Baukasten    HUMANE SCHULE - Rita Scheuermann - E-Book

Baukasten HUMANE SCHULE E-Book

Rita Scheuermann

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Beschreibung

Es ist an der Zeit, dass die bahnbrechenden Erkenntnisse der modernen Hirnforschung Eingang in unsere Schulen finden. In diesem BAUKASTEN wird modernes neurobiologisches Wissen in praxisnahe Denkkonzepte gepackt, die im konkreten Schulalltag zu mehr Humanität und Effizienz führen. Investitionen in mehr Bindung, Beziehung und Bewegung bedeuten einen potenzierten Zuwachs an lerneffektiven neuronalen Netzen. Dieser Leitfaden ist für Lehrkräfte, Eltern, SchülerInnen, Bildungsplaner und Interessierte, die um die Bedeutung einer guten Bildungseinrichtung für ein erfolgreiches Leben wissen.

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Seitenzahl: 63

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Lernen ist Erfahrungalles andere ist Information.

Albert Einstein

Inhalt

Vorwort

Süßes oder Saures

Das Gehirn bestimmt den Weg

Mentale Verdrahtung

Bindung kommt vor Bildung

Taktisch klug lernen

Demokratie

Zugewandte Kommunikation

Bewegungskompetenz schafft Lernbasis

Gehirnbooster Tanz

Buch und Bildschirm brauchen Handlung

Pausen

Kunst-Musik-Stille

Das Talent bestimmt den Weg

Talent braucht Beziehung

Wie tickt der Mensch grundsätzlich?

Life skills in der Computerwelt

Individuelle Rückmeldung

Stärken stärken

Lernfenster beachten

Lernräume öffnen

Das körpergerechte Lernrevier

Licht, Farbe, schöne Materialien

Platz, Schutz und Sicherheit

Geistige Anstrengung braucht Energie

Gehirnzerstörer Nahrungsgifte

Weizenjunkie

„Nein“ sagen lernen

Grüne Gehirnbooster

Demokratie in der Kantine

Schokoeigenschaften einer Lehrperson

Kluges Lernen-kluge Gesellschaft

Vorwort

Was brauchen junge Menschen, damit sie in der Schule optimal lernen können?

Wie muss Schulalltag strukturiert sein, um die bahnbrechenden Erkenntnisse der modernen Hirnforschung zu nutzen und konkret umzusetzen?

Wie kann man in Bildungsinstitutionen die angeborene Lust auf Neues gezielt unterstützen, und welche Eckpfeiler müssen gesetzt werden, damit sich das junge lernende Gehirn in Gruppenprozessen sinnvoll verdrahtet?

Wie entstehen Werteraster und Gebrauchsmuster für lern-, lebens- und gemeinschaftsfördernde Denk- und Handlungsweisen?

Während das Grundlagenbuch „Optimal Lernen“ all das wissenschaftlich beleuchtet, bietet dieser Leitfaden praktikable handfeste Konzepte, welche obige Fragen beantworten und Veränderungen konkret unterstützen.

Vorliegender Baukasten eignet sich als Grundlage für jegliche Art von Bildungsplanung, für Konferenzen, Gespräche und Handlungsinitiativen von SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften.

Schule heute steht vor gewaltigen, völlig neuen Anforderungen. Sie hat einen noch nie dagewesenen ordnenden und ethisch-menschlichen Auftrag.

Eine ungeheure Informations- und Datenflut, kombiniert mit gesteuerter medialer Macht, sowie unterschiedlichste Werthaltungen stürmen auf unsere jungen Menschen ein und bringen sie nicht selten an ihre Grenzen.

Um dem begegnen zu können, müssen Schüler und Schülerinnen deshalb wissen, wie die Grundmechanismen des Lebens funktionieren, wie sie selbst als Menschen angelegt sind, und wie ihr Gehirn so tickt.

Neben einer ressourcenorientierten Förderung brauchen Heranwachsende aber vor allem Vorbilder, tragfähige Beziehungen und Lehrkräfte, die kraftvolle, positive Spiegelmodelle verkörpern.

Junge Menschen müssen in Schulen mehr als bisher „Gemeinschaftsglück“ erleben und eine solidarisch orientierte Grundausbildung bekommen, um sich in ihrem weiteren Leben auf das menschlich und gemeinschaftlich Beste aus einem „Alles ist machbar“ fokussieren zu können.

Dahingehend hat Schule ihren zentralen Auftrag.

1. Süßes oder Saures?

Schule - Potential und Istzustand

Schule kann das Leben ungemein bereichern. Sie ist der Ort, an dem man sich trifft, Freundschaften schließt und enge Bindungen aufbaut.

Enge soziale Bindungen sind mit das Beste für das Wohlbefinden des Menschen. Friedliche, unterstützende menschliche Beziehungen, die Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, werden weltweit als Glücksfaktor Nummer eins genannt.

Schule bietet dann die Chance zu persönlichem und gemeinschaftlichem Glück, wenn sie Lernen und Handeln freiheitlich-demokratisch ausrichtet. Freiheit und Demokratie sind ausgesprochen zufriedenheitsfördernd.

Die Freiheit, über die Ausrichtung des eigenen Lebens- und Lernumfelds mitentscheiden zu können, macht stark und selbstbewusst.

Schule vermittelt Bildung. Es gibt nachgewiesenermaßen einen direkten Zusammenhang zwischen Bildung und Lebenszufriedenheit. Erlebte Bildung ist ein Glücks- und Zufriedenheitsfaktor, der durch das ganze Leben trägt.

Sinnvoll empfundenes Lernen, kombiniert mit kreativen und musischen Erfahrungen, wirkt biologisch wie ein Belohnungscocktail und vermittelt beste Gefühle.

Schule hat also einiges zu bieten.

Wie bei Schokolade kommt es aber darauf an, dass die richtigen Inhaltsstoffe verwendet werden und die Dosierung stimmt.

Ist das nicht der Fall, oder stopft man sich zu viel in sich hinein, wird einem schlecht, und man spürt noch lange die unangenehmen Auswirkungen.

Momentan trifft das beim „Produkt“ Schule leider zu.

Die Zutaten stimmen nicht, Qualität und Zusammensetzung lassen zu wünschen übrig. Als eher billiger Massenartikel denn hochwertiges Erzeugnis macht sie niemals richtig satt und verursacht in vielen Fällen Bauchschmerzen.

Es ist tatsächlich kaum zu fassen: Wir sind die technisch fittesten Erdenbürger seit Menschengedenken, leben in einer der fortschrittlichsten Demokratien, lassen uns aber große Teile unserer schönsten Lebenszeit durch verkrustete Schul- und Lernstrukturen vermiesen. In unseren Bildungsanstalten bekommen wir die Daumenschrauben von Konkurrenz und Perfektionsgetriebenheit aufgezwungen, die uns dazu verführen, mitmenschliches Denken beiseite zu schieben.

Wie vor mehr als 70 Jahren ordnen wir uns immer noch stundenlangem Zwangssitzen und gnadenloser Auslese unter, und lassen es zu, dass junge Menschen in einem sich selbst pflegenden Machtapparat, dessen Ziele und Wertvorstellungen nicht in Frage gestellt werden dürfen, auf Noten abgerichtet werden wie Hunde auf die Futterglocke.

Die Note dominiert alles, den Schulalltag und das gesamte Familienleben. Viele Eltern bemerken zwar ihren eigenen Widerwillen gegenüber Schule, setzen aber oft noch selbst eins drauf, wenn sie ihre Sprösslinge unter Dauerzwang zu guten Noten bringen.

Wir haben derzeit ein quantitativ statt qualitativ gestaltetes Produkt „Schule“, das sich mit seinen eigenen Zielen und Wertvorstellungen längst von der Wirklichkeit sinnvollen Lernens entfernt hat, und das komplett einseitig auf die beruflich-gesellschaftliche Eintrittskarte „gute Note“ ausgerichtet ist.

Die Folge für SchülerInnen ist ein ausuferndes Leistungs-, Anspruchs- und Konkurrenzdenken. Man will zu den Gewinnern gehören und mobbt den anderen, wenn er einem in die Quere kommt.

Derzeit ist nicht viel los mit Glücksgefühlen in der Schule, mit Kreativität, Humor, Lebendigkeit und Erfindungslust.

Im Gegenteil: Viele Schülerinnen und Schüler leiden unter erdrückender, sinnlos empfundener Stofffülle, unter Gängelung und Freiheitsberaubung. Sie stehen oft täglich im Konkurrenzvergleich und somit unter der Gefahr von Abwertung und Ausgrenzung. Bedrohtes Ansehen in den Augen anderer führt aber nachgewiesenermaßen zu den schlimmsten Stressgefühlen, die es für den Menschen gibt. So lässt Schule momentan bei nicht wenigen jungen Menschen das Lebensfeuer zu Hoffnungslosigkeit und Leere schrumpfen.

Deshalb ist höchste Zeit, dass wir in unseren Bildungseinrichtungen etwas unternehmen und die inneren Flammen neu entfachen. Schülerinnen und Schüler brauchen im Lernalltag wieder das tragende Gefühl starker Lebenslust, sie benötigen das Selbstvertrauen und die Zuversicht, das Leben aus eigener Kraft anpacken und gestalten zu können.

Wie also können wir dahingehend neue Wege beschreiten?

2. Das Gehirn bestimmt den Weg

Wir sind ein „Körper-Fühl-Geist“, dessen Hauptgehirnmasse für Bewegung reserviert ist.

Früher fehlte einfach das konkrete lernpsychologische und physiologische Wissen über Gehirnvorgänge bei der Aufnahme und Abspeicherung von Informationen.

Heute jedoch ist das zugänglich. Schule täte gut daran, sich mehr als bisher beim Planen und Ausführen von Lerntätigkeiten an neurologischen Vorgängen im Gehirn zu orientieren. Es brächte viel, wenn sie die für ein effizientes Lernen notwendigen Leistungen des Hirnstamms und der sozial-emotionalen Regelkreise beachten würde.

Unser menschliches Gehirn besteht aus alten und neueren Hirnmodulen, aus Automatismen und willentlichen Steuerzentren.

Bildungsplaner sollten berücksichtigen, dass Menschen sich zumindest einigermaßen ausgeglichen und harmonisch fühlen müssen, um das limbische System im Zwischenhirn in einen Modus zu bringen, in dem es das Großhirn ansteuern kann.

Sie müssen die Gefühlsabhängigkeit des Hippocampus, der zentralen Schaltstelle unseres Gedächtnisses beachten.

Im Hippocampus werden ein Leben lang neue Nervenzellen gebildet. Diese sogenannten Ortszellen können nicht nur selbst Orte speichern, sondern verbinden sich mit Neuronenorten des Großhirns, in denen Erinnerungen abgespeichert werden. Lernen heißt Neurogenese von Ortszellen im limbischen System und deren Vernetzung mit dem Großhirn und dessen einzelnen Sinnesarealen.

Das bedeutet für den Schulalltag: Erst wenn der „Bewegungstiger“ in uns gesättigt ist, erst wenn wir uns in sicheren Beziehungen geborgen fühlen, sind wir in der Lage, feine Unterschiede wahrzuehmen, vernünftig zu handeln und sinnvoll zu lernen.

Erst dann können Großhirn und Gedächtnis für Lerninformationen optimal angezapft werden.

Beachtet man das in Schulkonzepten, ist es möglich, die Schokoladenseiten von Schule hervorzulocken, Schule zu einem Ort zu machen, zu dem man gerne hingeht, an dem man sich willkommen fühlt und an dem man nicht ständig um Ansehen und Würde kämpfen muss.