Be Love Now - Ram Dass - E-Book

Be Love Now E-Book

Ram Dass

4,3

Beschreibung

In seinem Buch "Be Love Now" gibt Ram Dass einen einzigartigen Einblick in seinen langen spirituellen Weg. Der heute 80-Jährige lässt uns teilhaben an den wichtigsten Erfahrungen seiner Transformation vom bedeutenden Harvard-Psychologieprofessor zum "Diener Gottes". Die Begegnung mit seinem Guru Neem Karoli Baba, liebevoll Maharaj-ji genannt, führt zu einem Leben in bedingungsloser Liebe - der Essenz des Daseins. "Be Love Now" ist ein sehr persönliches Buch und gleich zeitig eine wundervolle Entdeckungsreise, die Herz und Geist öffnet. "Stell dir vor, dass dich jemand mehr liebt, als du je zuvor geliebt worden bist. Man liebt dich stärker noch als deine Mutter dich als Kind geliebt hat, mehr als dein Vater dich je liebte, dein Kind oder dein dich liebender Partner. Diese Liebe will nichts von dir, ist nicht auf persönliche Befriedigung aus und will nichts mehr, als dass du völlig erfüllt bist. Du wirst nur für das geliebt, was du bist, deshalb, weil es dich gibt."

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ram dass

mit rameshwar das

be love now

der weg des herzens

Originalausgabe:Ram Dass, BE LOVE NOW: The Path of the Heart© 2010 by Love Serve Remember FoundationPublished by arrangement with HarperOne,an imprint of HarperCollins Publishers, LLC10 East 53rd Street, New York, NY 10022

Vollständige E-Book-Ausgabe der beiJ. Kamphausen Verlag & Distribution GmbHerschienenen Printausgabe

Ram Dass: be love now© J. Kamphausen Verlag & Distribution GmbH, Bielefeld [email protected] | www.weltinnenraum.de

Cover Design & Layout:

Kerstin Fiebig | ad department

Übersetzung:

Ulrich Magin

Lektorat:

Horst H. Walter

Coverfoto:

© Joan Halifax

Illustration ‚Hanuman’:

Saie Surendra. Bearbeitet von Zagaboy. Bereitgestellt durch Wikimedia Commons

Druck & Verarbeitung:

Westermann Druck Zwickau

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Printausgabe 978-3-89901-546-1ISBN eBook 978-3-89901-607-9

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen undsonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonteWiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Aus dem Englischen übersetztvon Ulrich Magin

Für Maharaj-ji

Ein Mensch in einer Decke, der starb und doch in mir lebt

und der immer mein Herz kennt,

ein kosmischer Spielgefährte, dessen Lachen jenseits der Zeit liegt,

der mich immer stärker liebt,

mehr als ein Partner, ein Vater, eine Mutter,

mehr als ich selbst mich liebe,

selbst dann, wenn ich ihn zu lieben vergesse,

dessen Gegenwart wie eine süße,

stille, feine Energie in meinem Herzen ist,

der mir einen Weg zeigte

ohne Richtung

und der jeden Schritt auf diesem Weg erleuchtet,

ohne den es nichts von all dem gäbe.

Durch ihn habe ich mein wahres Selbst kennengelernt.

Er würde für dieses Buch keinen Dank wollen,

aber es ist seines.

Inhalt

Vorwort

Von dort nach hier kommen

von Rameshwar Das

1. Der Pfad des Herzens

2. Zu viel Ballast

3. Eins werden

4. Darshan

5. Führer

6. Vertreiber der Dunkelheit

7. Der Weg der Gnade

8. Der Familienmensch

9. Eins in meinem Herzen

Abdrucknachweise

Anmerkungen

Vorwort

Von dort nach hier kommen

Rameshwar Das

Frühling 1967. Ich war 20 Jahre alt und befand mich in meinem zweiten Studienjahr an der Wesleyan University in Middletown, Connecticut. Gerade hatte ich zum ersten Mal längere Zeit außerhalb der Vereinigten Staaten verbracht, ein Auslandssemester in Francos Spanien. In Vietnam tobte der Krieg, auf dem Campus herrschte Unruhe. Als Anfänger belegte ich das Seminar „Freiheit und Befreiung im Alten China und Indien“, das mein Interesse an Taoismus und Buddhismus weckte. Gleichzeitig begann ich, Marihuana zu rauchen und mit Meskalin, DMT und LSD zu experimentieren. Die visuellen und poetischen Wirkungen der psychedelischen Drogen förderten meine künstlerische, philosophische und poetische Intuition und erweiterten meinen inneren und äußeren Horizont. Sie verbesserten allerdings nicht mein akademisches Ansehen.

Ein Flyer lud zu einem Gastvortrag von Dr. Richard Alpert ein, einem ehemaligen Psychologieprofessor in Harvard, der einen Teil seiner Doktorarbeit an der Wesleyan geschrieben hatte. Zwei seiner früheren Studenten, Sara und David Winter, lehrten dort jetzt Psychologie und hatten ihn eingeladen.

Über Dr. Alpert wurde wegen seiner Zusammenarbeit mit Timothy Leary, einer Ikone der Gegenkultur, viel gemunkelt. Harvard hatte sie beide gefeuert, weil sie nicht genehmigte Forschungen mit psychedelischen Drogen durchgeführt hatten. Alpert zeichnete sich durch die besondere „Ehre“ aus, der einzige festangestellte Dozent zu sein, den die Eliteuniversität Harvard jemals öffentlich gefeuert hatte. Beide nahmen ihre Entlassung nicht stillschweigend hin. Dr. Learys berühmtberüchtigter Slogan der 1960er Jahre „Turn on, Tune in, and Drop out“ (etwa: „Törn dich an, Stimm dich ein, Steig aus“) war zu einem Medien-Mantra und zu einer kulturellen Strategie geworden. Marihuana und LSD verbreiteten sich rasch und lösten bei vielen Alkohol als Lieblingsdroge ab. Die Beatles und die Rolling Stones waren auf dem Trip, es herrschte eine Atmosphäre von unerschrockener Innenschau, lautstarkem Spaß und politischem Aufstand. Manches davon war nichts als schmückendes Beiwerk, einiges dumm, anderes bildete das Rückgrat einer ganzen Generation.

Dr. Alperts Vortrag begann um 19.30 Uhr in einem der Aufenthaltsräume für Studenten. Ich erwartete einen aufmunternden Vortrag über so was wie „Schöner leben mit moderner Chemie“ (das war damals der Werbespruch der Firma DuPont Chemical). Etwa fünfzig Leute fanden sich ein, zum Großteil Studenten, die sich auf Sofas, Stühlen und dem Teppich lümmelten. Doch statt eines psychedelischen Psychologen aus Harvard im Tweedanzug betrat ein Redner mit einem struppigen Bart, in Sandalen und einer Art weißem Gewand den Raum. Dr. Alpert, gerade aus Indien zurückgekehrt, hatte dort seinen Namen in Ram Dass geändert. Er erklärte, das bedeute „Diener Gottes“. Er sah so aus wie einer von denen, die im Hyde Park auf Leute einreden. So was hatte ich gerade in London gesehen. Statt einen Lobgesang auf psychedelische Drogen anzustimmen, erzählte er von seinen Erfahrungen während eines sechsmonatigen Aufenthalts in einem Ashram in den Ausläufern des Himalaya. Er berichtete, wie er einen Guru traf, der sein ganzes Bewusstsein umkrempelte, auf solch verheerende Weise, dass er sich für sechs Monate in den Ashram des Gurus zurückzog, um Yoga und Meditation zu erlernen. Das war nun selbst für dieses Publikum zu bizarr, und es dauerte nicht lange, bis einige den Raum verließen. Etwas später schaltete jemand das Licht aus, und Ram Dass hielt den Rest seines Vortrags in einer gebärmutterartigen Dunkelheit. In dieser Finsternis füllte seine körperlose Stimme den ganzen Raum mit einer Art knisternder Energie. Er verband die Aufregung eines Wissenschaftlers über eine neue Entdeckung mit der eines Forschungsreisenden, der „terra incognita“ betritt. Er beschrieb seine Erfahrungen und beantwortete Fragen, bis es schließlich 3.30 Uhr morgens war.

Als Ram Dass über die innere Transformation sprach, die er erlebt hatte, setzte auch bei mir eine Transformation ein. Ich erlebte sie wie einen Wahrnehmungseffekt bei Bildern mit stark kontrastierenden Strukturen, bei denen man plötzlich statt der Form den Raum sieht. In meinem Fall war es so, dass ich von dem Gefühl, der Mittelpunkt meines Universums zu sein, plötzlich dazu überging, mich als einen einzelnen Funken der Bewusstheit unter Milliarden anderer zu sehen. In diesem Augenblick begriff ich, dass wir uns alle auf einer evolutionären Reise der Verwirklichung durch die Unendlichkeit von Zeit und Raum befinden.

Dieses Begreifen ging weit über intellektuelles Verstehen hinaus. Es war das Gefühl einer Begegnung in einem tiefen Raum von Liebe und Mitgefühl, das Ram Dass als „unsere Zwickmühle“ bezeichnete. Zweieinhalb Jahre später, als ich nach Indien reiste, um den Guru selbst aufzusuchen, erlebte ich dasselbe Gefühl erneut. Es war wie ein Déjà-vu. Wie auch immer es geschah, jedenfalls kam an jenem Abend ein alter Mann mit einer Decke, den später auch ich Maharaj-ji nannte, durch Ram Dass zu mir. Diese Wohnstatt von Liebe, Mitgefühl und Einheit, in der der Guru lebte, war zumindest für eine gewisse Zeit nach Conneticut umgezogen.

Für einen Zwanzigjährigen, der sich auf einer äußerst persönlichen Suche nach seiner Identität befand, war es eine Offenbarung. Die Idee, dass andere Wesen diese Reise der Erforschung des Inneren, die ich mir höchstens vorzustellen vermochte, bereits unternommen und beendet hatten, machte mich ehrfürchtig. Vielleicht war diese Reise weniger persönlich, als ich dachte.

Am nächsten Tag besuchte ich Ram Dass im Haus der Winters. Etwas in mir hatte „Klick“ gemacht, und das musste ich näher untersuchen. Was für ein Zustand das auch immer gewesen war, den ich erlebt hatte, ich wollte mehr davon. Ich erinnere mich kaum noch an unser Gespräch, doch ich weiß noch, dass Ehrfurcht und Dankbarkeit mich erfüllten, obwohl mir klar wurde, dass sich Ram Dass ebenso sehr auf seiner Reise befand wie ich mich auf meiner. Später begriff ich, dass es für ihn nicht einfach war, wenn ihn Leute für den Übermittler dieses Zustands hielten. Was sollte er auch sagen? „Tut mir leid, das bin nicht ich, der da spricht?“ Ich nehme an, dass ihn das bei der Arbeit an seinem eigenen „Zeug“ antrieb.

Er blieb, was sein eigenes Verlangen und sein Bedürfnis nach Anerkennung anging, stets völlig und erfrischend ehrlich. Er verwendete seine Neurosen als „Schrot für die Mühle“. Statt die Dinge unter den Teppich zu kehren, setzte er die Irrwege seiner Psyche als humoristische Akzente bei seinen Vorträgen ein. Er war nicht „heiliger als der Papst“. Er war eher ganzheitlich als heilig, eher praktisch als fromm. Es hat wohl auch andere sehr beeindruckt, wie sich Ram Dass selbst als Fallstudie bei seiner Erforschung des Inneren betrachtete. Durch das Zusammenwirken seiner psychologischen Ausbildung, seiner Offenheit in Bezug auf psychedelische Drogen und seiner Synthese der östlichen Weisheit wurde er während des Umbruchs in den 1960er Jahren eine hervorragende Quelle dafür, wie Bewusstsein sich entwickeln kann. Er schaffte es, alles in einer verständlichen Sprache darzustellen. Und natürlich erzählte er zusätzlich noch eine spannende Geschichte.

In den nächsten beiden Jahren besuchte ich Ram Dass in regelmäßigen Abständen. Ich fuhr die I–91 von Connecticut durch Massachusetts nach New Hampshire, wo er sich auf dem Sommersitz seiner Familie aufhielt, einem Bauernhof an einem See in der Nähe von Franklin. Bei warmem Wetter wohnte er in einem winzigen Gästehaus ohne fließend Wasser und Strom, das er in eine gemütliche Retreathütte oder kuti verwandelt hatte. Dort meditierte er, praktizierte Yoga und kochte täglich einen Topf khichri, eine Mischung aus Reis und Linsen. Im Winter zog er in den Gesindetrakt im Haupthaus, der sich auf dem Dachboden über der Küche befand.

Ram Dass unterwies mich in den Grundlagen des Yoga und der Meditation und empfahl mir einige Schriften von Heiligen und Yogis, von denen er in Indien erfahren hatte. Pranayama (Übungen zur Atemenergie) und das Rezitieren von Mantras (die Wiederholung heiliger Worte) wurden für mich tägliche Verrichtungen. Ich lernte, khichri zu kochen und chapatis, indisches Fladenbrot, zu backen.

Ram Dass’ Vater George Alpert, ein Rechtsanwalt, war Präsident der Eisenbahngesellschaft von New York, New Haven und Hartford. Er und seine Verlobte Phyllis hielten sich oft auf dem Sommersitz auf, wenn ich Ram Dass besuchte. Sie waren so außerordentlich gastfreundlich, das ich mich wie ein Mitglied der Familie fühlte. Natürlich waren sie ratlos angesichts des neuen Erscheinungsbildes von Ram Dass nach dem Ende seiner Harvard-Karriere, aber sie mochten das, was aus ihm geworden war, und es kümmerte sie nicht wirklich, warum das so passiert war. George nannte ihn weiterhin Richard und schien leicht irritiert wegen dieser jungen Leute, die immer wieder auftauchten. Es kam ihnen schon alles ein bisschen mysteriös vor, doch die Liebe hatte auch sie angesteckt.

Obwohl er das Jahr praktisch als Einsiedler verbrachte, hielt Ram Dass 1967 auch einen Vortrag im Bucks County Seminar House in Pennsylvania. Neben seinem täglichen sadhana (seiner spirituellen Praxis) arbeitete er in Franklin auch an einem Buch über seine Erfahrungen in Indien. Im Winter 1967/68 hielt er eine Vortragsreihe in einem Kunstatelier auf der East Side von Manhattan. Jeden Abend kamen dieselben Leute, oft brachten sie auch Freunde mit. Viele waren zunehmend angetan von der unglaublichen Energie und Präsenz seiner Vorträge.

Ram Dass sprach mit Selbstironie und benutzte seine eigenen Irrwege als Gegengewicht zu der äußerst ernsten Reise, die er beleuchtete. Die Ehrlichkeit, mit der er seine inneren Dämonen offenlegte, und sein Entzücken an dem absurden Gedanken, dass ausgerechnet ein Harvard-Psychologe an den Mystizismus des Ostens geraten war, wurden zu Markenzeichen seiner Vorträge. Er verknüpfte die psychedelische Drogenerfahrung, die viele von uns mittlerweile gemacht hatten, mit der Auflösung des Ego in der Philosophie des Ostens. Er verwendete seine Begegnung mit dem Guru als Modell für die Erlangung des höheren Bewusstseins, die Erleuchtung, die er nun als das Ziel ansah.

1969, gleich nach meinem Hochschulabschluss, bekam ich einen Einberufungsbescheid und musste zur Musterung erscheinen. Bärtig und haarig stand ich in meiner Unterhose da, eine Gebetskette in der Hand, mit der ich während der Untersuchungen den ganzen Tag lang Hindu-Mantras wiederholte. Zu guter Letzt kam ich zum Psychologen. Ich hatte inzwischen eine solche Intensität im Gebet erlangt, dass ich schon fast nichts mehr sehen konnte. Der Psychologe, der selbst unglücklich schien über den Dienst, den er da leistete, erklärte mich für untauglich. Das erlaubte mir, mich den jungen Leuten, Studenten, Hippies, Blumenkindern und all den anderen anzuschließen, die Ram Dass schon persönlich erlebt oder über Mundpropaganda von ihm erfahren hatten und nun bei ihm in Franklin vor der Tür standen. Mein jüngerer Bruder und meine Schwester fuhren zum Festival nach Woodstock, während ich im Yogi-Camp bei Ram Dass meditierte.

Wochenend-Darshans im Freien, spirituelle Zusammenkünfte mit Ram Dass unter einem Baum in seinem Hof, entwickelten sich dank Georges großzügigem Einverständnis zu einem yogischen Sommerlager. Wir waren zwanzig oder dreißig Camper und begaben uns auf das Abenteuer einer „Reise nach innen“: Flächen für die Zelte und ein darshan- Haus wurden im Wald oberhalb der Farm errichtet, und auf Georges innig geliebtem Golfplatz mit den drei Löchern fanden Sufi-Tänze und Hatha-Yoga-Übungen statt. Gruppenmeditationen und Yoga wurden Teil des Alltags, denn Ram Dass versuchte, seine Erfahrungen in Indien auf diese zusammengewürfelte Truppe von Möchtegern-Yogis zu übertragen. Was uns an Disziplin bei der Entsagung mangelte, machten wir mit Eifer und Liebe wett. Gegen Ende des Sommers war die Gruppe unter dem Baum auf weit über hundert Leute angewachsen. Einige der Camper zogen unbemerkt wie Schiffe in der Nacht weiter, einige sind verstorben, wieder andere stehen immer noch in Verbindung miteinander. Heute sind sie Großeltern.

Von Ram Dass’ mühsam mit der Hand geschriebenem Manuskript über seine Erfahrungen in Indien wollte kein Verlag etwas wissen. Er hielt weiterhin Vorträge und fuhr im gleichen Jahr im Herbst noch quer durchs Land nach Kalifornien, um in einem frisch gegründeten Zentrum für psychologisches und spirituelles Wachstum in Big Sur, dem Esalen-Institut, zu lehren. Dort in Big Sur besuchte er einen befreundeten Autor und seine Frau, John und Catty Bleibtreu. John bemerkte das Manuskript der Vorträge, die Ram Dass in dem Kunstatelier in New York gehalten hatte, als er seinen Koffer aus dem Kofferraum wuchtete. Er frage ihn, ob er es lesen dürfe. Er fand, dass da einige gute Geschichten dabei seien, und markierte die, die ihm gefielen.

Von Esalen aus fuhr Ram Dass weiter zur Lama Foundation in der Nähe von Taos, New Mexico. In dieser Zurück-aufs-Land-Kommune lebten Künstler und Hippies. Ram Dass hatte bei ihrer Gründung mitgewirkt, bevor er nach Indien gereist war. Steve Durkee, ein visionärer Künstler, der in New York die Künstlergruppe USCO angeführt hatte, war sein Freund und der führende Kopf der Foundation. Auch ihm fiel das Manuskript auf und er wollte wissen, um was es sich handelte. Beim Abendessen besprachen sie dann, wie man es illustrieren könnte.

Im Herbst und Winter 1969/70 arbeiteten Ram Dass, Steve und die Lama-Kommune daran, Ram Dass’ Worte in Textkunst zu verwandeln. Bei seinen Vorträgen verteilte Ram Dass Postkarten, die die Leute zur Kommune schicken konnten, wenn sie ein Exemplar von dem, was letztlich zustande kommen würde, erhalten wollten. Auch ich trug zu dem „Werk“ bei, ich kopierte einige Fotos von Heiligen, die Ram Dass aus Indien mitgebracht hatte.

Anfang 1970 verschickte der Bountiful Lord’s Delivery Service von Lama aus mehrere tausend Exemplare einer 30 mal 30 cm großen Pappschachtel, deren Inhalt und Druck aus den Erlösen der Vorträge von Ram Dass finanziert worden waren. Das Werk wurde kostenlos verteilt. Die Schachtel enthielt das auf den Mitschriften basierende Buch mit dem Titel From Bindu to Ojas (Sanskrit: „Von der materiellen zu spirituellen Energie“), auf braunes Papier gedruckt, mit Fadenheftung von Hand. Beigefügt waren eine Broschüre über Ram Dass’ Reise zu seinem Guru (HisStory), Anleitungen für spirituelle Übungen (Spiritual Cookbook), heilige Bilder, die man auf den Kühlschrank oder auf einen Altar stellen konnte (einige davon finden sich auch in diesem Buch), eine Liste weiterführender Literatur (Painted Cakes) und eine Langspielplatte mit Gesängen und spirituellen Liedern der Szene. Es war ein echter Bausatz für die spirituelle Reise.

Im Sommer 1970 gab es ein kurzes Revival des Yogi-Camps in Franklin. Nachdem Ram Dass ein Jahr lang auf Vortragsreise gewesen war, wurde der Ansturm der Teilnehmer für Georges Farm zu groß. Aber aus diesen Gruppen erwuchs der westliche satsang, eine Gemeinschaft der Suchenden.

Ram Dass hielt weiterhin Vorträge und reiste durchs Land, dachte aber stets daran, dass Maharaj-ji ihm gestattet hatte, zwei Jahre später wieder nach Indien zu kommen. (Maharaj-ji ist in Indien ein häufiger Ehrentitel, der wörtlich „großer König“ bedeutet. In diesem Buch bezieht sich Maharaj-ji gemeinhin auf Ram Dass’ Guru Neem Karoli Baba, denn dieser wurde praktisch immer so angeredet.) Er fühlte sich nach all diesen öffentlichen Auftritten ausgelaugt, deshalb überlegte Ram Dass, ob er nicht zur Arbeit an sich selbst zurückkehren sollte. Die Nachfrage nach der From Bindu to Ojas-Schachtel überstieg bald die ursprüngliche Auflage. Steve Durkee unternahm die Arbeit, das Ganze in ein Buch zu verwandeln, das vom Verlag Crown Publishers vertrieben und von dort einem Lektor namens Bruce Harris gemanagt wurde. Es hieß nun Be Here Now. Ram Dass’ Guru, den wir aus seinen Vorträgen und von der Schachtel nur als Maharaj-ji kannten, hatte angewiesen, niemandem von ihm zu erzählen. Ram Dass gab jedoch drei von uns „Schülern“ die Erlaubnis, einem Devotee (hingebungsvoller Verehrer eines Gurus) in Indien zu schreiben, um herauszufinden, ob Maharaj-ji es zulassen würde, dass wir ihn besuchten. Jeff Kagel (später Krishna Das), Danny Goleman (der dann Psychologieredakteur der New York Times wurde und den Bestseller Emotionale Intelligenz schrieb) und ich schrieben K.K. (Krishna Kumar) Sah. Wir fragten ihn, ob er Maharaj-ji um seinen Segen für unsere Reise nach Indien bitten könne.

In K.K.s Kinder- und Jugendjahren war Maharaj-ji für ihn eine Art Pflegevater. K.K. schwänzte die Schule, um bei ihm zu sein. Und er betrachtet sich nach wie vor als eine Art Kind von Maharaj-ji. Als Ram Dass Maharaj-ji zum ersten Mal traf, schickte ihn Maharaj-ji in K.K.s Haus, damit der sich um ihn kümmerte. Deshalb fühlte K.K. eine besondere Verantwortung für Ram Dass. Jahre später erzählte uns K.K., was geschehen war, als er unsere Briefe zu Maharaj-ji brachte. Er legte sie auf das Bett, auf dem Maharaj-ji saß. Maharaj-ji erkundigte sich, was darin stand.

K.K. erklärte, wir seien Schüler von Ram Dass und wollten Maharaj-ji besuchen kommen. Maharaj-ji sagte: „Was habe ich mit diesen Leuten zu schaffen? Sag ihnen, sie sollen fortbleiben!“ K.K. hatte während des Gesprächs Maharaj-ji liebevoll Apfelschnitten gereicht. Damit hörte er jetzt auf. Er senkte den Kopf und schmollte. Maharaj-ji sprach mit ein paar anderen Leuten, dann blickte er wieder zu K.K. hinunter.

„Was ist los?“

„Ich kann das diesen Leuten nicht sagen, Maharaj-ji. Sie sind Schüler von Ram Dass.“ Nachdem er das ein paar Mal wiederholt hatte, bemerkte Maharaj-ji: „Sag ihnen, was du willst.“

Wir erhielten eine Antwort von K.K. in seiner schönen Handschrift. Sie lautete: „Maharaj-ji lädt nie jemanden zum Kommen ein, aber seine Türen stehen immer offen. Sollten Sie zufällig einmal in der Nähe des Kainchi-Ashrams sein, wenn Sie sich in Indien aufhalten …“ Diese nuancierte Antwort war Grund genug, Fahrkarten zu kaufen und Visa zu besorgen.

Statt des erwarteten Kulturschocks fühlte ich mich bei der Ankunft in Indien sofort wie zu Hause. Alles lag offen da, nichts wollte etwas anderes sein, niemand verbarg etwas. Selbst die behinderten Bettler bildeten Teil eines nahtlosen, nach Verfall „duftenden“ Ganzen. Wir reisten von Bombay (heute Mumbai) nach Delhi, dann von Delhi nach Nainital. Wir hofften, dort K.K. Sah zu treffen und den letzten Teil unserer Reise anzutreten, die zwölfstündige Busfahrt über die Berge in einem alten, klapprigen, Abgase spuckenden Dieselbus. Nainital ist eine „Bergstation“, die von den Briten an einem landschaftlich reizvollen See errichtet wurde, um der Sommerhitze der Ebene zu entkommen. Die Atmosphäre verändert sich wortwörtlich, als der Bus aus dem Staub und Verkehr des Tals endlose Serpentinen hochkletterte.

Als wir die letzten Serpentinen vom Weiler Bhowali ins Tal von Kainchi zurücklegten, erhaschten wir einen kurzen Blick auf die orangefarbigen Türme des Ashram-mandirs (Tempels). Ich spürte, dass ich endlich nach Hause kam, ein bisschen so wie auf der Fahrt zu meinen Großeltern auf Long Island, wo ich immer die Sommerferien verbracht hatte.

Bei unserer Ankunft sagte K.K.: „Maharaj-ji, sie sind jetzt da.“ Maharaj-ji sagte: „Gib ihnen etwas zu essen“ und schickte ein Bündel Bananen.

Das war ein gutes Zeichen. Man bat uns, prasad, Essen, zu uns zu nehmen. Wir setzen uns vor einen Haufen würziger Kartoffeln und puris, frittiertem Brot, auf Tellern aus Blättern. Ich aß drei Portionen Kartoffeln und siebzehn puris.

Nach dem Essen brachte uns K.K. zu dem Platz, an dem Maharaj-ji auf einem Holztukhat oder Bett in seinem „Büro“ saß. Es gab kein Zaudern, kein Fremdeln.

Maharaj-ji sagte zu K.K.: „Das sind gute Menschen.“

K.K., der froh darüber war, dass die Neuankömmlinge so gut behandelt wurden, antwortete schlagfertig: „Ich hole nie böse Menschen hierher.“

Alle lachten, und er dolmetschte weiter für uns. Maharaj-ji meinte, wir stammten wohl aus guten Familien, und machte ein paar launige Bemerkungen zu unserer Kleidung. Dann gingen wir nach Nainital zurück, wo wir in einem Familienhotel wohnten, das einem Cousin von K.K. gehörte. Man erlaubte uns, alle paar Tage in den Ashram zu kommen.

Das Treffen mit Maharaj-ji erinnerte mich an die Nacht mit Ram Dass in der Wesleyan, in der alles angfing. Ich fühlte in mir dieselbe Wahrnehmungsverschiebung von der Form zum Raum. Ich verwandelte mich vom Mittelpunkt meines eigenen egozentrischen Universums in einen winzigen Fleck, der auf dem Ozean des Daseins trieb. Durch Maharaj-jis überschäumende Liebe und Zuneigung fühlte ich mich völlig sicher. Ich saugte alles auf wie ein Schwamm. Obwohl ich ihn zum ersten Mal traf, fühlte es sich an, als hätte ich ihn schon immer gekannt – und er mich. Ich war nach Hause gekommen, in ein wirkliches Zuhause im Herzen, in eine Familie, die weit über reine Blutsverwandtschaft hinaus ging. Ram Dass stieß später in Nainital zu uns, nachdem er Swami Muktananda auf einer Weltreise begleitet hatte. Er kam kurz vor Thanksgiving, also Ende November, zu einer Zeit, als Maharaj-ji aus den Bergen, wo es im Winter sehr kalt wird, bereits wieder hinunter in die Ebene gezogen war. Wir wussten nicht, wohin er gegangen war, und wir fanden ihn über einen Monat nicht. Tatsächlich fand er uns. Über einige unserer Erlebnisse, die wir mit Maharaj-ji hatten, wird in diesem Buch berichtet.

Als er 1972 – nach einem Jahr – aus Indien zurückkehrte, unterbrach Ram Dass die Reise in London und hielt mehrere Vorträge. In den Vereinigten Staaten musste er feststellen, dass er durch die Veröffentlichung von Be Here Now eine spirituelle Berühmtheit geworden war. Das Buch schien einen kulturellen Nerv der Zeit getroffen zu haben, und mehrere Auflagen waren bereits verkauft.

Er reiste ununterbrochen und hielt Vorträge. 1973 wurde ein Set von sechs Schallplatten veröffentlicht, Love Serve Remember, an dem ich und einige andere, die kurz zuvor mit uns in Indien gewesen waren, gearbeitet hatten. Auf der Grundlage einer Reihe von Gesprächen mit Paul Gorman im New Yorker Radiosender WBAI hatte es die Medienkommune ZBS mit Sitz im Bundesstaat New York produziert.

Ich zögerte meine erneute Reise nach Indien hinaus, um das Plattenprojekt fertigzustellen. Im September 1973 kam ich gerade zu einem Besuch in Franklin an, als Ram Dass ein Telegramm mit der Nachricht erhielt, das Maharaj-ji seinen Körper verlassen hatte – er war gestorben. Mich überfiel eine Kaskade von Reaktionen, eine die andere ablösend: Trauer, Bedauern, dass ich nicht früher dorthin gefahren war, Dankbarkeit, dass ich mich bei der „Familie“ befand, als mich die Nachricht erreichte, und dann die Erkenntnis, dass dieses „Bad der Liebe“ noch immer unter uns weilte. All die buddhistischen Lehren über Unbeständigkeit, die nie so recht zu mir durchgedrungen waren, musste ich nun auf die harte Weise lernen. Alles ist im Wandel. Maharaj-jis neue Lehre lautete: „Schwimm oder ertrinke.“

Einige von uns pilgerten kurzfristig nach Indien, um die indische Familie zu besuchen und Maharaj-jis Asche zu sehen. Als wir, zurück in den Vereinigten Staaten, unser Alltagsleben wiederaufnahmen, blieb die starke Gegenwart des Gurus, aber er hatte keine Form mehr. Es war schwer zu beschreiben. Viele im satsang hatte die Form zum Dienst inspiriert.

Ram Dass lehrte weiterhin und hielt Vorträge, veröffentlichte mehrere Bücher und arbeitete daran, die Vorstellungen von sozialem Dienst, vom Sterben und vom Bewusstsein, die in unserer westlichen Kultur herrschen, zu verändern. Er wirkte bei der Gründung einer Gruppe mit, die sich die Seva Foundation nannte (in Sanskrit heißt seva „Dienst“) und die die Werte des karma yoga (Yoga des selbstlosen Dienens) in gesellschaftliches Handeln umsetzen wollte. Ich traf ihn regelmäßig, obwohl er an der Westküste wohnte und ich noch in Long Island lebte.

Ram Dass ließ in Jaipur, Indien, eine murti (Statue) von Hanuman, dem Affengott des Dienstes und der Hingabe, fertigen und über den Hafen von Los Angeles in die Vereinigten Staaten bringen. Anhänger durchkämmten das Land auf der Suche nach einem Bauplatz für einen Hanuman-Tempel. In der Zwischenzeit sollte die schöne, 680 kg schwere weiße Marmorstatue eines fliegenden Affen in Arroyo Hondo, New Mexico, aufgestellt werden, auf dem Gelände eines Devotee, der zu unseren indischen sangha gehörte.

Die Devotees konnten sich nicht einigen, wie die murti geweiht werden sollte. Einige meinten, es könne nicht ohne einen brahmanischen Priester und eine vollständige hinduistische puja (Rituale der Verehrung) erfolgen. Andere hätten gerne die Verpackung geöffnet und einfach nur „Hallo“ gesagt. Einer von uns, der sich gerade auf einem LSD-Trip befand, sprang in die Kiste zu Hanuman, wühlte sich durch die Holzspäne und Zeitungsschnipsel und anderes Verpackungsmaterial, bis er schließlich Hanuman ans Licht brachte. Hanuman wurde dann in einer Scheune aufgestellt. Später zog er gemeinsam mit seinem Gastgeber in die Ausläufer von Taos. Dort traf man sich, um gemeinsam Maharaj-jis Todestag (oder auch den Tag seines endgültigen Verschmelzens, mahasamadhi) zu begehen. Schließlich wurde das Grundstück von einem Mitglied der Satsanggemeinschaft erworben, und hier enstand dann Maharaj-jis amerikanischer Ashram.

1975 traf Hilda Charlton, eine New Yorker Lehrerin, die uns mit dem indischen Swami Muktananda bekannt gemacht hatte, eine Hausfrau aus Brooklyn, die eine Transformation erlebt hatte, als sie in einem Jack LaLanne-Studio Yoga lernte. Seitdem befand sie sich (angeblich) in Kommunikation mit Maharaj-ji. Sie hieß Joyce; Hilda nannte sie Joya. Hilda stellte sie Ram Dass vor und erzählte ihm, Maharaj-ji wohne nun in Joyas Kellerwohnung in Brooklyn. Ram Dass war bald in ihren inneren Kreis aufgenommen, und ihm wurde ein esoterischer Schnellkurs zuteil. Joya konnte Menschen um sich herum in Euphorie versetzen, sie selbst schien außergewöhnliche außerkörperliche Zustände zu erleben. Manchmal ließen die sich jedoch nur schwer von der Melodramatik unterscheiden, die sie um sich herum entfachte. Die Geschichte mit Joya ging über mehrere Jahre.

Ram Dass blieb einige Zeit in New York, also begannen wir, unterstützt von dem mit uns befreundeten Photographen Peter Simon, mit der Arbeit an dem vorliegenden Buch. Damals hatten wir eine Art bebilderten Reiseführer durch die spirituellen Strömungen des Westens im Auge. Fünfunddreißig Jahre später ist es eine tiefere und fröhlichere Reflexion der Reise geworden, als wir uns sie je erträumt hatten.

Als Ram Dass zu der etwas verspäteten Einsicht gelangte, dass Joyas Geheimlehre mehr Heuchelei als esoterische Offenbarung war, verließ er ihren Zirkel. In einem New-Age-Journal schrieb er einen missmutigen Bericht über seine Erfahrungen dort, der auf der Titelseite unter der Überschrift Egg on My Beard („Ich habe mich blamiert“) erschien. Ich selbst hielt mich aufgrund falsch verstandener Loyalität noch länger in der Szene um Joya auf. Daher wanderte unser Manuskript in die Schublade und blieb jahrzehntelang vergessen. Wegen Joya wurden viele Brücken abgebrochen. Die Verbindung zwischen Ram Dass und mir brauchte Jahre, um wiederaufgebaut zu werden.

Nach und nach kamen wir durch die Seva Foundation, den Ashram in Taos, satsang-Treffen, Veranstaltungen wie Home-Aid in New York und allgemein dadurch, dass wir an Maharaj-jis Liebe Anteil hatten (was unser Leben zusammenhält), erneut in Kontakt.

Ram Dass ging wieder auf Vortragstournee und leitete Retreats. War er gerade nicht unterwegs, lebte er im nördlichen Kalifornien zusammen mit einem Künstler. Er arbeitete an Buch- und Videoprojekten und einem Prototypen für eine Radiosendung, bei der die Zuhörer anrufen konnten.

1993 traf ich Kate. Sie zog mich an, und unsere karmischen Sterne bewegten sich deutlich und unvermeidlich aufeinander zu. Im November 1996 traute uns Ram Dass im Sommersitz ihrer Familie auf einem Hügel auf Martha’s Vineyard. Als meine Braut beim Hochzeitsempfang mit Ram Dass tanzte, schien er ohnmächtig zu werden und brach auf der Tanzfläche zusammen. Ich unterhielt mich gerade mit anderen Gästen und bemerkte es nicht. Er kam rasch wieder zu sich und blieb bis zum Ende der Feier da. Kate meinte, der Vorfall habe ihn überrascht. Die Band spielte weiter, später wirkte das alles wie ein Vorzeichen. Am nächsten Tag reiste er ab, um ein Retreat in der Karibik zu leiten.

Im Februar 1997 rief mich Dr. Larry Brilliant, ein Mitglied des satsang in Kalifornien, an und er berichtete mir, Ram Dass habe einen schweren Schlaganfall erlitten, eine Gehirnblutung, die er vielleicht nicht überleben werde. Offenbar war es in der Nacht passiert, und er hatte nicht nach Hilfe rufen können, bis sein Manager Jai Lakshman anrief. Ram Dass schaffte es, den Telefonhörer von der Gabel zu schlagen. Weil Jai am anderen Ende keine Antwort erhielt, rief er aus New Mexico Ram Dass’ Sekretärin Marlene an. Sie ging zu ihm, fand ihn auf dem Boden liegend und verständigte den Notarzt. Niemand wusste, ob Ram Dass das überleben oder je wieder genesen würde. In Ost und West beteten Leute für ihn.

Die nächsten Jahre kämpfte er mit der Ausdauer eines Sisyphus darum, mit seiner Behinderung zurechtzukommen, seine Sprechfähigkeit wiederzuerlangen und danach so viele seiner Körperfunktionen wie möglich. Seine Redegewandtheit war der Aphasie gewichen, seine rechte Seite gelähmt, und er musste im Rollstuhl sitzen. Glücklicherweise war er Linkshänder. Sein Geist und sein Bewusstsein blieben vollständig erhalten, vielleicht wurden sie sogar erweitert. Sein Herz, sein Sinn für Mitgefühl wurden zu einem leuchtenden Juwel der reinen Gegenwärtigkeit.

Vor dem Schlaganfall hatte Ram Dass an einem Buch über das Altern gearbeitet, Still Here. Es veränderte natürlich seinen Blickwinkel und sein Verständnis. Mühsam brachte Ram Dass es durch die Mithilfe eines anderen Schriftstellers, Mark Matousek, zu Ende. Im Jahr 2000 wurde das Werk veröffentlicht. Vermutlich wissen nur wenige Leser, welche Leistung es allein bedeutete, das Manuskript fertigzustellen. Der Dokumentarfilmer Mickey Lemle hat in dieser Zeit einen bemerkenswerten Film über Ram Dass gedreht, Fierce Grace. Er zeigt Ram Dass’ Reise zu einem tieferen Ort in sich selbst – eine Entwicklung, die noch weitergeht, indem er sein eigenes Leid als „Schrot für die Mühle“ benutzt.

Ram Dass reiste nur noch gelegentlich, hielt Vorträge und sprach auf Retreats, allerdings viel seltener als vorher. Die Aphasie setzte bei seinen Vorträgen neue Akzente, er sprach langsamer und ging tiefer. Sein alter Freund Wavy Gravy von der Kommune Hog Farm meinte: „Er war ja der Meister der lakonischen Bemerkung. Jetzt ist er der Meister der ozeanischen Bemerkung.“

Im Oktober 2004 flog Ram Dass erneut nach Indien, um die Tempel und die Berge noch einmal zu sehen, an denen er sich zum ersten Mal in Yoga und Hinduismus versenkt hatte und wo er anfing, sein Inneres ohne chemische Drogen zu erforschen. Kate und ich und unsere mittlerweile zwei Kinder von fünf und sieben unternahmen unabhängig davon dieselbe Reise. Wir trafen uns anlässlich der Durga Puja, des Erntefestes der Göttin. Für Ram Dass war es eine emotionale und zutiefst bewegende Wallfahrt, weil er nicht geglaubt hatte, sie überhaupt noch einmal unternehmen zu können. Die Einfachheit, Stille und mütterliche Zuwendung der Umgebung bildeten eine Quelle großer Kraft. Trotz der ziemlich schwer zugänglichen Treppen und Pforten im Ashram und der kargen Lebensbedingungen dort blühte er auf.

Er blieb etwa zehn Tage. Unsere Familie verbrachte den ganzen Rest unseres dreimonatigen Aufenthalts dort, während er über Singapur zurück nach Kalifornien flog. Diese Reise dauerte mit Unterbrechungen sechsunddreißig Stunden. In Kalifornien angekommen, blieb er gerade einen Tag zu Hause, flog weiter nach Hawaii, um ein schon lange geplantes Retreat auf Maui durchzuführen. Gegen Ende des Retreats litt er an hohem Fieber. Beim Notarzt auf Maui diagnostizierte man eine akute Harnwegsinfektion, die sich in seine Nieren verlagert hatte und dann in seinen Blutkreislauf. Erst kurz zuvor war der Papst an einer ähnlichen Infektion gestorben.

Wir schickten besorgte E-Mails aus Rishikesh in Indien an Ram Dass’ Pfleger. Er verbrachte fast einen Monat im Krankenhaus. Die Bakterien erwiesen sich gegen die meisten Antibiotika als resistent. Er litt furchtbare Schmerzen beim Urinieren. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er äußerst schwach. Reisen kam nicht mehr in Frage. Sein alter Freund Sridhar Silberfein, der das Retreat auf Maui organisiert hatte, mietete ihm ein Haus und richtete es ein, damit er sich erholen konnte. Es war ein langwieriger Prozess. Seitdem (mit Ausnahme einer einzigen Reise aufs Festland zum Hanuman-Tempel in Taos) lebt Ram Dass auf Maui. Die ruhige Atmosphäre und das tropische Klima, wie auch die ihn unterstützende Gemeinschaft, fördern Gesundheit und Heilung. Als er im November 2004 auf Maui strandete, waren seine finanziellen Mittel, die sich aus seinen Vorträgen speisten, erschöpft. Maharaj-ji hatte ihm gesagt, er solle das Erbe seines Vaters nicht annehmen. Ram Dass hatte immer Spenden für andere gesammelt. Freunde, Schüler und Anhänger, insbesondere der Autor und Lehrer Wayne Dyer, der ebenfalls auf Maui wohnt, rührten nun für ihn die Spendentrommel, damit er überleben konnte, ohne wieder auf Vortragsreisen gehen zu müssen

Von New York aus besuchte ich im Frühjahr 2005 Ram Dass auf Maui. Er wurde allmählich kräftiger, nahm gesündere Nahrung zu sich und arbeitete mit einem Akupunkteur und chinesischen Kräuterarzt (der dreißig Jahre zuvor, als Ram Dass sein erstes Sommerlager am Naropa Institute in Boulder, Colorado, abhielt, einer seiner Schüler gewesen war). Zum ersten Mal unterzog er sich wieder ernsthafter Physiotherapie, welche er ein Jahr nach dem Schlaganfall abgebrochen hatte. Jährliche Retreats werden nun auf Hawaii abgehalten. Zusammen mit Krishna Das, einem von Ram Dass’ ersten Schülern, heute „Chant-Ikone der Yoga-Szene“, veranstaltet er Retreats, zu denen Schüler vom Festland nach Hawaii kommen. Über www.ramdass.org ist Ram Dass in seinen Vorträgen auch über das Internet zu finden.

Als wir uns im darauffolgenden Herbst wieder trafen, erinnerten wir uns an das schon lange vor sich dahindämmernde Manuskript irgendwo in meinem Keller. Wir entschlossen uns, es jetzt endlich ans Licht zu bringen, und setzten die Einzelstücke zusammen. Während dieses Prozesses versuchten wir zu verstehen, was wir in den 1970ern sagen wollten, überarbeiteten es und brachten es in den gegenwärtigen Augenblick. Dieser ganze Prozess war getragen von Freude. Die 1960er und 1970er Jahre sind längst Vergangenheit, doch die Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe, die damals erwachte – der ozeanische Strom des Mitgefühls, der von unserem Guru ausging, die Reise, die in uns begann –, ist noch immer der Leitstrahl unseres gemeinsamen Universums.

Im Laufe der Jahre hatte sich bei Ram Dass etwas ganz deutlich herauskristallisiert. Das ganze Spektrum seiner Erfahrungen in der Forschung, in der Psychologie, mit Psychedelika, mit Indien sowie mit dem Schlaganfall bündelte sich in das klare weiße Licht der Weisheit. Weil ich mit ihm gearbeitet habe, schätze ich seine nuancierte Wahrnehmung der Schichten des Bewusstseins. Werde ich pedantisch, bringt er alles ins Herz zurück. Suhle ich mich im Ego, verschiebt er subtil die Perspektive zurück auf die Seele.

Der karmische Wandel und die Gnade der Umstände, die Irrwege dieses Pfades, sind ein unauslotbares Geheimnis. Es ist ein Genuss, diese Dimension mit Ram Dass zu erforschen, mit ihm über die Täuschungen, Fehltritte und Fallen entlang des Weges zu lächeln. Nur der Wandel ist beständig; je mehr sich verändert, desto mehr bleibt gleich.

Alles ist Liebe. Mehr gibt es nicht. Mögen wir alle geliebt werden und Liebe sein. Jetzt.

Kapitel Eins

Der Pfad des Herzens

Stell dir vor, dass dich jemand so liebt, wie du es noch nie zuvor gespürt hast; dass du noch mehr geliebt wirst, als deine Mutter dich als Kind geliebt hat, mehr als dein Vater dich je liebte, dein Kind oder dein dich liebender Partner – wer auch immer. Diese Liebe will nichts von dir, ist nicht auf persönliche Befriedigung aus und will nichts mehr, als dass du völlig erfüllt bist. Du wirst einfach so geliebt, wie du bist, einfach deshalb, weil es dich gibt. Du musst dir diese Liebe nicht verdienen. Deine Fehler, dein Mangel an Selbstwertgefühl oder Schönheit oder dein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Erfolg – nichts davon spielt eine Rolle. Und niemand kann dir diese Liebe nehmen, sie wird immer da sein. Stelle dir vor, in dieser Liebe zu sein wäre wie ein entspannendes, immerwährendes und warmes Bad, das dich umgibt und trägt und das jeden Gedanken und jedes Gefühl durchdringt. Es fühlt sich an, als würdest du dich in dieser Liebe auflösen. Tatsächlich ist diese Liebe ein Teil von dir, sie fließt immerwährend durch dich hindurch. Sie ist wie die subatomare Struktur des Universums, die alles miteinander verbindet. Wenn du dich für dieses Fließen öffnest, fühlst du es in deinem Herzen – nicht in deinem physischen Herzen oder in deinem emotionalen Herzen, sondern in deinem spirituellen Herzen, dem Ort in deiner Brust, auf den du deutest, wenn du „Ich bin“ sagst.

Das ist dein tieferes Herz, dein intuitives Herz. An diesem Ort treffen dein höherer Geist, reine Bewusstheit, die feineren Gefühle und deine Seelenidentität zusammen und verbinden dich mit dem Universum. Hier gibt es diese Liebe, und hier sind Gegenwart und Liebe.

Es gibt diese bedingungslose Liebe wirklich. Sie ist ein Teil deines inneren Seins. Sie ist weniger ein tätiges Gefühl denn ein Daseinszustand. Sie sagt nicht: „Ich liebe dich“ wegen dieser oder jener Ursache oder gar: „Ich liebe dich, wenn du mich liebst.“ Es ist eine Liebe ganz ohne Anlass, Liebe ohne einen Gegenstand. Du sitzt einfach nur in dieser Liebe, der Stuhl selbst ist in dieser Liebe, und sie durchdringt alles. Dein denkender Geist wird von dieser Liebe ausgelöscht.

Wenn ich mich an den Ort in mir begebe, der Liebe ist, und wenn du dich an den Ort in dir begibst, der Liebe ist, dann sind wir in Liebe verbunden. Dann sind du und ich wahrhaft in der Liebe, im Seinszustand der Liebe. Das ist die Pforte, die Schwelle zum Eins-Sein. Diesen Raum habe ich betreten, als ich auf meinen Guru traf.

Vor vielen Jahren saß ich in Indien im Hof eines kleinen Tempels in den Ausläufern des Himalaya. Dreißig oder vierzig von uns umgaben meinen Guru, Maharaj-ji. Dieser alte Mann, in eine einfache Decke gehüllt, saß auf einem Holzbett. Für einen kurzen, ungewöhnlichen Augenblick lang wurde es still. Die Stille war meditativ, wie ein weites Feld an einem windstillen Tag oder ein tiefer, klarer, unbewegter See. Ich spürte, wie Wellen voller Liebe zu mir ausstrahlten, die mich überspülten wie die sanfte Brandung eines tropischen Strandes, in die ich eintauchte, die mich sanft schaukelten, meine Seele liebkosten. Sie waren unermesslich offen und nahmen mich völlig an.

Ich fühlte mich völlig überwältigt, brach fast in Tränen aus, so dankbar und so voll Freude, dass ich kaum glauben konnte, was da gerade geschah. Ich öffnete meine Augen und schaute mich um. Ich spürte, dass alle anderen dasselbe erlebten. Ich sah zu meinem Guru hin. Es saß einfach nur da, blickte um sich, tat nichts. Es war einfach sein Wesen, dass wie die Sonne gleichermaßen auf alle schien. Die Strahlen waren nicht gezielt auf jemanden gerichtet. Für ihn war diese Ausstrahlung nichts Besonderes, sie war nur sein natürlicher Zustand.

Diese Liebe ist wie das Strahlen der Sonne, eine Naturkraft, die Vervollständigung dessen, was ist, eine Glückseligkeit, die jeden Partikel des Seins durchdringt. Auf Sanskrit heißt das sat-cit-ananda (Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit), die Glückseligkeit des Bewusstseins des Daseins. Das Schwingungsfeld der ananda-Liebe durchdringt alles, alles in dieser Schwingung ist in Liebe. Es handelt sich um einen Bewusstseinszustand jenseits des Verstandes. Maharaj-jis Liebe brachte uns von einem Schwingungsebene zur nächsten, von der Ebene des Ego zu jener der Seele. Als Maharaj-ji mich durch diese Liebe zu meiner Seele führte, starb der Verstand. Vielleicht ist diese bedingungslose Liebe deshalb so schwer in Worte zu fassen. Die besten Beschreibungen stammen aus der Feder mystischer Dichter. Fast all unsere Worte beziehen sich auf die Perspektive der bedingenden Liebe, auf die zwischenmenschliche Perspektive, die sich an diesem bedingungslosen Ort jedoch einfach auflöst.

War Maharaj-ji in meiner Nähe, badete ich in dieser Liebe. Einer der anderen westlichen Besucher Maharaj-jis, Larry Brilliant, meinte:

Wie soll ich nur erklären, wer Maharaj-ji war und wie er das machte, was er machte? Ich habe keine Erklärung. Vielleicht war es seine Liebe zu Gott. Ich kann nicht erklären, wer er war. Vielleicht verstehe ich allmählich, warum er alle lieben konnte. Es war eben seine Aufgabe, er war ein Heiliger. Heilige sollten ja alle lieben.

Aber es verblüffte mich nicht einmal, dass er jeden liebte – sondern dass ich, wenn ich vor ihm saß, selbst alle liebte. Das war für mich am schwersten zu verstehen, wie er den Geist der Menschen um sich so transformieren konnte, dass er nicht nur das Beste in uns zu Tage förderte, sondern etwas, das zuvor nicht in uns war, von dem wir nichts ahnten. Ich glaube nicht, das einer von uns jemals im ganzen Leben wieder so gut oder rein oder liebevoll war, wie zu dem Zeitpunkt, an dem wir vor ihm saßen. 1)

Willkommen also auf dem Pfad des Herzens! Ob du es glaubst oder nicht, für dich kann es wahr werden: bedingungslos geliebt werden und selbst zu dieser Liebe werden. Der Pfad dieser Liebe führt nirgendwohin. Er bringt dich nur stärker ins Hier, in den gegenwärtigen Augenblick, in die Wirklichkeit dessen, der du bereits bist. Der Pfad bringt dich aus dem Verstand und mitten in dein Herz.

Der Mensch neigt von Natur aus zur Liebe. Menschen aller Zeiten und Regionen haben diesen Pfad in ganz unterschiedlichen Kulturen entdeckt. In Indien nennt man ihn bhakti Yoga, die Entdeckung des vollendeten Einsseins durch die Liebe. Diese Tradition reicht viele Jahrhunderte zurück. Die Übungen des bhakti Yoga stellen einen Weg dar, in die bedingungslos Liebe einzutreten, in das strahlende Herz, sich im Meer der Liebe aufzulösen, im Einen. Später wirst du in diesem Buch auf einige der indischen „Heiligen“ treffen, die zu dieser Liebe wurden, und Möglichkeiten kennenlernen, wie du selbst diesen Pfad beschreiten kannst. Es gibt kein Rezept. Jeder von uns braucht seinen ureigenen Schlüssel, um die Wirklichkeit des Herzens zu erschließen.

Sich in die Liebe fallen lassen

Wenn du als Erwachsener zum ersten Mal die bedingungslose Liebe spürst, kann es sich wie das sanfte Schmelzen eines Gletschers anfühlen oder wie eine Naturkatastrophe, wie ein Erdbeben, das dich bis in dein tiefstes Inneres erschüttert. Du verliebst dich, aber wie dich diese Liebe erfasst, ist so intensiv und allumfassend, dass sie dein Selbstbild verwandelt. Man kann nicht in einem grenzenlosen Meer schwimmen und gleichzeitig im Gartenteich des begrenzten Selbst verharren. Selbst wenn sich die Pforte nur einen Augenblick lang öffnet, wenn sie wieder verschwindet und scheinbar vergessen wird, färbt dieser Augenblick der Bewusstwerdung, der Herzöffnung, dein gesamtes restliches Leben. Es gibt kein Zurück mehr. Die letztendliche Süße bleibt und kann nie mehr verleugnet werden.

Jesus wählte den Fischer als Metapher. Wenn du zum ersten Mal diese tiefe Freude spürst, bist du in der reinen Liebe des göttlichen Fischers gefangen; diese Liebe hat dich am Haken. Mein Guru ist wie ein Fliegenfischer. Das Ego zerrt und windet sich und versucht, sich von dieser Leine zu reißen, aber jedes Mal dringt der Haken der göttlichen Liebe tiefer ein, und schließlich ergibt sich dein kleines Selbst, die Persönlichkeit mit all ihren Gewohnheiten, das Bündel an Gedanken und Sehnsüchten, dem größeren Selbst, diesem Wesen aus reiner Liebe und Bewusstheit, dass dich zu sich zieht und mit dir eins wird.

Als ich zum ersten Mal nach Indien kam, lehnte ich die Vorstellung eines Gurus entschieden ab. Mich zog der Buddhismus an, weil er den Psychologen in mir ansprach. Wie also landete ich dann vor den Füßen eines Hindu-Gurus? Als ich ihn zum ersten Mal begegnete, wusste ich gar nicht, was ich da wollte. Als mich aber Maharaj-ji in seine bedingungslose Liebe tauchte, veränderte das mein ganzes Leben. Meine Vorstellung von mir selbst krempelte sich völlig um. Das Treffen öffnete mein Herz. In diesem Augenblick öffnete ich mich meinem Guru – und zwar nicht nur dem alten Mann in der Decke, der vor mir saß, sondern dem Ort in ihm, an dem mein wahres Selbst gespiegelt wurde. Aus diesem Selbst stammt die bedingungslose Liebe.

Als ich nach meinem ersten Indienaufenthalt in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, fühlte ich mich, als trüge ich ein Juwel in meinem Herzen, das ich teilen wollte. Ich konnte über die Öffnung meines Herzens sprechen und das neue Bewusstsein, das sie erzeugt hatte. Aber ich sprach kaum über den Guru. Dieser Begriff schien mir für den Westen völlig ungeeignet.

Zunächst erzeugt die Vorstellung, sich jemand anderem völlig zu ergeben, unterschiedliche Reaktionen. Unsere Welt sieht das Sich-Ergeben fast immer negativ. Wir wollen nicht, dass man uns sagt, was wir zu tun haben, wir möchten es selbst herausfinden. Sich zu ergeben bedeutet, auf Macht zu verzichten. Gewöhnlich hat das mit der Macht des Ego oder sexueller Beherrschung zu tun.

Das Wort „Guru“ lässt uns eher an Trickbetrüger und Schwindler als an einen spirituellen Meister denken. Wir haben natürlich jedes Recht zum Zynismus, wenn wir sogenannte Gurus sehen, die sich in Geld, Sex und Macht verstricken. Verführung, Steuerhinterziehung, eine Sammlung von Rolls Royces, teure Mantras – selbst Hollywood macht sich über Gurus und ihren Kult lustig (z.B. in The Love Guru). Es ist schwer, nicht sofort an charismatische Verführer zu denken, die ihre leichtgläubigen Anhänger ausnehmen.

Die meisten Menschen würden einen echten Guru nicht einmal erkennen, wenn sie über ihn stolperten. Nur wenige haben je einen getroffen. Zuerst erschien mir Maharaj-ji fast wie ein Zauberwesen. Er verfügte über unglaubliche spirituelle Kräfte, aber allmählich begriff ich, dass mich tatsächlich das Meer seiner Liebe gefangen genommen hatte. Das war das Echte. Hier war ein Wesen aus Fleisch und Blut, das ständig im Zustand der bedingungslosen Liebe lebte. Diese Liebe erlaubte mir, mich zu ergeben, seine Führung bei der inneren Reise anzunehmen, um diese Liebe in mir selbst zu entdecken.

Später traf ich auf weitere Wesen (einige lebten noch, andere hatten ihren Körper bereits verlassen), die mir dabei halfen, den Verlauf des Pfades des Herzens deutlicher zu erkennen. Diese Wesen haben viele Formen, Größen und Manifestationen, wie wir alle. Sie sind Wegweiser und Führer, die uns auf der bhakti marg, der Straße zur Liebe, begleiten, obwohl wir diese selbst beschreiten müssen. Einige der Wesen, die mich inspirierten, haben auch dieses Buch inspiriert. Ich hoffe, dass sie auch dir auf deinem Weg beiseitestehen werden. Die bedingungslose Liebe löst jedes verstandesmäßige Zögern auf, weil uns ihre Süße trunken macht. Wie Motten umkreisen wir die Flamme, wir opfern uns im Feuer der lebendigen Liebe.

Lebendige Flamme der Liebe

Oh, lebendige Flamme der Liebe.wie zärtlich durchdringst duden tiefsten Kern meiner Seele!Beende, was du begonnen hast.Reiße den Schleier von dieser süßen Begegnung.Oh, sanfte Feuerschneide!Oh, herrliche Wunde!Du beruhigst mich mit deiner flammenden Umarmung.Du begleichst all meine alten Schuldenund lässt mich vom Ewigen kosten.Indem du mich verzehrst, wandelst du Tod in Leben.Oh, flammende Leuchte!Du erhellst die dunkelsten Kammern meiner Seele.Wo ich einst in Bitterkeit und Trennung versank,erstrahle ich nun, mit köstlicher Intensität,in Wärme und Liebe zu meinem Geliebten.Wie friedvoll, wie liebevollerweckst du mein Herz,den geheimen Ort, an dem allein du mir innewohnst!Süß ist dein Atem auf meinem Anlitz,beruhigend und belebend zugleich.Wie zart und wie leuchtendlässt du mich vor Liebe vergehen zu dir!

Johannes vom Kreuz 2)

Welches Bild du auch wählst (du kannst dir auch ein eigenes machen), ob du dich nun der Sanftheit einer unendlich tiefen Herzensverbindung ergibst, von einer Flutwelle der Liebe überspült wirst oder in die Anziehungskraft eines Sternes gerätst – sobald du die bedingungslose Liebe erfahren hast, gibt es kein Entrinnen mehr. Du kannst weglaufen, aber du kannst dich nicht mehr verstecken. Die Saat ist gesät und wird in dem ihr eigenen Tempo aufgehen. Du kannst nur zu dem werden, was du wahrhaft bist.

Du kannst dir einbilden, du könntest nach Belieben kommen und gehen oder spielen, wo du willst, aber der Geliebte hat längst etwas mit dir vor. Tatsächlich kannst du dich der Anziehung des Göttlichen einfach nur immer noch mehr ergeben. Langsam, aber sicher, entweder in einem Augenblick oder im Verlauf tausender Leben, holt dich der Geliebte an seiner Angelschnur wieder ein, bis du erneut in den Einheitszustand des sat-cit-ananda, des Sein-Bewusstsein-Glückseligkeit-Zustandes des Selbst, gelangst.

Familie und Freunde

Der Tag, an dem ich meinen Guru Maharaj-ji zum ersten Mal traf, schuf einen Bund, der mein Leben von Grund auf veränderte. Seine Worte übersetzte ein Mann aus der nahe gelegenen Stadt Nainital für mich ins Englische. Er hieß Krishna Kumar (oder „K.K.“) Sah. Nach unserer Begegnung bat ihn Maharaj-ji, mich zu sich nach Hause mitzunehmen. Er trug ihm auf, mir „doppelten roti“, also Toast, zu servieren. Er nahm an, dass ich als Mann aus dem Westen indisches Essen nicht gewohnt war.

K.K. betrachtete mich zuerst als zugeknöpften Fremden aus dem Westen und wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Er hatte jedoch einen Befehl von seinem Guru erhalten und befolgte ihn aufgrund der Achtung, die er für diesen empfand und die bis in seine Kindheit zurückreichte, ganz selbstverständlich. Ohne zu zögern, nahmen er, seine Schwester und sein Bruder mich in die liebevolle Welt seiner Familie auf. Sie behandelten einander spielerisch als spirituelle Wesen und nicht nur wie Geschwister, und mich behandelten sie wie ein Familienmitglied. Und jetzt, vier Jahrzehnte später, dauert diese Beziehung immer noch an.

So wurde ich praktisch kopfüber in eine Welt eingeführt, in der wunderwirkende Wesen, Heilige und Gurus, aufs Engste mit dem Alltäglichen verknüpft sind. Darin war nichts Übergreifendes oder Messianisches. So lebten diese Menschen eben. Das aber, was für sie Alltagsroutine war, ermöglichte mir, mich der tiefgehenden Veränderung in meinen Anschauungen anzupassen, für die ich keine Fixpunkte aus meinen früheren Bezugssystemen hatte.

K.K. und seine Familie waren mit Maharaj-ji aufgewachsen. In Indien üben traditionelle Familien bhakti-Praktiken, die jeden Aspekt des Lebens durchdringen. Liebe ist die unausgesprochene Sprache. Da mehrere Generationen in angrenzenden Häusern leben, stellt diese lebendige Übertragung eine Brücke der reinen Liebe von der Babyzeit über die Kindheit und über die hormonschwangere Pubertät hinaus bis ins Erwachsenenalter bereit. Ein Familien-Guru oder ein spiritueller Familienältester ermöglicht den jüngeren Generationen, Augenblicke der unbegrenzten Liebe zu erfahren. Vielleicht gab es auch in deiner Familie einen solchen Großvater oder eine solche Großmutter.

K.K.s Schwester Bina, die wie er unverheiratet blieb, kauerte in der Küche an einem offenen Feuer und backte chapatis. Ich war von einer ihrer wunderbaren Mahlzeiten bereits pappsatt, als K.K. ein Gespräch mit mir begann. Als ich meinen Kopf zu K.K. drehte, um mit ihm zu reden, zauberte Bina eine weitere chapati und eine Portion subji (Gemüse) auf meinen thali (Messingteller). Ich konnte nicht einmal „Danke“ oder „Nein danke“ sagen. Es war für sie ganz normal. Ich aß alles auf. In Indien gilt es als Beleidung, wenn man nicht alles isst, was serviert wird, weil Essen so kostbar ist. So ging das ein paarmal weiter und mein Vergnügen wandelte sich in Schmerz. Aber K.K. und Bina zogen mich mit solch unschuldiger Freude auf, dass ich es einfach nur genießen konnte, selbst wenn mir die Verdauung Verdruss bereitete.

K.K. ist in etwa so alt wie ich, ein paar Jahre jünger. Seine Verbindung zu heiligen Wesen reicht Generationen zurück. Maharaj-ji besuchte sein Haus zum ersten Mal, als er noch ein Kind war. K.K.s Vater Bhawani Das Sah war Polizeiinspektor für die Bergregion von Kumaon während der britischen Kolonialherrschaft über Indien. Zu seinen Aufgaben gehörte das Öffnen und Schließen des hoch im Himalaya gelegenen großen Tempels von Badrinath zu Beginn und Ende des Sommers wie auch die Ausübung von Polizeiaufgaben in dem ausgedehnten Bezirk. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in den Bergen kaum Straßen, er reiste daher zu Fuß oder zu Pferde. Er war ein sehr spiritueller Mann und besuchte während seiner Dienstreisen zahlreiche entlegene Ashrams von Heiligen und Yogis, die sich der Tradition gemäß in die Berge zurückgezogen hatten.

Er wurde ein Anhänger mehrerer großer bekannter wie unbekannter Heiliger, die ihn in seinem Haus besuchten, wenn sie in die Stadt kamen. Neem Karoli Baba – Maharaj-ji – war einer von ihnen. K.K. erinnerte sich, dass es dann immer Süßigkeiten und Feste gab. Als Maharaj-ji das erste Mal in das Haus kam, erkundigte er sich nach dem Bett, in dem ein anderer großer Heiliger, Hairakhan Baba, geschlafen hatte, und legte sich darauf nieder.

K.K.s Vater starb, als K.K. noch sehr jung war. Maharaj-ji blieb deshalb als Familien-Guru in vielerlei Hinsicht seine Vaterfigur – allerdings eine ungewöhnliche! K.K. schwänzte die Schule, um mit Maharaj-ji in den Bergen umherzustreifen. Sein Lehrer, auch ein Anhänger Maharaj-jis, trug ihn als anwesend ein, wenn K.K. für ihn im Gegenzug ein Treffen mit dem Weisen arrangierte. Bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen K.K. tatsächlich in die Schule kam, meinte sein Lehrer: „Du hast schon so oft gefehlt, dass ich dich auch heute, wo du da bist, als abwesend eintragen werde.“

K.K. übersetzte nicht nur für mich (sein Englisch war sehr gut, denn er arbeitete als Angestellter der Stadtverwaltung), er übertrug durch sein Dasein auch die Liebe auf mich, die zwischen ihm und Maharaj-ji floss und von Maharaj-ji zu mir. Bei K.K. zu leben, die Speisen zu essen, die seine Schwester Bina über offenem Feuer zubereitete, ihre tägliche puja zu beobachten, ihre Andacht und Verehrung am Familienaltar, und die Liebe und den Respekt zu spüren, die sie gegenüber den Heiligen zeigten, ließ mir einen kulturellen Kontext für den Wandel, den ich durchlebte, zuteilwerden. Sie bestärkten die Herzensbindung, die Maharaj-ji wie einen Tunnel in die tiefste Tiefe meines Wesens getrieben hatte. Die Art und Weise, wie K.K. die Heiligen ehrte und liebte, ließ mich verstehen, was in mir gerade geschah.

Trotz alldem war die Erfahrung des Herzens für mich zuerst sehr ungewohnt. Rückblickend erkenne ich vierzig Jahre später, wie sehr ich das, was mir mit Maharaj-ji geschah, durch meinen Verstand zu deuten versuchte. Während unserer ersten Begegnung erzählte er mir, was ich in der vorangegangenen Nacht über meine Mutter gedacht hatte – das konnte er unmöglich wissen. Das beeindruckte mich über alle Maßen. Am Anfang konzentrierte ich mich ganz darauf, dass Maharaj-ji meine Gedanken gelesen hatte. Ich brauchte zehn Jahre, um zu begreifen, dass das, was mich tatsächlich verändert hatte, die Öffnung meines Herzens gewesen war.

Damals war ich durch die Erfahrung, dass er meine Gedanken gelesen hatte, völlig erschüttert. Ich blickte zu Boden, weil ich annahm, dass er, wenn er einen Teil meiner Gedanken lesen konnte, all die peinlichen Geheimnisse kennen musste, an die ich in diesem Augenblick selbst dachte. Ich hatte mir nie klargemacht, welche Folgen es haben könnte, wenn man jemanden trifft, der alles über einen weiß!

Voller Schuldgefühle sah ich Maharaj-ji schließlich an. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Als ich in seine Augen blickte, sah er so voller Liebe zurück, so voll bedingungsloser, allwissender und annehmender Liebe. Es war wie ein Bad oder eine Dusche in der Liebe, das alle Unreinheiten wegwusch, die ich aus der Vergangenheit mit mir herumschleppte.

Weil ich wusste, dass er alles über mich wusste, spürte ich Vergebung. Er sah das alles und liebte mich dennoch. Es war wunderschön.

Seine Liebe spülte alle meine Schuld- und alle Schamgefühle fort, Gefühle, die unbewusst meine Persönlichkeit ausgemacht hatten. Unter diesem einen Blick fiel das Kartenhaus meines Ego zusammen. Plötzlich sah ich mich, zum ersten Mal im Erwachsenenleben, als reine Seele.

Doch zehn Jahre lang konnte ich lediglich sagen, dass er meine Gedanken gelesen hatte, wenn Leute von mir wissen wollten, was genau bei diesem ersten Treffen, das mich so verändert hatte, passiert war. Ich brauchte ein Jahrzehnt um zu begreifen, dass das nicht ausschlaggebend gewesen war. Es hatte mich ohne Zweifel erschüttert, aber es war die Liebe, die mein Herz öffnete.

Ganz nah und unpersönlich

Wenn wir über das Herz sprechen, lässt sich das emotionale leicht mit dem spirituellen Herzen verwechseln, denn obwohl sie beide das Herz sind, stellen sie doch unterschiedliche Ebenen des Bewusstseins dar. Mit dem emotionalen Herzen sind wir alle vertraut, davon handeln Liebesromane und Gedichte (mit Ausnahme mystischer Gedichte). Emotionale Liebe umfasst all die dramatischen Gefühle von Anziehung, Hass, Eifersucht und Süße und Zärtlichkeit, die das Herz höherschlagen lassen – alle diese emotionalen Zustände. Sie ist voller Haken, die unablässig Bindungen schaffen und beständig unser Ego betonen.

Die meisten Gefühle wie Angst, Wut, Gier und Neid sind mit unserer Persönlichkeit verbunden und den Impulsen unseres bewussten und unbewussten Geistes, den Instinkten, die wir zum Überleben und für die Fortpflanzung benötigen. Die Liebe ist ein Teil dieses emotionalen Spektrums, unterscheidet sich aber dadurch, dass sie aus unserer Seele stammt. Selbst wenn sie mit Projektionen unseres Ego verwechselt wird, stammt die Liebe tatsächlich aus der Essenz unseres Seins, dem Teil, der mit dem Geist zu verschmelzen beginnt und sich dem Einen annähert.

Gefühle entstehen in unserem Geist und werden dort gedeutet, sie tauchen auf und verschwinden wieder. Sind wir wütend, spüren wir in unserem Geist Wut. Das Gefühl sowie der externe Reiz oder der interne Impuls, der es auslöst (gewöhnlich eine Art Frustration, die zu Wut führt), kommt in den Geist und rührt die Gedanken durch wie ein durchziehender Wirbelwind.

Siddhi Ma, eine erstaunliche Frau, hält Maharaj-jis Ashrams zusammen. Seit ihrer Kindheit fühlt sie sich von den Heiligen angezogen. Nachdem ihre Kinder erwachsen waren und sie Witwe geworden war, lebte sie dauerhaft in Maharaj-jis Ashrams. Sie sagt über Wut: „Wenn das Feuer erst einmal entzündet ist, brennt es bis zum Ende.“ Kontrolliert man den ersten Impuls nicht, verschwindet die Wut erst, wenn sie dir und anderen Kummer und Schmerz bereitet hat.