Baccara Extra Band 29 - Maya Banks - E-Book

Baccara Extra Band 29 E-Book

Maya Banks

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Beschreibung

UNVERGESSLICH WIE DEINE LEIDENSCHAFT von Maya Banks
Fassungslos sieht Kelly, wer im Restaurant sitzt: Ryan! Sie waren ein Herz und eine Seele, bis eine Lüge seiner Mutter ihr Glück zerstörte. Kellys süßes Geheimnis kann er nun auf den ersten Blick sehen. Warum ist er bloß hier? Er glaubt doch immer noch nicht, dass es sein Baby ist …

VIER WOCHEN IM PARADIES von MAUREEN CHILD
Mia stimmt zu, vier Wochen lang die Verlobte ihres reichen Nachbarn zu spielen – unter der Bedingung, dass ihre „Beziehung“ an der Schlafzimmertür endet. Doch gegen Daves Charme hat sie keine Chance – auch wenn sie weiß, dass er nach einem Monat aus ihrem Leben verschwinden wird.

FÜR IMMER IN DEINEN STARKEN ARMEN von JANICE MAYNARD
Beths Nachbar Drew ist ein heißer Typ – unbestritten. Doch auch so arrogant! Gerade als sie zu einem neuen Wortgefecht ansetzen, tobt ein Tornado übers Land. In letzter Sekunde retten sie sich in Beths Keller – wo sie unvermittelt in Drews starken Armen landet …

MEIN MONAT MIT DEM MILLIONÄR von MICHELLE CELMER
„Warum sollte ich dir helfen?“ Die Worte des Ölmagnaten Emilio Suarez treffen Isabelle hart. Einst gehörte sie zur High-Society, jetzt ist sie verarmt und angeklagt – nur Emilio kann ihr helfen! Aber seine Bedingung ist ungeheuerlich: Sie soll sein Dienstmädchen sein – und seine Geliebte!

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Maya Banks, Maureen Child, Janice Maynard, Michelle Celmer

BACCARA EXTRA, BAND 29

IMPRESSUM

BACCARA EXTRA, erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe BACCARA EXTRA,, Band 29 10/2022

© 2011 by Maya Banks Originaltitel: „Wanted by Her Lost Love“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Brigitte Bumke Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1733

© 2013 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „The Lone Star Cinderella“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Roswitha Enright Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1838

© 2014 by HARLEQUIN ENTERPRISES ULC Originaltitel: „Stranded with the Rancher“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Roswitha Enright Deutsche Erstausgabe 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1892

© 2011 by Michelle Celmer Originaltitel: „One Month with the Magnate“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Kai Lautner Deutsche Erstausgabe 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1734

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751510387

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Unvergesslich wie deine Leidenschaft

1. KAPITEL

„Man könnte glatt glauben, dass an der Ehe doch etwas dran ist, oder?“, meinte Ryan Beardsley, während er zusah, wie sein Freund Rafael de Luca mit seiner strahlenden Braut Bryony tanzte.

Der Hochzeitsempfang fand in dem kleinen, schlichten Gemeindesaal von Moon Island statt. Es war nicht gerade der Rahmen, der Ryan für die Hochzeit eines Freundes vorschwebte. Aber wahrscheinlich war es passend, dass Rafe und Bryony hier auf der Insel heirateten, wo ihre Beziehung begonnen hatte.

Die Braut strahlte wirklich, und ihr Babybauch machte sie noch hübscher. Die beiden hielten sich mitten auf der improvisierten Tanzfläche so verträumt in den Armen, dass man den Eindruck hatte, sie hätten die Welt ringsum vergessen. Rafe wirkte, als hätte er das große Los gezogen, und vielleicht hatte er das ja auch.

„Sie sehen schon fast abstoßend glücklich aus“, erwiderte Devon Carter, der neben Ryan stand.

„Ja, das kann man wohl sagen.“

Ryan musste lachen, weil sein Freund richtig verdrießlich dreinschaute. Devon war selbst nicht weit vom Traualtar entfernt, und ihm war gar nicht wohl dabei. Trotzdem konnte Ryan nicht widerstehen. Er musste Dev einfach ein wenig piesacken.

„Zieht Copeland immer noch die Daumenschrauben an?“

„Und wie. Er meint, ich muss Ashley heiraten. Punkt. Er wird nicht lockerlassen, bis ich einwillige. Und da wir das Ferienresort ja jetzt woanders bauen, bin ich bereit für den nächsten Schritt. Ich will nicht, dass er das Vertrauen in mich verliert, weil dieser Deal geplatzt ist. Es gibt nur ein Problem: Er besteht auf einer Verlobungszeit, damit Ashley sich an mich gewöhnen kann. Man könnte meinen, der Mann lebt im vorletzten Jahrhundert. Wer arrangiert heutzutage noch für seine Tochter eine Heirat, verdammt noch mal? Und warum sollte eine Heirat Bestandteil eines Geschäftsabschlusses sein? Das will mir nicht in den Kopf.“

„Man könnte es ganz sicher schlechter treffen.“ Ryan musste daran denken, dass er selbst nur knapp einer solchen Ehe entkommen war.

„Immer noch keine Nachricht von Kelly?“

„Nein. Aber ich habe ja gerade erst angefangen zu suchen. Sie wird schon noch auftauchen.“

„Mann, warum machst du das überhaupt? Vergiss sie. Leb dein Leben weiter. Ohne sie bist du besser dran. Es ist verrückt, ihr hinterherzulaufen.“

„Klar bin ich ohne sie besser dran. Ich suche ja nicht nach ihr, um wieder mit ihr zu leben.“

„Warum hast du dann einen Privatdetektiv engagiert, um sie zu finden? Du solltest die Vergangenheit ruhen lassen. Vergiss Kelly.“

Ryan schwieg eine ganze Weile. Er konnte diese Frage nicht wirklich beantworten. Wie sollte er erklären, dass er unbedingt wissen wollte, wo Kelly war? Was sie machte. Ob es ihr gut ging. Das alles sollte ihm egal sein, verdammt. Er sollte sie wirklich vergessen, aber er konnte es nicht.

„Ich will ein paar Antworten“, murmelte er schließlich. „Sie hat den Scheck, den ich ihr gegeben habe, nie eingelöst. Ich möchte nur sicher sein, dass ihr nichts passiert ist.“

Er fand selbst, dass das eine lahme Begründung war.

Devon zog eine Braue hoch und trank einen Schluck von seinem Wein. „Nach dem, was sie sich geleistet hat, kommt sie sich bestimmt ziemlich idiotisch vor. Ich würde auch lieber unsichtbar bleiben.“

Ryan hob die Schultern. „Kann schon sein.“ Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckte. Warum machte er sich deswegen Gedanken? Was ging es ihn an?

Warum hatte sie den Scheck nicht eingelöst?

Warum konnte er sie nicht vergessen? Sie verfolgte ihn regelrecht. Seit sechs Monaten verwünschte er sie. Er lag nachts wach und fragte sich, wo sie war und ob es ihr gut ging. Und er hasste sich dafür, dass er sich solche Sorgen machte. Auch wenn er sich sicher war, dass er sich unter den gegebenen Umständen um jede Frau sorgen würde.

„Deine Zeit und dein Geld“, riss Devon Ryan aus seinen Gedanken. „Ach, da ist ja Cam. War mir nicht sicher, ob er seine Festung tatsächlich verlassen würde, um zur Hochzeit zu kommen.“

Cameron Hollingsworth bahnte sich seinen Weg durch die Gäste. Er war groß und breitschultrig, und seine finstere Miene verlieh ihm etwas Unnahbares. Doch wenn er mit seinen Freunden zusammen war, konnte er sich durchaus entspannen.

Allerdings waren Ryan, Devon und Rafe die Einzigen, die er als solche ansah.

„Tut mir leid, dass ich zu spät dran bin.“ Camerons Blick wanderte über die Tanzfläche und blieb an Rafe und Bryony hängen. „Wie war denn die Trauung?“

„Ach, wunderschön“, antwortete Devon. „Ich schätze, genau so, wie eine Frau sie sich erträumt. Rafe war das völlig egal. Für ihn zählt nur, dass Bryony jetzt seine Frau ist.“

Cam lachte auf. „Der Ärmste. Ich weiß nicht, ob ich ihm gratulieren oder kondolieren soll.“

Ryan lächelte. „Bryony ist eine tolle Frau. Rafe kann von Glück sagen, dass er sie hat.“

Devon nickte, und selbst Cameron zeigte den Anflug eines Lächelns. Dann wandte er sich mit spöttisch funkelnden Augen an Devon.

„Man hört, du seist selbst drauf und dran, vor den Altar zu treten.“

Devon fluchte leise, während er sich an seinem Weinglas festhielt. „Lass uns Rafes Hochzeit feiern, statt von meiner Hochzeit zu reden. Mich interessiert viel mehr, ob du es geschafft hast, das neue Grundstück für unser Hotel zu kaufen. Denn Moon Island ist ja jetzt offiziell tabu.“

Cam tat schockiert. „Du hast Zweifel? Dann lass dir sagen, dass jetzt zwanzig Morgen in Toplage direkt am Strand von St. Angelo uns gehören. Es war ein guter Abschluss. Und es kommt noch besser: Wir können anfangen zu bauen, sobald wir die Leute dafür hingebracht haben. Wenn wir uns ranhalten, schaffen wir fast noch unseren ursprünglichen Termin für die große Eröffnung.“

Ihre Blicke wanderten automatisch zu Rafe, der immer noch eng umschlungen mit seiner Braut tanzte. Ja, der Mann hatte sie um Längen zurückgeworfen, als er das Bauvorhaben auf Moon Island gestoppt hatte. Aber Rafe sah so verdammt glücklich aus, dass er ihm einfach nicht böse sein konnte.

Ryans Handy vibrierte, und er zog es aus seiner Hosentasche. Er wollte den Anruf schon ignorieren, als er sah, wer da anrief. „Entschuldigung, diesen Anruf muss ich annehmen.“

Gleich darauf trat Ryan ins Freie. Die sanfte Meeresbrise zerzauste ihm das Haar, und er atmete tief die salzige Luft ein.

Das Wetter war der Jahreszeit entsprechend, aber kein bisschen heiß. Einen perfekteren Tag konnte man sich nicht wünschen, besonders für eine Hochzeit am Strand.

Mit Blick auf die Wellen in der Ferne meldete er sich.

„Ich glaube, ich habe sie gefunden“, sagte sein Privatdetektiv ohne lange Vorrede.

Ryan versteifte sich. „Wo?“

„Ich hatte noch keine Zeit, jemanden hinzuschicken, um sie näher anzusehen. Ich habe die Information erst vor ein paar Minuten erhalten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es ist, und das wollte ich Sie umgehend wissen lassen. Bis morgen sollte ich Näheres erfahren.“

„Wo ist sie?“, wiederholte Ryan.

„Houston. Sie arbeitet dort in einem Diner. Zuerst gab es eine Verwechslung mit ihrer Sozialversicherungsnummer. Ihr Arbeitgeber hat sie falsch gemeldet. Als er sie korrigiert hat, erschien ihr Name auf meinem Bildschirm. Bis morgen Nachmittag habe ich Fotos und einen umfassenden Bericht für Sie.“

Houston. Die Ironie des Ganzen entging Ryan nicht. Die ganze Zeit über war er in ihrer Nähe gewesen, ohne es zu ahnen.

„Nein, ich werde hinfahren. Ich bin schon in Texas. In ein paar Stunden kann ich in Houston sein.“

Am anderen Ende der Leitung war es still. „Sir, vielleicht ist sie es doch nicht. Ich würde gern eine Bestätigung der Angaben haben, bevor Sie eine überflüssige Fahrt unternehmen.“

„Sie sagten, Sie seien sich ziemlich sicher, dass sie es ist. Falls es ein Irrtum ist, werde ich Sie nicht dafür verantwortlich machen.“

„Soll ich meinen Mitarbeiter also nicht hinschicken?“

Ryan zögerte. „Falls es Kelly ist, werde ich das rausbekommen. Falls nicht, sage ich Ihnen Bescheid, damit Sie Ihre Suche fortsetzen können. Sie brauchen niemanden nach Houston zu schicken. Ich fahre selbst hin.“

Im strömenden Regen fuhr Ryan zu dem kleinen Café in West-Houston, wo Kelly als Kellnerin arbeitete. Es hätte ihn nicht überraschen sollen. Als sie sich kennenlernten, hatte sie in einem schicken Café in New York bedient. Aber der Scheck, den er ihr gegeben hatte, hätte es ihr ermöglicht, eine ganze Weile nicht zu arbeiten. Er hatte gedacht, sie würde an die Uni zurückkehren. Selbst als sie sich verlobt hatten, hatte Kelly den Wunsch geäußert, ihr Studium abzuschließen. Er hatte das zwar nicht verstanden, aber ihren Entschluss unterstützt. Der Egoist in ihm hätte es lieber gesehen, wenn sie vollkommen abhängig von ihm gewesen wäre.

Warum hatte sie den Scheck nicht eingelöst?

Nachdem er Rafe und Bryony herzlich gratuliert hatte, war er mit der Fähre nach Galveston gefahren. Weder Cam noch Dev hatte er gesagt, dass er Kelly gefunden hatte, sondern nur, dass er sich um eine wichtige geschäftliche Angelegenheit kümmern müsse. Als er in Houston angekommen war, war es schon spät gewesen. Also hatte er eine schlaflose Nacht in einem Hotel verbracht.

Seit er am Morgen losgefahren war, regnete es ununterbrochen. Ein Blick auf das Navi sagte ihm, dass er noch ein paar Blocks von seinem Ziel entfernt war. Es frustrierte ihn, dass jede Ampel auf Rot sprang und er halten musste. Warum er es eilig hatte, wusste er nicht. Nach Auskunft seines Privatdetektivs arbeitete Kelly schon eine Weile in dem Café. Sie würde nicht weggehen.

Ihm schwirrten tausend Fragen durch den Kopf, aber er würde erst dann Antworten darauf finden, wenn er Kelly zur Rede gestellt hatte.

Ein paar Minuten später parkte er vor einem kleinen Diner, über dem ein schiefes Donut-Schild hing. Was für ein Laden. Warum arbeitete Kelly ausgerechnet hier?

Er betrat das Café und schaute sich um, ehe er in einer Nische Platz nahm. Eine Kellnerin, die nicht Kelly war, brachte ihm eine Speisekarte.

„Nur einen Kaffee.“

„Wie Sie möchten.“

Kurz darauf stellte sie die Tasse so resolut auf den Tisch, dass der Kaffee überschwappte. Mit einem entschuldigenden Lächeln warf sie Ryan eine Serviette hin.

„Sagen Sie einfach Bescheid, wenn ich Ihnen noch irgendetwas bringen soll.“

Er war kurz davor, sie nach Kelly zu fragen, als er in einiger Entfernung eine Serviererin an einem der Tische stehen sah. Sie wandte ihm den Rücken zu.

Das war sie. Er wusste es sofort.

Ihr honigblondes Haar war länger und zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber sie war es. Er spürte es instinktiv, und sein Herz klopfte sofort schneller, selbst nach all den Monaten.

Dann drehte sie sich zur Seite und wandte ihm das Profil zu, und Ryan wich alles Blut aus dem Gesicht.

Was, um Himmels willen …

Ihr runder Bauch ließ keinen Zweifel zu.

Sie war schwanger. Hochschwanger. So, wie es aussah, sogar noch weiter in ihrer Schwangerschaft als Bryony.

Genau in dem Moment, als sie sich ganz umdrehte, sah er hoch, und ihre Blicke begegneten sich. Schockiert starrte sie ihn aus ihren blauen Augen quer durch den Raum an. Auch sie hatte ihn sofort erkannt. Aber warum sollte sie sich auch weniger an ihn erinnern als er sich an sie?

Ehe er reagieren konnte, wurde ihr Blick eiskalt vor Wut. Ihre zarten Gesichtszüge verhärteten sich, und Ryan sah von seinem Platz aus, dass sie die Zähne zusammenbiss.

Welchen Grund hatte sie, dermaßen wütend zu sein, verdammt noch mal?

Sie ballte die Hände zu Fäusten, fast so, als würde sie ihm liebend gern einen Kinnhaken versetzen. Dann wandte sie sich wortlos um und verschwand durch die Schwingtür in Richtung Küche.

Ryan kniff die Augen zusammen. Okay, das war nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Dabei war er gar nicht sicher, was er eigentlich erwartet hatte. Dass sie sich unter Tränen entschuldigte? Dass sie ihn flehentlich darum bat, sie wieder aufzunehmen? Jedenfalls hatte er nicht erwartet, dass sie hochschwanger war und in einem Laden bediente, der eher zu jemandem passte, der die Highschool abgebrochen hatte, als zu einer Studentin wie Kelly, die auf dem Weg zu einem glänzenden Studienabschluss war.

Schwanger. Er atmete tief durch, um sich zu fassen. In welchem Monat war sie wohl genau? Mindestens im siebten.

Ihm wurde ganz anders, und sein Atem stockte.

Falls sie wirklich im siebten Monat schwanger war, war es womöglich sein Kind.

Oder das seines Bruders.

Kelly Christian stürzte in die Küche. Leise vor sich hinschimpfend versuchte sie, die Schnürbänder ihrer Schürze aufzuknoten. Ihre Hände zitterten so sehr, dass es ihr einfach nicht gelingen wollte.

Schließlich zog sie so heftig daran, dass die Schürze zerriss. Da warf sie sie einfach über den Haken, der für die Schürzen der Kellnerinnen vorgesehen war.

Warum war er hier? Sie hatte sich keine große Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen. Ja, sie hatte New York verlassen, und damals hatte sie nicht gewusst, wohin ihr Weg sie führen würde. Es war ihr egal gewesen. Aber sie hatte auch nichts getan, weshalb sie sich verstecken müsste. Das hieß, er hätte sie jederzeit finden können. Warum jetzt? Aus welchem Grund sollte er sie nach sechs Monaten suchen?

Sie glaubte nicht an Zufälle. Dieses Café war kein Lokal, in das Ryan Beardsley zufällig kam. Nicht standesgemäß. Seine erlesene Familie würde lieber sterben, als ihrem Gaumen etwas zuzumuten, was nicht mindestens in einem Fünfsternerestaurant serviert wurde.

Wow, Kelly, so verbittert?

Sie schüttelte den Kopf, wütend auf sich selbst, weil sie so heftig auf diesen Mann reagierte.

„He, Kelly, was ist los?“

Kelly drehte sich um. Ihre Kollegin Nina stand mit besorgter Miene in der Küchentür.

„Mach die Tür zu“, zischte Kelly und machte Nina ein Zeichen, hereinzukommen.

„Ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als ginge es dir nicht gut, Kelly. Ist was mit deinem Baby?“

Um Gottes willen, das Baby! Ryan müsste schon blind sein, um ihren Babybauch zu übersehen. Sie musste weg von hier.

„Ja, es geht mir gar nicht gut“, schwindelte sie. „Sag Ralph, dass ich wegmusste.“

Nina runzelte die Stirn. „Er wird nicht begeistert sein. Du weißt ja, was er davon hält, wenn wir auf der Arbeit fehlen. Wenn wir nicht gerade ein Bein oder einen Arm verloren haben oder Blut spucken, hat er kein Verständnis dafür, wenn man nicht zur Stelle ist.“

„Dann sag ihm, dass ich gekündigt habe“, murmelte Kelly auf dem Weg zum Hinterausgang. An der Tür blieb sie kurz stehen. „Tu mir einen Gefallen, Nina. Es ist wichtig, okay? Falls jemand im Diner nach mir fragt – egal wer: Du weißt rein gar nichts.“

„Kelly, bist du irgendwie in Schwierigkeiten?“

Ungeduldig schüttelte Kelly den Kopf. „Ich bin nicht in Schwierigkeiten. Ich schwöre es. Es geht um meinen … meinen Ex. Er ist ein richtiger Mistkerl. Ich habe ihn vor einer Minute vorn im Diner sitzen sehen.“

Entrüstet presste Nina die Lippen aufeinander. „Geh nur, meine Liebe. Ich kümmere mich hier schon um alles.“

„Danke.“

Gleich darauf eilte Kelly die schmale Straße hinter dem Café hinunter. Ihr Apartment lag nur zwei Blocks entfernt. Sie würde nach Hause gehen und sich überlegen, was um alles in der Welt sie als Nächstes tun sollte.

Fast wäre sie auf halbem Weg stehen geblieben. Warum lief sie eigentlich weg? Sie hatte nichts zu verbergen. Sie hatte nichts Schlimmes getan. Was sie hätte tun sollen, war, quer durchs Café zu marschieren, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Stattdessen lief sie weg.

Als sie die Treppen zu ihrer Wohnung im ersten Stock hinauflief, nahm sie immer zwei Stufen auf einmal. Sobald sie drinnen war, schloss sie die Tür und sank mit dem Rücken dagegen.

Tränen traten ihr in die Augen. Sie war wütend. Wie konnte es sein, dass es sie so aus der Fassung brachte, Ryan Beardsley wiederzusehen? Nein, sie wollte ihm nicht gegenübertreten. Sie wollte ihn nie wieder sehen. Nie wieder sollte jemand die Macht haben, sie so zu verletzen wie er. Nie wieder.

Automatisch legte sie die Hände auf ihren Bauch und rieb ihn behutsam. Dabei war sie nicht sicher, wen sie damit mehr trösten wollte: ihr Baby oder sich selbst.

„Es war idiotisch, ihn zu lieben“, flüsterte sie. „Idiotisch zu glauben, ich könnte zu ihm passen und seine Familie würde mich akzeptieren.“

Kelly fuhr zusammen, als die Tür hinter ihr vibrierte, weil jemand anklopfte. Ihr Herz schlug schneller, und sie starrte auf ihre Wohnungstür, als könnte sie durch sie hindurchsehen.

„Kelly, mach die blöde Tür auf. Ich weiß, dass du da bist.“

Ryan. Um Gottes willen. Der Allerletzte, dem sie die Tür öffnen wollte.

Sie stützte sich gegen die Tür, unsicher, ob sie ihn einfach ignorieren oder antworten sollte.

Der zweite Schlag gegen ihre Tür war so heftig, dass sie erschreckt die Hand wegriss.

„Geh weg!“, rief sie schließlich. „Ich habe dir nichts zu sagen.“

Plötzlich erbebte die Tür und flog auf. Hastig machte Kelly einige Schritte rückwärts. Dabei hielt sie die Arme schützend vor ihren Babybauch.

Ryan stand im Türrahmen, groß und beeindruckend wie eh und je. Bis auf ein paar neue Fältchen um seinen Mund und seine Augen herum sah er unverändert aus. Eingehend betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Sie schien nichts vor ihm verbergen zu können. Er hatte es schon immer verstanden, ihr direkt ins Herz zu sehen. Nur das eine Mal nicht, als es am meisten darauf angekommen wäre.

Erneut durchzuckte Kelly ein heftiger Schmerz. Zum Teufel mit ihm! Was wollte er noch alles tun, um sie zu verletzen? Er hatte sie doch schon vollkommen erledigt.

„Verschwinde.“ Sie war richtig stolz darauf, wie ruhig ihre Stimme klang. „Verschwinde, oder ich rufe die Polizei. Ich habe nichts mit dir zu bereden. Jetzt nicht. Und auch nicht später.“

„Das ist schade“, Ryan trat näher, „denn ich habe jede Menge mit dir zu bereden. Zuallererst einmal würde ich nämlich gern wissen, von wem du schwanger bist.“

2. KAPITEL

Kelly zwang sich, Ryan nicht wütend anzuschreien, auch wenn ihre Emotionen in ihr hochkochten. „Das geht dich nichts an.“

„Das tut es sehr wohl, falls ich der Vater bin.“

Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte sie ihn an. „Wie kommst du denn darauf?“

Es war geradezu grotesk, dass ein Mann, der ohne Weiteres bereit gewesen war, zu glauben, dass sie mit jeder Menge anderer ins Bett gehüpft war, in ihr Apartment eindrang und wissen wollte, ob sie von ihm schwanger war oder nicht.

„Verdammt, Kelly, wir waren verlobt. Wir haben zusammengelebt und waren oft intim. Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, ob es mein Kind ist.“

Skeptisch betrachtete sie ihn einen Moment. „Woher soll ich das wissen? Schließlich war ich mit wahnsinnig vielen anderen Männern zusammen, unter anderem mit deinem Bruder.“ Achsel zuckend wandte sie sich ab und ging in die Küche.

Er folgte ihr dicht auf den Fersen, und sie spürte seinen Ärger fast körperlich. „Kelly, du bist eine Hexe. Eine kalte, berechnende Hexe. Ich habe dir alles gegeben, und du hast es für einen Seitensprung weggeworfen.“

Sie fuhr herum und war kurz davor, ihm eine schallende Ohrfeige zu verpassen. „Verschwinde! Verschwinde, und komm nie wieder zurück.“

„Ich gehe nirgendwohin, Kelly. Nicht bevor du mir gesagt hast, was ich wissen will.“

Sie lachte auf. „Es ist nicht dein Baby. Zufrieden? Und jetzt geh.“

„Dann ist also Jarrod der Vater?“

„Warum fragst du ihn nicht selbst?“

„Wir reden nicht über dich.“

„Tja, und ich will über keinen von euch beiden reden. Ich will, dass du meine Wohnung verlässt. Es ist nicht dein Baby. Verschwinde aus meinem Leben. Ich bin aus deinem verschwunden, wie du verlangt hast.“

„Du hast mir keine andere Wahl gelassen.“

„Wahl? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich eine hatte. Du hast die Wahl für uns beide getroffen.“

„Du bist eine ganz schön harte Nuss, Kelly. Immer noch das unschuldige Opfer, wie ich sehe.“

Sie ging zur Haustür und hielt sie ihm schweigend auf.

Ryan verharrte reglos. „Warum lebst du so, Kelly? Es will mir nicht in den Kopf, warum du getan hast, was du getan hast. Ich hätte dir alles gegeben. Mensch, selbst bei unserer Trennung habe ich dir noch ganz schön viel Geld gegeben, weil ich nicht wollte, dass es dir an nichts mangelt. Um jetzt mitzubekommen, dass du in ärmlichsten Verhältnissen wohnst und einen Job hast, der weit unter deinen Möglichkeiten liegt.“

Kelly verspürte einen Anflug von Hass. Ja, so war es: Sie liebte und hasste ihn zugleich. Ihr Schmerz war so groß, dass es ihr den Atem verschlug. Sie dachte an den Tag zurück, als sie vor Ryan gestanden hatte, verzweifelt und völlig am Boden zerstört. Und wie er seine Unterschrift unter einen Scheck gesetzt und ihn ihr verächtlich hingeschoben hatte.

Sein Blick hatte ihr gesagt, dass er sie nicht liebte, nie geliebt hatte. Er vertraute ihr nicht.

Als sie ihn mehr gebraucht hatte als je zuvor, hatte er sie im Stich gelassen. Er hatte sie wie eine Hure behandelt.

Das würde sie ihm nie verzeihen.

Langsam wandte sie sich um und ging mit schweren Schritten zur Küchenschublade hinüber, in der sie den zerknitterten Umschlag mit dem Scheck verwahrte. Er erinnerte sie an zerbrochene Träume und allerschlimmsten Verrat. Sie hatte ihn sich oft angesehen, aber geschworen, nie in eine Bank zu gehen, um ihn einzulösen.

Mit dem Umschlag in der Hand kehrte sie zu Ryan zurück, der sie mit undurchdringlicher Miene betrachtete. Sie zerknüllte den Umschlag und warf ihn ihm an den Kopf.

„Hier hast du deinen Scheck. Nimm ihn und verschwinde endlich aus meinem Leben.“

Er hob den Umschlag auf, glättete ihn und zog den zerknitterten Scheck heraus. Dann schaute er sie wieder mit gerunzelter Stirn an. „Das verstehe ich nicht.“

„Du hast nie etwas verstanden. Wenn du nicht gehst, gehe eben ich.“

Ehe er sie daran hindern konnte, war sie zur Tür hinaus und warf sie ins Schloss.

Ryan starrte immer noch ungläubig auf den Scheck in seiner Hand. Warum? Kelly benahm sich, als sei er der reinste Abschaum. Was, verdammt noch mal, hatte er ihr je getan, außer sicherzustellen, dass sie versorgt war?

Als er sich in der Wohnung umschaute, fiel ihm auf, wie renovierungsbedürftig sie war, wie billig das Mobiliar. Zwei Türen des Küchenschranks hingen schief in den Angeln, und er war völlig leer. Überhaupt keine Lebensmittel.

Fluchend stellte er fest, dass auch im Kühlschrank nur eine Tüte Milch, eine halbe Packung Käse und ein Glas Erdnussbutter standen.

Als er auch in den übrigen Schränken rein gar nichts Essbares fand, wurde er immer wütender. Wovon lebte Kelly? Und vor allem: Warum lebte sie in solchen Verhältnissen?

Kopfschüttelnd betrachtete er noch einmal den Scheck. Der Betrag war hoch genug, um davon ein paar Jahre bescheiden, aber gut zu leben.

An einigen Stellen war die Tinte verschmiert, und er wies diverse Fingerabdrücke auf. Warum hatte sie ihn nie eingelöst? Ryan hatte so viele Fragen, dass er sie gar nicht klar formulieren konnte.

Hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie sich damals so verhalten hatte? Schämte sie sich, von ihm Geld anzunehmen, nachdem sie ihn betrogen hatte?

Eins stand fest: Er würde nicht einfach wieder gehen. Es gab zu viele Fragen, auf die er Antworten haben wollte. Warum lebte sie in dieser schäbigen Wohnung und hatte einen Job, der ihr offenbar nicht genug Geld einbrachte, um sie zu ernähren, geschweige denn ein vernünftiges Leben zu führen? Was um alles in der Welt würde sie tun, wenn das Baby kam? Ob es nun sein Baby war oder nicht, es war ihm nicht egal. Nicht, nachdem sie ihm einmal so viel bedeutet hatte.

Sie gab nicht auf sich acht. Früher hatte immer er auf sie achtgegeben, und das würde er jetzt wieder tun. Egal ob ihr das passte oder nicht.

Hinter ihrem Wohnhaus bog Kelly in eine Nebenstraße ein. Sie ging nicht ins Diner, obwohl das am vernünftigsten gewesen wäre. Einen Tag keinen Lohn zu bekommen war nicht so schlimm, aber das fehlende Trinkgeld würde bei ihren kläglichen Ersparnissen schon ins Gewicht fallen.

Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Zeit, um sich zu fassen. Und Ryan würde schnurstracks ins Diner zurückkehren, um sie noch einmal zur Rede zu stellen.

Es hatte aufgehört zu regnen, doch dunkle Wolken in der Ferne kündigten weiteren Regen im Laufe des Tages an.

Kelly spürte Tränen aufsteigen. Aber sie war fest entschlossen, sich durch ihr unerwartetes Wiedersehen mit Ryan nicht aus der Bahn werfen zu lassen.

Der kleine Spielplatz in der Nähe ihrer Wohnung war verlassen, und sie setzte sich auf eine der Bänke, ganz benommen von widerstrebenden Gefühlen: Wut, Kummer und Schock.

Warum war Ryan hergekommen?

Offensichtlich war ihre Schwangerschaft eine große Überraschung für ihn. Doch ihr Treffen war ganz sicher kein seltsamer Zufall.

In den letzten Monaten hatte sie viel über ihre Beziehung nachgedacht, obwohl sie alles getan hatte, um ihn zu vergessen.

Ihr war einiges klar geworden. Sie hatten es viel zu eilig gehabt. Angefangen mit ihrer ersten Begegnung in dem Café, in dem sie ihn bedient hatte, bis hin zu ihrer überstürzten Verlobung hatte sie sich nicht die Zeit genommen, sich seiner sicher zu sein. Oh, ihrer selbst war sie sich sicher. Sie hatte sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Sie hatte sich auf ihn eingelassen, ohne zu hinterfragen, wie er zu ihr stand. Ob er sie auch liebte.

Die Hindernisse waren ihr damals unbedeutend erschienen. Er stand gesellschaftlich weit über ihr, aber sie war naiv genug gewesen, anzunehmen, dass Liebe alle Schranken überwinden würde und dass es egal war, ob seine Familie oder Freunde sie ablehnten. Sie würde sich als würdig erweisen, seinen Lebensstil mit ihm teilen.

Nein, sie hatte weder sein Vermögen noch seine Beziehungen, seine Erziehung oder seine Herkunft. Aber wem war das alles heutzutage überhaupt noch wichtig?

Sie war eine Närrin gewesen. Sie hatte ihr Studium vorläufig aufgegeben, weil sie alle Hände voll damit zu tun gehabt hatte, die perfekte Freundin, Verlobte und künftige Frau von Ryan Beardsley zu sein. Sie hatte ihm erlaubt, ihr die elegantesten Kleider zu kaufen. Sie war zu ihm in sein Apartment gezogen und hatte sich damit gequält, immer das Richtige zu sagen und sich ideal in sein Leben einzufügen.

Und sie hatte nie wirklich eine Chance gehabt.

Jeder, der glaubte, Liebe sei ein Allheilmittel, täuschte sich gründlich. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er sie genug geliebt hätte – oder überhaupt geliebt hätte. Wie hätte er sich sonst bei der ersten Gelegenheit von ihr abwenden können?

Kelly schloss die Augen, weil ihr schon wieder die Tränen kamen. Sie war aus New York geflüchtet und hier in Houston gelandet. Sie hatte sich ein neues Leben aufgebaut. Es war vielleicht nicht das beste, aber es war ihr eigenes Leben.

Ihr war klar gewesen, dass sie erst nach der Geburt ihres Babys auf die Uni zurückkonnte, und deshalb arbeitete sie hart und sparte jeden Penny. Sie lebte in der billigsten Wohnung, die sie hatte finden können, und legte fast ihr ganzes Einkommen für später zurück. Nach der Geburt würde sie eine bessere Bleibe suchen und die beiden letzten Studiensemester absolvieren, damit sie und ihr kostbares Baby in gesicherten Verhältnissen leben konnten. Ohne Ryan Beardsley mit seinem dreckigen Geld und seiner schrecklichen Familie und all dem Misstrauen, das man ihr entgegengebracht hatte.

Und jetzt? Warum war Ryan hier? Und was bedeutete es für ihre Zukunft, dass er jetzt von ihrer Schwangerschaft wusste? Für ihre Pläne? Ihren Entschluss, nie wieder in eine Situation zu geraten, in der sie so sehr verletzt werden konnte?

Müde rieb sie sich die Stirn. Sie war erschöpft und nicht in der Lage, sich gegen Ryans Angriff zu wehren, was auch immer er vorhatte.

Sie wurde ärgerlich. Warum, zum Teufel, saß sie hier auf einer Parkbank und versteckte sich? Sie hatte nichts Schlimmes getan. Ryan konnte sie zu gar nichts zwingen. Im Gegenteil. Wenn er nicht umgehend ihre Wohnung verließ, würde sie die Polizei rufen.

Er hatte keine Macht mehr über sie.

Sie holte tief Atem, um sich zu beruhigen. Ja, er hatte sie aus der Fassung gebracht, weil sie nicht damit gerechnet hatte, ihn wiederzusehen. Aber das hieß nicht, dass sie sich von ihm überrollen lassen würde.

Dennoch fühlte sie sich sehr unwohl. Die Zukunft, die sie geplant hatte, schien durch Ryans Auftauchen plötzlich in Gefahr zu sein.

Falls er sich in den Kopf setzte, dass er der Vater ihres Kindes war, würde er nicht wieder weggehen. Aber selbst wenn sie es schaffte, ihn davon zu überzeugen, dass es nicht sein Kind war, würde er meinen, es sei Jarrods Kind. Die Familie Beardsley war also auf jeden Fall ein ernsthaftes Hindernis für ihre Zukunft.

Jetzt würde sie jedoch erst mal Ryan aus ihrer Wohnung verjagen. Sie hatte vielleicht weder sein Geld noch seine Beziehungen, aber sie würde nicht gleich bei der ersten Widrigkeit aufgeben.

Weil es wieder anfing zu regnen, musste sie sich beeilen, nach Hause zu kommen.

Als sie dann die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufging, war sie doch ziemlich nass geworden. Leicht fröstelnd schloss sie auf.

Zwar hatte sie gehofft, dass Ryan aufgegeben hatte und gegangen sein würde. Aber es überraschte sie nicht, dass er in ihrem Wohnzimmer auf und ab ging.

„Wo bist du gewesen, verdammt?“

„Geht dich nichts an.“

„Und ob es das tut. Du bist nicht zurück zur Arbeit gegangen. Es regnet, und du bist bis auf die Haut nass. Bist du verrückt?“

Kelly lachte auf. „Das bin ich wohl. Oder war es. Aber jetzt nicht mehr. Verschwinde, Ryan. Das hier ist mein Apartment. Du hast kein Recht, hier zu sein. Du kannst mich nicht schikanieren. Wenn es sein muss, lasse ich dich von der Polizei rauswerfen.“

Überrascht blickte er sie an. „Du glaubst, ich würde dir wehtun?“

„Körperlich? Nein.“

Leise fluchend strich er sich mit einer Hand durchs Haar. „Du musst etwas essen. Du hast überhaupt keine Lebensmittel da. Wie zum Teufel willst du dich um dich selbst und dein Baby kümmern, wenn du den ganzen Tag auf den Beinen bist? Du nimmst hier eindeutig keine Mahlzeiten zu dir. Es gibt hier nichts zu essen!“

„Lieber Himmel, man könnte meinen, du sorgst dich“, spottete sie. „Aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Mach dir keine Sorgen um mich, Ryan. Ich kümmere mich sehr wohl um mich und mein Baby.“

Er ging auf sie zu. „Ja, ich sorge mich, Kelly. Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich das nicht tue. Ich war nicht derjenige, der weggeworfen hat, was wir miteinander hatten. Das warst du.“

Abwehrend hob sie eine Hand und wich hastig zurück. „Verschwinde!“

Für einen Moment schien es, als wolle er ihr weitere Vorhaltungen machen, doch dann atmete er tief durch.

„Okay, ich gehe. Aber morgen früh um neun komme ich zurück.“

Sie zog eine Braue hoch.

„Du hast einen Termin beim Arzt. Ich fahre dich hin.“

Er war also nicht untätig gewesen, während sie weg war. Klar, ein Mann wie Ryan brauchte nur zum Handy zu greifen. Unzählige Leute tanzten nach seiner Pfeife. Angewidert schüttelte Kelly den Kopf. „Vielleicht begreifst du es nicht, Ryan. Aber ich gehe mit dir nirgendwohin. Du bist nicht verantwortlich für mich. Ich habe meinen eigenen Arzt. Du schleppst mich nicht zu einem anderen.“

„Und wann hast du diesen Arzt zuletzt gesehen? Du siehst schrecklich aus, Kelly. Du gibst nicht auf dich acht. Das kann weder für dich noch dein Kind gut sein.“

„Tu nicht so, als würde dich das kümmern. Sei einfach so gut und geh.“

Er machte Anstalten, zu widersprechen, doch auch diesmal verkniff er sich einen Kommentar. Er ging zur Tür, wandte sich aber noch einmal kurz um. „Neun Uhr morgen früh. Du wirst mitkommen, und wenn ich dich hintragen muss.“

„Ja, und vielleicht friert die Hölle ein“, murmelte sie, als er die Tür hinter sich ins Schloss warf.

Am nächsten Morgen wachte Kelly eine Viertelstunde zu spät auf. Sie würde sich beeilen müssen, um bis sechs Uhr im Diner zu sein.

Als sie kurz darauf ihre Wohnung verlassen wollte, hielt sie den Atem an, weil sie fast damit rechnete, dass Ryan draußen auf sie wartete. Anscheinend litt sie wegen ihm schon an Verfolgungswahn. Dabei hatte sie sich eingebildet, über ihn hinweg zu sein.

Im Diner war Nina schon damit beschäftigt, ihren ersten Kunden das Frühstück zu servieren. Schnell band Kelly ihre Schürze um, nahm ihren Bestellblock und ging zu ihren Tischen hinüber.

In der ersten Stunde schaffte sie es, alle Gedanken an Ryan und daran, dass er noch einmal auftauchen könnte, zu verdrängen. Leider fiel ihr das mit der Zeit aber immer schwerer. Schließlich verwechselte sie drei Bestellungen und kippte einem Kunden Kaffee über den Ärmel. Es half nichts. Sie musste sich in die Küche zurückziehen, um sich zu sammeln.

Gerade als sie ins Café zurückgehen wollte, erschien Ralph.

„Was machst du hier überhaupt?“

„Ich arbeite hier, schon vergessen?“

„Nein, nicht mehr. Du bist draußen.“

Kelly wurde blass und blickte ihn voller Panik an. „Du feuerst mich?“

„Du bist gestern weggegangen, als hier der Laden gebrummt hat. Ohne jeden Kommentar. Und du bist nicht zurückgekommen. Kannst du mir mal sagen, was das sollte? Und heute Morgen bist du wieder hier, und mein Laden ist voll von unzufriedenen Kunden, weil du mit deinen Gedanken woanders bist.“

Sie atmete tief durch, bemüht, ruhig zu bleiben. „Ralph, ich brauche diesen Job. Gestern … gestern ist mir schlecht geworden, okay? Es wird nicht wieder vorkommen.“

„Da hast du vollkommen recht. Ich hätte dich nie einstellen sollen.“ Er presste die Lippen zusammen. „Wenn ich nicht so dringend eine Kellnerin gebraucht hätte, hätte ich nie im Leben eine Schwangere eingestellt.“

Oje. Sie wollte nicht betteln, aber was blieb ihr anderes übrig? Die Chancen, einen neuen Job zu finden, waren gleich null, hochschwanger, wie sie war. Sie brauchte nur noch ein paar Monate Arbeit bis zur Geburt. Dann hätte sie genügend Geld, um nicht mehr arbeiten zu müssen, und könnte sich um ihr Baby kümmern und ihr Studium beenden.

„Bitte gib mir noch eine Chance. Ich habe mich nie über irgendetwas beschwert, habe bisher keinen einzigen Tag gefehlt. Ich brauche diesen Job unbedingt.“

Ralph zog einen Umschlag aus seiner Brusttasche und hielt ihn ihr hin. „Hier, dein letzter Scheck, abzüglich der gestrigen Fehlstunden.“

Sie nahm ihn, und Ralph eilte durch die Schwingtür zur Küche hinaus.

Kelly wurde von Wut und Frust übermannt. Nach all den Monaten schaffte es Ryan immer noch, ihr Leben zu ruinieren. Sie band ihre Schürze ab, warf sie über den Haken und verließ das Diner durch die Hintertür.

Auf dem Rückweg zu ihrem Apartment wurde sie von Verzweiflung übermannt. Ihr verdammter Stolz! Sie hätte den Scheck, den Ryan ihr gegeben hatte, einlösen sollen. Zum Teufel mit ihm und seinen gemeinen Anschuldigungen. Sein Scheck hätte es ihr ermöglicht, ihr Studium abzuschließen und für ihr Kind zu sorgen.

Dabei hatte sie jeden Grund, ihn abzulehnen. Vielleicht hatte sie ihn deshalb nicht eingelöst, weil sie die Genugtuung erleben wollte, ihm den Scheck eines Tages an den Kopf zu werfen.

Es war ihr wichtig gewesen, dass Ryan begriff, dass sie nicht käuflich war. Aber was hatte sie davon? Einen anstrengenden Job, den sie jetzt auch los war, und eine schäbige Wohnung, in der sie ihr Kind auf keinen Fall großziehen wollte.

Ihr Stolz sollte ihr nicht länger im Weg stehen. Und Ryan Beardsley konnte sich zum Teufel scheren. Sie würde seinen Scheck einlösen.

3. KAPITEL

Als Ryan die Treppe zu Kellys Apartment hinaufging, war er sich nicht sicher, ob sie zu Hause sein würde. Doch im Diner hatte er von einem mürrischen Mann namens Ralph erfahren, dass sie zumindest nicht dort war.

Er ärgerte sich, dass ihre Wohnungstür nicht verschlossen war. Er trat ein und sah, wie Kelly auf allen vieren unter einen abgenutzten Sessel schaute. Sie seufzte frustriert und erhob sich.

„Was machst du denn da?“

Mit einem Aufschrei fuhr sie herum. „Verschwinde!“

„Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Deine Tür war nicht abgeschlossen.“

„Und da dachtest du, du könntest einfach reinkommen? Hast du noch nie von der Sitte gehört, dass man anklopft? Begreif es endlich, Ryan: Ich will dich hier nicht haben.“ Damit ging sie in die Küche, öffnete und schloss Schranktüren und Schubladen, weil sie offenbar etwas suchte.

Ryan seufzte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie heute entgegenkommender sein würde, aber er hatte gehofft, nach dem anfänglichen Schock würde sie etwas weniger … wütend sein.

Als sie gleich darauf erneut auf dem Fußboden herumkroch, ging er zu ihr hinüber, um ihr aufzuhelfen. „Wonach suchst du denn?“

Sie wehrte seine ausgestreckte Hand ab. „Den Scheck. Ich suche den Scheck!“

„Welchen Scheck?“

„Den, den du mir ausgeschrieben hast.“

Er zog den zerknitterten und gefalteten Scheck aus der Tasche. „Diesen hier?“

Sie wollte ihn an sich nehmen, doch er gab ihn ihr nicht.

„Ja! Ich habe es mir anders überlegt: Ich werde ihn einlösen.“

„Setz dich, Kelly. Und dann erzählst du mir, was hier eigentlich los ist. Du wartest monatelang, dann wirfst du mir den Scheck an den Kopf und verlangst, dass ich endlich aus deinem Leben verschwinde, und jetzt hast du es dir anders überlegt? Bist du verrückt?“

Zu seiner größten Überraschung ließ sie sich auf einen der beiden Stühle an dem kleinen Küchentisch fallen und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Bestürzt stellte er fest, dass ihre Schultern bebten, weil sie begonnen hatte, lautlos zu weinen.

Einen Augenblick stand er da und wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte es noch nie ertragen, wenn sie weinte. Dann kauerte er sich neben ihren Stuhl und zog sacht die Hände von ihrem Gesicht weg.

Sie wandte sich ab. Offensichtlich war es ihr unangenehm, dass er ihren Zusammenbruch miterlebte.

„Was ist los, Kelly?“

„Ich habe meinen Job verloren“, brachte sie mühsam heraus. „Wegen dir.“

Er wich zurück. „Wegen mir? Was soll ich denn bitteschön getan haben?“

Sie hob den Kopf, und ihre Augen blitzten. „Deine Standardfrage. Was habe ich getan? Natürlich hast du nichts falsch gemacht. Sicher war alles mein Fehler, genau wie alles andere, was in unserer Beziehung schiefgegangen ist. Gib mir einfach den Scheck und verschwinde. Du brauchst nie wieder einen Gedanken an mich zu verschwenden.“

„Glaubst du ernsthaft, ich würde jetzt einfach gehen?“ Er steckte den Scheck wieder ein und hatte Mühe, an sich zu halten. „Wir haben jede Menge klarzustellen, Kelly. Ich gehe nirgendwohin und du auch nicht. Zuallererst suchen wir den Arzt auf, damit du gründlich untersucht wirst. Du siehst nicht gut aus.“

Langsam erhob sie sich und schaute ihm fest in die Augen. „Mit dir gehe ich nirgendwohin. Wenn du mir den Scheck nicht geben willst, dann eben nicht. Geh. Wir haben nichts mehr zu bereden. Nie mehr.“

Er suchte erneut ihren Blick. „Wir reden über den Scheck, wenn wir beim Arzt waren.“

„Probierst du es jetzt mit Erpressung, Ryan?“

„Wenn du es so nennen willst. Es ist mir wirklich egal. Jedenfalls wirst du mit mir zum Arzt gehen. Wenn er an deinem Gesundheitszustand nichts zu bemängeln hat, gebe ich dir den Scheck und verschwinde.“

Misstrauisch sah sie ihn an. „Einfach so.“

Er nickte. Und er wies sie nicht darauf hin, dass kein Arzt ihr bescheinigen würde, dass sie vollkommen gesund war. Sie war völlig erschöpft, blass und hatte sehr wahrscheinlich ziemlich Untergewicht.

Eine Weile kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, als ob sie überlegen würde, ob sie einwilligen sollte oder nicht. Schließlich atmete sie tief aus.

„Okay, Ryan. Ich gehe mit dir zum Arzt. Sobald er bestätigt hat, dass mit mir alles in bester Ordnung ist, will ich dich nie wieder sehen.“

„Falls er sagt, dass mit dir alles okay ist, sollst du deinen Willen haben.“

Sie setzte sich wieder, offensichtlich erschöpft. Ryan unterdrückte einen Fluch. War sie blind, oder wollte sie ihren Zustand einfach nicht wahrhaben? Sie brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte. Der darauf achtete, dass sie drei Mahlzeiten am Tag einnahm und ihre Füße hochlegte und sich ausruhte.

Er sah auf die Uhr. „Wir sollten gehen. Du hast deinen Termin in einer halben Stunde, und ich weiß nicht, wie dicht der Verkehr ist.“

Anscheinend ergab sie sich in ihr Schicksal. Jedenfalls raffte sie sich auf, holte ihre Handtasche und ging ihm voraus zur Tür.

Wenig später fuhr Kelly mit Ryan im Aufzug in den vierten Stock eines modernen Gebäudes hinauf, in dem sich die Arztpraxis befand. Müde und erschöpft stand sie neben ihm, während Ryan am Empfang alles Nötige erledigte.

Nachdem sie ihren Urin für eine Laboruntersuchung abgegeben hatte, brachte eine Arzthelferin sie in eins der Behandlungszimmer, wo Ryan auf sie wartete.

Als sie ihn hinausschicken wollte, bremste er sie. „Ich will mit eigenen Ohren hören, was der Doktor zu sagen hat.“

Sie schluckte nervös, denn sie ahnte, dass er eine Szene machen würde, falls sie widersprach. Mit dem Rücken zu ihm lehnte sie sich an die Untersuchungsliege.

Sie musste diese Untersuchung hinter sich bringen, den Arzt Ryan informieren lassen, dass alles in bester Ordnung war, und dann würde sie ihn endlich los sein.

Nach ein paar Minuten kam ein junger Arzt ins Zimmer und bedeutete ihr, sich auf der Liege auszustrecken. Nachdem er ihren Bauchumfang vermessen und die Herztöne des Babys abgehört hatte, zog er einen Apparat heran und strich kühles Gel auf ihren Bauch.

Kelly hob den Kopf. „Was machen Sie da?“

„Ich dachte, Sie würden vielleicht gern einen Blick auf das kleine Mädchen oder den kleinen Jungen werfen. Ich mache schnell einen Ultraschall, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Sind Sie damit einverstanden?“

Sie nickte, und der Arzt bewegte den Schallkopf über ihrem Bauch hin und her. Dann hielt er inne und zeigte auf den Bildschirm. „Das hier ist das Köpfchen.“

Ryan trat näher, um einen Blick auf den Monitor zu werfen. Kelly reckte den Hals, um das ebenfalls zu tun, und Ryan legte ihr schnell eine Hand unter den Kopf, um sie zu stützen. Mit Tränen in den Augen lächelte sie glücklich. „Sie ist bildschön!“

„Ja, das ist sie“, raunte Ryan ihr heiser ins Ohr.

„Oder er.“

„Würden Sie gern wissen, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist?“, fragte der Arzt. „Das können wir schnell feststellen.“

„Nein … nein, ich glaube nicht“, sagte Kelly. „Es soll eine Überraschung sein.“

Die Untersuchung dauerte noch ein paar Minuten, dann stand der Arzt auf und wischte ihren Bauch ab. Er überreichte ihr ein Ultraschallbild, das er ausgedruckt hatte, und machte sich ein paar Notizen.

„Ich mache mir Sorgen um Sie.“

Mit Ryans Hilfe setzte Kelly sich auf und blickte den Arzt fragend an.

„Ihr Blutdruck ist viel zu hoch, und in Ihrem Urin finden sich Spuren von Eiweiß. Ihre Hände und Füße weisen ein starkes Ödem auf, und Ihrem Gewicht nach zu urteilen essen Sie nicht ausreichend. Diese Anzeichen können zu einer Eklampsie führen, und die wiederum kann die Schwangerschaft ernsthaft gefährden.“

Kelly sah ihn schweigend an.

„Was ist eine Eklampsie?“, wollte Ryan wissen.

„Das sind Schwangerschaftskrämpfe, denen ein stark erhöhter Blutdruck und eine erhöhte Ausscheidung von Eiweiß im Urin vorausgehen. Typischerweise tritt diese Komplikation bei Frauen nach ihrer zwanzigsten Schwangerschaftswoche auf. Es sind Krämpfe, die ganz plötzlich auftreten.“

Der Arzt betrachtete Kelly mit ernster Miene, ehe er fortfuhr.

„Sie sind drauf und dran, ins Krankenhaus geschickt zu werden und dort bis zur Geburt zu bleiben. Falls Sie und Ihr Mann mir nicht versprechen, dass Sie immer wieder die Beine hochlegen, sich Ruhe gönnen und sich besser ernähren, werde ich es nicht bei der Ermahnung belassen, sondern Sie direkt ins Krankenhaus einweisen.“

„Er ist nicht mein …“

„Versprochen“, unterbrach Ryan sie schnell. „Sie haben mein Wort: Sie wird kaum noch den kleinen Finger rühren.“

„Aber …“

„Kein Aber“, sagte der Arzt. „Ich glaube, Sie unterschätzen den Ernst Ihrer Lage. Falls sich Ihr Zustand verschlimmert, können Sie daran sterben. Eklampsie ist die zweithäufigste Todesursache bei Schwangeren in den USA und der Hauptgrund für Komplikationen bei Ungeborenen. Die Sache ist ernst, und Sie müssen alles tun, was nötig ist, um eine Verschlechterung Ihres Zustandes zu verhindern.“

Ryan wurde bleich, und Kelly spürte, wie auch ihr die Farbe aus dem Gesicht wich.

„Doktor, ich versichere Ihnen, dass Kelly von jetzt an nichts anderes tun wird, als auszuruhen und zu essen“, erklärte Ryan bestimmt.

Der Arzt nickte zustimmend und schüttelte ihnen beiden die Hand. „Ich möchte sie in einer Woche noch einmal sehen. Und falls sich das Ödem verschlimmert oder sie noch zusätzlich starke Kopfschmerzen bekommt, muss sie direkt ins Krankenhaus.“

Nachdem der Arzt gegangen war, saß Kelly vollkommen benommen von der Diagnose auf der Untersuchungsliege. Ryan legte eine Hand auf ihre und drückte sie.

„Kelly, ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst.“

Sorgen? Fast wäre sie in hysterisches Gelächter ausgebrochen. Ihr Leben war ein absolutes Chaos, und sie sollte sich keine Sorgen machen?

„Komm“, sagte er leise. „Lass uns gehen.“

Widerspruchslos ließ sie sich von ihm zum Wagen führen. Das alles konnte unmöglich ihr passieren. Stumm saß sie dann neben Ryan und weigerte sich, ihn auf der Rückfahrt auch nur anzusehen. Sie hatte keinen Job, und nach Aussage des Arztes hätte sie, selbst wenn sie nicht gefeuert worden wäre, gar nicht arbeiten dürfen. Wie sollte sie da für sich, geschweige denn für ihr Baby sorgen? Sie hatte zwar einige Ersparnisse, aber die waren für das Baby und ihr Studium vorgesehen.

Sie fühlte sich absolut hilflos, und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Das Klingeln eines Handys schreckte sie aus ihren Gedanken, und als Ryan anfing zu telefonieren, spitzte sie die Ohren, denn es ging um sie.

„Wir fahren gerade zu Kellys Apartment, um ihre Sachen zu holen. Buch einen Flug für uns ab Houston und ruf zurück, um mir Flugnummer und Abflugzeit durchzugeben. Dann ruf Dr Whitcomb an – Adresse ist Hillcrest –, und lass Kellys Untersuchungsergebnisse an Dr Bryant in New York faxen. Spring bitte für mich ein, und lass Linda alle Verträge sichten, die ich unterschreiben muss. Ich werde in ein paar Tagen wieder im Büro sein.“

Abrupt beendete er das Gespräch.

„Was war das eben?“, fragte Kelly alarmiert.

Er warf ihr einen entschlossenen Blick zu. „Ich bringe dich nach Hause.“

„Nur über meine Leiche“, zischte sie. Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch und presste die Lippen fest aufeinander.

„Du wirst mitkommen.“ Sein Ton duldete keine Widerrede. „Du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert, weil du dich ja weigerst, das selbst zu tun. Willst du die Gesundheit des Babys aufs Spiel setzen? Oder deine eigene?“

Schockiert starrte sie ihn an. „Verstehst du nicht, dass ich nichts mit dir zu tun haben will?“

„Oh ja, das hast du mir klargemacht, als du mit meinem Bruder geschlafen hast. Aber Tatsache ist, dass du wahrscheinlich von mir schwanger bist – oder ich bin eben der Onkel. Und deshalb werde ich nicht eher aus deinem Leben verschwinden, als bis ich überzeugt bin, dass ihr beide sicher seid. Du wirst mit nach New York kommen, und wenn ich dich in den Flieger tragen muss.“

„Es ist nicht dein Kind.“

„Von wem ist es dann?“

„Das geht dich nichts an.“

Er schwieg eine ganze Weile, ehe er schließlich wiederholte: „Du kommst mit. Ich will das nicht nur wegen eines Kindes, das vielleicht meins ist oder auch nicht.“

„Warum willst du es dann?“

Er antwortete nicht, sondern sah starr geradeaus auf die Straße.

Vor ihrer Wohnung angekommen, sprang Kelly aus dem Wagen und eilte die Treppe hinauf. Es gelang ihr nicht, Ryan davon abzuhalten, ihre Wohnung zu betreten.

„Kelly, wir müssen miteinander reden.“

Sie fuhr herum. „Ja, das müssen wir. Du wolltest mit mir über den Scheck sprechen. Du hast nicht lange gefackelt, ihn mir zu geben, als du mich damals eine Hure genannt hast. Ich will ihn zurück, und es ist mir ganz egal, was du über meine Motive denkst.“

„Ich stelle ihn dir nicht mehr zur Verfügung.“

„Na wunderbar.“

„Stattdessen möchte ich, dass du mit mir nach New York zurückkommst.“

„Du musst verrückt sein. Warum sollte ich das tun?“

„Weil du mich brauchst.“

„Damals habe ich dich auch gebraucht.“

Bevor er etwas erwidern konnte, wandte sie sich ab. Sie legte ihre Hände schützend auf den Bauch und versuchte, nicht in Panik zu geraten.

Hinter ihr blieb Ryan stumm. Beunruhigend stumm. Als er dann etwas sagte, klang seine Stimme seltsam belegt.

„Ich gehe jetzt deine Medikamente besorgen, und ich bringe uns etwas zu essen mit. Wenn ich zurückkomme, möchte ich, dass du gepackt hast.“

Gleich darauf hörte sie die Tür leise ins Schloss fallen.

Kelly sank auf den abgenutzten Sessel. Vor zwei Tagen hatte sie noch einen Plan für die Zukunft gehabt. Einen guten Plan. Heute hatte sie keinen Job mehr, ihre Gesundheit war gefährdet, und ihr Exverlobter drängte sie, mit ihm nach New York zurückzukehren.

Auch wenn der Gedanke sie schaudern ließ, würde sie ihre Mutter anrufen müssen. Sie hatte sich geschworen, dass sie eher sterben würde, als ihre Mom jemals um etwas zu bitten. Doch im Moment erschien ihr das als das kleinere Übel.

Also holte sie tief Luft und wählte die letzte Nummer ihrer Mutter, die sie hatte. Es war durchaus möglich, dass Deidre nicht mehr in Florida lebte. Wer wusste das schon?

Sobald Kelly ihren Highschool-Abschluss gehabt hatte, hatte ihre Mutter sie vor die Tür gesetzt, damit ihr damaliger Freund einziehen konnte. Sie hatte Kelly erklärt, sie habe ihre Pflicht erfüllt. Die achtzehn besten Jahre ihres Lebens habe sie verschwendet, um ein Kind großzuziehen, das sie eigentlich nie hatte haben wollen.

Viel Glück, bis dann, verlang bloß nichts weiter von mir.

Ja, genau.

Kelly wollte schon auflegen, als ihre Mutter sich doch noch meldete.

„Mom?“

Eine lange Pause entstand. „Kelly? Bist du’s?“

„Ja, Mom, ich bin’s. Hör mal, ich brauche deine Hilfe. Ich brauche eine Bleibe. Ich bin … schwanger.“

Diesmal war die Pause noch länger. „Wo ist denn dein reicher Freund abgeblieben?“

„Ich bin nicht mehr mit ihm zusammen. Ich lebe in Houston. Ich habe meinen Job verloren, und mir geht’s nicht gut. Der Arzt macht sich Sorgen um das Baby. Ich brauche nur vorübergehend was zum Wohnen. Bis ich wieder auf den Beinen bin.“

Ihre Mutter seufzte. „Ich kann dir nicht helfen, Kelly. Richard und ich haben viel um die Ohren, und wir haben einfach nicht genug Platz.“

Das versetzte Kelly einen Stich. Sie hatte ja geahnt, dass es sinnlos war, aber irgendwie doch gehofft … Still schaltete sie ihr Handy aus, ohne noch irgendetwas zu sagen. Was hätte es auch zu sagen gegeben?

Ihre Mutter war nie mehr gewesen als ein resignierter Babysitter.

Sanft strich sie mit einer Hand über ihren Bauch. „Ich hab dich lieb“, flüsterte sie. „Ich werde nie einen einzigen Moment mit dir bedauern.“

Dann lehnte sie sich in den Sessel zurück und starrte an die Decke. Sie fand es schrecklich, so hilflos zu sein. Verzagt schloss sie die Augen. Sie war wirklich erschöpft.

Eine Weile später wurde sie von Ryan wachgeschüttelt. Er beugte sich über sie, einen Teller und ein Glas Wasser in den Händen.

„Ich habe dir etwas vom Thailänder mitgebracht.“

Sie liebte thailändisches Essen und war erstaunt, dass er sich daran erinnerte. Sie nahm ihm Teller und Glas ab.

Er holte sich einen Stuhl aus der Küche und leistete ihr Gesellschaft, während sie aß. Es war ihr unangenehm, dass er sie eingehend betrachtete, also konzentrierte sie sich ganz aufs Essen.

„Mich zu ignorieren, nützt gar nichts.“

Sie hielt inne. „Was willst du, Ryan? Ich verstehe immer noch nicht, warum du hergekommen bist. Oder warum du willst, dass ich mit dir nach New York zurückkehre. Oder warum du dich sorgst. Damals hast du nicht den kleinsten Zweifel daran gelassen, dass du so viel Abstand wie nur irgend möglich von mir haben wolltest.“

„Du bist schwanger. Du brauchst Hilfe. Reicht das nicht?“

„Nein, das reicht nicht!“

„Sagen wir so: Du und ich, wir haben eine Menge zu klären, unter anderem die Frage, ob du von mir schwanger bist oder nicht. Du brauchst Hilfe. Du brauchst jemanden, der auf dich aufpasst. Du brauchst erstklassige medizinische Betreuung. All das kann ich dir geben.“

Nervös fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar und lehnte sich in den Sessel zurück. Da kauerte er sich neben sie und berührte zögernd ihren Arm, so, als fürchte er, sie würde zurückschrecken.

„Komm mit, Kelly. Du weißt, dass wir das alles klären müssen. Du musst an das Baby denken.“

Abwehrend hielt sie eine Hand hoch. Es ärgerte sie sehr, dass er versuchte, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Aber er nahm ihre Hand und hielt sie fest.

„Du kannst nicht arbeiten. Der Arzt sagt, du musst ruhen, sonst gefährdest du die Gesundheit deines Kindes und deine eigene auch. Falls du meine Hilfe für dich selbst nicht akzeptieren kannst, dann akzeptiere sie wenigstens deinem Baby zuliebe. Oder ist dir dein Stolz wichtiger als ihr oder sein Wohlergehen?“

„Und was werden wir tun, wenn wir in New York sind, Ryan?“

„Du wirst dir Ruhe gönnen, und wir werden gemeinsam überlegen, wie unsere Zukunft aussieht.“

Kelly wurde ganz anders. Es klang fast bedrohlich. Ihre Zukunft.

Sie wäre eine Närrin, wenn sie zustimmen würde. Und sie wäre eine Närrin, wenn sie es nicht täte.

Sie war bereit, ihren Stolz hinunterzuschlucken und seinen Scheck anzunehmen. Sollte sie da nicht auch bereit sein, ihrem Baby zuliebe seine Hilfe zu akzeptieren? Ihrem gemeinsamen Baby zuliebe?

„Kelly?“

„Ich komme mit“, erklärte sie leise.

„Dann lass uns packen und so schnell wie möglich aufbrechen.“

4. KAPITEL

Als Kelly am nächsten Morgen aufwachte, wusste sie nicht gleich, wo sie war. Dann fiel es ihr ein: Sie war in New York – mit Ryan.

Ryan hatte dafür gesorgt, dass sie in nur wenigen Stunden gepackt hatte und am Flughafen war. Kurz vor Mitternacht waren sie in New York gelandet, und er hatte sie zu einem Wagen gebracht, der für sie bereitstand.

Als sie dann endlich in seinem Apartment ankamen, war sie todmüde. Sie war direkt ins Gästezimmer gegangen. Fast wäre sie in Tränen ausgebrochen. Schließlich kam ihr das Apartment schmerzlich vertraut vor – sie hatte hier ja einmal gewohnt. Selbst der Geruch war noch der gleiche wie damals – eine Mischung aus Leder und etwas undefinierbar Männlichem.

Am Ende des Flurs lag das Schlafzimmer, wo sie und Ryan sich so oft geliebt hatten. Dort hatte sie ihr Kind empfangen, und dort hatte sich ihr Leben unwiderruflich verändert.

Und sie hatte sich einmal mehr gesagt, dass sie verrückt war, hierher zurückzukommen.

Doch heute Morgen hatte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Nach einer kurzen Dusche zog sie sich an und ging ins Wohnzimmer, wo Ryan schon am Laptop arbeitete. Als sie eintrat, blickte er hoch.

„Das Frühstück ist fertig. Ich habe auf dich gewartet, weil ich nicht allein essen wollte.“

Wortlos folgte Kelly ihm in die Küche, wo der Tisch für zwei gedeckt war. Ryan servierte ihnen beiden Rührei, Schinken und Toast.

Kelly musste zugeben, dass sie sich besser fühlte als seit Wochen. Auf jeden Fall hatte sie sich seit Langem nicht so viel ausgeruht wie in den letzten vierundzwanzig Stunden.

„Wie geht es dir heute?“

„Gut.“ Sie probierte von ihrem Ei und begann dann, mit Appetit zu essen.

Die ganze Situation war kurios. Die übertriebene Höflichkeit. Das traute Frühstück zu zweit. Sie fand es dermaßen peinlich, dass sie am liebsten ins Gästezimmer zurückgegangen wäre, um sich im Bett zu verkriechen.

Nach einer halben Ewigkeit ergriff Ryan schließlich das Wort. „Ich habe es so eingerichtet, dass ich für eine Weile von der Wohnung aus arbeiten kann.“

Sie hielt mit Essen inne. „Warum?“

„Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.“

„Ryan, das funktioniert nicht. Ich kann nicht hier sein, während du die ganze Zeit den Babysitter für mich spielst. Geh ins Büro. Tu, was du normalerweise tust, und lass mich einfach in Ruhe.“

Seine Lippen wurden schmal, und er ging ohne ein weiteres Wort.

Kelly starrte auf ihren Teller. Es war nicht fair, dass er so tat, als tue sie ihm unrecht. Als sei sie eine schreckliche, undankbare Hexe.

Gleichzeitig wurde sie furchtbar traurig. Wie sollte sie je über das hinwegkommen, was er ihr angetan hatte? Womöglich war er entschlossen, ihr ihren angeblichen Fehltritt nicht zu verzeihen. Aber sie war in diesem ganzen Schlamassel die Unschuldige. Ryan hatte sich von ihr abgewandt. Diese schlichte Tatsache schien ihm nicht einzuleuchten.

Sie war einfach zu nervös, um weiterzuessen. Also ließ sie ihr restliches Frühstück stehen und stand auf.

Ziellos schlenderte sie zurück ins Wohnzimmer und blieb vor dem großen Fenster stehen, von dem aus man einen Blick auf die Skyline von Manhattan hatte.

„Du solltest nicht so viel rumlaufen“, sagte Ryan hinter ihr.

Seufzend drehte sie sich um. Schockiert bemerkte sie, dass er nichts als ein Handtuch trug. Sie blickte wieder aus dem Fenster, doch vor ihrem inneren Auge sah sie Ryans breite Brust mit den durchtrainierten Muskeln vor sich. Und seinen perfekten Waschbrettbauch. Sie hatte Stunden damit verbracht, jeden Zentimeter seines Körpers zu erkunden.

„Tut mir leid, wenn ich dich in Verlegenheit gebracht habe“, sagte er leise. „Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht, weil wir ja mal eine Beziehung hatten.“

Kelly wäre fast in hysterisches Gelächter ausgebrochen. Sie in Verlegenheit gebracht? Peinlich war nur, dass sie sich gerade vorstellte, wie er ohne sein Handtuch aussah.

Und natürlich ging er in seiner Arroganz davon aus – „in Anbetracht ihrer Beziehung“ –, dass er halb nackt durch die Wohnung spazieren konnte.

Sie musterte ihn abschätzig. „Falls du glaubst, du könntest da anknüpfen, wo wir aufgehört haben, weil wir mal ein Paar waren, irrst du dich gewaltig.“

Er blinzelte überrascht, dann wurde er ärgerlich. „Mensch, Kelly, traust du mir wirklich zu, dass ich dich zu einer sexuellen Beziehung zwingen würde, obwohl du schwanger bist und es dir nicht gut geht?“

„Die Antwort darauf möchtest du gar nicht hören.“

Er fluchte. „Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich die abgelegten Geliebten meines Bruders ausprobieren möchte?“

Mit geballten Fäusten zwang sie sich zu einer frivolen Antwort. „Na ja, da das deinem Bruder nichts ausgemacht hat, bin ich davon ausgegangen, dass das bei euch in der Familie liegt.“

Seine blauen Augen wurden eiskalt. Dann machte er kehrt und verschwand in seinem Schlafzimmer. Krachend fiel die Tür ins Schloss.

Kelly ließ sich in einen Sessel fallen. Welcher Teufel hatte sie bloß geritten, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen? Sie hatte es längst aufgegeben, sich zu verteidigen. Damals hätte Ryan ihr glauben sollen. Jetzt war es ihr eigentlich egal, was er dachte. Ihre Sehnsucht danach, dass er zu ihr stand und sie beschützte, war verflogen, als ihr klar geworden war, dass er sie nie geliebt oder ihr vertraut hatte.

Oje, was wollte sie hier? Wieder in New York zu sein, brachte zu viele Erinnerungen zurück, die sie besser vergessen hätte.