Autismus - Silke Lipinski - E-Book

Autismus E-Book

Silke Lipinski

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Beschreibung

Fast alle Autisten vereint das Gefühl, nicht dieselbe Sprache wie ihre Mitmenschen zu sprechen. Wenn eine Diagnose gestellt wird, ist deshalb zunächst die Erleichterung oft groß. Was bleibt, sind vielfältige Überlastungssituationen und der Druck, in der Welt der Nicht-Autisten zu funktionieren. Dieses Buch gibt Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen einen kleinen Werkzeugkoffer an die Hand: Es regt zu einem bewussteren Umgang mit den eigenen Besonderheiten an, befördert Akzeptanz der eigenen Schwächen und Stärken und vermittelt neues Selbstvertrauen.

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Seitenzahl: 112

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Sich immer anpassen?

»Menschen im Autismus-Spektrum lernen das in ihrem Umfeld übliche Sozialverhalten nicht intuitiv und nebenbei, wie es ­bei nichtautistischen Menschen der Fall ist. Es bleibt immer eine aktive Anstrengung, die viel Aufmerksamkeit und Energie benötigt. Daher stellt sich die Frage, ob es wirklich langfristig hilfreich ist, an sich selbst den Anspruch zu stellen, immer alles ›richtig zu machen‹.

Es gibt zum Glück noch andere Strategien, mit seinen Besonderheiten einen Umgang zu finden. Unter anderem kann man sich helfen, indem man seinem Umfeld hilft, zu verstehen, was man braucht und warum man sich so verhält, wie man es tut. So kann man Missverständnissen vorbeugen und sich Entlastung verschaffen.«

Silke Lipinski

Autismus

Das Selbsthilfebuch

B A L A N C E ratgeber

Silke Lipinski

Autismus

Das Selbsthilfebuch

BALANCE ratgeber

2. Auflage 2022

ISBN: 978-3-86739-301-0

ISBN E-Book (PDF): 978-3-86739-306-5

ISBN E-Book (EPUB): 978-3-86739-311-9

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© BALANCE buch + medien verlag, Köln 2020, 2022

Der BALANCE buch + medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln.

www.balance-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.

Lektorat: Karin Koch

Umschlagkonzeption und -gestaltung: GRAFIKSCHMITZ, Köln, unter Verwendung eines Bildes von go2/photocase.de

Typografiekonzeption, Illustration und Satz: Iga Bielejec, Nierstein

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

Downloadmaterial

Anders sein

1Diagnose und dann?

1.1Erleichterung

1.2Ernüchterung

1.3Akzeptanz

2Was ist Autismus?

2.1Das Autismus-Spektrum

2.2Die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung

2.3Autistische Kernsymptome

2.4Ursachen autistischer Besonderheiten

2.5Häufigkeit

2.6Geschlechterverteilung

2.7Intelligenz

2.8Ist Autismus eine Krankheit?

3Stereotype und Mythen

3.1Haben alle Autisten Spezialbegabungen?

3.2Sind alle autistischen Menschen gut in Mathematik oder Informatik?

3.3Haben Menschen im Autismus-Spektrum Empathie?

3.4Haben Menschen im Autismus-Spektrum Humor?

3.5Haben Menschen im Autismus-Spektrum Gefühle?

3.6Haben Autisten Interesse an sozialen Kontakten?

3.7Mögen Menschen im Autismus-Spektrum keine Berührungen?

3.8Sind Menschen im Autismus-Spektrum aggressiv?

3.9Können sich autistische Menschen verändern?

4Wie äußert sich Autismus bei mir?

4.1Kommunikative Besonderheiten

4.2Soziale Besonderheiten

4.3Eine Person des Vertrauens

4.4Sich immer anpassen?

4.5Routinen

4.6Interessen

4.7Sensorische Besonderheiten

5Autistische Stärken

5.1Besondere Stärken

5.2Verdeckte Stärken

5.3Das eigene Stärkenprofil

6Gefühle und Gefühlsregulation

6.1Gefühle und Gedanken

6.2Gefühle als Informationsquelle

6.3Zu viel Gefühl?

6.4Gefühle anderer erkennen

7Autismus und Selbstwert

7.1Ein Gedanken-Update

7.2Autistic Pride

8Stress und Stressmanagement

8.1Stressauslöser

8.2Anzeichen für Überforderung

8.3Mit Energie haushalten

8.4Achtsamkeit üben

8.5Stimming

8.6Erholung planen

9Autismus und psychische Gesundheit

9.1Negative Gedankenmuster

9.2Informationsnachbearbeitung und Grübeln

9.3Niedergeschlagenheit und Depression

9.4Ängste und Angststörungen

9.5Routinen, Vorlieben und Zwangsstörungen

9.6Konzentrationsprobleme und ADHS

9.7Hilfe suchen

10Hilfe finden

10.1Selbsthilfe und Initiativen

10.2Therapeutische Unterstützung

10.3Unterstützung im Alltag

Literatur

Downloadmaterial

Arbeitsblätter

• Meine sensorischen Besonderheiten

• Meine Stärken

• Prüfliste für vertraute Gedanken

• Akkustand einschätzen und Konsequenzen ziehen

• Gute Rahmenbedingungen für meine Therapie

Hilfreiches

• Beispiele für Erklärungen, die man zu seinen Besonderheiten geben kann

• Anleitung zum »Gefühle entschärfen«

Die Materialien befinden sich auf

https://balance-verlag.de/product/autismus

»Der Umstand, dass jemand dasselbe anders sieht, ist ungeheuer kostbar.«

TOBIAS WELLEMEYER

Anders sein

Anders zu sein und sich überfordert zu fühlen, ist eine Erfahrung, die viele Menschen im Autismus-Spektrum nur zu gut kennen. Meistens empfinden sie ihr Anderssein als Mangel. Im Vergleich mit den Menschen, die um einen sind, sieht man vor allem, was man nicht kann, selten, was man gut kann, und noch seltener traut man sich, für seine Bedürfnisse einzustehen. Darf man das und was wäre es denn konkret, was einem helfen würde?

Bei der Frage nach dem, was man braucht, setzt dieses Buch an. Es ist ein Selbsthilfebuch für Erwachsene im Autismus-Spektrum. Es richtet sich besonders an jene, deren autistische Besonderheiten in Kindheit und Jugend nicht erkannt wurden, die nun mit dem Wissen um das, was Autismus ist, ihre Schwierigkeiten neu einordnen können. Und natürlich geht es auch darum, wie man mit den Herausforderungen einer an neurologisch typischere Menschen angepassten Umgebung umgehen kann.

Erwachsene im Autismus-Spektrum erleben ihren Alltag aufgrund der autistischen Besonderheiten meist als sehr anstrengend. Für die belastenden Aspekte ihrer psychischen Erlebensweisen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen wünschen sich viele autistische Erwachsene Unterstützung. Während Kinder und Jugendliche mit ihren Belangen heute vergleichsweise recht gut versorgt sind, beschäftigte sich bis vor Kurzem – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – kaum jemand im Bereich der psychosozialen Versorgung mit Erwachsenen im Autismus-Spektrum. Dementsprechend dürftig ist bislang das Angebot zur Vermittlung von gesundheitlichem Wissen insbesondere für erwachsene Autisten.

Zwar gibt es wohl kaum noch Menschen, die noch nicht von Autismus gehört haben. Im Internet, im Fernsehen und in Zeitschriften wird in den letzten Jahren immer häufiger von Autismus gesprochen und das Thema wird mittlerweile in den unterschiedlichsten Kontexten behandelt. Im Gegensatz zum großen medialen Interesse an Autismus fühlen sich jedoch weiterhin wenig ambulante Psychiater und noch weniger Psychologen für die Betreuung von erwachsenen Menschen im Autismus-Spektrum zuständig. Das Thema Autismus fehlt bis heute leider immer noch weitestgehend in den Ausbildungscurricula der Ausbildung von Psychiatern und Psychotherapeuten. Das Resultat ist ein großes Unwissen über das Thema Autismus bei der Personengruppe, bei der man eigentlich solches Wissen vermuten würde, und eine eklatante Unterversorgung der Autisten in diesem Gesundheitsbereich.

Die lange Vernachlässigung des Themas Autismus wird auch daran deutlich, dass es bei Weitem noch kein einheitliches Verständnis davon gibt, was der Begriff bedeutet und wen er bezeichnet. Die Begrifflichkeiten werden sowohl unter Autisten als auch unter denen, die ihnen beistehen, und denen, die wissenschaftlich dazu arbeiten, sehr unterschiedlich diskutiert. Auch Befragungen zur bevorzugten Bezeichnung unter Menschen mit autistischen Besonderheiten haben kein einheitliches Ergebnis gebracht. Es werden deshalb in diesem Buch verschiedene Varianten zur Bezeichnung verwendet wie »Menschen im Autismus-Spektrum«, »Autisten« und »autistische Menschen«, um verschiedenen Vorlieben entgegenzukommen. Die Formulierung »Menschen mit Autismus« versteht sich als Kurzform von »Menschen mit autistischen Eigenschaften«. Die Begriffe »Diagnose« und »diagnostizieren« werden in ihrer Bedeutung »erkennen« verwendet, ohne darüber hinausgehende Aussagen machen zu wollen. Nur, wo es darum geht, Fachbegriffe zu erläutern, insbesondere in Kapitel 2, werden diese nicht variiert. Sonst wären die Begriffe nicht erkennbar.

Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten spiegeln die Auseinandersetzung um die Diagnose und die Therapiekonzepte wider. In der Literatur hat das Thema Autismus wohl noch nie solch eine Aufmerksamkeit erhalten wie derzeit. Die Zahl der Fachveröffentlichungen, aber auch der biografischen Selbstbeschreibungen in diesem Bereich ist rapide angestiegen. Jedoch ist festzustellen, dass in der überwiegenden Mehrheit der Publikationen entweder aus rein subjektiver Perspektive berichtet wird oder aber autistische Denk-, Erlebens- und Verhaltensweisen für Nichtautisten beschrieben und nachvollziehbar gemacht werden sollen. Menschen im Autismus-Spektrum, die sich selbst über Autismus informieren wollen, sind daher bisher überwiegend gezwungen, sich ihr Wissen aus Quellen zu erschließen, die sie nicht direkt adressieren und ihr Expertenwissen über sich selbst ignorieren. Oder sie müssen Quellen in Anspruch nehmen, deren wissenschaftliche Fundierung nicht immer ausreichend belegt ist.

Das Ziel dieses Buchs ist es, autistische Menschen maßgeblich darin zu unterstützen, Strategien für die Herausforderungen eines Alltags mit Autismus zu entwickeln. Ungeachtet dessen, ob Sie bereits als Kind oder erst vor Kurzem diagnostiziert wurden oder sich nicht sicher sind, ob Sie überhaupt eine Diagnostik anstreben, können Sie von diesem Buch profitieren, wenn Sie Eigenschaften haben, die mit dem Autismus-Spektrum assoziiert werden.

Die Themen für dieses Buch wurden auf der Grundlage von Befragungen von Menschen im Autismus-Spektrum ausgewählt; sie wurden gefragt, zu welchen Bereichen sie gerne Unterstützung hätten. Diese Bereiche waren natürlich sehr unterschiedlich, was auch aus den eingeflossenen (anonymisierten) Erfahrungen sichtbar wird. Durch den Vergleich der eigenen Erfahrungen mit den geschilderten Zusammenhängen und Situationen kann man sich selbst vielleicht wiedererkennen und besser kennenlernen. Dazu gibt es u. a. Arbeitsblätter, die auch im Downloadbereich des Buches zur Verfügung stehen, und immer wieder Anregungen zum Umgang mit den eigenen Besonderheiten und Bedürfnissen. Dabei wird es, so wie es nicht den »einen Autisten« gibt, auch nicht die »eine Lösung« geben: Es geht vielmehr darum, die eigene psychische Situation besser zu verstehen und Ideen für einen kleinen »Werkzeugkoffer« im Umgang mit sich und für manche Situationen vorzustellen.

Diesem Buch liegt die Überzeugung zugrunde, dass es einen Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität leisten kann, sich selbst möglichst gut zu kennen. Unterschiede zu anderen Menschen zu erkennen, ermöglicht es, die eigenen Stärken wahrzunehmen und jene Besonderheiten zu identifizieren, die Hürden auf dem Weg zu eigenen Zielen darstellen. Häufig stammen die Schwierigkeiten von Menschen im Autismus-Spektrum daher, dass sie versuchen, sich in die Muster zu zwängen, die von der sie umgebenden Welt vorgegeben werden. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Wissenschaft lange Zeit auf die Beschreibung von Defiziten und deren therapeutische »Korrektur« fokussierte. Erst die positive Psychologie beschäftigte sich damit, wie die psychische und körperliche Gesundheit von Menschen verbessert werden kann, indem Ressourcen und positive Eigenschaften gestärkt werden, sodass trotz ungünstiger Umstände Wohlbefinden bestehen bleibt oder wiederhergestellt werden kann. Aus diesem Ansatz stammt auch die Entscheidung, autismusassoziierte Eigenschaften als Unterschiede und nicht als Defekte oder als Defizite zu definieren. In Übereinstimmung damit wird in diesem Buch die Haltung vertreten, dass Autismus nicht per se eine Krankheit ist, sondern zuallererst eine besondere Weise der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung darstellt. Mit diesen Besonderheiten kommen auch Talente und Stärken in den Blick, die Personen nicht trotz, sondern aufgrund ihrer besonderen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung haben. Dennoch kann diese besondere Art der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung durchaus und sogar sehr wahrscheinlich Probleme für das Individuum verursachen, die Leidensdruck erzeugen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mir Wege aufgezeigt haben, wie der konstruktive Umgang mit autismusspezifischen Schwierigkeiten gelingen kann: den vielen autistischen Menschen, die ich im Rahmen der Selbsthilfe kennenlernen durfte, sowie insbesondere Isabel Dziobek, Sandra Stoll und Gisela Gutzmer.

So speist sich dieses Buch sowohl aus Fachwissen als auch aus eigenen Erfahrungen, die ich beide gerne teile. Ich hoffe, dass Sie einiges für sich nutzen können und vor allem entdecken, was Ihnen hilft und guttut. Viel Freude beim Sich-selbst-besser-Kennenlernen wünscht Ihnen

Silke Lipinski

PS: In jedem Buch gibt es Fehler. Der Verlag und ich freuen uns, wenn Lesende uns auf Irrtümer und Lücken hinweisen, damit wir bei einer zweiten Auflage nachbessern können.

Kontakt: [email protected]

1 Diagnose und dann?

Menschen, die erst in den späten Jugendjahren oder im Erwachsenenalter mit Autismus diagnostiziert werden, haben lange ohne Diagnose gelebt oder im Laufe des Lebens Fehldiagnosen erhalten, weil die Fachkräfte, denen sie begegneten, nicht über genug Wissen verfügten. Das bedeutet, dass sie etliche Erfahrungen in einer Gesellschaft gemacht haben, die wenig auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist und oft wenig Verständnis für Menschen mit Besonderheiten hat: Benötigt jemand etwas, das die Mehrheit nicht benötigt (z. B. Schutz vor Lärm), dann ist er komisch. Macht jemand etwas, das die Mehrheit nicht macht (z. B. sich intensiv mit einem Thema beschäftigen), dann wird er als komisch wahrgenommen. Kann jemand etwas nicht, das die Mehrheit kann (z. B. Sprichwörter verstehen), dann wirkt er seltsam und anders. Ohne um die zugrunde liegende andersartige Informationsverarbeitung, Wahrnehmung und das andere Stärken- und Schwierigkeitenprofil von Menschen im Autismus-Spektrum zu wissen, wird man zuerst von Menschen im Umfeld und dann auch meist von sich selbst für alles verantwortlich gemacht, was nicht wie erwartet läuft. Der eigene Selbstwert leidet unter solchen Bedingungen sehr. Dieses Leid kann die richtige Diagnosestellung mindern. Durch das Wissen um Autismus und die damit verknüpften Besonderheiten, wird ein Veränderungsprozess angestoßen, der meist drei Phasen hat: Erleichterung, Ernüchterung und Akzeptanz.

1.1 Erleichterung

Viele Personen, die sich fragen, ob sie autistisch sein könnten, überlegen sich zu Recht gründlich, ob sie eine professionelle Diagnostik anstreben sollten oder nicht. Ist der Entschluss dazu gefasst, dann folgen in den meisten Fällen lange Wartezeiten auf einen Diagnostiktermin. Wird am Ende tatsächlich die Diagnose »Autismus-Spektrum-Störung« gestellt, wird dies zunächst oft als sehr entlastend empfunden. Endlich gibt es eine Erklärung, warum man anders ist als andere. Warum man soziale Situationen so anstrengend findet, in den Augen anderer auf Sinneswahrnehmungen überempfindlich reagiert. Die Diagnose klärt das alles auf. Man weiß dann, dass es tatsächlich Besonderheiten gibt, die man ernst nehmen darf.

Viele suchen dann nach weiteren Informationen. Durch die Beschäftigung mit autistischen Besonderheiten in Büchern, Filmen oder sozialen Medien kann man sich selbst besser kennenlernen. Häufig erklärt sich vor dem Hintergrund dieses Wissens viel im eigenen Lebenslauf und man kann das eigene Verhalten und Empfinden besser verstehen. Auch das Kennenlernen anderer Autisten und die Erkenntnis, nicht ganz allein mit den autismusspezifischen Herausforderungen zu sein, ist eine schöne und unterstützende Erfahrung, die viele in diesem Zeitraum machen.

1.2 Ernüchterung

Nach Erleichterung und vielleicht auch Akzeptanz einzelner eigener Besonderheiten und Bedürfnisse, erfahren die meisten Diagnostizierten früher oder später eine Phase der Ernüchterung.

Das Wissen um die eigenen Besonderheiten bei Informationsverarbeitung und Wahrnehmung führt nicht automatisch dazu, dass jene Lebens- oder Arbeitsbedingungen, unter denen man leidet, verschwinden. Im Gegenteil: Man erkennt vielleicht zum ersten Mal, wie unflexibel oder auch unwillig das eigene Umfeld ist, auch nur kleine Veränderungen zu ermöglichen. Das Hilfesystem, das sich nach der Diagnosestellung zunächst zu öffnen schien, zeigt sich bei genauerem Blick als unzureichend, in manchen Regionen ist es kaum vorhanden. Die Reaktion anderer Menschen auf die Diagnose – sofern man von dieser erzählen mag – fällt manchmal ungläubig und ablehnend aus und es kommt zu Erfahrungen mit Vorurteilen und Stigmatisierung.