Basiskonzepte und Rechtsrundlagen internationaler Organisationen - Ibrahim Bekmezci - E-Book

Basiskonzepte und Rechtsrundlagen internationaler Organisationen E-Book

Ibrahim Bekmezci

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Beschreibung

Staaten und Gesellschaften stehen zu Beginn der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer mehr komplexen grenzüberschreitenden Herausforderungen und globalen Problemen wie Finanzkrisen, Gewaltkonflikte, Energie- und Umweltfragen oder Klimawandel gegenüber. Sie können diese Problematik einseitig (unilateral) oder durch eine bloße Ad-hoc-Kooperation kaum aussichtsreich und erfolgversprechend bewältigen. In diesem Kontext lässt sich sagen, dass die Stabilisierung und Erhaltung der internationalen Sicherheit, des Friedens, des Schutzes der Menschenrechte, des ökonomischen Wohlergehens oder der ökologischen Lebensbedingungen von Menschen weltweit heute von der Fähigkeit oder Unfähigkeit internationaler Organisationen und Kooperationen unmittelbar beeinflusst werden. Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich primär mit alternativen Modellen demokratischer und moderner Regierungsformen nichtstaatlicher Akteure im völkerrechtlichen Kontext. Es handelt sich zentral um die Funktion, Struktur, Prozesse, Verfahren und Rechtsrundlagen sowie die Rolle internationaler Organisationen im internationalen System. Im Fokus liegt damit das Regieren jenseits der Nationalstaaten im internationalen Zusammenleben. Diese Studie konzentriert sich weiterhin konzeptionell auf die Gründung und Beendigung, die Typen, Organisationsstruktur, Kompetenzen, Ziele, Aufgaben und Aktivitäten der internationalen Organisationen. Anschließend wird die Rechtsstellung, Haftung, das Gesandtschaftsrecht und die Mitwirkung in internationalen Organisationen erörtert. Diese Arbeit befasst sich auch mit der rechtlich-institutionellen Charakterisierung der EU und ihrer Einordnung als internationale Organisation. Abschließend wird die Kritik an internationalen Organisationen und der UNO untersucht. Als Konstruktion der komplexen Analyse werden im Folgenden einige wichtige Komponenten und zentrale Implikationen für die Rolle internationaler Organisationen als rechtlich-institutionelle Akteure im neuen (globalen) Weltordnungssystem dargestellt. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die zentrale Fragestellung, ob die internationalen Organisationen die Akteursqualität besitzen, um als eigenständige Akteure auf der internationalen Bühne zu agieren, ob und in welchem Umfang sie Macht ausüben, welche Rolle sie im internationalen Zusammenleben spielen.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Abstract

The subject of the present scientific work is “Basic concepts and legal foundations of the international organizations. Is the EU classifiable as an international organization?” The central issue is the importance and role of non-state actors and thus governance beyond the nation states in the international system. Against this background, this work wants to examine the structure, function, process, procedure, and the legal-institutional aspects of the international organizations.

This study focuses conceptually on the historical development, types, organizational structure, competencies, goals, tasks, and activities of the international organizations. This is followed by an examination of the role of the United Nations in international coexistence and a critique of this organization. Then the legal status, liability, legation rights of international organizations and participation in them will be discussed in the context of international law. Likewise, this work deals with the characteristics and the legal-institutional classification of the EU as an international organization. Finally, the criticisms about international organizations will be examined.

As a construction of the complex analysis, some important components, and central implications for the role of international organizations as legalinstitutional actors in the new (global) world order system are presented below. In this context, the present work concentrates on the central questions:

Whether the international organizations have the quality of actors to act as independent actors on the international stage,

whether and to what extent they exercise power,

what role they play in international coexistence.

The latest research results of the present study confirm that international organizations play an irreplaceable role as legal-institutional actors on the stage of world politics and in the system of the globalized world order. It can be said that today they are part of the globalization process. Therefore, international organizations are a part of the increasing interdependence of all areas of politics, economy, environment, communication, culture, and sport. The stabilization and maintenance of international security, peace, the protection of human rights, economic well-being or the ecological living conditions of people are today directly influenced by the ability or inability of international organizations and cooperation. Against the background of their relevance to world politics, it is becoming increasingly important to record the structures, processes, procedures, and activities of international organizations objectively and thoroughly on a scientific basis.

The aim of the present study is to discuss central terms and concepts to better understand complex relationships and controversial positions. In this way, it is possible to find answers to the main problem areas related to the characterization and functioning of the system of international organizations and their future role in the international coexistence, especially from a legal and institutional perspective. At the same time, this analysis tries to close some existing research gaps in this area, to gain new insights and thus to contribute to science and research.

Vorwort

Das Thema der vorliegenden Studie lautet „Basiskonzepte und Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen. Ist die EU als internationale Organisation zu klassifizieren?“ Die Idee zu meinem Thema entstand zunächst vor einigen Jahren während meiner Promotion an der juristischen Fakultät der Universität Hamburg. Schließlich habe ich mich während der Corona-Pandemie im Frühjahr 2022 entschlossen, diese Forschungsarbeit zu verfassen, um die erzwungene Corona-Auszeit sinnvoll zu nutzen. Ich habe mich mit diesem Thema befasst, weil es nach meiner Auffassung sehr interessant und auch zeitlos aktuell ist.

Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich primär mit alternativen Modellen demokratischer und moderner Regierungsformen nichtstaatlicher Akteure im völkerrechtlichen Kontext. Es handelt sich zentral um die Bedeutung und Rolle internationaler Organisationen und damit das Regieren jenseits der Nationalstaaten im internationalen System. Diese Studie konzentriert sich konzeptionell auf die historische Entwicklung, Typen, Organisationsstruktur, Kompetenzen, Ziele, Aufgaben und Aktivitäten der internationalen Organisationen. Daran schließt sich die Diskussion über die Rolle der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben und eine Kritik an dieser Organisation an. Anschließend wird der Rechtsstatus, die Haftung, das Gesandtschaftsrecht und die Mitwirkung in internationalen Organisationen erörtert. Ebenso befasst sich diese Arbeit mit der Charakterisierung der EU und ihrer rechtlich-institutionellen Klassifikation als internationale Organisation. Abschließend wird die Kritik an internationalen Organisationen untersucht.

Ich interessiere mich insb. für Europa und Moderne sowie die Erforschung der internationalen Beziehungen, der modernen Konzepte der vergleichenden Politikwissenschaft und der Rechtssysteme. Mein besonderes Interesse gilt der Recherche der politischen Architektur in der Welt, der EU-Außenbeziehungen und der internationalen Organisationen mit globaler Reichweite sowie der alternativen politischen Systeme. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist auf diese Art und Weise Antworten für verschiedene Problembereiche in rechtlich-institutioneller und politischer Hinsicht zu finden. Daher handelt sich hierbei vielmehr um eine interdisziplinäre Forschungsarbeit.

Für mich war die Erstellung dieser Analyse nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine persönlich bereichernde Erfahrung, Erweiterung und Vertiefung meiner wissenschaftlichen Kenntnisse, Fachwissen, Fähigkeiten und Anschauungen insb. im Bereich des Völkerrechts. Meiner Familie sowie den zahlreichen Personen und Institutionen, die mich sowohl während meines Studiums der Politikwissenschaft, BWL und Jura in Bamberg und Hamburg wie ebenfalls meiner Promotionszeit in der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich danken.

Hamburg, Juli 2022 Ibrahim Bekmezci

Inhaltsübersicht

Teil I Einführung und Grundlagen

1 Einleitung

2 Historischer Überblick

3 Definition internationaler Organisationen

4 Entstehen, Organisation und Ende internationaler Organisationen

5 Arten internationaler Organisationen

Teil II Struktur und Funktion internationaler Organisationen

6 Organisationsstruktur, Organe internationaler Organisationen und ihre Befugnisse

7 Tätigkeiten und Aufgabenbereiche internationaler Organisationen

8 Zur Rolle der nichtstaatlichen Akteure im internationalen System

9 Zur Rolle und Kritik der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben

Teil III Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen

10 Rechtsstellung internationaler Organisationen

11 Teilnahme an internationalen Organisationen

12 Haftung internationaler Organisationen

13 Gesandtschaftsrecht

Teil IV Rechtlich-institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation

14 Allgemeiner Überblick zur Charakterisierung der EU

15 Rechtliche Einordnung der EU als internationale Organisation

16 Institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation

Teil V Schlussbetrachtung

17 Kritik an internationalen Organisationen

18 Zusammenfassung und Ausblick

19 Literaturverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Teil I Einführung und Grundlagen

1 Einleitung

2 Historischer Überblick

3 Definition internationaler Organisationen

4 Entstehen, Organisation und Ende internationaler Organisationen

5 Arten internationaler Organisationen

Teil II Struktur und Funktion internationaler Organisationen

6 Organisationsstruktur, Organe internationaler Organisationen und ihre Befugnisse

7 Tätigkeiten und Aufgabenbereiche internationaler Organisationen

7.1 Allgemeiner Überblick

7.2 Sicherheit

7.3 Wirtschaft (Wohlfahrt)

7.4 Umwelt

7.5 Menschenrechte

8 Zur Rolle der nichtstaatlichen Akteure im internationalen System

9 Zur Rolle und Kritik der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben

Teil III Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen

10 Rechtsstellung internationaler Organisationen

10.1 Rechtspersönlichkeit

10.2 Rechtssubjektivität nach Völkerrecht

10.3 Rechtssubjektivität nach innerstaatlichem Recht

11 Teilnahme an internationalen Organisationen

11.1 Erlangung der Mitgliedschaft

11.2 Sonstige Formen der Teilnahme an internationalen Organisationen

11.2.1 Assoziierten-Status

11.2.2 Beobachter-Status

11.2.3 Weitere Formen einer Beteiligung

12 Haftung internationaler Organisationen

13 Gesandtschaftsrecht

Teil IV Rechtlich-institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation

14 Allgemeiner Überblick zur Charakterisierung der EU

15 Rechtliche Einordnung der EU als internationale Organisation

15.1 Rechtsnatur der EU

15.2 Rechtsfähigkeit

15.3 Zwischenergebnis

16 Institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation

16.1 Die EU als internationale Organisation

16.2 Die EU als Bundesstaat

16.3 Staatenverbund nach dem Maastricht-Urteil des BVerfG

16.4 Staatenverbund nach dem BVerfG-Urteil zum Vertrag von Lissabon

16.5 Zwischenergebnis

Teil V Schlussbetrachtung

17 Kritik an internationalen Organisationen

18 Zusammenfassung und Ausblick

19 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AEC

African Economic Community

AEMR

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der EU

AGMR

Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte

AHRD

ASEAN Human Rights Declaration

AI

Amnesty Interational

ASEM

Asia-Europe Meeting

AU

Afrikanische Union

BINGO

Business International Nongovernmental Organizations

BRD

Bundesrepublik Deutschland

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

DDR

Deutsche Demokratische Republik

EAG

Europäische Atomgemeinschaft

EFTA

European Free Trade Association

EG

Europäische Gemeinschaft

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGMR

Europäischer Menschengerichtshof

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

ESVP

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FAO

Food and Agriculture Organization of the UN

FCKW

Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen

FIFA

Fédération Internationale de Football Association

GASP

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GG

Grundgesetz

GUS

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

G8

Gruppe der 8 (-Staaten)

G20

Gruppe der 20 (-Staaten)

G77

Gruppe der 77 (-Staaten)

IAEA

International Atomic Agency

IAEO

Internationale Atomenergie-Organisation

IAGMR

Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte

ICAO

International Civil Aviation Organization

ICJ

International Court of Justice

ICPO

International Centers for Precision Oncology Foundation

IGH

Internationaler Gerichtshof

IGO

International Governmental Organization

IKPK

Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

ILC

International Law Commission

ILO

International Labour Organization

IMF

International Monetary Fund

IMO

International Martime Organization

INGO

International Non-Governmental Organization

IO

Internationale Organisationen

IStGH

Internationaler Strafgerichtshof

ITC

Internationaler Zinnrat

ITU

International Telecommunication Union

IWF

Internationaler Währungsfonds

KSZE

Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

MRK

Menschenrechtskommission

MRR

Menschenrechtsrat

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NGO

Non-Governmental Organization

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten

OAU

Organization of African Unity

OECD

Organization for Economic Cooperation and Development

OIC/OCI

Organisation of Islamic Cooperation

OPEC

Organization of the Petroleum Exporting Countries

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

PCA

Permanent Court of Arbitration

RES

Resolution

SAARC

South Asian Association of Regional Cooperation

UdSSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

UEFA

Union of European Football Associations

UNESCO

UN Educational, Scientific and Cultural Organization

UNO

United Nations Organization

UPU

Universal Postal Union

USA

United Nations of America

VB

Völkerbund

VN

Vereinte Nationen

WEU

Westeuropäische Union

WHO

World Health Organization

WTO

World Trade Organization

WVK

Wiener Vertragsrechtskonvention

WVKIO

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen

ZKR

Zentralkommission für Rheinschifffahrt

Teil I Einführung und Grundlagen

1

1 Einleitung

Staaten und Gesellschaften stehen zu Beginn der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer mehr komplexen grenzüberschreitenden Herausforderungen und globalen Problemen wie Finanzkrisen, Gewaltkonflikte, Energie- und Umweltfragen oder Klimawandel gegenüber. Sie können diese Problematik einseitig (unilateral) oder durch eine bloße Ad-hoc-Kooperation kaum aussichtsreich und erfolgversprechend bewältigen.

Die Weltpolitik wird heute zunehmend von Großmächten der Welt wie den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Russland oder aber auch der Volksrepublik China und der Europäischen Union (EU) sowie vermehrt von großen einflussreichen transnationalen Unternehmen geprägt. Parallel dazu spielen internationale Organisationen mit regionaler oder globaler Reichweite wie die Vereinten Nationen (UN) und ihre Sonderorganisationen, der Internationale Währungsfonds (IWF), seine Schwesterorganisation Weltbank (World Bank) oder die Welthandelsorganisation (WTO) eine wachsend signifikante Rolle bei der Schaffung und der Implementierung von internationalen Voraussetzungen, Normen und Regeln. Infolgedessen nimmt die Rolle internationaler Organisationen in der Global Governance kontinuierlich zu und geht über globale Akteure hinaus.

In diesem Kontext lässt sich sagen, dass die Stabilisierung und Erhaltung der internationalen Sicherheit, des Friedens, des Schutzes der Menschenrechte, des ökonomischen Wohlergehens oder der ökologischen Lebensbedingungen von Menschen weltweit heute von der Fähigkeit oder Unfähigkeit internationaler Organisationen und Kooperationen unmittelbar beeinflusst werden. Damit handelt es sich hierbei um das Regieren jenseits des Nationalstaates.

Vor dem Hintergrund ihrer realpolitischen und -weltlichen Relevanz wird es stetig wichtiger, die Strukturen, Prozesse und Verfahren internationaler Organisationen auf der wissenschaftlichen Basis sachlich und gründlich zu erfassen. Diese wissenschaftliche Arbeit will im Folgenden versuchen, theoretisch informiert und empirisch fundiert die Basiskonzepte, die Entstehungs- und Rahmenbedingungen, die Funktionsweise, die Tätigkeiten sowie die Ziele internationaler Organisationen rechtlich-institutionell darzustellen. Auch ihr Verhältnis zur EU als internationale Organisation wird thematisiert.

An dieser Stelle ist zu betonen, dass ein souveräner Staat vor der Gründung der EWG/EG/EU noch nie freiwillig auf seine volle Souveränität verzichten und mit anderen Staaten vereinbaren musste, dass er sich von ihnen vorschreiben lässt, welche politische Richtlinie er sowohl im Außen- als auch Innenbereich verfolgen muss. Sowohl das politische Gebilde der EU als auch ihre rechtliche Gestaltung überschreiten weitestgehend die einer internationalen Organisation. In dieser Studie wird auch die rechtlich-institutionelle Charakteristika des EU-Systems analysiert. Ziel ist es dabei herauszufinden, ob die Einstufung der EU als internationale Organisation möglich ist.

Als Konstruktion der komplexen Analyse werden im Folgenden einige wichtige Komponenten und zentrale Implikationen für die Rolle internationaler Organisationen als rechtlich-institutionelle Akteure im neuen (globalen) Weltordnungssystem dargestellt. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die zentrale Fragestellung,

ob die internationalen Organisationen die Akteursqualität besitzen, um als eigenständige Akteure auf der internationalen Bühne zu agieren,

ob und in welchem Umfang sie Macht ausüben,

welche Rolle sie im internationalen Zusammenleben spielen.

Basierend auf dieser Ausgangsfragestellung werden die folgenden weiterführenden Fragen konkret analysiert und bewertet:

Was die internationalen Organisationen sind, wie sie entstehen und enden,

welche Arten von internationalen Organisationen es gibt, wie sie strukturiert sind und welche Kompetenzen sie besitzen,

wie die internationalen Organisationen funktionieren, welche Aufgaben und Ziele sie haben,

welche Bedeutung die nichtstaatlichen Akteure für das System der internationalen Beziehungen haben und welche Rolle die Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben spielen,

wie die Rechtsstellung internationaler Organisationen konzipiert ist, wie ihre Rechtspersönlichkeit nach Völkerrecht und innerstaatlichem Recht ausgestaltet ist sowie wie die Beteiligung an internationalen Organisationen rechtlich und institutionell erfolgt,

wie das EU-System rechtlich-institutionell zu charakterisieren ist und ob es als internationale Organisation eingestuft werden kann,

welche Kritik an den internationalen Organisationen es gibt und ob sie zutrifft.

Ziel ist es, zentrale Begriffe und Konzepte zu diskutieren, um komplexe Zusammenhänge und kontroverse Positionen besser zu verstehen. Auf diese Weise lassen sich insbesondere in rechtlicher und institutioneller Hinsicht Antworten auf wesentliche Problemfelder der Charakterisierung und Funktionsweise des Systems internationaler Organisationen und ihrer künftigen Rolle im internationalen Zusammenleben finden. Gleichzeitig versucht diese Analyse, einige der bestehenden Forschungslücken in diesem Bereich zu schließen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und so einen Beitrag für Wissenschaft und Forschung zu leisten.

2 Historischer Überblick

Zunächst muss man zum Ausdruck bringen, dass internationale Organisationen in der langen Historie der Weltpolitik ein junges Phänomen sind. Ihre Entwicklung begann erst im 19. Jahrhundert im internationalen System.1 Internationale Organisationen erlangten erst im Verlaufe des 20. Jahrhundert nach zweien entsetzlichen Weltkriegen mit katastrophalen Ergebnissen eine zentrale Bedeutung im Völkerrecht.2 Sie spielen gegenwärtig nahezu in allen Politikfeldern mit internationaler Bedeutung – „von A wie Abrüstung bis Z wie Ziviles Krisenmanagement“3 – eine entscheidende Rolle. Heute beschäftigen sich internationale Organisationen mit einer umfassenden Zuständigkeit wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union mit unzähligen differenten Politikbereichen.

Es ist zu beobachten, dass sich das Konzept von internationalen Organisationen in ihrer heutigen Form insbesondere nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und mit Beginn des Kalten Krieges, der ideologisch, politisch, ökonomisch, gesellschaftlich und verbal umso heftiger und erbitterter zwischen den gegensätzlichen Staatenblocks ausgetragen wurde, entwickelt hat. Mit diesem Spannungszustand war nicht nur in Europa, sondern weltweit ein machtpolitischer Gegensatz, der die Welt mehrfach an den Rand eines atomaren Krieges brachte, verbunden. Um diesen Gefahrzustand zu minimieren, stieg das zwingende Bedürfnis der Staaten auch mit dem rasanten zivilisatorischen Fortschritt in den Folgejahren zu einer zunehmenden engeren, komplexeren Zusammenarbeit auf fast allen Bereichen menschlichen Wirkens. Dabei übernehmen internationale Organisationen vielfältige zentrale Aufgaben und wurden zu einem wesentlichen Bestandteil der Völkerrechtsordnung.4 Folglich kommt heute immer mehr von dem Übergang des Systems der Bipolarität zu einem solchen der Multipolarität, nach dem Untergang der Sowjetunion sogar von der Unilateralität zum Ausdruck.5

Die Anfänge der internationalen Zusammenarbeit bzw. die Idee einer internationalen Sicherheitsorganisation reichen jedoch bis auf den Wiener Kongress von 1815 nach den Napoleonischen Kriegen zurück.6 Der Kongress rief das Europäische Konzert der Großmächte ins Leben.7 Es wird angenommen, dass diese Veranstaltung als ein wesentlicher Vorläufer gegenwärtiger internationaler Sicherheitsorganisationen gilt.8 Die europäischen Großmächte übernahmen im Rahmen des Konzerts gemeinsam Verantwortung für die Wahrung des Friedens und die Organisation einer internationalen Kooperation in einer Reihe von politischen Gebieten.9 Schließlich waren sich die teilnehmenden Staaten darüber im Klaren, dass gemeinsame Interessen lediglich durch gemeinsames Handeln effektiv durchgesetzt werden könnten. Überdies war die Gründung der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), deren zentrale Aufgabe den internationalen Schiffsverkehr auf dem Rhein zu fördern war und die bis heute fortexistiert, eines der wichtigsten Ergebnisse des Kongresses.10 Sie gilt damit als die erste und älteste internationale Organisation der Geschichte in dieser Hinsicht.11

Allerdings erfuhren internationale Organisationen ihre erste Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Gründung zahlreicher internationaler Flusskommissionen und Verwaltungsunionen parallel zur industriellen Revolution.12 So zählen beispielsweise die internationale Fernmeldeunion (ITU) von 1865 und der Weltpostverein (UPU) von 1874 zu den bedeutendsten der sog. internationalen Ämter.13 Die beiden Organisationen arbeiten bis heute weitgehend unverändert.