Australien - Buschgeschichten, Mythen, Land und Menschen - Georg Beckmann - E-Book

Australien - Buschgeschichten, Mythen, Land und Menschen E-Book

Georg Beckmann

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Beschreibung

Sammlung von Aufsätzen, Berichten und Reiseerfahrungen unterschiedlicher Autoren von den Achtzigern bis heute. Im ersten Teil geht es u.a. um Naturkatastrophen und der Solidarität der Australier, dem Leben auf den Farmen im einsamen Outback, den wenigen Vergnügungen, zu denen die Farmer Hunderte von Kilometer anreisen, dem Unterricht der Kinder, dem Zusammenleben mit den Origines. Das zweite Kapitel befasst sich mit den Bergbaustädten. Ob es sich um Mineralien, Kohle oder Opal dreht - an vielen Stellen, weit abgelegen und in völliger Einsamkeit, wird gebuddelt. Tagebau, Hitze, Bleivergiftung, Wassermangel, Spielhöllen, Langeweile und fortwährender Umzug bestimmen das Leben. Themen rund um die Aborigines sind Inhalt des dritten Teils. Landraub, Vernichtung und Verfolgung, Mythen, Alkohol und andere Probleme sowie die mehr oder weniger gelungene Anpassung an die weiße australische Gesellschaft werden thematisiert sowie natürlich auch das schlechte Gewissen der europäischen Einwanderer. Kulur und Geschichte werden in zwei weiteren Kapiteln behandelt. Arm und Reich, Individualismus und Gleichheit, Wirtschaft, Sport und Politik, die Entwicklung von der einstigen Sträflingskolonie, der allmählichen Abnabelung bis zum heutigen etwas zwiespältigen Verhältnis zu England.

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Australien

Buschgeschichten, Mythen, Land und Menschen

Eindrücke, Stimmungen und Hintergründe Impressionen aus Australien

Georg Beckmann

interconnections

Impressum

Georg Beckmann

Australien - Buschgeschichten, Mythen, Land und Menschen

ISBN: 978-3-86040-171-2, Vierte Ebook-Auflage 2016

ISBN: 978-3-86040-170-5, Buch

Verlag interconnections, Schillerstr. 44,

79102 Freiburg, Tel. 0761 700 650, F. 700 688

www.interconnections-verlag.de

www.down-under.org

Weitere Titel zu Australien

Jobhopping Down Under (Working Holiday)Auswanderland AustralienPraktika in Australien

Siehe: http://www.interconnections-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Die Australier

Menschen und Gesellschaft

Eindrücke, Stimmungen, Hintergründe

Einwanderung

Multikulturelle Gesellschaft

Weg zu einer toleranteren Gesellschaft

Wachstumswahn

Profitaber Menschenimport

Working Holiday - Visum mit Hintersinn

Australier auf Probe

Sport: Identitätsfindung und Projektionsfiguren

Buschgeschichten

Buschträume

Zyklon in Darwin - Vom Winde verweht

Im Auge des Zyklons

Solidarität - Ende gut, alles gut

Parap Village Tavern

Fünf Eingänge, fünf Bars, fünf Dresscodes

Fernfahrerleben - 100 Tonnen-Tanklaster

Übernachtung im Laster, keine Sonntagsruhe

Einsam, aber keine Einzelgänger

Aas auf Asphalt

Verkappte Romantik

Konkurrenz statt Klassenkampf

Buschträume - Juristerei am Ayers Rock

Weihnachten

Der Nikolaus kam auf dem Rücken eines Kamels

Weiße Sicht

Zähes Buschvolk - Auf einer Farm

Zwischen Misstrauen und Neugier

Cowboys unter sich

Geselliger Outback

Ein Pferd als Patient

Teleunterricht - Lernen im Busch

Lehrreiche Radiowellen

Sozialisation jenseits der Rinderfarmen

Lernen per Video

Vertrauen ist wichtig

Jedem sein Tempo ...

Hart im Nehmen

Ländliches Paradies

Frühstück auf Plastikstühlen

Steak ohne Rückstände

Ureinwohner als Helfer

Viehsortierung

Zurück in die Stadt

Ali Babas Höhlen

Bodenschätze ohne Ende

Mount Isa - Mobile Minenstadt

Baracken, Fliegenplage und Eiseskälte

Einwanderer, Bleivergiftung und Wehmut

Wurzeln schlagen in der Wüste

Rodeoreiten und Trinkgelage

Dollars und Bier

Abenteurer, Goldsucher und Cowboys

Heimweh

Durstige Kamele und teures Wasser

1929: Courboult reist Erster Klasse zurück

Minenwunder

Schöne Bescherung unter der Erde

Der Deutsche

Die Minen-Zwillinge

Glücksspiel

Auswanderer unter sich

Freiheit, Frauen, Frugalität

Odyssee zu zweit

Besessene Bergleute

Pleiten, Pech und Pannen

Lebensgefahr & Scheidungen

Ein Tscheche in Australien

Von der Hand in den Mund

Sympathie und Bedauern

Ureinwohner

Ende der Traumpfade und der Mythologie

Aborigines – altes Volk in einem alten Land

Rote Erde und Mordsgeschichten

Kolonialismus

Hintergründe, Christentum, Wissenschaften

Herrschen per Weihwedel und Gewehren

Rassenkunde

Leichen im Schrank

Schädelsammlung der Freiburger Uni

Kopfjäger und Auftragsmord

Kratzen am Mythos - Todesengel Amalie Dietrich

Wanderung mit Handkarren und zwei Hunden

Aborigines: Lardil - Insel im Wandel

Wo die Regenbogenschlange wacht

Besuch auf Mornington Island

Tanz und Gemeinschaft

Glücksspiel als Volkssport

Tanzzeremonie

Dorfdisco

Kulturelle Revanche

Ärger mit dem Staat

Dingos und Heilpflanzen

Opfer des Alkohols

Party mit Säuglingen

Zorn der Regenbogenschlange

Initiation

Rituale

Tod und Wiedergeburt

Flexible Ureinwohner

Australische Ureinwohner heute

Aberglaube, Gruppenzwang und Überlebenswille

Gebärdensprache

Selbstbewußte Ehefrauen

Ehebruch und Tabus

Christliche Aborigines

Multikulti-Feiern

Erinnerungssuche

Demystifizierender Exkurs

Zwang, Gewalt, Missbrauch, Suff

Traum des Westens

Utopia - Australiens, geheimnisvoll und glücklich

Sträflinge und überraschende Parallelen zu Mores Utopia

Australien - weiße Fassung der Traumzeit?

Thomas More als Lehrmeister

Krumme Insel

Blühende Städte und Gärten

Muße muss sein

Gleichberechtigung und Gleichheitswahn

No stuck up sticky beans

Arme, Reiche und fleißige Bürger

Wirtschaft und Kultur

Schuften für einen guten Zweck

Multikulturelles Australien

Asiaten

Frömmigkeit und Sektenbildung

Wo Australiens Herz schlägt

Mythen einer Nation

Gangster und Könige

Affären und Nobelpreis

Glorreiche Siebziger

Krise des Welfare State

Tokio schlägt zu

Literatur

Helden der neueren australischen Literatur

Zu Besuch bei Peter Carey

Übertriebener Individualismus

Australiens Emanzipation

Hogan und der Mittelstand

Sydneys Szene - Das Strandvolk

Unterwegs – Kultur und Gesellschaft

Kritische Künstler

Rock aus Australien

Didgeridoo und E-Gitarren

Helden der Achtziger

Musikfernsehen

Mode-Experimente

Aboriginal Islander Dance Theatre

Guten Morgen Australien

Wüstenrock & Sonnenbad

Kopflose Körper, wie ein Strauß im Sand

Die Australier

Menschen und Gesellschaft

Eindrücke, Stimmungen, Hintergründe

Die Seiten enthalten Aufsätze und Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten des Lebens, der Gesellschaft, der Menschen in Australien.

Alle bislang erschienenen Artikel stehen Online unter Down-Under.org, wo auch immer wieder Ergänzungen erfolgen.

Impressionen aus Australien

Begegnungen mit Australiens Bevölkerung und Fauna in nüchterner Sprache zu schildern, ist gar nicht so einfach. Die Zusammenkunft mit australischem Urgestein hat schon manchen verzaubert.

Neben den Aborigines und Sträflingen britischer Herkunft haben zahlreiche andere Gruppen und Individuen den Kontinent mitgestaltet. Das Ergebnis? Jeder soll sich dazu seine eigene Meinung bilden.

Als kleine Starthilfe bieten sich die hier zusammengetragenen Berichte und Beobachtungen an, die Australiens verschiedene Facetten enthüllen: das einsame, aber erfüllte Leben der Farmer, Glanz und Elend der Bergarbeiter, Erziehungsmethoden im Outback, urbane Kultur in Sydney ... All das wird nicht mit wissenschaftlichem Blick aus der Ferne betrachtet, sondern auf einer Ebene mit den jeweiligen Personen.

Mit bloßer Ratio lässt sich ohnehin kaum erklären, weshalb der Fernfahrer seine staubigen Straßen und der Minenarbeiter seine finsteren Stollen nicht aufgeben möchten, oder weshalb die Einwohner einer verwüsteten Stadt sobald wie möglich zurückkehren, um eben da wieder anzufangen, wo der Sturm alles durcheinandergewirbelt hatte.

Neuankömmlinge sollten sich dies zu Gemüte führen, ehe sie ein pauschales Urteil über die "Aussies" fällen.

Einwanderung

Multikulturelle Gesellschaft

Die Politik des "Weißen Australien" ist längst passé. Heute bewegt sich der Trend in Richtung Multikulturalismus, wobei die Mannigfaltigkeit der australischen Gesellschaft und ihrer ethnischen Vitalität betont wird.

Weg zu einer toleranteren Gesellschaft

Trotz anhaltendem Rassismus in manchen Bevölkerungsschichten hat Australien seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Einwanderern ein neues Zuhause geboten, ohne dass es zu bemerkenswerten sozialen Unruhen gekommen wäre.

Dem berühmten Bild vom rauhen Naturburschen, der mit den Elementen kämpft, zum Trotz leben 86% der Bevölkerung in Ballungsgebieten – mehr als in den USA oder Großbritannien. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sieht sich selbst als Mittelklasse und die überwiegende Mehrheit arbeitet in Büros, nicht im Outback. Die meisten Australier leben in Backsteinhäusern in den Vororten – ein Lebensstil, der sich in Seifenopern widerspiegelt und von Barry Humphries mit der Darstellung der Dame Edna Everage ins Lächerliche gezogen wird. Die moderne australische Gesellschaft ist weit von der Pionierszeit des letzten Jahrhunderts entfernt, als die Grenze geöffnet wurde und Landwirtschaft sowie Betteln noch die Hauptbeschäftigungen waren.

Es war die Konjunkturflaute von 1901, die die einzelnen Staaten zusammenführte um das Commonwealth of Australia zu gründen. Es waren Sorge um Jobs, sowie die nahe “gelbe Bedrohung“ aus Asien, die den Bund noch vor dem Zweiten Weltkrieg zu seiner Politik des “Weißen Australien“ veranlasste.

1945 waren mehr als 90% der 7,5 Millionen Australier britischer oder irischer Herkunft. Das "Weiße Australien" war größtenteils noch anglo-keltisch. Im folgenden Jahr jedoch öffnete Ben Chifleys Labor-Regierung den kriegsgeschädigten Europäern Australiens Pforten. Den frühen Gruppen mit blonden und blauäugigen Balten folgten die dunklen Europäer vom Balkan- und Mittelmeerraum. So kamen 100 bis 150-Tausend pro Jahr und durchlebten in den ersten Monaten und Jahren harte Zeiten. Tausende lebten in Camps unter furchtbaren Bedingungen und warteten, bis Arbeit für sie gefunden würde. Mehr als fünf Millionen Einwanderern ließen sich seit 1946 in Australien nieder sowie rund eine halbe Million Flüchtlinge. Trotz des Riesenzustroms an Ausländern gab es bemerkenswert wenig soziale Unruhen. Viele Einwanderer mussten rassistische Bemerkungen über sich ergehen lassen, aber es gab nie öffentliche Versammlungen, bei denen konkret von der Regierung verlangt wurde, ihre Einwanderungspolitik einzustellen. Konjunkturschwankungen und Sorgen um Arbeitsmangel lassen den jährlichen Zustrom zwar schwanken, aber er fließt stetig in beachtlicher Menge, in den letzten Jahren mit rund einer halben Million jährlich.

Bis vor kurzem erwartete man von den Ausländern, sie sollen sich der australischen Gesellschaft anpassen und ihre befremdlichen Eigenarten aufgeben. Die meisten Neuankömmlinge haben sich die für die australische Lebensweise typischen Gewohnheiten des Vorstadtlebens und des Materialismus angeeignet. Gleichzeitig brachten sie neue Ideen und die Bereitschaft, viel Arbeit für einen geringen Lohn zu verrichten, und leisteten so einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zum Aufbau der Wirtschaft.

Wachstumswahn

Einst wurde angenommen, ein Land von der Größe Australiens könne problemlos 100-500 Millionen Menschen beheimaten. Warum sollte es das? Der australische Geograph Griffith Taylor war einer der wenigen, der auf Umweltprobleme hinwies und die Grenzen des Wachstums betonte. Er schlug eine Zahl von 20 Millionen als realistisches Ziel für das Jahr 2000 vor. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jhs waren es aber bereits knapp 22 Millionen. Eine unglaubliche Steigerung im Vergleich zu den 4,5 Millionen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Was soll das? Wo liegt der tiefe Sinn? Die klimatisch gemäßigten Teile Australiens sind bereits dicht besiedelt, so dass die Bevökerungszahlen in US-amerikanischen Größenverhältnissen längst nicht mehr in Erwägung gezogen werden. Die Größe des Landes täuscht, denn kein Nicht-Ureinwohner kann im Busch leben, und selbst die in großen Teilen auch nicht. Es gibt kein Wasser. Was wollte man auch da?

Warum überhaupt Wachstum und vor allem Bevölkerungswachstum, weiß wohl niemand so richtig. Schon lange nicht wohin. In einer endlichen Welt mit begrenzten Ressourcen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben. Das ist banal.

Während man in Europa allmählich vom Wachstumsstreben Abstand nimmt und über Auswege aus der Wachstumsfalle nachdenkt, scheint das noch kein großes Thema in Australien zu sein. Als ob es nicht unser Wachstum wäre, das uns in den Abgrund zu reißen droht. Kippt das Klima vollends, so werden die Australier auch ihre Mineralien, ihren Mount Isa, kaum verzehren können.

Zur Illustration: Deutschland im Mittelalter - und das war um einiges größer als heute - hatte rund 30 Millionen Einwohner. Was ist falsch daran?

Anfang der Siebziger zählten die USA 220 Millionen Einwohner; heute sind´s 300 Millionen. Wer braucht 300 Millionen Amerikaner? Und ausgerechnet Amerikaner, die mit ihrer unersättlichen Gier nach Rohstoffen und Energie sowie einem Pro-Kopf-Verbrauch von über 7075 Kilogramm Öleinheiten (Welt 1839, Deutschland rund 3900), doch die Welt auffressen und sie in der Schraubzwinge halten müssen. Und nicht nur auffressen, sondern - wie jeder an ihrem Erscheinungsbild sehen kann – sie sich buchstäblich anfressen und daran krepieren: Zuckerkrankheit, Kreislaufprobleme usw. Um ihren Bedarf zu decken, den Lebensstandard zu halten und das ganze auf grenzenlose Verschwendung und unbändigen Konsum beruhende System stabil zu halten, geraten sie in immer weitere und tiefere Konflikt auf der Welt. Dass das nicht so weitergehen kann, bekommt selbst die Wall Street mit, s. z.B. Badische Zeitung, "Die Wallstreet entdeckt Grenzen des Wachstums".

Australien liegt mit Australien 5996 kg/Kopf und Jahr allerdings nicht fern von den USA, s. Google Public Data Explorer Weltbank, Weltentwicklungsindikatoren.

Profitaber Menschenimport

Fachkräfte ausbilden sollen die anderen.

1973, als ein stetig wachsender Zustrom an Bevölkerungsschichten aus Asien eintrat, wurde die Politik des "Weißen Australien" offiziell abgeschafft. Ferner ist die Zahl der Ausländer so gestiegen, dass deren ethnische Identität nicht mehr ohne weiteres in der Masse der Australier aufgeht und verschwindet.

Akzeptanz gegenüber dem Multikulturalismus hat die Forderung nach Anpassung auf der politischen Agenda abgelöst.

Grundsätzlich schrumpft die australische Bevölkerung genauso wie bei uns. Die Einwanderungsbehörde steuert demographischen "Fehlentwicklungen" ("problematischen" Entwicklungen wäre wohl passender) wie in sie Europa kennt, frühzeitig entgegen, indem das nahezu menschenleere Land vor allem junge, gutausgebildete Einwanderer anlockt. Qualifizierte Migranten gleichen die schrumpfende Arbeitnehmerschaft und die alternde Bevölkerung aus, was natürlich ungleich billiger kommt, als selbst in Bildung und Ausbildung investieren zu müssen.

Derart zieht Australien ausgebildete Leute und somit eine Menge Geld aus anderen Ländern ab, z.B. aus Europa, und löst somit seinen Fachkräftemangel durch selektive Einwanderungspolitik, damit die Wirtschaft weiter wachsen kann, und erspart sich die Bildungskosten. Australien lässt sich sein Wachstum also teils durch andere bezahlen. Das schadet natürlich Ländern besonders, die eh arm sind und wenig Kapital an ausgebildeten Leuten haben, wie viele asiatische Länder. Ein Riesenverlust dort, wo immer Krankenschwestern, Ärzte, Techniker und Ingenieure Adieu sagen.

Beispiel: Allein die fachliche Ausbildung eines jungen Arztes wird hierzulande mit rund 300.000 Euro veranschlagt. Dazuzurechnen sind aber weiter öffentliche Gelder, die der der Knabe bzw. seine Eltern direkt oder indirekt empfangen haben: Kindergeld, Steuererleichterungen, Subventionen von Kindergarten, Sportverein, die wiederum von öffentlicher Hand unterstützte Schülerkarte des ÖPV oder des kommunalen Schwimmbads, die Schule usw.

Der Gute dürfte mit 32 Jahren, also bei Beginn der Berufstätigkeit und somit allmählicher Rückzahlung, dessen, was er gesellschaftlich empfangen hat, mit Zins und Zinseszins rund ein halbe Million Euro wert sein..

Weiteres Beispiel: 2006 erhielten 12.500 Iren das auf zwei Jahre verlängerbare “Working Holiday Visum”, aber 2009 waren es bereits 23.000. Viele junge Leute kehren von ihrer Tour nicht mehr zurück, denn Einwandererungswillige wie Schreiner, Elektriker, Krankenhaus- und Pflegepersonal und Angehörige anderer medizinischer Berufe haben beste Chancen. Betrug der Aderlass 2008 rund 1.700 Auswanderer, so waren es 2010 schon 3000. Dem Vernehmen nach kann man sich mittlerweile auf der Melbourner Pferderennbahn wie bei den Punchestown Races fühlen. Allenthalben sei irischer Tonfall zu hören. 

In der Folge verlor Irland binnen eines Jahres, zwischen April 2010 und 2011 rund 40.000 ausgebildete Leute durch Auswanderung, wovon sehr viele nach Australien oder Kanada gingen. Angesichts der viereinhalb Millionen Einwohner ist das gewaltig und würde auf Deutschland bezogen knapp 800.000 Menschen bedeuten. Das kann kein Land lange aushalten.

Boomt die australische Wirtschaft, so werden die Pforten geöffnet, die Einwanderer dürfen zum Reichtum des Landes beitragen, hustet sie, so werden sie verrammelt, so dass die Arbeitslosigkeit bei einem stabilen Niveau weit unter den zehn Prozent bleibt und keinerlei Sozialkosten in Australien anfallen.

Diese verbleiben bei den Entsenderländern.

Der Volkswirtschaftler Frank Stilwell, Professor an der Uni Sydney, verteidigt die regulierte Einwanderungspolitik als Teil der australischen Kultur: "So lässt sich die stets schwankenden Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmern schnellstmöglich befriedigen. Es ist nun mal einfacher, die nötigen Leute zu importieren, als langfristig in Bildung und Ausbildung zu investieren."

Und dabei spielt auch das Working Holiday Visum eine wichtige Rolle.

Siehe auch den Artikel "Wirtschaft u. Kultur" unter "Utopia". 

Working Holiday - Visum mit Hintersinn

Habenichtse, Unqualifizierte, Wirtschaftsflüchtline, Kranke - nein, damit haben die Australier nichts zu tun. Im Gegenteil: sie werden erbarmungslos abgeschoben, so dass auch schon Amnesty International protestierte. So traf es beispielsweise dem Asylsuchenden Bill Zhang, Aktivist der Studentenproteste von 1989 am Platz des Himmlischen Friedens. Er wurde nach China expediert, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre in Sydney gelebt hatte und die Foltermethoden in seiner Heimat auch den australischen Behörden bestens bekannt sind.

Fazit: Erneute Folterungen in China und schließlich Freitod.

Es gilt das Kosten-Nutzen-Prinzip, an sich nichts Besonderes, Kanada und die USA betreiben´s ähnlich. Aber die Australier übertreiben´s ein wenig: Im Herbst 2009 verfügte Ministers Chris Evans Behörde, einen schwerstkranken Visumsbewerber nach London auszufliegen, der zwei Tage nach dem kräftezehrenden, fast 22-stündigen Flug verstarb. Unter anderem schoben die Zuwanderungskontrolleure einen 69-Jährigen ab, seit 1996 in Australien ansässig, ein Höhepunkt an Pietätlosigkeit, denn Edward Joseph pflegt seine damals 92-jährige Mutter seit 14 Jahren. Da sie nicht ohne ihren Sohn bleiben wollte, verließ auch sie das Land. Unter großer Verbitterung und in einem Rollstuhl - ein harscher Umgang mit einer fast Hundertjährigen.

Bekannt ist der Fall des Internistes Bernhard Möller, den es 2006 mit Kind und Kegel in den australischen Busch zog, wo Ärztemangel herrscht. Zwei Jahre später wurde sein Antrag auf ein Dauerarbeitsvisum abgelehnt, denn ein Sohn leide am Downsyndrom, womit er die "gesundheitlichen Anforderungen an Einwanderer" nicht erfülle, vermeldete die Einwanderungsbehörde. Aufgrund öffentlicher Kritik sah sich Evans zum Einlenken gezwungen. Kurz darauf kam Möller wieder die Galle hoch, denn eine Tageszeitung druckte eine Studie der Einwanderungsbehörde, die die Kosten der australischen Gesellschaft durch ein behindertes Kind vorrechnete.

Nur Fachkräfte, an denen gerade Mangel herrscht - und das wechselt fortwährend, je nach Konjunktur und Arbeitsmarkt - dürfen ins Land, und zwar wenn ein Unternehmen sie sponsert. Auch wer bereit ist, sich im Outback niederzulassen, erhält leichter ein Arbeitsvisum. Der jüngste Zufluss ist beträchtlich: Allein zwischen 2006 und 2009 erhöhte sich Australiens Einwohnerzahl um jährlich knapp 500.000 auf inzwischen rund 23 Millionen Einwohner, wie bereits erwähnt.

Hat man die ursprünglichen Bewohner dieses Erdteils eigentlich dazu befragt?

Australier auf Probe

In diesem Licht betrachtet, lässt sich auch der verborgene Sinn hinter dem Working-Holiday Visum erkennen. Es beschert jungen Leuten, meist Studenten, ein bis zwei Jahre Aufenthalt im Land, die Aufnahme simpler Tätigkeiten, die kein Australier gerne ausüben möchte, so dass keine Konkurrenz auf dem wirklichen Arbeitsmarkt entsteht. Nach dieser Zeit werden sie ihre Ausbildung bzw. ihr Studium daheim fortsetzen, aber viele werden später an Auswanderung denken. Was könnte besser für die australische Wirtschaft sein, als Leute, die bereits längere Zeit im Lande gelebt und gearbeitet hätten und sich gut in der Gesellschaft zurechtfänden? Ein cleveres Konzept.

Sport: Identitätsfindung und Projektionsfiguren

Die Aborigines machen endlich Fortschritte bei der Bemühung, ihre Rechte und ihre Menschenwürde zurückzufordern, obwohl sie immer noch eine benachteiligte Minderheit im weißen, reichen Australien darstellen. Andere nicht anglo-keltische Gruppen haben sich durch die starke Einwanderung vermehrt. Sie bilden eine wichtige Rolle in der modernen australischen Gesellschaft.

Die Ureinwohner bleiben eine benachteiligte Minderheitengruppe mit hoher Kindersterblichkeitsrate und einer 30% niedrigeren Lebenserwartung als die anderer Australier. Sie sind sechsmal öfter arbeitslos. Allerdings ist die Anerkennung ihrer Rechte in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Aborigine-Blut in seinen Adern fließen zu haben, wurde sogar zu einer Art Trend in der Politik des politisch korrekten Australiens, was die schwierige Frage aufwirft, wie denn nun ein Ureinwohner zu definieren sei. Der Sänger der Aborigine-Popgruppe Yothu Yindi, die traditionelle und moderne elektrische Sounds miteinander verbindet, wurde 1993 zum Australier des Jahres gekürt - ein weiteres Zeichen der Wandlung.

Als Australien 1983 den Americas Cup gewann, zeigte sich der außerordentliche Einfluss, den dieses kleine Land auf die Welt des Sports hat. Verdeutlicht wurde dies durch die Olympischen Spiele 2000 in Sydney. Sie konzentrierten sich auf Homebush Bay, wo sämtliche Athleten in einem Dorf wohnten, von dem sich alle Einrichtungen nicht weiter als 30 km entfernt befanden. Dieses Sportereignis versetzte der Wirtschaft einen beachtlichen Schub und förderte den "Nationalstolz".

Den schätzen die Mächtigen in Wirtschaft und Politik besonders, überall auf der Welt, deckelt er doch gesellschaftliche Unterschiede zu. Man ist zunächst mal Australier. Interessensgegensätze zwischen Arm und Reich, Besitzenden und Habenichtsen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern und natürlich auch Einwanderern und Einheimischen werden glattgebügelt. Das ist spätestens seit den Römern bekannt, aber höchst wirksam, auch bei uns und kann u.U. eine Menge Geld an Polizeikosten ersparen, behaupten Leute schlechten Charakters ...

Der Tag des Melbourne Cup, wenn sich die gesamte Bevölkerung hinsetzt, um ein Pferderennen mitzuverfolgen, ist ein Feiertag. Die Beliebtheit von australischem Football, Kricket, Tennis, Segeln, Surfen und Rugby (zunehmend auch Fußball und Basketball) sind weitere Belege für die "Wichtigkeit" des Sports in Australien oder - je nach Sicht - für eine erfolgreiche Ideologisierung. Natürlich lassen sich auch gerade Einwanderer leicht über Sport in die Gesellschaft einbinden.

Trotz der wenig aufregenden Stadtbilder Australiens (in denen sich möglicherweise noch die britischen Wurzeln widerspiegeln), haben Architekten wie Glen Murcur internationales Ansehen erlangt. Obwohl von einem dänischen Architekten entworfen, war die Eröffnung des Opernhauses in Sydney 1973 eine Art Wendepunkt in der Überwindung der kulturellen Krise und markierte den Beginn einer neuen Ära der Kunst.

In den 1970er Jahren erlebte der australische Film eine explosionsartige Entwicklung, sowohl in Bezug auf Produktion als auch auf internationale Anerkennung. 1986 wurde Crocodile Dundee zum Kassenschlager. Hauptdarsteller Paul Hogan mit seinem berühmten, im Outback üblichen Akubra-Hut, blieb bei der Tradition, den Australier als hageren und lakonischen Zeitgenossen des Outbacks darzustellen, eine Tradition die zuvor von Schauspielern wie Chips Rafferty in The Overlanders etabliert und in der Fernsehwerbung für australisches Lager parodiert wurde.

Neuere Filme siehe bei Down-Under.org unter "Medien", > Filme.

Advance Australia Fair

Australians all let us rejoice

For we are young and free:

We’ve golden soil and wealth for toil

Our home is girt by sea.

Our land abounds in nature’s gifts

Of beauty rich and rare.

In history´s page let every stage

Advance Australia fair.

In joyful strains then let us sing

Advance Australia Fair.

Beneath our radiant Southern Cross

We’ll toil with hearts and hands:

To make this Commonwealth of ours

Renowned of all the lands.

For those who’ve come across the seas

We’ve boundless plains to share.

With courage let us all combine

To Advance Australia Fair.

In joyful strains then let us sing

Advance Australia Fair

Diese Hymne (ein patriotisches Lied aus dem 19. Jh., das ehemals noch einen Vers über Cooks Ankunft und die pro-britischen Worte “With all her faults we love her still Britannia rules the waves“ entielt), ersetzte God Save the Queen 1984, obwohl einige fanden, dass Waltzing Matilda die bessere Wahl gewesen wäre. Dies Lied beruht auf den Erfahrungen der Konjunkturflaute in den 1890ern, als arbeitslose Männer mit all ihrer Habe in einem Beutel oder einem Sack (swags) durch den Busch zogen und nach Beschäftigung suchten. Waltzing Matilda wurde als Nationalhymne unpassend befunden, jedoch nur wenige Australier begeistern sich für Advance Australia Fair und geben an, den Text zu kennen.

Ein Einverständnis zur Verteilung dieser "endlosen Ebenen", wie hier im Lied besungen, hat man von den ursprünglichen Bewohnern dieses Landes vermutlich nicht eingeholt.

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Wohnen gegen Hilfe

Einander unterstützen bei Tätigkeiten rund um Haus, Hof und Garten …

Abgesenkte Miete gegen Mitanpacken im Haushalt ist das Prinzip.

Vermieter sind Familien, Senioren u.a., Mieter meist junge Leute, Azubis, Studierende, Leute in der Ausbildung, Sprachschüler u.a.

http://www.mitwohnen.org

http://www.interconnections.org (Ausland)

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Buschgeschichten

Buschträume

Man hat mir von Zyklon Tracy erzählt, als wäre ich auch dabei gewesen. Man hat mich die "Durstroute" von 1500 km fahren lassen, von einer Kneipe zu anderen.

Mit den Buschmännern habe ich einige Tage das Alltagsleben auf einer Farm erlebt, unter Wäldern von Eukalyptusbäumen, in der Wüste, bei Wasserlöchern und verdorrtem Gras. Ich habe den Geschichten von Goldsuchern gelauscht, Fluglehrerern, Lastwagenfahrern, Ingenieuren.

Ich habe plötzlich 200 PS meines Toyotas gespürt, die zu bändigen waren ... und manchmal habe ich ans Paradies geglaubt.

Marc Croft

Zyklon in Darwin - Vom Winde verweht

„Ich habe Darwin zweimal wachsen sehen. Als wir hergezogen sind, vor sechzehn Jahren, war Darwin wirklich eine sehr kleine Stadt. Es gab keine einzige Ampel, keine Autobahn, nur eine kleine Straße in der Mitte. Wir haben die Stadt größer werden, Stück für Stück wachsen sehen.

Der Wirbelsturm hat alles plattgewalzt. Drei Jahre später war die Stadt wieder vollständig aufgebaut.“

Wie ist das mit dem Zyklon Tracy passiert? Man hat den Eindruck, es sei das wichtigste Ereignis in der jüngeren Geschichte Darwins gewesen.

Pauline: Ich würde das nicht als Ereignis bezeichnen! Ich würde es eine Katastrophe nennen. Jeder hat dort etwas verloren. Jedes Jahr während der Regenzeit gibt es Warnungen ... Aber es hatte nie einen Zyklon gegeben.

Am 24. Dezember 1974 war Darwin am Feiern, das Festessen war fertig. Im Radio sagten sie: „Der Zyklon ist ganz in der Nähe, um zwei Uhr morgens wird er dasein.“ Wir sagten uns: „Das kann nicht sein, an Weihnachten nun wirklich nicht! Außerdem wenden die Zyklone vor der Stadt, und sie entfernen sich wieder ... normalerweise!“

Wir hatten Knödel zubereitet, Gänsebraten, Weihnachtsgebäck, das ich selbst zubereitet hatte, ein wirklich typisches Weihnachtsessen. Wir haben bei Freunden angefangen, fünf oder sechs Pärchen mit Kindern, und dann gingen wir zur Mitternachtsmesse. Da fing der Wind an, kräftig zu blasen, und im Radio sagten sie, während wir im Auto saßen: „Der Zyklon steht unmittelbar bevor, der Zyklon steht unmittelbar bevor.“

Und schon sahen wir die Stromleitungen zu Boden fallen, aber das war noch im Rahmen des Üblichen. Als wir das Auto verließen und zur Kirche gingen, regnete es hingegen, wie ich es noch nie erlebt hatte, wir waren ganz durchnäßt. In der Kirche begann der Priester mit dem Gottesdienst, die Kinder fingen an zu singen, und dann gab es schlagartig einen Stromausfall, die Glasfenster zersprangen ... Der Pfarrer brach seine Messe ab. Wir sprangen ins Auto, aber es fuhr in Zickzacklinien, es war ein völliger Blackout. Die Scheibenwischer gingen nicht mehr. Um zwölf Kilometer zu fahren, haben wir eine Stunde gebraucht, indem wir uns mit 20 Km/h voran kämften. Ein sintflutartiger Regen!

Da fing ich an, dafür zu beten, dass wir heil ankommen würden. Überall entlang der Straße standen Autos mit ersoffenem Motor. Wir haben es trotz allem bis zu unseren Freunden geschaft, haben alle Türen geschlossen, angefangen zu essen ... Aber das Wasser schoss schon unter den Türen hindurch, wie von mächtigen Wellen getrieben.

... Wir wollten es immer noch nicht recht fassen. Wir sagten uns, wir wollten zuerst die Geschenke an die Kinder verteilen, denn wir wussten nicht recht, wie es ausgehen würde. Jeder bekam sein Geschenk. Unser Freund sagte uns: „Macht euch keine Gedanken, ich habe meine Garage selbst gebaut, es gibt kein Problem, sie ist aus eine doppelten Backsteinschicht, dort werden wir uns gefahrlos unterkommen.“ Kaum gesagt, tat sich sich ein breiter Riss in der Garagenwand auf, was uns zurück ins Haus zwang. Und dann, gerade drinnen in vermeintlicher Sicherheit, begannen die großen Glastüren heftig zu scheppern, so dass uns die Angst packte und wir wieder zurück in die Garage rennen wollten ... aber es gab keine mehr!

Im Auge des Zyklons

... Wir öffneten die Tür des benachbarten Zimmers, die Hälfte des Hauses war weg, und wir hatten es nicht einmal gemerkt, so sehr hatte es gelärmt! Es war zum Verrücktwerden! Wir verkrochen uns unter dem Tisch des Eßzimmers, die Männer haben abgefangen, Matratzen vor die Fenster zu stellen, aber es hat nichts gebracht, die Fenster flogen auf einmal wie Strohhalme weg ... Es war aus, es gab nichts mehr. Nur das Schlafzimmer der Eltern war noch da, also vier Wände!

Daraufhin haben wir das Bett erhöht, indem wir es auf die Ränder eines Frisiertisches und zweier Nachttische stützen. Wir vier Frauen, die fünf Kinder und ein Hund verkrochen sich darunter ... Und von Mitternacht bis sieben Uhr morgens haben die vier Männer die Zimmerfenster mit ihren Händen gestützt!

... Unter dem Bett haben wir uns vielleicht gefürchtet! Ich sagte mir: „Ich werde meine Familie nie wiedersehen“, ich dachte, ich würde sterben, von den Wänden zerquetscht! Mein älterer Sohn gab sich erwachsen, aber der Kleine war die ganze Zeit verschreckt. Die ganze Nacht über habe ich gebetet, an meine verstorbenen Eltern gedacht und sie gebeten, mir zu Hilfe zu kommen. Auf meine Art bin ich gläubig. Das hat mir viel geholfen ...

Unter uns war auch eine schwangere Frau, die ihre Blase nicht mehr zurückhalten konnte, eine andere wollte unbedingt ihre Kleine wickeln, während alle völlig durchnäßt waren (ich dachte mir, sie sei am Durchdrehen!). Ich wartete auf den Tag wie auf den Messias, denn man hatte mir gesagt, der Zyklon würde am Morgen verschwinden. Von Zeit zu Zeit warnten uns die Männer, die Decke sei kurz davor, einzustürzen. Zum Glück war sie aus Gips und fiel auf die Matratze ...

Als wir anderntags unter dem Bett hervorkamen, wurden die Zimmerdecke nur noch von einem Eisengestänge zusammengehalten, sie war völlig durchgebogen. Eine halbe Stunde später wäre sie auf uns drauf gefallen ... Wir haben unverschämtes Glück gehabt!

Während des Sturms, bei diesem Wind, der mit 350 Km/h blies, wurde alles weggepustet! Aber einen Augenblick lang, wenn das Auge des Zyklons über einem ist, herrscht eine beeindruckende Stille. Der Zyklon machte eine halbe Drehung; dann kam er von der anderen Seite, machte erneut eine Halbumdrehung. Aber wenn man im Auge drin ist, ist es vollkommen still, kein Wind mehr, kein Lärm. Es ist schlimmer als all der Krach, der vorher da war, weil man sich sagt: „Was wird danach kommen?“ Man hat eine Seite überwunden, aber man weiß nicht, ob man auf der anderen überleben könnte.

Beim ersten Mal hat er eine Seite des Hauses erwischt, das Bad, ein Zimmer, beim zweiten Mal das Eßzimmer, und er hat dieses Zimmer verschont, wo wir waren. Warum?

Als ich den Zustand der Straße sah, wo alle Häuser weggepustet waren wie nach einem Bombenangriff, dachte ich mir, daß wir die einzigen Überlebenden seien! Dann sahen wir allmählich Köpfe hinter den Trümmern auftauchen. „Are you all right?“ Das grenzte an ein Wunder! Die meisten Leute hatten sich in Wandschränken, sogar in Kühlschränken versteckt ... Es gab entsetzliche Vorfälle: Die Eltern versteckten ihre Kinder an allen erdenklichen Orten ...

Was uns betrifft, wir kletterten wohlbehalten aus den Trümmern! Das erste, was wir wissen wollten, war, ob es unter den Deutschen Tote gegeben habe. Alle waren materiell geschädigt worden, aber es gab keine Toten. Andernfalls hätte es bestimmt solidarisches Verhalten unter Deutschen gegeben.

Solidarität - Ende gut, alles gut

Wir fanden also in der Schule Unterschlupf, mit dem Rest des Festessens, insbesondere meinem tollen Weihnachtsgebäck. Als der Zyklon über uns hereingebrochen war, hatte ich es in den Ofen meiner Freundin gesteckt, der zum Glück nicht erheizt war, und nun holte ich es heraus: Wir aßen es. Alle Verzierungen waren unversehrt, ich war sehr stolz.

Darwin war am ersten Tag vom Rest der Welt abgeschnitten, von Australien. Dann kamen sehr bald die Helfer an. Es war prima! (Tränen) Die Australier waren bewundernswert, Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Solidarität sich da entwickelte. So etwas hatte ich in Deutschland noch nicht erlebt. Flugzeuge kamen mit Ärzten, Krankenschwestern, Decken, Zelten, Medikamenten. Man bildete eine Flugzeugbrücke mit amerikanischen Herkules-Flugzeugen, die die Bevölkerung in die großen Städte brachten, insbesondere Adelaide.

Zunächst brachen wir mit dem, was von unserem Auto noch übrig war, nach Alice Springs auf. Auf der gesamten Länge der Strecke (Darwin-Alice: 1500 Km) gab es bombastische Barbecues, die die Landwirte organisiert hatten: Sie hatten eigens für uns Tiere geschlachtet, hatten sich frei genommen, um uns zu versorgen, uns zu trinken und zu waschen zu geben, sie hatten sogar daran gedacht, für die Frauen die Pille zu besorgen, und Babynahrung für die Kleinen ... Es war verrückt! In Alice wurden wir von einer Familie mit allen Ehren aufgenommen: Die Frau des Hauses wollte mir all ihre Kleider geben! An der Straße gab man uns Benzin, reparierte unser Auto gratis!

In Adelaide wurden wir vom Roten Kreuz und der Heilsarmee betreut. Am Flughafen gab es alles, was man sich hätte wünschen können ... Man gab uns praktisch vier Zimmer bei einer Privatperson, Geld, Kleidung ... Bei den Büros von Shell, wo mein Mann arbeitete, teilte man uns ein Haus zu, sie zahlten die Miete, haben eine Schule für meine Kinder gesucht. In Darwin fanden sie für meinen Mann eine neue Stelle. Wir haben lange gezögert, wir hatten Angst, dorthin zurückzukehren, einen anderen Zyklon zu erleben, aber dann, als es in Adelaide allmählich kühler wurde, hatten wir alle Lust, heimzukehren! Das war vier Monate nach dem Zyklon.

Sie hatten weder die Straßen noch die Häuser geräumt. Die Stadt wurde in drei Jahren wieder aufgebaut. Mir gefiel sie vorher besser: Es war eine Provinzstadt, ganz nach meinem Geschmack.

Wir erbauten ein solides Haus auf dem Grundstück des alten. Wie viele andere Leute hier. Sie wollten am gleichen Ort weiterleben.

Aber der Zyklon taucht in den Gesprächen immer wieder auf. Ich glaube nicht, dass wir ihn jemals vergessen werden, das können wir nicht. Vielleicht hat mich der Sturm an diese Stadt gebunden, sie ist ein Teil von mir geworden.

Parap Village Tavern

Fünf Eingänge, fünf Bars, fünf Dresscodes

Eingang Nummer 1: „Public Bar“

Die Bargäste sind zu drei Vierteln Ureinwohner. Sie haben ihre Ellenbogen auf den Tresen gestützt oder sitzen auf wackligen Hockern, vor zu hohen Tischen aus weißem Holz. Das Fliesenpflaster ist voller Sägespäne, alter Bierdosen und Sandwich-Resten. Zwei Gruppen von Männern haben sich um die Billardtische gedrängt; eine Reihe alter Frauen, die auf einer Bank an der Wand sitzen, machen lachend Bemerkungen zu ihren Darbietungen.

Eine von ihnen steht zögernd auf und schiebt mit der Hand die Kugel ihres Freundes ins Loch. Der wütende Mann schlägt sie, so dass sie stürzt. Die Frauengruppe steht auf, um sie zu verteidigen, kann sich aber nicht auf den Beinen halten und setzt sich lachend wieder hin.

Das Kommen und Gehen an der Bar ist unaufhörlich. Der Tresen ist von run fünfzig leeren Dosen umrahmt. An der Bar stehen nur Kellner, eher jung und kräftig. Draußen beschimpfen etwa zwanzig Aborigines, die auf dem Bürgersteig zusammengesunken sind, die Vorbeigehenden oder die in der Nähe parkenden Autos.

Eingang Nummer 2: „Virgin’s parlour“ („Sprechzimmer der Jungfrauen“)

„Nur für Männer“. Dem Anschein nach Weiße. Es ist eine winzige Kneipe, wo zehn Männer nebeneinander stehen, die man von hinten sieht. Der Lärm vor Eingang N. 1 scheint sie nicht zu erreichen. Es ist die Tür nebenan.

Eingang Nummer 3: „Palmerston Bar“

„Angemessene Kleidung erwünscht: Shorts und ein ordentliches Hemd, Schuhe mit hohen Strümpfen, oder lange Hosen. Flipflops strikt verboten.“

Es ist der erste Eingang, der eine Glastür hat. Der Raum ist klimatisiert. Die Gäste sind so angezogen, wie es der Anschlagzettel vorschreibt. Es handelt sich um Angestelle, die nach der Arbeit kommen, von 5 bis 7 Uhr. An der Seite spielen vier alte Männer mit Streichhölzern ein Kartenspiel. Die Gespräche sind gedämpft. Zwei Chinesen spielen ruhig elektronische Spiele. Ein Koch mit Mütze schlägt hinten im Raum seinen Salatteller mit unterschiedlichen Sorten, mexikanisch, chinesisch, thailändisch und amerikanisch, vor: Das ist das Menü „Bonanza“.

Eingang Nummer 4: „Jessie’s Bistro“