Barrierefreies Planen und Bauen in Österreich - Maria R. Grundner - E-Book

Barrierefreies Planen und Bauen in Österreich E-Book

Maria R. Grundner

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Beschreibung

Um ein Leben ohne Barrieren in einer inklusiven Gesellschaft zu verwirklichen, ist es unumgänglich, barrierefreie Strukturen und Umgebungen anzubieten. Barrierefreie Angebote sind von allen Menschen nutzbar, komfortabel und erhöhen maßgeblich die Mobilität der Personen, die mit Einschränkungen leben: Plötzlich stellen Alltagswege keine Probleme mehr dar, die Zufriedenheit und die Lebensqualität der Bevölkerung steigt, Gesundheit wird gefördert und Unfällen vorgebeugt. Als Grundlage zum barrierefreien Planen und Bauen dient in Österreich die Normen-Serie der ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“. Darauf basierend bietet dieses Praxishandbuch kommentierte Erläuterungen und zeigt realisierte Beispiele in Bildern, mit denen Planende und Bauende konkrete Lösungen zu ihren Aufgabenstellungen finden können. Die Autorin Maria R. Grundner garantiert als langjährige Themenexpertin für höchste Praxiskompetenz. Zahlreiche Tipps und Infos runden das Werk ab und helfen Interessierten bei der Umsetzung von Anforderungen an eine barrierefreie Umwelt.

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Maria R. Grundner

Barrierefreies Planen und Bauen in Österreich

Handbuch für mehr Mobilität – mit vielen Bildern und Praxistipps

1. Auflage 2013

Die Autorin

Ingin Maria R. Grundner, absolvierte 2000 die HTL-Saalfelden in der Fachrichtung Hochbau; nach mehrjähriger Berufserfahrung in der Baubranche startete sie ihre Tätigkeiten 2007 als Referentin für Barrierefreiheit bei der ÖAR – Österreichische Dachorganisation der Behindertenverbände; seit 2013 ist sie Teil der Mobilitätsagentur Wien – Wien zu Fuß und beschäftigt sich intensiv mit der Thematik des barrierefreien Straßenraums; seit 2009 Mitarbeit im Austrian Standards Institute in den Arbeitsgruppen zum barrierefreien Planen und Bauen.

Impressum

ISBN 978-3-85402-283-1 (e-Pub) Auch als Buch verfügbar: ISBN 978-3-85402-282-4

1. Auflage 2013, Stand 2013-09-01

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Vervielfältigung, Aufnahme auf oder in sonstige Medien oder Datenträger, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Austrian Standards plus GmbH (AS+) gestattet. Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr und eine Haftung der Autorin oder des Verlages ist ausgeschlossen.

© Austrian Standards plus GmbH, Wien 2013

Die AS+ ist ein Unternehmen des Austrian Standards Institutes.

Austrian Standards plus Publishing 1020 Wien, Heinestraße 38 Tel.: +43 1 213 00-300 Fax: +43 1 213 00-818 E-Mail: [email protected] Web: www.austrian-standards.at/fachliteratur

Lektorat und Projektbetreuung: Gertraud Reznicek Cover-Foto: Magdalena Maringer

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

1.1 „barrierefrei“ versus „behindertengerecht“

1.2 Die Kosten des barrierefreien Bauens

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

2.1 UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderungen

2.1.1 Der Paradigmenwechsel

2.2 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG)

2.3 Baurecht – Landesgesetzgebung – OIB-Richtlinie Nr. 4 „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“

3 Planungsgrundlagen

3.1 Menschen mit Lernschwierigkeiten

3.2 Menschen mit Mobilitätsbehinderungen

3.3 Menschen mit Sehbehinderungen

3.4 Menschen mit Hörbehinderungen

3.5 Menschen im Alter

3.6 Das 2-Sinne-Prinzip

TEIL I: Gebäudeteile, Räume, Bereich und deren Ausstattung

4 Außenanlagen – Erschließung von Gebäuden

4.1 Gehsteige, Gehwege und Rampen

4.2 Barrierefreie Stellplätze für Personenkraftwagen (PKW)

5 Eingänge und Türen

5.1 Nutzbare Durchgangslichte und Türschwellen

5.2 Kennzeichnung

5.3 Beschläge

5.3.1 Türdrücker

5.3.2 Maximaler Kraftaufwand zum Öffnen von Türen

5.4 Karusselltüren und automatisierte Türöffner

5.5 Anfahrbereich

5.6 Balkon- und Terrassentürschwellen

6 Glastüren und Glasflächen

7 Horizontale Verbindungswege (Gänge, Flure)

8 Vertikale Verbindungswege (Treppen, Personenaufzüge)

8.1 Treppen

8.1.1 Handlauf

8.1.2 Stufen und Markierungen

8.2 Personenaufzüge

9 Flucht- und Rettungswege samt Alarmierungsanlagen

9.1 Alarmierung und Information

9.2 Orientierung

9.3 Physische Barrieren

9.3.1 Brandschutztüren

9.4 Gesicherte Verweilbereiche

10 Akustik und Induktive Höranlagen

10.1 Baulicher Schallschutz

10.2 Raumakustik

10.3 Induktive Höranlagen

11 Bedienungselemente

11.1 Gegensprechanlagen

11.2 Eurokey-Schließsystem

12 Orientierung und Beleuchtung

12.1 Beleuchtung

12.2 Orientierung

12.2.1 Visuelle Leitsysteme

12.3 Taktile Orientierungssysteme

12.3.1 Taktile Bodeninformationen im Freien

12.3.2 Taktile Informationen im Gebäude

12.4 Kontrastierende Kennzeichnung

12.4.1 Feststellung des Kontrastes mittels Referenzfarbkarte

13 Barrierefreie öffentliche WC-Räume

13.1 Anzahl

13.2 Verschiedene Raumgrößen

13.3 Türen

13.4 Ausstattung WC-Raum

13.4.1 WC-Sitzschale und Anlehnfläche

13.4.2 Waschtisch und Handwaschbecken

13.4.3 Halte- und Stützgriffe

13.4.4 Andere Ausstattungsgegenstände

13.4.5 Notrufeinrichtungen

13.5 Erhöhter Standard

13.6 Über den erhöhten Standard der Norm hinaus

14 Bäder

14.1 Allgemeines

14.1.1 Dusche

14.1.2 Badewanne

14.2 Erhöhte Anforderungen

14.3 Bäder in assistiven Wohnbereichen

14.4 Bäder in Gesundheitseinrichtungen und speziellen Wohneinrichtungen

14.5 Pflegebäder

TEIL II: Gebäudearten

15 Anpassbarer Wohnbau

16 Kultur-, Freizeit-, Sport- und Versammlungsstätten

16.1 Bühnenraum

16.2 Zuschauerraum

17 Garagen

18 Barrierefreiheit im Tourismus

18.1 Das barrierefreie Restaurant

18.1.1 Möblierung

18.1.2 Buffet

18.1.3 Akustik

18.1.4 WC-Raum

18.2 Das barrierefreie Hotel

18.2.1 Rezeption

18.2.2 Beherbergungszimmer

18.2.3 Sanitärraum im Hotelzimmer

18.3 Wellnessbereich

18.3.1 Umkleidebereich

18.3.2 Wasserbecken

18.3.3 Sauna, Dampfbad

19 Die barrierefreie Arzt- bzw Therapiepraxis

19.1 Sanitärräume

19.2 Medizinisch technische Ausstattung

TEIL III: Bestehende Bauten

20 Erleichterungen für bestehende Bauten

20.1 Historische Pflasterungen

20.2 Eingänge und Türen

20.3 Treppen

20.4 Rampen

20.4.1 Rampen im Freien

20.4.2 Rampen in Gebäuden

20.5 Vertikale Plattformaufzüge und Plattformaufzüge mit geneigter Fahrbahn

Anhang A: Die barrierefreie Veranstaltung

A.1 Orientierung im Gebäude

A.2 Raumform und Raumzugang

A.3 Raumbeleuchtung

A.4 Schallschutz und Raumakustik

A.5 Optische Ergänzungen für das Zwei-Sinne-Prinzip

A.5.1 Gebärdensprachdolmetschen

A.5.2 Großbildprojektion

A.5.3 Schriftdolmetschen

A.5.4 Bildunterstützung

Anhang B: Barrierefreie Spielplätze

B.1 Planungsgrundlagen

B.2 Elemente des Spielplatzes

B.3 Anforderungen

B.4 Bodenbeläge

Literaturverzeichnis

Bildverzeichnis

Infos

Buchrücken

Vorwort

Das barrierefreie Bauen gewinnt zusehends an Bedeutung und gesellschaftlicher Akzeptanz. Dies ist eine wichtige Basis, um eine inklusive Gesellschaft nachhaltig entstehen zu lassen.

Nicht mehr die Integration ist anzustreben, in der unterschiedliche Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen akzeptiert werden, sondern die Inklusion: sie betrachtet die individuellen Unterschiede der Menschen als Normalität und nimmt daher keine Unterteilung in Gruppen vor. Das Verständnis von Inklusion reicht über die Integration von Menschen mit und ohne Behinderungen hinaus und umfasst alle Dimensionen der Heterogenität der Gesellschaft.

Der Begriff der „Inklusion“ unterscheidet sich vom Begriff der „Integration“ insofern, als es bei der Integration immer noch darum geht, Unterschiede wahrzunehmen und Getrenntes wieder einzugliedern. Inklusion trägt hingegen den individuellen Bedürfnissen aller Menschen Rechnung.

Umfassende Barrierefreiheit ist demnach die Grundlage und die Voraussetzung, um gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu ermöglichen. Barrieren können physische, soziale, kommunikative oder intellektuelle sein.

Physische Barrieren: wie etwa Zugangsbarrieren zu öffentlichen Gebäuden, Wohnhäusern, Schulen und medizinischen Einrichtungen oder Hindernisse im öffentlichen Straßenraum.Soziale Barrieren: das Bild von Menschen mit Behinderungen ist noch immer stark von Mitleid und dem Fürsorgegedanken geprägt und nicht von Selbstbestimmung und voller Inklusion.Kommunikative Barrieren: zeigen sich unter anderem in fehlenden Angeboten von alternativen Kommunikationsformen, wie Gebärdensprache, Untertitelung, Brailleschrift oder große Schrift zeigen.Intellektuelle Barrieren: wie zB mangelnde Informationen in leichter Sprache.

Dieses Buchprojekt beschreibt praxisgerecht, wie die gebaute Umgebung gestaltet werden soll, um physische Barrieren für Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen möglichst gering zu halten.

Die Normenreihe der ÖNORM B 1600 beschreibt weitgehende physische bzw bauliche Barrierefreiheit. Die vorliegenden Normen – ÖNORM B 1600 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen, ÖNORM B 1601 Barrierefreie Gesundheitseinrichtungen, assistive Wohn- und Arbeitsstätten – Planungsgrundlagen, ÖNORM B 1602 Barrierefreie Bildungseinrichtungen – Planungsgrundlagen und ÖNORM B 1603 Barrierefreie Tourismus- und Freizeiteinrichtungen – Planungsgrundlagen – legen Standards für die barrierefreie Gestaltung der gebauten Umwelt fest und geben Planungshinweise für die Umsetzung. Es liegt im Verantwortungsbereich der Anwenderin/des Anwenders (zB Bauherrin/Bauherr, Auftraggeberin/Auftraggeber) bzw des Gesetzgebers festzulegen, wann und in welchem Umfang diese Normen anzuwenden sind.1

Alle Maßvorgaben und Messwerte beziehen sich auf das fertige Gebäude, die gebaute Umgebung, wie sie genutzt wird. Zum besseren Verständnis dieser Normen und ihrer Inhalte trägt dieses Praxisbuch bei.

Nach der Einleitung, in der die rechtlichen Rahmenbedingungen zum barrierefreien Bauen und die Ansprüche von Menschen mit Behinderungen, die sie an ihre gebaute Umgebung stellen, beschrieben werden, finden sich drei weitere Teile:

Der erste Teil beschreibt konkrete Gebäudeteile und wie sie auszuführen sind um von den meisten Menschen genutzt werden zu können. Im zweiten Teil werden Gebäudearten beschrieben und der dritte Teil behandelt jene Grundsätze die einzuhalten sind um bestehende Bauten barrierefrei zu adaptieren.

Da an Veranstaltungsräume – mit und ohne Bühnenbereich – besondere Anforderungen an die Ausstattung neben dem Baulichen gestellt werden, um inklusive Veranstaltungen abzuhalten, findet sich im Anhang A eine Beschreibung über die Normenreihe der ÖNORM B 1600 hinaus. Der Anhang B beschreibt barrierefreie Spielplätze.

Ich würde mich über Ihr Feedback freuen! Was ist zu wenig konkret, wo braucht es mehr Praktisches und wo kann gekürzt werden. Schreiben Sie mir bitte direkt Ihre Kritik und Anregungen: E-Mail [email protected]

Bedanken möchte ich mich für die Unterstützung zu diesem Buchprojekt bei meiner Familie, im speziellen bei meinen Eltern und folgenden Personen: Andreas Krenn, Eduard Riha, Hannes Wiesinger, Oskar Kalamidas, Monika Klenovec, Magdalena Maringer, Christina Wurzinger, Max Rubisch, Peter Luschin, Doris Ossberger, Eva Grundner, Michael Bednar, Veronika Egger, Elmar Fürst, Ernst Schlossnickel, der AG Sehbehinderungen und Hias Grundner.

Viel Freude beim Lesen und Anwenden!

Wien, im September 2013

Maria R. Grundner

1 vgl ÖNORM B 1600:2013, Vorwort

1 Einleitung

Im Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, BGBl. I Nr. 82/2005) wird im §1 als Ziel Folgendes formuliert:

„Ziel dieses Bundesgesetzes ist es, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen oder zu verhindern und damit die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.“

Festzustellen ist, dass in den geltenden landesgesetzlichen Vorschriften dieses Ziel sehr unterschiedlich implementiert ist. Meist wird es unzureichend berücksichtigt. Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist eine Querschnittsmaterie, sie müsste sich, um Grundlegendes zu ändern, durch alle Gesetze und Regelwerke durchziehen. Zielführend ist nicht, einzelne Gesetze zu schaffen, sondern die Anliegen in jeder Richtlinie und Vorschrift zu implementieren und zu berücksichtigen.

1.1 „barrierefrei“ versus „behindertengerecht“

„Barrierefrei“ sind Bauten, die für möglichst alle Menschen nutzbar sind. Dadurch sind sie auch für Menschen mit Behinderungen weitgehend ohne Hindernisse zugänglich. Als „behindertengerecht“ kann die eigene Wohnung oder der individuelle Arbeitsplatz bezeichnet werden. Die Ausstattung kann nach den jeweiligen Bedürfnissen für jeden Einzelnen oder jede Einzelne erfolgen. Um behindertengerechte Arbeitsplatz- oder Wohnumgebungen zu schaffen, ist eine unabdingbare Voraussetzung, barrierefreie Strukturen anzubieten. Damit kann auch eine spätere Adaptierung für eine Person mit ihren Behinderungen einfacher und kostengünstiger erfolgen.

In öffentlichen Bereichen besteht demnach der Anspruch, barrierefreie Umgebungen anzubieten, nicht jedoch, behindertengerecht zu sein.

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Praxis-Tipp: Expertinnen und Experten zuziehen

Es gibt Planungen, die versuchen, auf individuelle Bedürfnisse von benannten Nutzerinnen und Nutzern zu reagieren. Da im barrierefreien Bauen der Anspruch besteht für Alle zu bauen, sollte eine Expertin oder ein Experte mit einschlägiger Kenntnis der Planungsgrundlagen des barrierefreien Planen und Bauens, beigezogen und die ÖNORM B 1600 in allen Details umgesetzt werden.

1.2 Die Kosten des barrierefreien Bauens

Barrierefreies Bauen bedeutet geringfügige Mehrkosten bei Neubauten.

Bei öffentlichen Bauten und Gebäuden mit Arbeitsplätzen entstehen auch unwesentliche Mehrkosten, wenn Barrierefreiheit von Anfang an mitgeplant wird. Daher ist die bauliche Barrierefreiheit bei Amtshäusern, Schul- und Kindergartenbauten seit Jahrzehnten selbstverständlich.

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Praxis-Info: Je größer, desto günstiger2

Bei öffentlichen Bauten mit Bausummen über ca. 4 Millionen Euro betragen die Mehrkosten für die bauliche Barrierefreiheit weniger als 0,5 % und bei ca. 12 Millionen Euro Bausumme nicht einmal 0,15 %.Hingegen schlägt sich bei kleinen Gebäuden im öffentlichen Bereich (< 1.6 Mio. Euro) die Implementierung der baulichen Barrierefreiheit mit 3,5 % zu Buche.

Anders verhält es sich bei Wohnbauten: hier schlagen sich die Mehrflächen und Ausstattungen kostentechnisch nieder.3 Dennoch steht die Investition gesellschaftspolitisch und volkswirtschaftlich in keiner Relation zu jenen Mehrkosten von aufwendigen Adaptierungen bei schon bestehenden Bauten – besonders im Hinblick auf die demographische Entwicklung. Bei nachträglichen Entfernungen baulicher Barrieren sind die Kosten tatsächlich erheblich, dies vor allem in denkmalgeschützten Gebäuden. Es muss jedoch betont werden, dass Denkmalpflege und Barrierefreiheit einander nicht wiedersprechen; es sind bloß aufwendigere – und somit kostenintensivere – Lösungen notwendig.

2 vgl www.hindernisfrei-bauen.ch, Stand Juli 2013

3 vgl www.hindernisfrei-bauen.ch, Stand Juli 2013

2 Rechtliche Rahmenbedingungen

2.1 UN-Konvention über Rechte von Menschen mit Behinderungen

Obwohl mehrere Menschenrechtskonventionen in der einen oder anderen Weise das Thema Behinderung aufgreifen, sind Menschen mit Behinderungen noch immer in hohem Maße von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen. Der Ruf nach einer eigenen Menschenrechtskonvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen war daher begründet. Österreich hat die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen 2008 ratifiziert. Zwei Jahre später (im Dezember 2010) hat auch die Europäische Union erstmals in ihrer Geschichte einen internationalen Menschenrechtsvertrag in Form der Behindertenrechtskonvention ratifiziert.

Daher beeinflusst diese Konvention nicht nur die österreichische Gesetzgebung, sondern auch europäisches Recht – bis hin zu technischen Regelwerken.

Die Behindertenrechtskonvention formuliert Menschenrechte mit dem Ziel, die Gleichheit Aller zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.

2.1.1 Der Paradigmenwechsel

Der Monitoringausschuss des Bundes hat die Aufgabe, in seinem Bereich die Umsetzung der UN-Konvention zu überwachen. In seinem Leitbild beschreibt er den Paradigmenwechsel, den die Konvention bewirken soll:

„Vom medizinischen Modell ...

Bisher wurden Menschen mit Behinderungen vielfach als Objekt der Wohlfahrt gesehen, viele Handlungen waren daher darauf gerichtet, sie „wohl zu versorgen und zu beschützen“. Grundlage dafür ist das, auf Defizite abstellende, medizinische Modell, das Menschen mit Behinderungen auf ihre Behinderung reduziert und oftmals „Behandlungen“ zur „Korrektur“ als einziges Ziel hat. Das hat zur Konsequenz, dass die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen unbeachtet bleiben und diese nicht als TrägerInnen von Rechten anerkannt werden.

Paradigmenwechsel

Die Behindertenrechtskonvention unterstreicht den Paradigmenwechsel, indem sie Menschen mit Behinderungen als Subjekt und damit als TrägerInnen von Rechten anerkennt. Menschen mit Behinderungen werden nicht mehr länger als Almosenempfänger gesehen, sondern sie haben Rechte, über deren Ausübung sie selbst bestimmen können.

... zum sozialen Modell

Behinderung entsteht demnach aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Beeinträchtigungen werden nicht negativ gesehen, sondern als „normaler“ Bestandteil menschlichen Lebens, verbunden mit dem Respekt vor der Unterschiedlichkeit und Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen als Teil der Vielfalt der Menschheit.

Menschen mit Behinderungen werden als selbstverständliche, bereichernde Mitglieder der Gesellschaft anerkannt und wertgeschätzt.

Damit ist das Verständnis von Behinderung nicht ein fixer Zustand, sondern entwickelt sich ständig weiter.

Dies bedeutet aber auch, dass die Gesellschaft ihren Anteil an der Ausgrenzung und Missachtung der Rechte von Menschen mit Behinderungen kritisch durchleuchten und anerkennen, sowie Gegenmaßnahmen setzen muss. [...]

Die umfassende Beseitigung aller Barrieren, sowohl die der physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, anderen Einrichtungen und Diensten, als auch die in der Einstellung zu Menschen mit Behinderungen würde letztlich bewirken, dass Behinderung beseitigt oder zumindest minimiert wird.“4

2.2 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG)

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz regelt, dass Menschen mit Behinderungen nicht diskriminiert werden dürfen:

„Barrieren jeder Art wie zum Beispiel bauliche Barrieren stellen mittelbare Diskriminierungen dar. Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen[…], wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“5

Die ÖNORMEN der B 1600 Reihe bieten den Anbietern einer Dienstleistung oder dem Betreiber eines Gebäudes einen Anhaltspunkt für barrierefreies Bauen nach dem aktuellen Stand der Technik.

Fühlt sich eine Person mit Behinderungen diskriminiert, hat sie nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz die Möglichkeit, in einem zivilgerichtlichen Verfahren Schadenersatz einzufordern.

Dem Gerichtsverfahren hat verpflichtend ein kostenfreies Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt voranzugehen.

In der Regelung des §19 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz sind Übergangsfristen für die Herstellung der baulichen Barrierefreiheit vorgesehen: Für Bauwerke, deren rechtsgültige Baugenehmigung vor dem 1. Jänner 2006 erfolgte, gelten folgende Übergangsfristen bis 1. Jänner 2016:

Tabelle 1: Übergangsfristen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes

Bauten mit einer Baubewilligung ab dem 1. Jänner 2006 müssen jedenfalls barrierefrei errichtet worden sein.

Wenn öffentliche Förderungen genutzt wurden, um ein Bauwerk umzubauen, gelten ab 1. Jänner 2008 für die umgebauten Teile keine Übergangsfristen mehr. Nicht relevant dabei ist, ob die Förderungen von Bund, Land, Kommunen oder der EU kommen.

Bei Generalsanierungen endet die Übergangsfrist nach dem Abschluss der Generalsanierung und eine Diskriminierung kann sogleich geltend gemacht werden, wenn die Bewilligung dafür nach dem 1. Jänner 2006 erfolgte.

Für öffentliche Bauten des Bundes oder Bauten, in denen mittelbare Bundesverwaltung vollzogen wird, ist nach den erstellten „Etappenplan Bundesbauten“ bis spätestens 1. Jänner 2020 bauliche Barrierefreiheit herzustellen, wenn die Teiletappenpläne auf der jeweiligen Homepage (zB eines Bundesministeriums) öffentlich kundgemacht wurden. Dies betrifft zB Bauten der Polizei, der Universitäten, der Wahllokale für Bundeswahlen, des Meldeamtes usw – um nur einige wesentliche Gebäudearten zu nennen.

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Praxis-Info: öffentlicher Verkehr

Bei öffentlichen Verkehrsmitteln im Gelegenheitsverkehr (zB Taxis, Mietwagen) und im privaten Verkehr (zB Autobus bei Betriebsausflug) ist Barrierefreiheit seit 1. Jänner 2006 anzubieten, bei öffentlichen Autobussen im Linienverkehr seit 1. Jänner 2009.Bei allen sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Verkehrsanlagen ist die bauliche Barrierefreiheit nach einer Übergangsfrist bis 1. Jänner 2016 herzustellen. Dazu wurden von den Verkehrslinienbetreibern Etappenpläne erstellt.

In allen Fällen gelten jedoch die Zumutbarkeitskriterien für die Schaffung von Barrierefreiheit nach der Bestimmung des § 6 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (unverhältnismäßige Belastungen).

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Praxis-Info: Übergangsfristen der Bundesländer

Einige Bundesländer haben für sich die Umsetzung der baulichen Barrierefreiheit in öffentlichen Bauten (in denen keine mittelbare Bundesverwaltung stattfindet) befristet.Beispielsweise werden im Wiener Antidiskriminierungsgesetz oder im Tiroler Antidiskriminierungsgesetz Übergangsfristen erwähnt. Die Länge der Fristen differenziert je nach Land von 2016 bis derzeit 2042. Etappenplänen wurden auch hier teilweise erstellt. In manchen Bundesländern ist die Rechtslage noch nicht klar abgebildet.

2.3 Baurecht – Landesgesetzgebung – OIB-Richtlinie Nr. 4 „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“

Das Baurecht ist nach Art. 15 Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz Landessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Daher gibt es in Österreich mehr als neun verschiedene Bauordnungen in den Bundesländern. Die Harmonisierung der technischen Vorschriften und Bestimmungen orientieren sich sehr stark am „New Approach“6: Diesem liegt eine Entscheidung des Europäischen Rates von 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung zugrunde. „Das Konzept sieht vor, dass in den Rechtsvorschriften selbst nur mehr schlanke, zielorientierte Anforderungen festgelegt werden sollen. […] Technische Detailbestimmungen hingegen werden auf Dokumente ausgelagert, die keine Rechtsvorschriften im engeren Sinne sind, sondern auf die in den Rechtsvorschriften verwiesen wird. Hierzu dienen die OIB-Richtlinien.“7

Das Österreichische Institut für Bautechnik (OIB) wurde betraut, eine Expertengruppe zwischen den Bundesländern zu koordinieren. Ziel dieser Gruppe ist, harmonisierte bautechnische Richtlinien auszuarbeiten, die dann von den Bundesländern als verbindlich erklärt werden können. Dabei obliegt den Bundesländern, weitere Quoten festzulegen. „Die Länder regeln in ihren landesrechtlichen Bestimmungen eigenständig, welche Bauwerke barrierefrei gestaltet werden müssen. Die Richtlinie legt lediglich fest, wie Gebäude ausgeführt werden müssen, um den Anforderungen der Barrierefreiheit zu genügen.

Die Anzahl der behindertengerechten Stellplätze für Personenkraftwagen wird ebenfalls in der OIB-Richtlinie nicht geregelt, da dies den Ländern vorbehalten bleibt.“8 Die Serie der ÖNORM B 1600 bietet zudem Vorschläge, wie viele Parkplätze barrierefrei sein sollten.

4www.monitoringausschuss.at, Stand Juli 2013

5 § 6 Abs. 5 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz; Stand Juni 2013

6 vgl www.newapproach.org, Stand Juli 2013

7www.oib.or.at, Stand Juli 2013

8 OIB-300.4-012/07-001 OIB-Richtlinie 4 - Erläuterungen zu Ausgabe Oktober 2011 Pkt 8.1

3 Planungsgrundlagen

Einschränkungen sind individuell, somit werden Behinderungen in den gebauten Umgebungen sehr unterschiedlich wahrgenommen und empfunden. Behinderungen bzw Hindernisse oder Barrieren werden von Personen, die Strukturen und Einrichtungen nutzen wollen, ganz subjektiv wahrgenommen. Daraus ergibt sich der Ansatz, möglichst eine Umgebung zu planen und zu bauen, die von fast allen Personen mit möglichst geringen Barrieren genutzt werden kann. Ein möglichst großer Nutzerinnen- und Nutzerkreis sollte ohne Anpassungen nicht nur die gebaute Umgebung, sondern auch Produkte und Dienstleistungen verwenden können.

3.1 Menschen mit Lernschwierigkeiten

Menschen mit intellektuellen oder kognitiven Behinderungen und psychisch erkrankte Menschen bezeichnen sich selbst durchwegs als „Menschen mit Lernschwierigkeiten“.

In einfachen räumlichen Strukturen und klaren Gliederungen können sich Personen mit unsicherem Orientierungsvermögen besser zurechtfinden. Die Umgebung sollte intuitiv erfassbar sein. Wände und Böden, die sich farblich klar unterscheiden9, helfen, Raumgrößen besser und leichter erfassen zu können.

Bild 1: Männer und Frauen mit Lernschwierigkeiten auf der Bühne

Markante Stellen, die mit einem hohen Wiedererkennungswert ausgezeichnet sind, zB eine Halle mit einem sichtbaren Monument als Merkmal oder ein Wechsel im Bodenbelag und in der Wandfarbe, erleichtern die Orientierung.

Bedienelemente sollen einfach und unmissverständlich gekennzeichnet werden. Mit Hilfe von gleichmäßiger, ausreichender Beleuchtung sowie angenehmer Raumakustik werden Angsträume entschärft.

Verwinkelte Erschließungsflächen, sehr kleine Räume und fehlende Sichtbeziehungen werden als unangenehm empfunden. Daraus ergibt sich zum Beispiel, dass Fahrkörbe von Aufzügen – wenn möglich – verglast ausgeführt werden sollten.

3.2 Menschen mit Mobilitätsbehinderungen

Personen, die Hilfsmittel nutzen, um mobil zu sein, stellen erhöhte Ansprüche an Bewegungsflächen, Greifhöhen, Wegbreiten oder an die Bedienbarkeit von Bedien­elementen.

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Praxis-Info: Was sind Hilfsmittel?

Prothesen, Rollatoren und Rollmobile, Rollstühle (manuell betrieben oder mit elektrischem Antrieb), Krücken, Stöcke, Orthopädische Schuhe, Mundstäbe, Hebelifter uvam

Für Personen mit Mobilitätsbehinderungen ist beispielsweise entscheidend, dass Anfahrbereiche bei Türen ausreichend dimensioniert sind oder Bedienelemente leicht bedienbar in einer geeigneten Höhe angeboten werden. Bewegungsflächen innerhalb kleiner Räume oder zwischen den Einrichtungsgegenständen sind entscheidend für ihre Nutzung im Alltag. Barrierefreie Angebote zur Erschließung vertikaler Wege sind notwendig, um Mobilität zu schaffen. Barrieren wie unebene Oberflächen oder Stufen sind zu vermeiden. Durchgangslichten bei Zugangskontrollen, Türen oder in Gängen sind zu beachten.

3.3 Menschen mit Sehbehinderungen

Um für Personen mit Sehbehinderungen barrierefreie Mobilität zu schaffen, ist auf entgegengesetzte Anforderungen Rücksicht zu nehmen. Im Gegensatz zu blinden Menschen nützen Menschen mit Sehbehinderungen den Sehsinn als primären Sinn zur Aufnahme von Informationen.

Blinde Personen orientieren sich vorwiegend mit Hilfe des Tastsinns, des Gehör- oder Geruchssinns. Sie benützen den Langstock und tasten entlang von Leitlinien wie Wänden, Handläufen oder taktilen Bodenleitlinien. Die gebaute Umwelt wird haptisch bzw taktil erfasst.

Bild 2: Mann mit Langstock im öffentlichem Raum

Mittels Mobilitätstraining erlernen blinde Personen, Wege und Bauwerke nutzen. Je einheitlicher taktile Leitsysteme ausgeführt werden, desto einfacher können Wege erlernt und genutzt werden. Schwierigkeiten oder Gefahrenquellen tauchen dann auf, wenn zum Beispiel Rolltreppen, die entgegen der Gehrichtung laufen, genauso an das Leitsystem angebunden sind, wie Rolltreppen die in der vorgesehenen Gehrichtung laufen.