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Vom Kanarienvogel bis zum Ara: Endlich ein Leitfaden für den Praktiker, der die wichtigsten Fragen zur Ziervogelpraxis in bestechend prägnanter Form beantwortet. Ohne unnötigen Ballast führt dieses Buch durch den Untersuchungsgang und die häufigsten Ziervogelkrankheiten. Es vermittelt die wichtigsten Techniken anhand bebilderter Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Ein eigenes Kapitel widmet sich den Notfällen. Die übersichtliche Gestaltung des Leitfadens ermöglicht schnelles Nachschlagen auch im hektischen Praxisalltag. Rund 180 exzellente Abbildungen und ein thematisch geordnetes Arzneimittelregister samt Dosierungen erleichtern diagnostische und therapeutische Entscheidungen.
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Seitenzahl: 165
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Veit Kostka · Marcellus Bürkle
Veit Kostka · Marcellus Bürkle
Basisversorgung von Vogelpatienten
schlütersche
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89993-055-9
AutorenDr. Veit KostkaFachtierarzt für Wirtschafts-, Wild- und ZiergeflügelFachtierarzt für MikrobiologieHamburg
Dr. Marcellus BürkleFachtierarzt für Zoo- und WildtiereTierärztliche Praxis für Ziervögel und ReptilienKarlsruhe
© 2010 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
Abbildungsnachweis fotolia:Eric Isselée (1.1); Antje Lindert-Rottke (1.2, 1.3);Hartmut Rauhut (1.4a); Martina Berg (1.4b, 1.8).
Alle Rechte vorbehalten.Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.
Eine Markenbezeichnung kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, ohne dass diese gesondert gekennzeichnet wurde. Die beschriebenen Eigenschaften und Wirkungsweisen der genannten pharmakologischen Präparate basieren auf den Erfahrungen der Autoren, die größte Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissens- und Forschungsstand entsprechen. Darüber hinaus sind die den Produkten beigefügten Informationen in jedem Fall zu beachten.
Der Verlag und die Autoren übernehmen keine Haftung für Produkteigenschaften, Lieferhindernisse, fehlerhafte Anwendung oder bei eventuell auftretenden Unfällen und Schadensfällen. Jeder Benutzer ist zur sorgfältigen Prüfung der durchzuführenden Medikation verpflichtet. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr.
Programmleitung:
Dr. Ulrike Oslage
Satz:
PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig
Druck und Bindung:
Werbedruck Aug. Lönneker GmbH & Co. KG, Stadtoldendorf
APV
Aviäre Polyomavirusinfektion
AST
Aspartat-Aminotransferase
BID
zweimal täglich
CK
Creatinkinase
G
Gauge
IE
Internationale Einheiten
i. m.
intramuskulär
i. v.
intravenös
KM
Körpermasse
LDH
Laktatdehydrogenase
MDT
Magen-Darm-Trakt
NaCl
Natriumchlorid (Kochsalz)
NSAID
Nonsteroid Antiinflammatory Drug
PBFD
Psittacine Beak and Feather Disease
PCR
Polymerase Chain Reaction
PDD
Neuropathische Drüsenmagendilatation
(Proventricular Dilatation Disease)
p. o.
per os
QID
viermal täglich
s. c.
subkutan
SID
einmal täglich
TID
dreimal täglich
TW
Trinkwasser
Vorwort
1Steckbriefe der wichtigsten Vogelarten
2Vorbericht und Adspektion
2.1Vorbericht
2.2Adspektion
3Klinischer Untersuchungsgang
3.1Hilfsmittel
3.2Planung der Untersuchung
3.3Fangen und fixieren
3.4Wiegen
3.5Krallen- und Schnabelkürzen, Ringentfernung
3.6Klinische Untersuchung
3.7Blutentnahme
4Untersuchung von Proben
4.1Untersuchung einer Kropfspülung
4.2Untersuchung einer (Sammel-)Kotprobe
4.3Mikrobiologische Untersuchung von Abstrichen
5Bakteriologie und Mykologie: Ergebnisinterpretation
6Röntgendiagnostik
6.1Filme und Folien, Belichtung
6.2Lagerungen und Fixation
6.3Röntgenanatomie
6.4Kontrastmitteluntersuchungen
7Behandlungstechniken
7.1Injektionen
7.2Medikamentengabe in den Schnabel
7.3Kropfsonde
7.4Inhalationstherapie
7.5Verbände
7.6Halskragen
8Behandlungen durch den Tierbesitzer
8.1Orale Medikamentengabe
8.2Inhalationstherapie
8.3Wunden und Verbände
9Intensivmedizin
9.1Behandlungsschema Intensivbehandlung
9.2Stationäre Aufnahme
10Narkose
10.1Narkotika
10.2Vorbereitung und Prämedikation
10.3Technische Voraussetzungen
10.4Durchführung
10.5Überwachung
10.6Narkosezwischenfälle
10.7Aufwachphase
11Operationen
11.1Grundsätze
11.2Durchführung
11.2Zugang zur Leibeshöhle
12Euthanasie
13Notfälle
13.1Notfall: Schock, Erste Hilfe
13.2Notfall: Syrinxobstruktion
13.3Notfall: Aszites
13.4Notfall: Hypokalzämie
13.5Notfall: Hypoglykämie
13.6Notfall: Verletzungen
13.7Notfall: Legenot
14Häufige Erkrankungen
14.1Atemwegsmykose (Aspergillose)
14.2Lebererkrankungen
14.3Nierenerkrankungen
14.4ZNS-Störungen
14.5Würgen und Erbrechen
14.6„Durchfall“
14.7Kropfentzündung
14.8Macrorhabdose („Megabakteriose“)
14.9Neuropathische Drüsenmagendilatation (Proventricular Dilatation Disease, PDD)
14.10Geschwollener Bauch
14.11Vergiftungen
14.12Psittakose/ Ornithose
14.13Ektoparasiten
14.14Endoparasiten
14.15Befiederungsstörungen
14.16Atemwegserkrankungen bei Kanarienvögeln
Anhang 1
Arzneimittelverzeichnis
Anhang 2
Die Vogelmedizin folgt in ihrer Entwicklung mit einem zeitlichen Abstand den Innovationen der Kleintiermedizin. Dementsprechend sind die Standardverfahren der Kleintiermedizin heute auch an die Besonderheiten der Vogelmedizin adaptiert. Somit gehören Hämatologie und klinische Chemie, klassische Bildgebung mit Röntgen, Ultraschall und Endoskopie sowie mikrobiologische Nachweise auch spezieller Ziervogelerreger zum Standardrepertoire. Viele Arzneimittel aus der Kleintiermedizin haben ihren Weg – meist empirisch – in die Ziervogelbehandlung gefunden und ermöglichen oft lebensrettende Therapien. Als Beispiel genannt seien die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, über deren Existenz man vor zehn Jahren nahezu nichts wusste und die heute erfolgreich langfristig behandelt werden können. Neue bildgebende Verfahren wie Computertomographie und Kernspintomographie werden zunehmend häufiger am Vogelpatienten angewendet, auch endokrinologische Fragen werden vermehrt angegangen und die minimal-invasive Chirurgie beim Vogel ist in steter Entwicklung. Einer adäquaten medizinischen Versorgung von Ziervogelpatienten steht somit nichts im Wege.
Wie sieht die veterinärmedizinische Versorgung von Ziervogelpatienten jedoch in der Fläche aus? Trotz gewachsenen Kenntnisstandes beschränkt sich die kompetente Versorgung auf eine Hand voll Praxen und Kliniken, die sich teilweise oder ganz der Vogelmedizin verschrieben haben. Die Versorgung ist entsprechend lückenhaft, und Tierbesitzer müssen oft weite Wege auf sich nehmen, um Hilfe zu erfahren.
Warum ist die Situation so unbefriedigend? Am Willen der Kolleginnen und Kollegen mangelt es nicht. Jedoch bleibt in einem Studiengang, der weiterhin als Universalstudium durchgeführt wird, wenig Raum zur Spezialisierung, ja oft nicht einmal zur Schwerpunktbildung. Infolgedessen verfügen Berufsanfänger meist nicht über ausreichende Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten für die Behandlung von Vogelpatienten. Dies bessert sich auch im Berufsleben häufig nicht, da – siehe oben – nur wenige Arbeits- und Hospitanzstellen zur Verfügung stehen.
Wir haben in unserer praktischen Arbeit immer wieder festgestellt, dass es meist bereits an den praktischen Fertigkeiten mangelt – Fangen, Fixieren, die systematische klinische Untersuchung, Blutprobennahme, Behandlungstechniken. Deren Beschreibung findet sich jedoch oft nur fragmentarisch und meist nicht ausreichend bebildert in der Literatur. Mit diesem Buch wollen wir folgendes erreichen:
• Die grundlegenden Untersuchungs- und Behandlungstechniken ausführlich und nachvollziehbar in Wort und Bild beschreiben.
• Einen Untersuchungsgang darstellen, der auch für Nichtspezialisten praktikabel ist und alles Wesentliche umfasst.
• Alle wesentlichen diagnostischen Maßnahmen aufführen und Anhaltspunkte zur Befundbewertung geben.
• Die häufigsten Krankheiten der Ziervögel – mit dem Schwerpunkt auf den Psittaziden – beschreiben und aktuelle Therapien empfehlen.
• Die Einschätzung der Schwere einer Erkrankung erleichtern: daher unterscheiden wir zwischen Notfällen und häufigen Erkrankungen.
Besonderen Wert legen wir auf die intensivmedizinische Behandlung des Vogelpatienten. Es kann nicht oft genug betont werden, dass aufgrund der sprichwörtlichen Symptomarmut Vogelpatienten oft schwerer erkrankt sind, als es den äußeren Anschein hat. Einer einleitenden intensivmedizinischen Behandlung – Sauerstoff- und Wärmezufuhr, Flüssigkeitssubstitution, ggf. Zwangsernährung mit hochkalorischen Futtermitteln – kommt daher für einen Behandlungserfolg oft genauso viel Bedeutung zu wie einer korrekten Diagnose und entsprechenden Therapie.
Wir hoffen, mit diesem Buch einen Grundstein zu legen für eine bessere medizinische Versorgung von Vogelpatienten. Wie alle Tiere in Menschenobhut haben auch Vögel einen Anspruch auf körperliche und mentale Gesundheit.
Wir hoffen aber auch, allen interessierten Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, dass Vogelmedizin machbar und beherrschbar ist und als wesentlicher Bestandteil der Klein- und Heimtierpraxis große persönliche Befriedigung verschaffen kann.
Hamburg und KarlsruheSeptember 2009
Veit KostkaMarcellus Bürkle
* Nymphensittiche bilden Nachgelege, d. h. das Entfernen der Eier ist keine Option zur Nachzuchtverhinderung, sondern kann Dauerlegen, Legenot und Erschöpfung der Weibchen auslösen.
Normalgewichte der einzelnen Vogelarten siehe Kapitel 3.6 (Körperkondition).
Abb. 1.1: Kanarienvogel, gelbe Farbform.
Abb. 1.2: Zebrafinken, links Hahn, rechts Henne.
Abb. 1.3: Wellensittiche, links Hahn, rechts Henne.
Abb. 1.4a, b: Nymphensittich Wildform: links Hahn, rechts Henne.
Abb. 1.5: Gruppe von Unzertrennlichen (Agaporniden).
Normalgewichte der einzelnen Vogelarten siehe Kapitel 3.6 (Körperkondition).
Abb. 1.6: Kongo-Graupapagei
Abb. 1.7: Blaustirnamazone
Abb. 1.8: Gelbhaubenkakadu
Abb. 1.9: Gelbbrustara
Abb. 1.10: Beo
Allen Vögeln gemeinsam ist die Eigenart, erst bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf deutliche Symptome zu zeigen. Deswegen kommt bereits dem Vorbericht eine wichtige Rolle zu, um den Schweregrad einer Erkrankung einordnen zu können. Viele Erkrankungen können bereits durch einen ausführlichen Vorbericht differenzialdiagnostisch eingegrenzt werden.
Da Vögel in der Regel eher zu spät als zu früh oder gerade noch rechtzeitig dem Tierarzt vorgestellt werden, sollte dem Vogelpatienten Priorität bei der Behandlung eingeräumt werden. Dies gilt vor allem für die Terminvergabe per Telefon. Im Zweifelsfall sollte jeder Vogel als „Notfall“ in die Praxis einbestellt werden.
• zu geringe Lichtintensität: mangelnde Vitalität, reduzierte Stoffwechselprozesse
• zu lange Beleuchtung (>12 Std. tägl.): Stress, Federrupfen
• zu wenig UV-B-Strahlung:
– Hypovitaminose D: bei Belastungen des Kalziumstoffwechsels (z. B. Eianbildung) kommt es zu Mangelerscheinungen: Krämpfe, Knochenerweichungen
• zu geringe Luftfeuchtigkeit: Haut- und Atemwegsprobleme
• zu kleine Käfige / Volieren: Tierschutzrelevanz, Adipositas
• Einzelhaltung: Tierschutzrelevanz, Adipositas
• zu fettreiche Ernährung: Adipositas, Hepatopathien, Pododermatitis
• zu wenig Mineralstoffe und Spurenelemente: Mangelerscheinungen, Gefiederprobleme
• Papageien: Fütterung „vom Tisch“!
• alle Vögel benötigen zusätzlich zum Grundfutter (siehe Steckbriefe):
– Grünfutter (Obst, Gemüse, Wildkräuter)
– Mineralstoffe (Sepiaschale, Kalksteine, Vogelgrit, ggf. auch Ergänzungsfuttermittel wie Korvimin ZVT®)
– Vitamine (z. B. Korvimin ZVT®)
• Zur Zucht und während der Mauser muss zusätzlich Eiweiß zugeführt sowie die Vitamin-, Mineralstoff- und Spurenelementversorgung optimiert werden.
Tabelle 2.1: Allgemeine Fragen zur Haltung
Frage
Hintergrund
Um welche Art handelt es sich?
Artspezifische Haltungs- und Fütterungsansprüche
Wie alt ist der Vogel?
Altersbedingte Erkrankungen
Seit wann ist der Vogel im Besitz?
Probleme durch Halterwechsel
Ist der Vogel zahm?
Wichtig für das Handling!
Handelt es sich um eine Handaufzucht, oder Naturbrut (v. a. bei Papageienvögeln)?
Aufzuchtbedingte Erkrankungen, verhaltensbedingte Erkrankungen
Wo ist der Vogel untergebracht (z. B. Zimmervoliere, Vogelzimmer, Küche, Wohnbereich)?
Mögliche Intoxikationsquellen (z. B. Küche und Teflondämpfe, Zigarettenrauch), verhaltensbedingte Störungen (Fernsehgeräte, Radio), zu kurze Nachtphase
Sind weitere Vögel im Besitz?
Infektiöse oder traumatische (Partneraggression) Erkrankungen
Gibt es andere Haustiere?
Infektiöse Erkrankungen, v. a. bakterielle Infektionen oder Traumata (durch Hunde, Katzen)
Reine Käfig- / Volierenhaltung oder Freiflug?
Bewegungsmangel, Adipositas, Fettleber
Enger Körperkontakt zum Vogelhalter(Füttern aus dem Mund)?
Infektiöse Erkrankungen (z. B. coliforme Keime)
Wichtig: Fütterung ausführlich erfragen!(Was? Wann? Wie oft? Wie viel?)
Häufig: ernährungsbedingte Erkrankungen
Wie hoch ist die Luftfeuchtigkeit?Wie wird sie gemessen?
Erkrankungen der Atemwege (Aspergillose der Papageien)
Tabelle 2.2: Fragen zum Krankheitsgeschehen
Frage
Hintergrund
Was ist dem Patientenbesitzer aufgefallen?
Leichte Symptome (z. B. Verhaltensauffälligkeiten) fallen oftmals nur dem Besitzer auf
Wann traten diese Veränderungen auf?
Akutes oder chronisches Problem?
Hat sich die Futter- / Wasseraufnahme geändert (mehr oder weniger)?
Wellensittich: gesteigerte Futteraufnahme bei
Macrorhabdus ornithogaster
(Megabakteriose)
Wurden Veränderungen an den Fäzes festgestellt?
Diarrhö oder Polyurie?
Wurden Veränderungen bei der Atmung festgestellt?
Problembereich Aspergillose (Papageien)
Wurden bereits tierärztliche Maßnahmen ergriffen?
Vorbehandlung durch Kollegen (Antibiotikaeinsatz, Antibiogramm?)
Wurden bereits andere therapeutische Maßnahmen eingeleitet?
Eigenbehandlungen, z. B. Empfehlungen aus Internetforen
Abb. 2.1: Welcher Vogel ist krank? Der linke Wellensittich zeigt glatt anliegendes Gefieder, der rechte ist trotz Stresssituation (Praxis) aufgeplustert. Beide Tiere sind adulte Männchen (blaue Wachshaut).
Abb. 2.2: Dieser Glanzsittich zeigt als Folge einer vorausgegangenen Paramyxovirusinfektion eine permanente Kopfschiefhaltung.
Abb. 2.3: Auf dem Boden sitzender Zwergara, der aufgrund hochgradiger Schwäche und Atemnot Kopf und Hals durch Einhängen des Schnabels in das Käfiggitter stützt. (Copyright Klinik für Vögel und Reptilien, Universität Leipzig.)
Spätestens bei der Adspektion muss entschieden werden, ob es sich um einen akuten Notfall handelt, oder nicht.
Ein kranker Vogel wird unter allen Umständen versuchen, seine Krankheitsanzeichen zu verbergen, besonders in der für ihn bedrohlichen Praxissituation.
Somit ist ein Vogel, der in der Praxis deutliche Krankheitsanzeichen zeigt, grundsätzlich als Risikopatient einzustufen!
Risikoanzeichen sind:
• Aufplustern (Abb. 2.1)
• Atemnot
• ZNS-Symptome (Abb. 2.2)
• Einhängen des Schnabels ins Käfiggitter (Abb. 2.3)
• auf dem Boden sitzen (Abb. 2.4)
Bei lebensbedrohlichen Zuständen ist zunächst das Augenmerk auf eine lebenserhaltende Notfalltherapie (Kap. 9.2, 13.1) zu richten. Erst nach der Stabilisierung des Patienten sollten diagnostische und weitere therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Vor Einleitung jeglicher Maßnahmen, also bereits vor dem Herausfangen des Vogels aus dem Käfig, ist der Besitzer nachdrücklich auf den Zustand des Patienten und die mit der Handhabung einhergehenden Risiken hinzuweisen!
Hochgradige Dyspnoe: Deutliche Symptome für eine hochgradige Dyspnoe sind Atmen bei geöffnetem Schnabel, pfeifende oder röchelnde Atemgeräusche, starke Bewegung des Brustkorbes und / oder Bauches sowie Schwanzwippen.
Gründe hierfür können u. a. sein: Verengung der oberen Atemwege (Aspergillosegranulom), raumgreifende Prozesse in der Zölomhöhle (z. B. Aszites, Legenot) oder chronische Atemwegserkrankungen mit akuter Verschlechterung.
Bei obstruktiven Veränderungen der oberen Luftwege ist in vielen Fällen das Einbringen eines Luftsackkatheters unabdingbar (Kap. 13.2).
Schockzustände: Schockzustände sind oftmals Folge eines schweren Flüssigkeitsverlustes oder von Traumata sowie Endstadien chronischer Erkrankungen. Vögel, die in einem solchen Zustand in der Praxis vorgestellt werden, zeigen oftmals ein deutlich reduziertes Allgemeinbefinden, einhergehend mit gesträubtem Gefieder, geschlossenen Augen und allgemeiner Schwäche. Nicht selten sind solche Patienten nicht mehr in der Lage, sich auf der Sitzstange zu halten.
Die Therapie beinhaltet eine Flüssigkeitssubstitution, Ruhe, Wärme und Sauerstoffzufuhr in einer Sauerstoffbox (Kap. 9.2).
Schwere Blutungen: Schwere Blutungen können Folge von abgerissenen Gliedmaßen, Bisswunden oder anderen Verletzungen sein. Im Vergleich zum Säugetier kommen lebensbedrohliche Blutungen beim Vogelpatienten jedoch weitaus seltener vor. Selbst bei Gliedmaßenabrissen (durch Greifvögel, Marder oder andere Fressfeinde) kommt es nur selten zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass Vögel gegenüber Blutverlust weitaus toleranter sind als Säugetiere. Toleriert werden Verluste von bis zu 50 % des Blutvolumens.
Wachsende Federn („Blutfedern“) haben eine starke Blutversorgung. Werden sie verletzt, können langdauernde Blutungen auftreten. Eine effektive Blutstillung ist nur möglich, indem die betroffene Feder ausgezogen wird, am besten mit Hilfe einer Klemme.
Bei schweren Blutungen sollte durch Verbände versucht werden, diese zu stoppen, um dann eine „Schocktherapie“ (Kap. 9.2) durchzuführen.
Handelt es sich bei dem vorgestellten Patienten nicht um einen akuten Notfall, wird die Adspektion in der nachfolgend beschriebenen Reihenfolge fortgeführt.
Weicht das Verhalten vom sonst üblichen Verhalten ab (Vogel ist ruhiger, schläft mehr, ist nervös, trennt sich vom Partner, sucht den engen Kontakt zum Menschen …)?
• Vogel sitzt gekrümmt, liegt mit der Brust auf der Stange, Rücken-Schwanz-Linie ist gebrochen (Hinweis auf allgemeine Schwäche, Schmerzen im Abdomen oder bei gebrochener Rücken-Schwanz-Linie auf Nierenerkrankung).
• Vogel schläft auf zwei Beinen (gesunde Papageienartige schlafen in den meisten Fällen auf einem Fuß)
• Schwanzwippen (Hinweis auf Atemwegsstörung oder eventuell Legenot)
• Extremitäten (ein oder beide Flügel hängen leicht nach unten, Fuß wird nicht belastet) (Abb. 2.5, 2.6)
Abb. 2.4: Schwerstkranker Wellensittich: Augen geschlossen, verklebtes Kopf- und Nasengefieder, breitbeiniges Sitzen auf dem Boden.
Abb. 2.5: Der rechte Flügel dieses Wellensittichs hängt tiefer herab als der linke. Ursache ist eine Erkrankung des Karpometakarpalgelenkes.
Abb. 2.6: Schonhaltung: Das linke Bein wird nicht belastet. Ursache ist hier eine Unterschenkelfraktur.
Abb. 2.7: Alles weist auf einen kranken Vogel (Blaustirnamazone) hin: Augen leicht geschlossen, Schnabel leicht geöffnet, Gefieder gesträubt. Beachte auch die Käfighygiene: kotverschmiertes und rostiges Gitter, abgenutzte Sitzstange.
Abb. 2.8: Verwahrloster Käfig: eine Mischung aus Einstreu, Fäzes, Futterresten und Federn.
Gesträubte Federn, angefangen vom leichten Aufstellen des Nackengefieders, bis hin zum Sträuben des gesamten Gefieders, dienen der Wärmeregulation. Im Anfangsstadium einer Erkrankung werden oft nur einige Federn im Kopf- und Nackenbereich aufgestellt; dies kann aber auch ein Drohverhalten sein! Ebenso ist auf Verschmutzungen (Kopfgefieder, Kloake, Schwanzunterseite) und Gefiederschäden zu achten.
Hier gilt es gut zu beobachten. Kranke Tiere haben die Augen zu Beginn eines Krankheitsgeschehens meist ganz leicht geschlossen (Abb. 2.7). Um dieses leichte Schließen zu erkennen, muss man sehr genau hinsehen! Bei Krankheiten verschwindet auch der Glanz aus den Augen der Tiere. Schwerkranke Tiere haben die Augen ganz geschlossen (Abb. 2.4).
Achten auf Menge, Farbe und Konsistenz:
•Menge: Mehr oder weniger Kot als üblich ist ein Hinweis auf eine Störung.
•Farbe: Kann sehr von den aufgenommenen Futtermitteln abhängig sein, sollte aber trotzdem gut beobachtet werden.
•Konsistenz: Kann dünner oder dicker als normal sein. Wichtig ist zu unterscheiden, ob es sich um Durchfall oder um eine vermehrte Harnausscheidung handelt. In der Praxis ist häufig eine stressbedingte Polyurie zu beobachten. Deshalb den Besitzer fragen: Wie sind die Fäzes zu Hause beschaffen?
Zu den einzelnen pathologischen Veränderungen der Fäzes und ihrer Bedeutung siehe Kapitel 14.6.
• Macht der Käfig den Eindruck, als sei er „gerade eben gesäubert“ oder ist er stark verschmutzt (Abb. 2.8)?
• Welche Sitzstangen werden benutzt (Naturäste, Plastikstangen …)?
• Wird der Durchmesser der Sitzstangen dem Vogelfuß gerecht?
• Spielzeug: Welches? Materialien? Verletzungsgefahr?
Die klinische Untersuchung des Vogelpatienten wird durch folgende Hilfsmittel erleichtert (Bezugsquellen siehe Anhang 2):
• Waage, grammgenau, mit Plastikboxen verschiedener Größe (für Kleinvögel, Papageien) bzw. Ständern für zahme Großsittiche und Papageien
• zum Einfangen Papierhandtücher für Kleinvögel, Stoffhandtücher für Papageien
• Pinzette zum Offenhalten des Schnabels bei Kleinvögeln (Wellensittich, Agapornide), alternativ 1-ml-Einwegspritze
• Schere stumpf / stumpf oder Schnabelspreizer zum Offenhalten des Schnabels bei Großsittichen und Papageien, ersatzweise Einwegspritzen: 2, 10 und 20 ml.
• Otoskoplampe oder Kopflampe zum Ausleuchten der Schnabelhöhle
• Knopfsonden in verschiedenen Längen und Durchmessern zur Gewinnung von Kropfspülproben
• Wattetupfer für die Probenentnahme
Eine geplante Untersuchung des Vogelpatienten minimiert Risiken. Da Vogelpatienten häufig in fortgeschrittenen Krankheitsstadien vorgestellt werden, kommen der Risikoabschätzung, Anpassung des Untersuchungsgangs an den Zustand des Patienten und ggf. einer diesbezüglichen Besitzeraufklärung besondere Bedeutung zu.
Die Untersuchung im Käfig durch Adspektion hat u. a. die Risikoeinschätzung des Patienten zum Ziel (Kap. 2.3). Entsprechend dem Ergebnis der Adspektion sollte geplant werden, ob und welche Untersuchungen durchgeführt werden.
Der Zeitraum, der durchschnittlich für die Untersuchung eines fixierten Vogelpatienten zur Verfügung steht, beträgt für einen mittelgroßen Vogel (ca. 500 g KM) 5 Minuten.
Innerhalb dieses Zeitraumes bedingt die gesteigerte Herzfrequenz eine erhöhte Stoffwechselleistung und damit einen Anstieg der Körpertemperatur. Am Patienten macht sich dies durch Erhöhung der Atemfrequenz und ggf. Hecheln bemerkbar. Bei Eintritt dieser Anzeichen ist die Untersuchung abzubrechen.
Bei Patienten mit erhöhtem Untersuchungsrisiko sollte der Untersuchungsgang begrenzt werden auf folgende Fragestellungen:
• Dyspnoe: inspiratorisch / exspiratorisch?
– inspiratorisch, mit Stenosegeräuschen
→ Sauerstoffkäfig, Luftsackkatheter (Kap. 13.2)
– exspiratorisch, ohne Stenosegeräusche
→ Sauerstoffkäfig, kein Luftsackkatheter (Kap. 14.6)
• Brustbemuskelung: akut krank oder ausgezehrt? (Kap. 3.6, Körperkondition)
• Gliedmaßen, Schnabel, Auge: Verletzung, Fraktur? (Kap. 13.6)
Cave: Bei Patienten mit Aszites: Wegen des fehlenden Zwerchfells kann in Rückenlage (ventro-dorsale Projektion) Aszitesflüssigkeit retrograd in die Lunge fließen!
Hochgradig instabile Patienten mit Verdacht auf Schwermetallvergiftung werden in einer Wiegebox sitzend geröntgt.
Vor Beginn der Untersuchung:
• Kassetten aufbauen
• Gerät einstellen
• Schutzkleidung anlegen
Vor dem Herausfangen muss alles vorbereitet sein:
• Sauerstoffkäfig (Kap. 9.2)
• Medikamente aufziehen, aufwärmen und bereitlegen: z. B. Antibiotikum, Flüssigkeitsinfusion
Abb. 3.1: Optimale Fixation: Der Kopf ist sicher am Unterkiefer fixiert. Die Brust ist nicht eingeengt. Flügel und Beine sind mit einer Hand erfasst. Der Vogelkörper ist gut gestreckt.
Zahme Vögel, die sich anfassen lassen, können vom Halter an die Hilfsperson übergeben werden. Alle anderen Vögel werden direkt aus dem Käfig oder der Transportbox gefangen. Das Fangen sollte zügig, jedoch ohne Hektik vonstatten gehen. Kleinvögel bis Nymphensittichgröße werden mit einem Papiertuch gefangen, größere Vögel mit einem Handtuch. Vor dem Fangen werden ggf. Stangen und Spielzeug entfernt.
Cave: Die Käfigtür muss groß genug sein, um den Vogel entnehmen zu können (z. B. Papagei im Wellensittichkäfig).
Der Vogel wird mit der durch ein Tuch geschützten Hand von hinten am Kopf ergriffen und mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger im Bereich der Kiefergelenke fixiert. Das klappt am besten, wenn der Vogel den Schnabel gerade ins Käfiggitter eingehängt hat. Der Vogelkörper kann, muss aber nicht durch die zweite Hand unterstützt werden.
Der Vogel wird, ggf. nach Lösen der Krallen aus dem Käfiggitter, aus dem Käfig genommen. Breitet der Vogel die Flügel aus, müssen diese beim Passieren der Käfigtür vorsichtig in Richtung Körper angelegt werden.
Der Griff am Kiefer wird beibehalten, die Augen müssen dabei sichtbar bleiben. Die zweite Hand fixiert die Hintergliedmaßen: Zeigefinger und Daumen bzw. Zeigefinger und Mittelfinger fixieren zusammen je ein Hinterbein und den zugehörigen Flügel (Abb. 3.1, 3.2a–e).
Der Vogelkörper muss stets durch Zug gestreckt werden, um Abwehrbewegungen zu minimieren. Zusätzlich kann die den Vogel haltende Hilfsperson sich den Vogelkörper an die Brust drücken, um einen Flügel zu fixieren. Mit den übrigen Fingern der rechten Hand kann der Flügelbug an den Vogelkörper gedrückt werden (Abb. 3.1).