Basiswissen Altenpflege - Annette Kulbe - E-Book

Basiswissen Altenpflege E-Book

Annette Kulbe

0,0

Beschreibung

Altenpflege wird immer umfangreicher und spezieller. Insbesondere für diejenigen, die in der täglichen Pflegepraxis mit alten Patienten und Bewohnern arbeiten. In der ambulanten und stationären Altenpflege, der geriatrischen Pflege in Krankenhäusern, Tageskliniken oder in Pflegeheimen für Menschen mit Demenz stehen Lebenswelt, Wünsche und Ängste alter Menschen im Vordergrund. Dieses Pflegekompakt-Buch für die Kitteltasche gibt einen schnellen Überblick über die spezielle Pflege alter Menschen und liefert dabei unerlässliches Basiswissen über Alter(n), Gesundheit, typische Alterskrankheiten und Demenz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 98

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Autorin

Annette Kulbe ist Diplom-Pädagogin mit Ausbildungen in Humanistischer Gesprächsführung und Gestalttherapie. Als Krankenschwester mit Weiterbildungen in Sterbebegleitung und Palliative Care arbeitete sie in der Onkologie und verschiedenen Hospizen. Die freie Fachbuchautorin mit dem Themenschwerpunkt Pflege ist im kirchlichen und sozialen Bereich tätig. Sie lebt in Eckernförde/Ostsee.

Annette Kulbe

Basiswissen Altenpflege

Gesundheit und Krankheit im Alter

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Piktogramme

 

Gesetzestext

Merke/Wichtig

Info/Definition

Pflege-Reflexion

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-031759-8

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-031760-4

epub:   ISBN 978-3-17-031761-1

mobi:   ISBN 978-3-17-031762-8

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Für Papa, der mit dem Altwerden nicht fertig wurde. Für Mama, die trotz Pflegeheim und Demenz zufriedene Jahre verbringt.

 

Vorwort

 

 

 

Pflege so, wie du im Alter gepflegt werden möchtest!

Die Idee zum Buch zündete und brannte schließlich in mir, als meine Eltern alt wurden. Als es plötzlich darum ging, Fürsorge und Verantwortung für sie zu tragen. Meine Mutter zeigte Anfänge von Demenz, und mein Vater konnte mit ihrer Erkrankung nicht umgehen. Sie brauchte praktisch 24 Stunden Aufsicht und Pflege und musste in einem Pflegeheim für Demenzerkrankte untergebracht werden. Schuldgefühle quälten uns. Papa hatte seine Kräfte aufgebraucht. Er stürzte Zuhause, brach sich die Hüfte, und kam nach Wochen im Krankenhaus schließlich in dasselbe Heim, um langsam wieder auf die Beine zu kommen.

Das Unfassbare: Mein Vater starb innerhalb von Tagen – und Mama saß Tag und Nacht bei ihm, ganz klar und gefasst, und übernahm seine Sterbebegleitung! Wir Kinder waren hoffnungslos überfordert und hilflos!

Für diese schwierige Zeit hätten wir ein kompaktes, verständliches Taschenbuch mit den nötigen Informationen über Alter(n), alte Menschen, Demenz und Altenpflege gut gebrauchen können, um überhaupt zu verstehen, was mit unseren alten Eltern passierte.

Was professionelle und menschenwürdige Altenpflege beinhaltet, haben wir von den beherzten Altenpfleger/innen des Pflegeheims für Demenzerkrankte in diesen Jahren gelernt.

Dieses Buch »für die Kitteltasche von Altenpfleger/innen« ist daraus entstanden!

Für alle, die tagtäglich in der Altenpflegepraxis arbeiten: pflegen, unterstützen, validierend begleiten, Fürsorge und Verantwortung tragen für die ihnen anvertrauten alten Menschen.

Es soll eine umfassende Sicht auf Alter(n), Alterskrankheiten, typische geriatrische Probleme in Altenpflege und Altersmedizin vermitteln. Es reflektiert Altenpflege, um die Welt alternder Menschen verständlich zu machen. Es soll das Altersbild der »Neuen Generation 70plus« erklären – aber die kommende Pflegebedürftigkeit und die Schattenseiten des Alterns nicht beschönigen!

Dieses Buch vermittelt Anerkennung und Wertschätzung für den Beruf der Altenpfleger/innen, und setzt sich ein für professionelle und menschliche Altenpflege.

Es soll zu einem menschenwürdigen Umgang mit dem Alter ermutigen.

 

Annette Kulbe

Eckernförde, im September 2017

Inhalt

 

 

 

1 Einführung

1.1 Warum wir besser altern

1.2 Was ist Alter(n)?

1.3 Was ist das Alter?

1.4 Ab wann ist ein Mensch alt?

1.5 Altersbilder

1.6 Wie leben Menschen im Alter?

1.6.1 Alters-Theorien

1.7 Lebenswelten alter Menschen von heute

1.7.1 Wohnen und Leben

1.7.2 Mobilität – das Wichtigste im Alter

1.7.3 Lebenslanges Lernen und Bildung

1.7.4 Ältere Menschen im Netz – silver surfer

1.7.5 Freizeit, Ehrenamt und nachberufliche Tätigkeit

1.7.6 Soziale Netzwerke und Kontakte im Alter

1.7.7 Partnerschaften und Lebensgemeinschaften

1.8 Lebensqualität und gewonnene Lebenszeit

2 Selbstbestimmt – Fremdbestimmt – Pflegebestimmt

2.1 Vorsorge für sich selbst treffen

2.2 Wenn Selbstbestimmtheit zu Pflegebedürftigkeit wird

2.3 Wünsche alter Menschen

3 Pflegebedürftigkeit – Verlust von Selbstständigkeit

3.1 Pflege und Pflegebedarf – Hilfebedarf nach Pflegegrad

3.2 In Würde gepflegt werden

3.2.1 »Pflege so, wie du gepflegt werden möchtest«

3.2.2 Die Würde des Menschen, Patienten, Bewohners

3.2.3 »Pflege so, wie du im Alter gepflegt werden möchtest«

3.2.4 Pflegende und Pflegebedürftige

4 Altenpflege – kein Beruf für jede(n)

4.1 Spezielle Anforderungen an Altenpfleger/innen

4.2 Altenpflege ist mehr als viele glauben

4.3 Altenpflege – ein Beruf mit Sinn

4.4 Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche der Altenpflege

5 Gesundheit und Krankheit im Alter

5.1 Funktionale Gesundheit

5.1.1 Altern ist nicht gleich Krankheit

5.1.2 Soziologische und psychologische Aspekte von Alter(n) und Gesundheit

5.1.3 Subjektive Gesundheit

6 Geriatrie (Altersmedizin)

6.1 Altenpflege und Altersmedizin

6.2 Geriatrisches Assessment (GA)

6.3 Krankheiten im Alter

6.3.1 Geriatrische Syndrome/G-Is

6.3.2 Problembereiche der Geriatrie

6.4 Typische Alterserkrankungen

6.4.1 Alterskrankheiten – Überblick

6.4.2 Alterserkrankungen – Häufige somatische Krankheitsbilder

6.4.3 Psychische Erkrankungen

7 Demenzen

7.1 Informationen und Zahlen

7.2 Demenzformen

7.3 Ursachen

7.4 Die Symptome entwickeln sich …

7.5 Alzheimer und Vaskuläre Demenz (Primäre Demenzen)

7.6 Demenz: Behandlungsmöglichkeiten

7.7 Validation oder Validieren

7.8 Basale Stimulation (nach Fröhlich/Bienstein) und Demenz

7.9 Milieu-Therapie

8 Spezielle Pflege bei Demenz

8.1 Pflegetipps

9 Der alte Mensch im Krankenhaus

9.1 Die Realität Krankenhaus und alte Patienten

9.1.1 Krankenhaus/Akutgeriatrie/Ärzte

9.1.2 Pflegekräfte auf Allgemeinstationen und Fachstationen im Krankenhaus

9.1.3 Unterschiedlich pflegen

9.2 Alte und junge Patienten im Krankenhaus – eine Gegenüberstellung

9.3 Pflegeprinzip der Altenpflege und Geriatrischen Pflege

9.4 Pflegeschwerpunkte in der Altenpflege und Geriatrischen Pflege

9.5 Prophylaxen als Gesundheitsprävention im Alter

9.5.1 Sturzprohylaxe

9.5.2 Inkontinenz-Prophylaxe

9.5.3 Dekubitus-, und Kontrakturenprophylaxe bei Bettlägerigkeit

9.5.4 Prophylaxe von Deprivation und Hospitalismus

9.5.5 Verhindern von Mangelernährung, Austrocknung und Flüssigkeitsmangel

9.5.6 Prophylaxe durch regelmäßige Mund- und Zahnpflege

10 Sterbebegleitung in der Altenpflege und Geriatrie

10.1 Sterbebegleitung

10.2 Sterbende pflegen

10.2.1 Wichtige Pflegetipps

10.2.2 Letzter Atemzug: Der Tod

Literaturverzeichnis

Register

 

1          Einführung

 

 

 

Alter – Altern – Alte Menschen

sind in der heutigen Gesellschaft zu wichtigen Themen geworden. Nie erreichten so viele Menschen ein so hohes Alter wie im 21. Jahrhundert. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird sich die Bevölkerungsstruktur in Deutschland stark verändern. Ältere Menschen werden unsere Gesellschaft zunehmend prägen.

 

DemografischerWandel– Kennzeichen unserer Generation

Die Wissenschaft von der Bevölkerungsentwicklung (Demografie) beschäftigt sich mit der Entwicklung und Veränderung von Geburt, Leben, Werden und Sterben von Menschen.

Vom 19. bis zum 21. Jahrhundert haben sich hier enorme Veränderungen vollzogen. Während vergangene Generationen von vielen Geburten und hoher Sterblichkeit gezeichnet waren, ist die heutige Gesellschaft von wenig Geburten, weniger Kindern bei gleichzeitig niedriger Sterblichkeit, besserer Gesundheit und hoher Lebenserwartung gekennzeichnet.

Durch den demografischen Wandel (Verschiebung der Altersstruktur in der Bevölkerung) von bestehenden und zu erwartenden Geburts- und Sterbegeschehen ist es zu einer Über-Alterung unserer Gesellschaft gekommen.

 

Mehr Ältere, weniger Kinder

Die Zunahme der Lebenserwartung war bisher auf den Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit in Industrienationen zurückzuführen, heute kommt die höhere Überlebenswahrscheinlichkeit im Alter dazu. D. h., es steigt nicht nur die Lebenserwartung bei der Geburt, sondern auch im Alter (vgl. Doblhammer, Kreft, Dethloff 2012). So wird die Zahl der Hochbetagten anwachsen:

•  2014 lebten 4,5 Millionen 80-Jährige in Deutschland.

•  Bis 2050 wird die Anzahl kontinuierlich ansteigen auf 9,9 Millionen.

Allem voran wachsen die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre nach 2020 in das Seniorenalter hinein (Babyboomer). Gleichzeitig wurden und werden in den nachfolgenden Generationen immer weniger Kinder geboren (vgl. Stat. Bundesamt 2016). Der Geburtenrückgang begründet sich in: weniger Kinder pro Familie, gewollt/ungewollt kinderlose Paare, Single.

Fazit: Die Menschen werden immer älter, die künftig geborenen Kinder immer weniger – und die Gesellschaft wird vielfältiger. Nicht zuletzt durch die enorme aktuelle Zuwanderung (Migration) aus Krisen- und Kriegsgebieten und von Wirtschafts- und Klimaflüchtlingen.

Einfach ausgedrückt:

Immer weniger junge Menschen stehen immer mehr alten Menschen gegenüber (vgl. Wahl/Heyl 2015).

 

AktuelleLebenserwartung

2015 betrug die Gesamtbevölkerung in Deutschland 81,2 Millionen Menschen (56% Frauen und 44% Männer), ein Viertel davon, nämlich 22,2 Millionen Menschen, waren über 60 Jahre oder älter (Statistisches Bundesamt 2016). Aktuell beträgt die Lebenserwartung neugeborener Mädchen 83 Jahre, die der Jungen 78 Jahre. Deutschland ist damit zu einem Land und einer Gesellschaft langen Lebens geworden (Abb. 1).

Zu keiner Zeit erreichten so viele Menschen ein so hohes Alter wie heute. Der demografische Wandel, die hohe Lebenserwartung und die gestiegene Lebensqualität/Gesundheit im Alter erfordern eine ganz neue Bewertung des Alters und der alten Menschen. Es entsteht ein neues gesellschaftliches Altersbild. Die Menschen in Deutschland leben heute durchschnittlich über 25 Jahre länger als noch vor 100 Jahren. Hinzu kommt, dass die meisten alten Menschen heute die Chance haben, die gewonnenen Jahre bei guter Gesundheit aktiv zu gestalten. Altersforschung (Gerontologie), die sich mit dem »Phänomen Alter« befasst, ist heute mehr denn je gefragt:

Abb. 1: Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung, vgl. Statistisches Bundesamt (2016)

Alter – Altern – Alte Menschen stehen im Fokus der

1.1       Warum wir besser altern

Höhere Lebenserwartung Bessere Gesundheit

Die heute 70-Jährigen sind so gesund, wie es die 60-Jährigen vor 20 Jahren waren. 70 ist das neue 60, und auch die heute 50-Jährigen fühlen sich wie 40-Jährige und sehen auch so aus (vgl. Steinhagen-Thiessen/Demuth 2015).

Die Ursachen, warum wir länger leben und dabei gesünder altern sind vielfältig (Abb. 2):

•  Verbesserte Hygiene– weniger Infektionen (Trinkwasser, Abwasser, Müllentsorgung, Impfungen, Desinfektion, Körperhygiene)

•  Medizinischer Fortschritt (Forschung, Prävention, Behandlung, Medikamente)

Abb. 2: Acht Gründe, warum wir länger leben und gesünder altern, in Anlehnung an: GDV (2017)

•  GutesGesundheitssystem (Kranken- und Pflegekassen, (Haus- und Fach)Arztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Pflegeangebote ambulant, teilstationär, stationär)

•  GesetzlicheSozialversicherungen auf der Grundlage des Deutschen Sozialgesetzbuches:

1883 

Krankenversicherung

1884  

Unfallversicherung

1889  

Rentenversicherung (ursprünglich Invaliditäts- und Altersversicherung)

1927  

Arbeitslosenversicherung

1957  

Rentenreform: Einführung der dynamischen Rente

1995  

Pflegeversicherung

2015  

Pflegereform

•  Gesündere Lebensweise (Ernährung, Bewegung, verringerter/bewusster Genuss von Alkohol/Zigaretten, Fleisch, Genussmitteln)

•  Bessere Wohnsituation (Wohnraum, Wohnfläche pro Person, Wohnort)

•  Bessere Arbeitsbedingungen (Arbeitsschutz, Arbeitszeiten, Pausen, Urlaub, Mutterschutz)

•  Höheres Bildungsniveau und WohlstandZahlreiche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen besserer Bildung und Gesundheit. Es wird selbstverantwortlicher mit der eigenen Gesundheit und Krankheit umgegangen; Arztbesuche, Vorsorgeuntersuchungen, Impfung, Medikamenteneinnahme, Therapie.     Besser Verdienende haben oft einen hohen Bildungsstand/ eine höhere Ausbildung und durch ein gesichertes Einkommen weniger Existenzsorgen. Sie verfügen über sicheres Wohnen – Eigentumswohnung/Haus, großzügiges Haushaltsgeld/hochwertige Ernährung (Biokost), leisten sich exquisite Reisen, können früher in Rente/Pension gehen, leisten sich eine bessere medizinische Versorgung (teure Medikamente, Privatpatientenstatus) (vgl. GDV 2017).

1.2       Was ist Alter(n)?

Menschen entwickeln und verändern sich

Das menschliche Leben ist von Geburt an bis zum Tod ein unaufhörlicher Prozess von physischen, psychischen, kognitiven und sozialen Veränderungen und Entwicklungsphasen:

•  Geburt/Säuglingszeit/Kindheit

•  Jugend/Pubertät

•  Erwachsenenalter

•  Der alte Mensch (Zeitraum wird in Altersspannen eingeteilt: young old, old old, oldest old)

•  Sterben und Tod