Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Staaten und Gesellschaften stehen zu Beginn der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer mehr komplexen grenzüberschreitenden Herausforderungen und globalen Problemen wie Finanzkrisen, Gewaltkonflikte, Energie- und Umweltfragen oder Klimawandel gegenüber. Sie können diese Problematik einseitig (unilateral) oder durch eine bloße Ad-hoc-Kooperation kaum aussichtsreich und erfolgversprechend bewältigen. In diesem Kontext lässt sich sagen, dass die Stabilisierung und Erhaltung der internationalen Sicherheit, des Friedens, des Schutzes der Menschenrechte, des ökonomischen Wohlergehens oder der ökologischen Lebensbedingungen von Menschen weltweit heute von der Fähigkeit oder Unfähigkeit internationaler Organisationen und Kooperationen unmittelbar beeinflusst werden. Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich primär mit alternativen Modellen demokratischer und moderner Regierungsformen nichtstaatlicher Akteure im völkerrechtlichen Kontext. Es handelt sich zentral um die Funktion, Struktur, Prozesse, Verfahren und Rechtsrundlagen sowie die Rolle internationaler Organisationen im internationalen System. Im Fokus liegt damit das Regieren jenseits der Nationalstaaten im internationalen Zusammenleben. Diese Studie konzentriert sich weiterhin konzeptionell auf die Gründung und Beendigung, die Typen, Organisationsstruktur, Kompetenzen, Ziele, Aufgaben und Aktivitäten der internationalen Organisationen. Anschließend wird die Rechtsstellung, Haftung, das Gesandtschaftsrecht und die Mitwirkung in internationalen Organisationen erörtert. Diese Arbeit befasst sich auch mit der rechtlich-institutionellen Charakterisierung der EU und ihrer Einordnung als internationale Organisation. Abschließend wird die Kritik an internationalen Organisationen und der UNO untersucht. Als Konstruktion der komplexen Analyse werden im Folgenden einige wichtige Komponenten und zentrale Implikationen für die Rolle internationaler Organisationen als rechtlich-institutionelle Akteure im neuen (globalen) Weltordnungssystem dargestellt. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die zentrale Fragestellung, ob die internationalen Organisationen die Akteursqualität besitzen, um als eigenständige Akteure auf der internationalen Bühne zu agieren, ob und in welchem Umfang sie Macht ausüben, welche Rolle sie im internationalen Zusammenleben spielen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
The subject of the present scientific work is “Basic concepts and legal foundations of the international organizations. Is the EU classifiable as an international organization?” The central issue is the importance and role of non-state actors and thus governance beyond the nation states in the international system. Against this background, this work wants to examine the structure, function, process, procedure, and the legal-institutional aspects of the international organizations.
This study focuses conceptually on the historical development, types, organizational structure, competencies, goals, tasks, and activities of the international organizations. This is followed by an examination of the role of the United Nations in international coexistence and a critique of this organization. Then the legal status, liability, legation rights of international organizations and participation in them will be discussed in the context of international law. Likewise, this work deals with the characteristics and the legal-institutional classification of the EU as an international organization. Finally, the criticisms about international organizations will be examined.
As a construction of the complex analysis, some important components, and central implications for the role of international organizations as legalinstitutional actors in the new (global) world order system are presented below. In this context, the present work concentrates on the central questions:
Whether the international organizations have the quality of actors to act as independent actors on the international stage,
whether and to what extent they exercise power,
what role they play in international coexistence.
The latest research results of the present study confirm that international organizations play an irreplaceable role as legal-institutional actors on the stage of world politics and in the system of the globalized world order. It can be said that today they are part of the globalization process. Therefore, international organizations are a part of the increasing interdependence of all areas of politics, economy, environment, communication, culture, and sport. The stabilization and maintenance of international security, peace, the protection of human rights, economic well-being or the ecological living conditions of people are today directly influenced by the ability or inability of international organizations and cooperation. Against the background of their relevance to world politics, it is becoming increasingly important to record the structures, processes, procedures, and activities of international organizations objectively and thoroughly on a scientific basis.
The aim of the present study is to discuss central terms and concepts to better understand complex relationships and controversial positions. In this way, it is possible to find answers to the main problem areas related to the characterization and functioning of the system of international organizations and their future role in the international coexistence, especially from a legal and institutional perspective. At the same time, this analysis tries to close some existing research gaps in this area, to gain new insights and thus to contribute to science and research.
Das Thema der vorliegenden Studie lautet „Basiskonzepte und Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen. Ist die EU als internationale Organisation zu klassifizieren?“ Die Idee zu meinem Thema entstand zunächst vor einigen Jahren während meiner Promotion an der juristischen Fakultät der Universität Hamburg. Schließlich habe ich mich während der Corona-Pandemie im Frühjahr 2022 entschlossen, diese Forschungsarbeit zu verfassen, um die erzwungene Corona-Auszeit sinnvoll zu nutzen. Ich habe mich mit diesem Thema befasst, weil es nach meiner Auffassung sehr interessant und auch zeitlos aktuell ist.
Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich primär mit alternativen Modellen demokratischer und moderner Regierungsformen nichtstaatlicher Akteure im völkerrechtlichen Kontext. Es handelt sich zentral um die Bedeutung und Rolle internationaler Organisationen und damit das Regieren jenseits der Nationalstaaten im internationalen System. Diese Studie konzentriert sich konzeptionell auf die historische Entwicklung, Typen, Organisationsstruktur, Kompetenzen, Ziele, Aufgaben und Aktivitäten der internationalen Organisationen. Daran schließt sich die Diskussion über die Rolle der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben und eine Kritik an dieser Organisation an. Anschließend wird der Rechtsstatus, die Haftung, das Gesandtschaftsrecht und die Mitwirkung in internationalen Organisationen erörtert. Ebenso befasst sich diese Arbeit mit der Charakterisierung der EU und ihrer rechtlich-institutionellen Klassifikation als internationale Organisation. Abschließend wird die Kritik an internationalen Organisationen untersucht.
Ich interessiere mich insb. für Europa und Moderne sowie die Erforschung der internationalen Beziehungen, der modernen Konzepte der vergleichenden Politikwissenschaft und der Rechtssysteme. Mein besonderes Interesse gilt der Recherche der politischen Architektur in der Welt, der EU-Außenbeziehungen und der internationalen Organisationen mit globaler Reichweite sowie der alternativen politischen Systeme. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist auf diese Art und Weise Antworten für verschiedene Problembereiche in rechtlich-institutioneller und politischer Hinsicht zu finden. Daher handelt sich hierbei vielmehr um eine interdisziplinäre Forschungsarbeit.
Für mich war die Erstellung dieser Analyse nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine persönlich bereichernde Erfahrung, Erweiterung und Vertiefung meiner wissenschaftlichen Kenntnisse, Fachwissen, Fähigkeiten und Anschauungen insb. im Bereich des Völkerrechts. Meiner Familie sowie den zahlreichen Personen und Institutionen, die mich sowohl während meines Studiums der Politikwissenschaft, BWL und Jura in Bamberg und Hamburg wie ebenfalls meiner Promotionszeit in der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich danken.
Hamburg, Juli 2022 Ibrahim Bekmezci
Teil I Einführung und Grundlagen
1 Einleitung
2 Historischer Überblick
3 Definition internationaler Organisationen
4 Entstehen, Organisation und Ende internationaler Organisationen
5 Arten internationaler Organisationen
Teil II Struktur und Funktion internationaler Organisationen
6 Organisationsstruktur, Organe internationaler Organisationen und ihre Befugnisse
7 Tätigkeiten und Aufgabenbereiche internationaler Organisationen
8 Zur Rolle der nichtstaatlichen Akteure im internationalen System
9 Zur Rolle und Kritik der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben
Teil III Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen
10 Rechtsstellung internationaler Organisationen
11 Teilnahme an internationalen Organisationen
12 Haftung internationaler Organisationen
13 Gesandtschaftsrecht
Teil IV Rechtlich-institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation
14 Allgemeiner Überblick zur Charakterisierung der EU
15 Rechtliche Einordnung der EU als internationale Organisation
16 Institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation
Teil V Schlussbetrachtung
17 Kritik an internationalen Organisationen
18 Zusammenfassung und Ausblick
19 Literaturverzeichnis
Teil I Einführung und Grundlagen
1 Einleitung
2 Historischer Überblick
3 Definition internationaler Organisationen
4 Entstehen, Organisation und Ende internationaler Organisationen
5 Arten internationaler Organisationen
Teil II Struktur und Funktion internationaler Organisationen
6 Organisationsstruktur, Organe internationaler Organisationen und ihre Befugnisse
7 Tätigkeiten und Aufgabenbereiche internationaler Organisationen
7.1 Allgemeiner Überblick
7.2 Sicherheit
7.3 Wirtschaft (Wohlfahrt)
7.4 Umwelt
7.5 Menschenrechte
8 Zur Rolle der nichtstaatlichen Akteure im internationalen System
9 Zur Rolle und Kritik der Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben
Teil III Rechtsgrundlagen internationaler Organisationen
10 Rechtsstellung internationaler Organisationen
10.1 Rechtspersönlichkeit
10.2 Rechtssubjektivität nach Völkerrecht
10.3 Rechtssubjektivität nach innerstaatlichem Recht
11 Teilnahme an internationalen Organisationen
11.1 Erlangung der Mitgliedschaft
11.2 Sonstige Formen der Teilnahme an internationalen Organisationen
11.2.1 Assoziierten-Status
11.2.2 Beobachter-Status
11.2.3 Weitere Formen einer Beteiligung
12 Haftung internationaler Organisationen
13 Gesandtschaftsrecht
Teil IV Rechtlich-institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation
14 Allgemeiner Überblick zur Charakterisierung der EU
15 Rechtliche Einordnung der EU als internationale Organisation
15.1 Rechtsnatur der EU
15.2 Rechtsfähigkeit
15.3 Zwischenergebnis
16 Institutionelle Einordnung der EU als internationale Organisation
16.1 Die EU als internationale Organisation
16.2 Die EU als Bundesstaat
16.3 Staatenverbund nach dem Maastricht-Urteil des BVerfG
16.4 Staatenverbund nach dem BVerfG-Urteil zum Vertrag von Lissabon
16.5 Zwischenergebnis
Teil V Schlussbetrachtung
17 Kritik an internationalen Organisationen
18 Zusammenfassung und Ausblick
19 Literaturverzeichnis
AEC
African Economic Community
AEMR
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der EU
AGMR
Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte
AHRD
ASEAN Human Rights Declaration
AI
Amnesty Interational
ASEM
Asia-Europe Meeting
AU
Afrikanische Union
BINGO
Business International Nongovernmental Organizations
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
DDR
Deutsche Demokratische Republik
EAG
Europäische Atomgemeinschaft
EFTA
European Free Trade Association
EG
Europäische Gemeinschaft
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGMR
Europäischer Menschengerichtshof
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
ESVP
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FAO
Food and Agriculture Organization of the UN
FCKW
Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen
FIFA
Fédération Internationale de Football Association
GASP
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
GG
Grundgesetz
GUS
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
G8
Gruppe der 8 (-Staaten)
G20
Gruppe der 20 (-Staaten)
G77
Gruppe der 77 (-Staaten)
IAEA
International Atomic Agency
IAEO
Internationale Atomenergie-Organisation
IAGMR
Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte
ICAO
International Civil Aviation Organization
ICJ
International Court of Justice
ICPO
International Centers for Precision Oncology Foundation
IGH
Internationaler Gerichtshof
IGO
International Governmental Organization
IKPK
Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission
IKRK
Internationales Komitee vom Roten Kreuz
ILC
International Law Commission
ILO
International Labour Organization
IMF
International Monetary Fund
IMO
International Martime Organization
INGO
International Non-Governmental Organization
IO
Internationale Organisationen
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
ITC
Internationaler Zinnrat
ITU
International Telecommunication Union
IWF
Internationaler Währungsfonds
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
MRK
Menschenrechtskommission
MRR
Menschenrechtsrat
NAFTA
North American Free Trade Agreement
NATO
North Atlantic Treaty Organization
NGO
Non-Governmental Organization
OAS
Organisation Amerikanischer Staaten
OAU
Organization of African Unity
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OIC/OCI
Organisation of Islamic Cooperation
OPEC
Organization of the Petroleum Exporting Countries
OSZE
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
PCA
Permanent Court of Arbitration
RES
Resolution
SAARC
South Asian Association of Regional Cooperation
UdSSR
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
UEFA
Union of European Football Associations
UNESCO
UN Educational, Scientific and Cultural Organization
UNO
United Nations Organization
UPU
Universal Postal Union
USA
United Nations of America
VB
Völkerbund
VN
Vereinte Nationen
WEU
Westeuropäische Union
WHO
World Health Organization
WTO
World Trade Organization
WVK
Wiener Vertragsrechtskonvention
WVKIO
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen
ZKR
Zentralkommission für Rheinschifffahrt
Staaten und Gesellschaften stehen zu Beginn der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts immer mehr komplexen grenzüberschreitenden Herausforderungen und globalen Problemen wie Finanzkrisen, Gewaltkonflikte, Energie- und Umweltfragen oder Klimawandel gegenüber. Sie können diese Problematik einseitig (unilateral) oder durch eine bloße Ad-hoc-Kooperation kaum aussichtsreich und erfolgversprechend bewältigen.
Die Weltpolitik wird heute zunehmend von Großmächten der Welt wie den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), Russland oder aber auch der Volksrepublik China und der Europäischen Union (EU) sowie vermehrt von großen einflussreichen transnationalen Unternehmen geprägt. Parallel dazu spielen internationale Organisationen mit regionaler oder globaler Reichweite wie die Vereinten Nationen (UN) und ihre Sonderorganisationen, der Internationale Währungsfonds (IWF), seine Schwesterorganisation Weltbank (World Bank) oder die Welthandelsorganisation (WTO) eine wachsend signifikante Rolle bei der Schaffung und der Implementierung von internationalen Voraussetzungen, Normen und Regeln. Infolgedessen nimmt die Rolle internationaler Organisationen in der Global Governance kontinuierlich zu und geht über globale Akteure hinaus.
In diesem Kontext lässt sich sagen, dass die Stabilisierung und Erhaltung der internationalen Sicherheit, des Friedens, des Schutzes der Menschenrechte, des ökonomischen Wohlergehens oder der ökologischen Lebensbedingungen von Menschen weltweit heute von der Fähigkeit oder Unfähigkeit internationaler Organisationen und Kooperationen unmittelbar beeinflusst werden. Damit handelt es sich hierbei um das Regieren jenseits des Nationalstaates.
Vor dem Hintergrund ihrer realpolitischen und -weltlichen Relevanz wird es stetig wichtiger, die Strukturen, Prozesse und Verfahren internationaler Organisationen auf der wissenschaftlichen Basis sachlich und gründlich zu erfassen. Diese wissenschaftliche Arbeit will im Folgenden versuchen, theoretisch informiert und empirisch fundiert die Basiskonzepte, die Entstehungs- und Rahmenbedingungen, die Funktionsweise, die Tätigkeiten sowie die Ziele internationaler Organisationen rechtlich-institutionell darzustellen. Auch ihr Verhältnis zur EU als internationale Organisation wird thematisiert.
An dieser Stelle ist zu betonen, dass ein souveräner Staat vor der Gründung der EWG/EG/EU noch nie freiwillig auf seine volle Souveränität verzichten und mit anderen Staaten vereinbaren musste, dass er sich von ihnen vorschreiben lässt, welche politische Richtlinie er sowohl im Außen- als auch Innenbereich verfolgen muss. Sowohl das politische Gebilde der EU als auch ihre rechtliche Gestaltung überschreiten weitestgehend die einer internationalen Organisation. In dieser Studie wird auch die rechtlich-institutionelle Charakteristika des EU-Systems analysiert. Ziel ist es dabei herauszufinden, ob die Einstufung der EU als internationale Organisation möglich ist.
Als Konstruktion der komplexen Analyse werden im Folgenden einige wichtige Komponenten und zentrale Implikationen für die Rolle internationaler Organisationen als rechtlich-institutionelle Akteure im neuen (globalen) Weltordnungssystem dargestellt. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die zentrale Fragestellung,
ob die internationalen Organisationen die Akteursqualität besitzen, um als eigenständige Akteure auf der internationalen Bühne zu agieren,
ob und in welchem Umfang sie Macht ausüben,
welche Rolle sie im internationalen Zusammenleben spielen.
Basierend auf dieser Ausgangsfragestellung werden die folgenden weiterführenden Fragen konkret analysiert und bewertet:
Was die internationalen Organisationen sind, wie sie entstehen und enden,
welche Arten von internationalen Organisationen es gibt, wie sie strukturiert sind und welche Kompetenzen sie besitzen,
wie die internationalen Organisationen funktionieren, welche Aufgaben und Ziele sie haben,
welche Bedeutung die nichtstaatlichen Akteure für das System der internationalen Beziehungen haben und welche Rolle die Vereinten Nationen im internationalen Zusammenleben spielen,
wie die Rechtsstellung internationaler Organisationen konzipiert ist, wie ihre Rechtspersönlichkeit nach Völkerrecht und innerstaatlichem Recht ausgestaltet ist sowie wie die Beteiligung an internationalen Organisationen rechtlich und institutionell erfolgt,
wie das EU-System rechtlich-institutionell zu charakterisieren ist und ob es als internationale Organisation eingestuft werden kann,
welche Kritik an den internationalen Organisationen es gibt und ob sie zutrifft.
Ziel ist es, zentrale Begriffe und Konzepte zu diskutieren, um komplexe Zusammenhänge und kontroverse Positionen besser zu verstehen. Auf diese Weise lassen sich insbesondere in rechtlicher und institutioneller Hinsicht Antworten auf wesentliche Problemfelder der Charakterisierung und Funktionsweise des Systems internationaler Organisationen und ihrer künftigen Rolle im internationalen Zusammenleben finden. Gleichzeitig versucht diese Analyse, einige der bestehenden Forschungslücken in diesem Bereich zu schließen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und so einen Beitrag für Wissenschaft und Forschung zu leisten.
Zunächst muss man zum Ausdruck bringen, dass internationale Organisationen in der langen Historie der Weltpolitik ein junges Phänomen sind. Ihre Entwicklung begann erst im 19. Jahrhundert im internationalen System.1 Internationale Organisationen erlangten erst im Verlaufe des 20. Jahrhundert nach zweien entsetzlichen Weltkriegen mit katastrophalen Ergebnissen eine zentrale Bedeutung im Völkerrecht.2 Sie spielen gegenwärtig nahezu in allen Politikfeldern mit internationaler Bedeutung – „von A wie Abrüstung bis Z wie Ziviles Krisenmanagement“3 – eine entscheidende Rolle. Heute beschäftigen sich internationale Organisationen mit einer umfassenden Zuständigkeit wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union mit unzähligen differenten Politikbereichen.
Es ist zu beobachten, dass sich das Konzept von internationalen Organisationen in ihrer heutigen Form insbesondere nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und mit Beginn des Kalten Krieges, der ideologisch, politisch, ökonomisch, gesellschaftlich und verbal umso heftiger und erbitterter zwischen den gegensätzlichen Staatenblocks ausgetragen wurde, entwickelt hat. Mit diesem Spannungszustand war nicht nur in Europa, sondern weltweit ein machtpolitischer Gegensatz, der die Welt mehrfach an den Rand eines atomaren Krieges brachte, verbunden. Um diesen Gefahrzustand zu minimieren, stieg das zwingende Bedürfnis der Staaten auch mit dem rasanten zivilisatorischen Fortschritt in den Folgejahren zu einer zunehmenden engeren, komplexeren Zusammenarbeit auf fast allen Bereichen menschlichen Wirkens. Dabei übernehmen internationale Organisationen vielfältige zentrale Aufgaben und wurden zu einem wesentlichen Bestandteil der Völkerrechtsordnung.4 Folglich kommt heute immer mehr von dem Übergang des Systems der Bipolarität zu einem solchen der Multipolarität, nach dem Untergang der Sowjetunion sogar von der Unilateralität zum Ausdruck.5
Die Anfänge der internationalen Zusammenarbeit bzw. die Idee einer internationalen Sicherheitsorganisation reichen jedoch bis auf den Wiener Kongress von 1815 nach den Napoleonischen Kriegen zurück.6 Der Kongress rief das Europäische Konzert der Großmächte ins Leben.7 Es wird angenommen, dass diese Veranstaltung als ein wesentlicher Vorläufer gegenwärtiger internationaler Sicherheitsorganisationen gilt.8 Die europäischen Großmächte übernahmen im Rahmen des Konzerts gemeinsam Verantwortung für die Wahrung des Friedens und die Organisation einer internationalen Kooperation in einer Reihe von politischen Gebieten.9 Schließlich waren sich die teilnehmenden Staaten darüber im Klaren, dass gemeinsame Interessen lediglich durch gemeinsames Handeln effektiv durchgesetzt werden könnten. Überdies war die Gründung der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR), deren zentrale Aufgabe den internationalen Schiffsverkehr auf dem Rhein zu fördern war und die bis heute fortexistiert, eines der wichtigsten Ergebnisse des Kongresses.10 Sie gilt damit als die erste und älteste internationale Organisation der Geschichte in dieser Hinsicht.11
Allerdings erfuhren internationale Organisationen ihre erste Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Gründung zahlreicher internationaler Flusskommissionen und Verwaltungsunionen parallel zur industriellen Revolution.12 So zählen beispielsweise die internationale Fernmeldeunion (ITU) von 1865 und der Weltpostverein (UPU) von 1874 zu den bedeutendsten der sog. internationalen Ämter.13 Die beiden Organisationen arbeiten bis heute weitgehend unverändert.