, SINUS Institut „Wie ticken Jugendliche“ Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14–17 Jahren, Heidelberg&Berlin, Verlag Haus Altenberg, 2012 http://www.sinus-institut.de/loesungen/sinus-milieus.html

Schaut man sich die Milieus und vor allem die dazugehörigen jungen Menschen an, stellt man sehr schnell fest, dass jedes Milieu „seine eigene Sprache spricht“. Geht es beispielsweise um Grundorientierung, so reichen die Werte von Traditionen des Festhaltens und Bewahren über modernisierte und individualisierte Orientierungen des Habens und Genießens, des Seins und Verändern bis zur Neuorientierung über das Machen und Erleben und Grenzen zu überwinden.

Schnell wird klar, dass eine Kommunikation von Menschen unterschiedlicher Milieus bereits dadurch erschwert ist, weil andere Sichtweisen herrschen. Bedenkt man, dass auch erwachsene Menschen, Ausbilder und alle anderen die am Klagen sind, ebenfalls aus Milieus entstammen, ist eine Kommunikation nur dann möglich, wenn einer von beiden Gesprächspartnern über diese Kommunikationsschwierigkeiten weiß. Immer mit dem Ziel, auf eine gemeinsame Ebene / Basis zu kommen.