Ave Maria - Papst Franziskus (Papst) - E-Book

Ave Maria E-Book

Papst Franziskus (Papst)

0,0

Beschreibung

Treu und loyal, mitfühlend und zärtlich, selbstbewusst und mutig, stark selbst in der schlimmsten Erfahrung, die eine Mutter machen kann: Maria ist Mutter Gottes - und Inspiration, Vorbild, Freundin und Hoffnungsträgerin. All diese Facetten berührt Papst Franziskus im Gespräch mit Marco Pozza über das "Ave Maria". Er stellt die Mutter Jesu vor als junge Frau, die sich auf Gott einlässt, und dadurch den Lauf der Geschichte verändert. Aus den alten Worten des "Ave Maria" gewinnt der Papst Botschaften für heute: für die Kirche und jeden Einzelnen. Seine Betrachtungen zeigen, weshalb dieses Gebet zentral für den Glauben und Millionen Menschen ist, welche Kraft in ihm steckt: "Maria ist in einem umfassenden Sinne Mutter: für jeden Sohn und jede Tochter absolute Aufmerksamkeit, Fürsorge und Nähe. In ihr sehen wir das Herz einer Frau, das, wie das Herz Gottes selbst,unterschiedslos für alle schlägt." "Das Staunen ist eine menschliche Tugend, die heute nicht mehr im Angebot ist. Nimm dir ein Kind, zeig ihm etwas, das seine Aufmerksamkeit erregt: Es staunt sofort. Wenn wir die Fähigkeit des Staunens verlieren, können wir Maria nicht verstehen: Um Maria zu verstehen, muss man wieder Kind werden, das Staunen der Kinder empfinden, "Gegrüßet seist du, Maria" sagen wie ein Kind, mit dem Herzen eines Kindes, mit den Augen des Herzens, die unsere Kultur verloren hat."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 107

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Papst Franziskus

Ave Maria

Die Mutter Gottes und ihr Geheimnis

Mit Marco Pozza

Aus dem Italienischen von Gabriele Stein

Titel der Originalausgabe

Ave Maria

Il Santo Padre ci racconta il misterio di Maria

con le parole della preghiera più amata

Di Papa Francesco con Marco Pozza

© Segreteria per la Comunicazione, Città del Vaticano

©Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano

© 2018 Mondadori Libri S.p.A / Rizzoli, Milan

Für die deutsche Ausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Als deutsche Bibelübersetzung ist zugrunde gelegt:

Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes.

Vollständige deutsche Ausgabe

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2005

E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

ISBN Print: 978-3-451-38710-4

ISBN E-Book: 978-3-451-81829-5

Inhalt

Sichere Hoffnung

Teil I

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade

Der Herr ist mit dir

Du bist gebenedeit unter den Frauen

Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus

Heilige Maria

Mutter Gottes

Bitte für uns Sünder

Jetzt und in der Stunde unseres Todes

Magnifikat

II. Teil

Eine Mutter unter Wölfen

Quellen

Sichere Hoffnung

Mit Jesu Tod und Auferstehung hat Gottvater die neue Schöpfung eingeweiht: eine Lebensweise nach dem Maßstab Gottes.

Denn Jesus ist, wie der Apostel Paulus sagt, »unser Friede; er hat aus den beiden Teilen [Juden und Heiden] eins geschaffen und die trennende Scheidewand niedergerissen« (Eph 2,14).

Dadurch hat er uns allen mit unseren verschiedenen Kulturen, Traditionen und Geschichten die konkrete Möglichkeit eröffnet, wahrhaft eins zu sein wie der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Das ist die Kirche, Gottes heiliges Glaubensvolk, die Familie der Kinder Gottes. Hauptakteur dieses Werks der Versöhnung und Einheit ist der Heilige Geist, der immer Brücken baut, Beziehungen knüpft, Bindungen verstärkt, im Kummer tröstet und die Kraft und Freude der Vergebung und der Barmherzigkeit schenkt.

Denn der Heilige Geist ist der, der unseren Herzen unablässig, Tag und Nacht, die Liebe des Vaters eingießt (vgl. Röm 5,5) und uns so immer mehr zu Kindern Gottes und zu wahren Brüdern und Schwestern untereinander werden lässt.

In diesem Sinne besteht unsere Berufung, das große Geschenk, das der Vater uns gemacht hat, darin, dass wir, obwohl wir arme, kleine, einfache Menschen sind, Christus ähnlich sein, an seinem Leben und seiner Freude teilhaben dürfen, weil er unser großer Bruder ist, der neue Mensch, der wahre Mensch; und in ihm werden auch wir Kinder endlich unserem Vater ähnlich und ähneln einander …

Die Kirche ist also die Gemeinschaft derer, denen die Möglichkeit geboten wird, neue Männer und Frauen zu sein, Männer und Frauen, die den Geist angezogen haben und deren Herz dem Herzen Christi ähnelt: in der vollständigen Selbsthingabe und der bedingungslosen Aufnahme jedes anderen.

Wahr ist aber auch, dass diese Möglichkeit für uns alle eben ein Weg ist: ein oft holpriger und mühsamer Weg, der aus Stürzen und Vorwärtssprüngen besteht und auf dem das Licht der Liebe Gottes noch durch den Schleier unserer Armseligkeiten, unserer Kleingläubigkeit, unserer Liebesversäumnisse verdeckt wird. Und ja: Es ist ein Geschenk des Vaters, dass wir wahrhaft seine Kinder sind, doch unsere Ähnlichkeit mit ihm ist noch nicht realisiert worden, scheint sogar zuweilen bloß ein Trugbild zu sein. Aus all diesen Gründen braucht es viel Geduld, Geduld mit uns und mit den anderen, eine Geduld, die so groß ist wie die des Heiligen Geistes. Denn der Heilige Geist ist, wie ein Schriftsteller sagt, den ich vor Jahren gelesen habe und der mir jetzt wieder in den Sinn kommt, der Meister der langsamen Reifungsprozesse.

Das alles führt dazu, dass wir sehr in Versuchung geraten, den Mut zu verlieren, weil wir trotz vieler Gaben … einfach halsstarrige Menschen sind (vgl. Ex 33,3; 34,9; etc.).

Angesichts dieser drohenden Entmutigung also hat uns der Vater eine Präsenz der sicheren Hoffnung gegeben: einen Haltepunkt, eine Gewissheit, dass das, was er in uns vollbringt, wirksam ist, wenn wir es gläubig und bereitwillig aufnehmen, auch wenn die Resultate noch wenig bedeutend erscheinen.

Maria nämlich ist dieses Meisterwerk des Vaters, die »Begnadete« (Lk 1,28). In ihr sehen wir das Ergebnis des göttlichen Handelns: das, was mit einem Menschen geschieht, der den Heiligen Geist voll und ganz annimmt. Die Person wird ein Glanz – an Güte, Liebe, Schönheit: die »Gesegnete unter den Frauen« (vgl. Lk 1,42). Jesus, der Herr, hat uns, als er am Kreuz starb, Maria zur Mutter gegeben, und zwar genau deshalb, weil sie seine wahre Mutter ist und weil er wirklich unser Bruder geworden ist. Also sehen wir in Maria, Gottes und unser aller Mutter, der Mutter des Auferstandenen und aller, die wir durch die Taufe in ihm auferstehen, den Erfolg dessen, was Gott im Menschen wirkt: das Meisterwerk, das der Herr mit seiner grenzenlosen Geduld in der Kirche, in jedem von uns und in der Gesamtheit des heiligen Gottesvolkes zu verwirklichen sucht und verwirklicht.

Deshalb ist Maria in einem ganz umfassenden Sinne Mutter: für jeden Sohn und jede Tochter absolute Aufmerksamkeit, Fürsorge und Nähe. In ihr sehen wir das Herz einer Frau, das, wie das Herz Gottes selbst, unterschiedslos für alle schlägt. Sie ist wahrhaftig das menschliche Antlitz der grenzenlosen Güte Gottes.

Maria ist die Mutter Jesu, des Gott-Menschen. In ihrem Sohn begegnet sie sowohl Gott als auch dem Menschen; wenn sie mit ihm spricht, wendet sie sich sowohl an Gott als auch an den Menschen. In ihr sehen wir also, dass es wirklich wahr ist: Den Herrn lieben heißt die Menschen wahrhaft lieben und umgekehrt. Und so hilft uns Maria immer und lehrt uns, während wir auf sie blicken, uns unsererseits an den Herrn zu wenden. Es ist kein Zufall, dass Maria in Kana in Galiläa, als sie bemerkt, dass ihren Freunden auf ihrer Hochzeitsfeier der Wein ausgegangen ist, nicht selbst die Initiative ergreift und nach einer Lösung sucht; sie sagt nicht: »Ich kümmere mich darum, tut dieses und jenes …«, sondern verweist im Gegenteil immer auf ihren Sohn, und so rät sie den Dienern: »Was er euch sagt, das tut!« (Joh 2,5).

Deswegen wenden sich die Christen schon immer an sie und suchen Zuflucht bei ihr als derjenigen, die stets auf den Herrn verweist und uns auffordert, in den Anliegen unserer Liebsten, in den heikelsten Problemen, in den verworrensten Situationen rückhaltlos auf ihn zu vertrauen. Dort, wo alles ausweglos scheint, ist Maria »unsere Hoffnung«, denn – wie Dante gesagt hat (vgl. Paradies, XXXIII, 14–15) – wer eine Gnade will und sich nicht an Maria wendet, der ist wie ein Vogel, der ohne Flügel fliegen will …

Nach der Erfahrung des geistlichen Gesprächs, das ich im letzten Jahr mit Don Marco Pozza über das Vater unser geführt habe, schien es mir eine gute Idee, gemeinsam mit ihm ein weiteres Gebet durchzugehen, das uns alle seit Kindertagen begleitet. Das Gegrüßet seist du, Maria wird uns in der Kindheit beigebracht und kommt uns, selbst wenn wir es zwischendurch vernachlässigt haben, besonders in schwierigen Situationen unweigerlich wieder auf die Lippen. Vor allem aber steigt es in unserem Herzen auf.

Der heilige Cyprian von Karthago, afrikanischer Bischof und Märtyrer der Kirche des 3. Jahrhunderts, hat gesagt, dass niemand Gott zum Vater haben kann, der nicht die Kirche zur Mutter hat (Über die Einheit der katholischen Kirche, 6). Und in Maria sehen wir das schönste Gesicht dieser Mutter Kirche, wir sehen den Traum, den der Herr von jedem von uns träumt, und wir sehen die Hoffnung, die in uns wohnt, auch wenn unser Herz noch immer voller Widersprüche ist. Und so macht uns Maria, während sie uns begleitet und uns zeigt, wie gütig der Herr ist (vgl. 1 Petr 2,3), wieder Mut, weil es ihr größter Wunsch ist, uns alle zum Vater zu bringen: So können wir, auch wenn wir oft untereinander entzweit sind, wirklich eine einzige Familie in Jesus werden, der ihr Sohn und unser Herr ist, der König der Barmherzigkeit und das Haupt seines Leibes, der Kirche.

Gott ist unser Vater, und die Kirche zeigt uns in Maria ihr strahlendstes Mutterantlitz.

Teil I

Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade

Don Marco Pozza: Papst Franziskus, von Maria gibt es unzählige Gemälde, Skulpturen, Erzählungen, sie gehört zu den meistgeliebten, den meistgefürchteten und auch den meisterforschten Gestalten – und ist von den Päpsten am energischsten verteidigt worden. Meistgesucht von den Sündern, meistgehasst von Luzifer. Doch nur dem Herrn ist es gelungen, sie zu erobern – mit einem unvergleichlichen Gruß: »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade« (vgl. Lk 1,28). Kein Geschöpf kann sich rühmen, jemals vom Himmel in dieser Weise gegrüßt worden zu sein. Deshalb bewegt es mich tief, das Gegrüßet seist du, Maria zu beten, weil ich dann den Eindruck habe, den Anfang jener Geschichte zu hören, die das Schicksal der Menschheit verändert hat. Es ist eine Verkündigung der Barmherzigkeit, es bedeutet gleichsam, dass Gott einen Neuanfang macht: einen Neuanfang mit einer Frau. Es ist bewegend, sich bewusst zu machen, dass das Christentum auf diese Weise beginnt.

Papst Franziskus: Der Gruß an eine Frau. Gott grüßt eine Frau, er grüßt sie mit einer großen Wahrheit: »Ich habe dich mit meiner Liebe, ich habe dich mit mir selbst angefüllt, und so, wie du von mir erfüllt bist, wirst du auch von meinem Sohn und dann von allen Kindern der Kirche erfüllt sein.« Doch damit ist die Gnade noch nicht erschöpft: Die Schönheit der Mutter Gottes ist eine Schönheit, die Frucht bringt, eine mütterliche Schönheit. Vergessen wir das nicht: Gott grüßt eine Frau, die vom ersten Moment an Mutter ist, die schon im Augenblick der Empfängnis als Mutter dargestellt wird.

Es ist merkwürdig, dass Marias Biografie im Stillschweigen versinkt, als hätten die Evangelisten die Privatsphäre dieser außergewöhnlichen Frau beschützen wollen. Man möchte sagen, dass Maria aus der Stille kommt – so, wie man sagt, dass jemand aus einem bestimmten Land kommt. Papst Franziskus, wie stellen Sie sich die Etappen in Marias Leben vor, von ihrer Geburt bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel?

Von ihrer Geburt bis zur Verkündigung, dem Moment der Begegnung mit dem Engel Gottes, stelle ich sie mir wie ein normales Mädchen vor, ein Mädchen von heute, nicht gerade ein Stadtmädchen, denn sie kommt aus einem kleinen Dorf, aber normal, normal, normal erzogen, bereit zu heiraten, eine Familie zu gründen. Ich stelle mir vor, dass sie die heiligen Schriften liebte: Sie kannte die Schriften, sie war darin unterrichtet worden, aber in der Familie, mit dem Herzen. Dann, nach der Empfängnis Jesu, wieder eine normale Frau: Maria ist die Normalität, sie ist eine Frau, von der jede beliebige Frau auf dieser Welt sagen darf, dass sie sie nachahmen kann. Nichts an ihrem Leben ist seltsam, sie ist eine normale Mutter: Auch in ihrer jungfräulichen Ehe, ihrer Keuschheit im Rahmen der Jungfräulichkeit, war Maria normal. Sie hat gearbeitet, die Einkäufe erledigt, ihrem Sohn geholfen, ihrem Mann geholfen: ganz normal.

In einem der Psalmen gibt es einen wunderbaren Vers: »Schön bist du wie keiner unter den Menschen« (45,3). Mir gefällt der Gedanke, dass der Schönste unter den Menschen letztlich hingegangen ist und sich die Schönste aller Frauen gesucht hat: Darum geht es doch eigentlich bei der Unbefleckten Empfängnis. Zuweilen erschreckt mich das sogar: all diese Schönheit, die sich in einer einzigen Geschichte verbirgt. Aber mich beeindruckt der Stil: Maria tritt auf Zehenspitzen in die Geschichte ein und geht auf Zehenspitzen wieder hinaus. Das ist auch der Stil ihres Sohnes. Aber was bedeutet das konkret, dass Maria ohne Erbsünde geboren ist?

Das bedeutet, dass sie, wie ich gerne sage, sogar noch vor Eva geboren ist. Aus chronologischer Sicht trifft das nicht zu, aber mir gefällt die Vorstellung, dass sie vor dem Moment geboren ist, als Eva betrogen, als sie verführt wurde, weil Maria kein Opfer dieses Betrugs geworden ist, weil für sie keine Konsequenzen entstanden. Doch sie ist auch danach geboren, weil aus Sicht der Kirche, die nicht irren kann, die Neu-Schöpfung wichtiger ist als die Schöpfung. Die Schöpfung beginnt mit Adam und dann Eva, und beide gemeinsam sind nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen worden. Die Neu-Schöpfung beginnt von Maria aus: einer alleinstehenden Frau. Wir können an die alleinstehenden Frauen denken, die zuhause alles in Gang halten, die alleine die Kinder erziehen. Maria ist sogar noch alleinstehender als sie. Allein beginnt sie diese Geschichte, die dann mit Josef und der Familie weitergeht; aber am Anfang ist die Neu-Schöpfung ein Zwiegespräch zwischen Gott und einer alleinstehenden Frau.

Dieser Übergang ist wesentlich: Die christliche Geschichte beginnt mit einer Frau, die fähig ist zu staunen. Ein Dichter hat einmal gesagt, dass jemand, der die Fähigkeit des Staunens verliert, vorzeitig altert. Man möchte beinahe sagen, dass jemand, der nicht überrascht sein kann – sich nicht von Gott überraschen lassen kann –, nicht weiß, was er in seinem Leben versäumt.