Be my only one - Emily Frederiksson - E-Book
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Be my only one E-Book

Emily Frederiksson

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Beschreibung

„Es ist ein Fehler gewesen, dir auf dein Zimmer zu folgen. Ich hätte wissen müssen, wie es endet.“ Auf den großen Bühnen zu tanzen, davon träumt Madison, seit sie ein kleines Mädchen ist. Die Chancen, einen Platz in einem renommierten Ensemble zu ergattern, stehen gut. Mit Ehrgeiz und Disziplin hat sie bisher jede Hürde überwunden. Als sie jedoch Kyle begegnet, ist sie für einen Moment unachtsam. Sie gerät ins Straucheln und gefährdet ihre letzte, alles entscheidende Prüfung. Kyle lebt als Drummer der Erfolgsband KAJE stets nach dem Motto: Spaß haben und den Augenblick genießen – Groupies inklusive. Frauen werden von ihm verwöhnt, allerdings selten länger als eine Nacht. Aber was geschieht, wenn ein Rockstar eine Ballerina mit einem Paukenschlag aus dem Alltagstrott reißt? Oder ist es am Ende sie, die sein Leben durcheinanderwirbelt? Dieses E-Book entspricht 270 Taschenbuchseiten.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

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Kontakt:

Impressum

Be my only one

Emily Frederiksson & Nicola Bailay

 

Copyright © 2022 Emily Frederiksson

2. Auflage 2023

Covergestaltung:

Art for your Book / Sabrina Dahlenburg

Korrektorat:

SW Korrekturen

 

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung und Verbreitung in jeglicher Form, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlung sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig.

Kapitel 1

Die Musik dröhnt unerträglich laut aus den Lautsprechern, die direkt über dem Tresen hängen. Ausgerechnet der Song, der meine Laune in den Abgrund stürzen lässt, bringt die feiernde Menge dazu, noch mehr auszuflippen. Dieser Text …

Wo sind bitte die Ohropax, wenn man sie braucht? Blöd ist ja nur, dass sie bei der Arbeit hinderlich wären. Mein Boss wäre unter Garantie not amused, wenn ich mit den Gästen ausschließlich per Handzeichen kommunizieren würde oder ständig falsche Drinks mixe. Klar gibt es ein paar Gesten, die üblich sind. Haben wir ja alle schon mal ausprobiert. Aber wie bestellt man Sex on the Beach ohne Worte?

Missmutig trockne ich weiter die Gläser und stelle sie zurück an ihren Platz.

„Hey, Madison. Versuch mal, deine Abneigung gegen den Sound etwas mehr zu verbergen. Du vergraulst ja die Gäste.“ Niclas, mein schwedischer Kollege und Partner in dieser Nacht, schiebt einer wartenden Brünetten ihren Cocktail zu.

„Ja, ja“, schreie ich gegen die rauchige Stimme an, die gerade von der großen Liebe singt. Sie gehört einem der Bandmitglieder von KAJE – der aktuell angesagtesten Band im Land. Welcher von den vier Kerlen er ist? Keine Ahnung. Ich glaube, der mit der dunklen Gitarre. Ich für meinen Teil bin weit davon entfernt, mich zu den Fans zählen zu können.

Ist auch egal. Die Band spielt hier heute Abend jedenfalls live. Deswegen sind auch alle so aus dem Häuschen. Innerlich verdrehe ich die Augen.

Ich stelle mich auf die Zehenspitzen. Von meinem Platz aus kann ich nur einen Teil der Lichtshow erhaschen. Die Sicht auf die Bühne selbst ist mir so gut wie versperrt – schlechter Winkel und zu viele Leute. Obwohl ich der Musik nur wenig abgewinnen kann, hätte ich die Band trotzdem gern angesehen. Große Stars kommen sehr selten zu uns, auch wenn dies der beliebteste Klub weit und breit ist.

Ich konzentriere mich wieder auf meinen Job und beginne damit, die Getränkevorräte aufzufüllen. Die Nacht ist noch jung und tanzen macht bekanntermaßen durstig. Niemand weiß das besser als ich. Noch eine Stunde, dann ist meine Schicht zu Ende und ich kann nach Hause. Mein Verdienst und die Trinkgelder sind das Einzige, was mich drei Abende die Woche hierherlockt. Das Leben in Los Angeles ist teuer und meine Eltern unterstützen mich schon bei den Studiengebühren. Mehr kann ich nicht verlangen.

Mein Ziel ist es, in wenigen Wochen den Abschluss in Tanz und Choreografie zu schaffen. Und die Chancen stehen mehr als gut, wie mir einer meiner Lehrer vor wenigen Tagen bestätigt hat. Bei dem Gedanken an Jazzdance schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen und plötzlich empfinde ich meine Anwesenheit im Klub als etwas erträglicher.

Die ersten Töne eines weiteren Songs inspirieren mich dazu, zwischen den Kästen mit Wasser und Cola hin und her zu tänzeln. Er ist weniger rockig und tendiert eher zu einer Ballade. Den Fans gefällt es offensichtlich. Feuerzeuge werden in die Luft gehalten und die Menge singt lautstark mit.

„Na, gefällt dir die Musik plötzlich doch?“

Abrupt halte ich inne.

Niclas sieht belustigt zu mir herüber. „Vielleicht hätten wir dich heute Abend als schmückendes Beiwerk besser auf die Bühne verfrachtet.“

„Witzbold“, murmele ich und geselle mich wieder zu ihm hinter den Tresen. Nur noch die Übergabe, dann bin ich weg.

„Wann ist deine nächste Schicht?“, will er von mir wissen und zapft nebenbei ein Bier.

„Übermorgen. Danach habe ich erst mal frei und muss mich auf meine Prüfung vorbereiten.“

„Theoretisch oder praktisch?“

„Praktisch.“ Ich versuche immer, vor diesen Prüfungen die Schichten zu tauschen. Mir in der Nacht zuvor die Beine in den Bauch zu stehen, ist keine verlockende Vorstellung.

„Na dann, viel Erfolg.“

Ich lächele ihn an, weil es keine nur so dahingesagte Floskel ist. Er meint, was er sagt. „Danke.“

Zwanzig Minuten später warte ich in der Seitenstraße neben dem Klub auf mein Uber. Ich bestelle mir immer einen Wagen. Wenn man so weit draußen wohnt wie ich, ist es der sicherste Weg, um nach Hause ins Bett zu kommen. Dass die Fahrt einen Teil meines Trinkgeldes verschlingt, steht auf einem anderen Papier.

Ungewöhnlicherweise muss ich heute länger warten als üblich. Vielleicht sollte ich nachsehen, ob mir eine Nachricht von der Uber-App entgangen ist. Gerade will ich mein Handy aus der Tasche ziehen, da biegt ein Wagen in die Straße ein.

„Wird auch Zeit.“

Hastig drehe ich mich um. Die Worte kommen keineswegs aus meinem Mund, sondern von einer Person, die jetzt aus der Dunkelheit tritt.

Adrenalin schießt durch meine Adern und lässt meinen Puls rasen. Wie lange hat der Typ schon da gestanden und warum zur Hölle habe ich ihn nicht bemerkt? Augenblicklich jagen Horrorbilder durch meinen Kopf – ich in den Fängen eines blutrünstigen Psychos. Aber ehe ich in wirkliche Panik verfalle, stürzt der Typ zu dem jetzt haltenden Uber und drängt mich rüde zur Seite.

Was zur Hölle …?

„Das ist mein Uber“, blaffe ich ihm entgegen und zerre an seiner Jacke.

Ganz langsam dreht er sich um.

„Sagt wer?“ In seinem Tonfall schwingt eine gehörige Portion Genervtheit mit.

Sein Problem.

In der Dunkelheit kann ich nur wenig erkennen. Er ist größer als ich und hat breite Schultern. Irritierend jedoch ist, dass seine Stimme irgendetwas in meinem Bauch anstellt.

Ich kneife die Augen zusammen, damit ich ihn besser mustern kann. Sind seine Haare orange?

„Spielt das eine Rolle? Ich habe mir den Wagen bestellt und werde jetzt nach Hause fahren“, verkünde ich mit Nachdruck und setze mich in Bewegung.

„Mr. Rogers?“, fragt der Fahrer, der unsere Unterhaltung zwangsläufig mitverfolgt hat. Laut genug geredet haben wir schließlich. „Sorry, es gab einen Unfall zwei Straßen weiter. Sie haben alles gesperrt“, erklärt er sein Zu-spät-Kommen.

Da er meinen Widersacher mit Namen anspricht, gehe ich davon aus, dass sie sich kennen und dies tatsächlich der Wagen von Mr. ungehobelter Arsch ist.

Ich kann ein frustriertes Seufzen nicht zurückhalten. Mist. Jetzt muss ich klein beigeben, was mir ganz und gar nicht in den Kram passt.

„Schon gut, Jesse. Die Dame …“, er betont das letzte Wort derart abfällig, dass Wut in mir aufsteigt, „ist nur ein bisschen überspannt.“ Er grinst spöttisch und ist im Begriff, einzusteigen.

„Überspannt?“ Okay, mein Tonfall ist mindestens eine Oktave zu hoch. Aber ich bin müde und will nur noch nach Hause. Mir fehlt die Energie für eine Auseinandersetzung.

„Schätzchen.“ Mr. ungehobelter Arsch stoppt in der Bewegung und kommt einen Schritt auf mich zu. Er steht plötzlich viel zu dicht vor mir.

Wieder fällt mein Blick auf die ungewöhnliche Haarfarbe. Ist er in einen Farbtopf gefallen? Vielleicht sollte ihm mal jemand erklären, dass er albern aussieht.

„Ist deine schlechte Laune lediglich gegen mich gerichtet oder gegen die Welt im Allgemeinen?“ Seine Frage reißt mich aus meinen Überlegungen.

Hat er das gerade wirklich von sich gegeben? Mir bleibt die Luft weg, was dazu führt, dass ich ihn sprachlos anstarre. Als ich wieder einatme, kriecht mir ein Hauch von Whisky in die Nase.

Er verdreht genervt die Augen und fährt sich mit den Fingern durch die Haare. Ich folge der Bewegung und muss ein Kichern unterdrücken.

„Vorschlag“, sagt er und kommt mir mit seinem Gesicht gefährlich nahe. Jetzt kann ich über den Whisky hinweg auch noch seinen ureigenen Duft riechen – Leder und ein Hauch Sandelholz.

Ich muss schlucken und starre ihn geradewegs an. Wieso bringt dieser Kerl mein inneres Gleichgewicht innerhalb von wenigen Minuten so ins Wanken?

„Ich nehme dich mit und setze dich am nächsten Taxistand ab. Dein Wagen steckt vermutlich in diesem dämlichen Stau fest. Und jetzt hör schon auf, mich wie ein hypnotisiertes Kaninchen anzuschauen. Du bekommst, wofür tausende Mädchen ihr Erstgeborenes geben würden – eine exklusive Fahrt mit mir für die nächsten fünf Minuten.“ Seine ganze Körperhaltung drückt Arroganz vom Feinsten aus.

Was zur Hölle glaubt er, wer er ist?

„Danke, aber ich warte lieber.“ Entsetzt von seiner Annahme, mir würde ein lang gehegter Traum erfüllt, trete ich einen Schritt zurück. Ich für meinen Teil kenne diesen selbstverliebten Kerl überhaupt nicht und werde niemals mit ihm mitfahren. Wer weiß, wo er mich wieder aussteigen lässt.

„Mr. Rogers?“ Jesse sieht ungeduldig drein.

„Ja, Mr. Rogers, jetzt steigen Sie schon ein. Sie haben gewonnen. Herzlichen Glückwunsch“, sage ich mit unverhohlenem Sarkasmus.

Er streicht sich mit der Hand über sein Kinn und sieht mich nachdenklich an. „Wenn hier in nächster Zeit kein Uber kommt, bist du nicht sicher. Steig ein, bevor Jesse noch davonfährt und uns beide hier stehen lässt.“ Er grinst über das Wagendach zu seinem Fahrer.

Sein Benehmen und vor allem sein Tonfall zeugen von immenser Überheblichkeit. Für meinen Geschmack ist der Typ zu selbstbewusst.

„Es fahren unzählige Uber kreuz und quer durch Los Angeles. Das nächste ist meines“, erkläre ich mit mehr Zuversicht, als ich gerade besitze. Wenn wirklich großräumig gesperrt wurde, stehen meine Chancen schlecht, zeitnah nach Hause zu kommen.

„Ich bin weder ein Serienmörder noch ein frauenverschlingendes Monster. Kyle“, sagt er und reicht mir seine Hand, die ich wie ein brennendes Schwert ansehe.

Mir meiner guten Manieren bewusst, ergreife ich sie. Kaum einen Wimpernschlag später entreiße ich sie ihm wieder. Hitze schlängelt meinen Arm hinauf und lässt glühende Lava durch meine Adern schießen. So eine Reaktion habe ich bei der Berührung eines anderen Menschen noch nie empfunden. Mein Mund klappt auf, ohne dass ich Einfluss darauf habe.

Kyle verdreht die Augen und murmelt etwas von Groupies. „Weißt du, es wäre höflich gewesen, mir auch deinen Namen zu verraten. Im Gegensatz zu dir habe ich nämlich null Ahnung, wer du bist.“ Da ist der unverschämte Kerl wieder.

Während er mich zum Wagen schiebt, erinnere ich mich schließlich an meine gute Kinderstube. „Madison. Ich heiße Madison.“

„Schön, Madison. Dann hätten wir das ja geklärt. Steig ein.“

Sein Selbstbewusstsein überwältigt mich. Bevor ich tatsächlich zu dem Fremden in den Wagen steige, drehe ich mich noch mal um. Im Licht der Laterne kann ich endlich sein Gesicht erkennen und gerate prompt ins Straucheln.

„Kyle.“

„Sagte ich dir doch.“ Sein Grinsen ist teuflisch.

„Rogers.“ Mein Ton rutscht mindestens zwei Oktaven zu hoch.

Ach du Scheiße.

„Ja, ja. Aber schrei nicht so. Ich bin froh, dass ich ohne Tumult aus dem Klub verschwinden konnte.“

Durch das jahrelange Tanztraining besitze ich ein ganz natürliches Gefühl für Bewegungen. Doch ausgerechnet jetzt verabschiedet sich mein Gleichgewichtssinn, ich knicke um und lande in den Armen von Kyle Rogers.

„Hoppla.“ Das Lachen in seiner Stimme ist unüberhörbar.

„Verdammt!“ Ich reibe mir über meinen Knöchel. Irgendetwas ist mit ihm gerade passiert.

Doch der Schock, einem der Bandmitglieder unmittelbar gegenüberzustehen, lenkt mich ab. Ich habe sein Bild auf den Ankündigungsplakaten im Klub gesehen, konnte in den letzten Minuten den ansonsten top gestylten Drummer der Erfolgsband KAJE aber nicht mit der Person in Verbindung bringen, die mich gerade vor einem unsanften Sturz bewahrt hat.

„Du hast mich tatsächlich nicht erkannt“, stellt er überrascht fest.

Gut kombiniert, Sherlock, denke ich und versuche, mich von ihm loszumachen. Doch er hält mich mit festem Griff.

„Du kannst mich loslassen.“ Eigentlich brauche ich den Halt, den er mir gibt, denn mein Fuß pocht höllisch. Zusätzlich wird die Angst in meinem Inneren durch wachsende Panik geschürt. Was wird passieren, wenn ich ihn belaste?

Er rührt sich keinen Millimeter und sieht mich aus unergründlichen Augen an.

„Wir sollten sehen, dass wir hier wegkommen“, mahnt Jesse nachdrücklich und reißt uns aus was auch immer das hier gerade ist.

„Steig ein.“ Es ist keine Bitte, eher ein Befehl. „Oder glaubst du ernsthaft, dass ich dich in deinem Zustand jetzt hier allein zurücklasse?“ Er zieht eine Augenbraue hoch und wirkt besorgt.

Ich seufze. Er hat recht. Ich muss mich dringend irgendwo hinsetzen und den Schaden an meinem Knöchel begutachten. Und in der aktuellen Situation gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ich humpele zurück in den Klub – wobei ich nicht weiß, ob ich das schaffen werde. Oder ich steige in den verfluchten Wagen.

Tränen brennen in meinen Augen, als ich resigniert nicke. Ein fieser Schmerz zieht bereits meine Wade hinauf und treibt meine Angst auf ein bisher ungekanntes Level. In fünf Tagen muss ich vortanzen.

Kapitel 2

Scheiße noch mal. Mit einer Unbekannten durch die belebte Innenstadt von Los Angeles zu fahren, stand nun wirklich nicht auf meiner Prioritätenliste. Ihre seltsamen Blicke, die sie mir gelegentlich zuwirft, gehen mir auf den Zeiger. Wahrscheinlich denkt sie, ich leide an Geschmacksverirrung oder etwas Ähnlichem.

„Ist die Farbe so gewollt oder ist sie das Ergebnis eines missglückten Selbstversuches, dir die Haare zu stylen?“

Und da ist sie auch schon, die Frage, die sie wahrscheinlich seit geraumer Zeit beschäftigt.

„War eine Wette“, murmele ich genervt.

Ich könnte Andy immer noch dafür ertränken, dass er mich dazu überredet hat, auf Elias zu setzen. Dabei ist doch total klar gewesen, dass unser Keyboarder, der seit Wochen keine Frau am Start gehabt hat, ohne weibliches Wesen zu dieser Benefizgala vor vier Tagen auftaucht. Was mit ihm los ist, weiß keiner von uns. Vielleicht hat er sich was eingefangen und deswegen von seinem Arzt Sexverbot bekommen. Armer Teufel.

„Hoffentlich ist es nur eine Spülung.“

„Was?“ Wovon redet die Kleine?

„Na die Farbe.“ Sie deutet auf meine Haare. „Eine Dusche und du siehst aus wie neu.“ Ihr Grinsen ist höllisch süß. Aber als sie eine andere Position einnimmt, keucht sie auf. Ihre sexy Lippen verziehen sich und der Ausdruck auf ihrem Gesicht wechselt von belustigt zu schmerzerfüllt.

Schon beim Einsteigen wirkte sie, als hätte sie sich wahrhaftig wehgetan. Und ich dachte, sie macht einen auf hilflos, damit sie meine Aufmerksamkeit bekommt. Allmählich kenne ich alle Tricks, wenn es darum geht, dass Mädchen in meine Nähe gelangen wollen. Ein Sturz – na klar, eine Ohnmacht – sicher, gefälschte Backstagepässe – Alltag.

„Du bist tatsächlich verletzt“, gebe ich wenig geistreich von mir. Ich benötige keine Antwort. Der Schmerz in ihren Augen bestätigt meine Vermutung.

„Die Erkenntnis, wer du bist, hat mich kurzfristig abgelenkt. Aber jetzt habe ich das Gefühl, mein Knöchel mutiert zu einem Ballon.“ Sie dreht den Kopf in die andere Richtung und schnieft leise, als wollte sie nicht, dass ich mitbekomme, wie sie leidet.

„Lass mich mal sehen.“ Ohne eine Reaktion ihrerseits abzuwarten, greife ich nach unten und ziehe mir ihren Unterschenkel auf mein Bein.

„Bist du irre? Finger weg!“, faucht die kleine Verrückte, was mich in keiner Weise beeindruckt, da sie ihr Bein anstandslos auf meinem Oberschenkel liegen lässt.

Ich bin kein Arzt. Doch dass der Fuß doppelt so dick ist wie der andere, erkenne selbst ich.

„Wie weit ist es bis zu dir nach Hause?“, frage ich. „Du solltest da schleunigst Eis drauflegen.“

„Ungefähr eine halbe Stunde“, gibt sie zu und klingt frustriert. Tränen sammeln sich in ihren Augen und drohen, jeden Moment überzulaufen.

Herrje. Das hat mir gerade noch gefehlt.

„Du heulst doch jetzt nicht etwa?“ Mein Blick heftet sich auf ihr Gesicht.

Sie schüttelt den Kopf, sodass ihre Haare wie wild um ihre Wangen tanzen. Augenblicklich kann ich den Duft nach Erdbeeren riechen. Himmel.

„Madison, richtig?“

Sie nickt, ohne mich anzusehen.

„Wir sind in fünf Minuten bei meiner Bleibe. Was hältst du davon, wenn du mit raufkommst und dich ein bisschen ausruhst. Wir besorgen dir Eis. Außerdem hättest du Gesellschaft, falls du Hilfe brauchst.“ Scheiße! Habe ich das gerade wirklich gesagt? Bin ich bescheuert oder was?

„Ähm … Meinst du das ernst?“

Natürlich nicht. War nur ein Scherz. Auf keinen Fall nehme ich Groupies mit in meine Suite. Ich bin doch kein Anfänger in der Branche.

„Wohnst du allein?“ Was frage ich denn da für einen Mist?

Bitte sag Nein. Bitte sag, dass du eine fürsorgliche Mitbewohnerin hast. In diesem Fall kann Jesse aus der Bar im Erdgeschoss des Hotels schnell ein bisschen Eis holen und weiter gehts.

„Ich wohne auf zehn Quadratmetern. Allein.“

Wie zur Hölle soll das gehen? Selbst der Eingangsbereich meiner Suite ist größer.

„Dann meine ich es so, wie ich es gesagt habe.“ Kann mal jemand meinen Verstand einschalten?

Meine Finger fahren pausenlos über ihre Wade, die sich überraschend muskulös anfühlt. Abrupt halte ich inne.

„Jesse, kein Taxistand. Wir fahren direkt ins Hotel. Madison kommt mit zu mir.“

Jesse zuckt mit den Schultern. Er kennt meine spontanen Planänderungen zur Genüge. Wann immer er frei ist, fährt er mich. Madisons Augen hingegen werden riesengroß.

„Das musst du nicht tun. Ehrlich.“ Ihre Stimme wackelt verdächtig.

„Diskussion beendet. Du kannst weder allein nach Hause noch ist jemand da, der sich um dich kümmert. Im Hotel gibt es jede Menge Personal. Die besorgen alles, was du brauchst.“

Ihr Mund geht auf und schließt sich wieder. Dann räuspert sie sich, was niedlich klingt. Ich grinse.

„Ich halte das für keine gute Idee. Du musst das nicht für mich tun. Besorge mir ein Uber, wenn wir bei deinem Hotel angekommen sind, oder lass mich mit diesem weiterfahren. Dann bist du mich schneller los, als du blinzeln kannst.“ In ihrem Blick liegt eine Traurigkeit, die ich nicht verstehe.

Ich beschließe, ihre Aussage zu ignorieren. „Du hast dir den Fuß verstaucht. Das wird wieder. Kein Grund zur Sorge.“

Madison sieht mich verständnislos an.

„Ich bin Tänzerin und habe in fünf Tagen eine wichtige Prüfung“, sagt sie tonlos, schluckt und bemüht sich sichtlich, den Kampf gegen die Tränen zu gewinnen.

„Scheiße, das wusste ich nicht.“ Dieses Fettnäpfchen habe ich voll erwischt. Wenn ich mich an den Händen verletzen würde und meine Drumsticks nicht halten könnte … Nein, daran will ich nicht einmal denken. Elias hat sich mal die Hand verstaucht und konnte seinem Keyboard drei Tage lang keinen Laut entlocken. Er ist wie ein Junkie auf Entzug durch die Gegend gelaufen.

„Wir sind da.“ Jesse meldet sich. Den hatte ich schon wieder komplett ausgeblendet. Langsam frage ich mich, was hier vor sich geht.

Ich reiche ihm sein Geld und helfe Madison aus dem Wagen. Wir befinden uns im gesicherten Teil der Tiefgarage des Hotels – Zufahrt nur mit Code. Vor dem Haupteingang lauern immer irgendwelche Paparazzi auf einen gewinnbringenden Schnappschuss. Jesse weiß das ebenso gut wie ich. Also hat er uns hierhergebracht. Zusammen mit Madison würde ich unter Garantie eine tolle Zielscheibe abgeben. Das muss ich nicht haben – der Skandal um Andy und Leah hat uns alle zutiefst geschockt und flaut gerade etwas ab.

„Wir kennen uns doch überhaupt nicht“, flüstert Madison und sieht mich ungläubig an.

„Du arbeitest in dem Klub, in dem ich mit der Band aufgetreten bin. Das spricht schon mal für dich.“

Sie verdreht ihre hübschen Augen und ich zwinkere ihr zu.

„Zu Hause erwartet dich niemand“, beginne ich aufzuzählen. „Dein Fuß ist für deinen Job wichtig und niemand versteht das besser als ich.“

Madison verzieht das Gesicht.

„Also bei mir sind die Hände mein wichtigstes Kapital. Mit den Zehen kann ich keine Drumsticks halten, sorry.“ Ich zucke mit den Schultern. Der Witz entlockt ihr leider keine Reaktion.

„Ich würde jetzt gerne den Fuß hochlegen“, erklärt sie unbeeindruckt und schultert ihre Tasche.

„Kannst du alleine laufen?“ Ach, was solls. Ehe sie antworten kann, hebe ich sie auf meine Arme und entlocke ihr damit einen erschrockenen Aufschrei.

„Bist du verrückt? Lass mich runter.“

„So sind wir schneller. Du wolltest doch dringend in die Waagerechte.“

Ihre Wangen werden rot, und ich kann mir denken, was in ihrem Kopf gerade abgeht. Interessant. Ich lache laut auf und ernte dafür einen Schlag gegen meine Schulter.

„Hey, immer schön ruhig bleiben. Ich bin heute ohne Security unterwegs und will das nicht bereuen müssen.“ Ich bedenke sie mit einem ernsten Blick.

„Hast du eine Freundin?“, fragt sie unvermittelt und bringt mich kurzzeitig aus der Fassung.

„Äh, nein.“ Und wenn, hätte es zu hundert Prozent in der Presse gestanden. Derartige Informationen bleiben in unserer Branche nicht lange geheim. Daher ist die Frage im Grunde überflüssig. „Was ist mit dir? Musst du einen Freund anrufen und ihm beichten, dass du bei mir schlafen wirst?“

Augenblicklich wird sie in meinen Armen steif. Wir warten auf den Aufzug und sehen uns eine gefühlte Ewigkeit einfach nur an.

„Kein Freund“, sagt sie leise. „Neben dem Unterricht und meinem Job habe ich keine Zeit.“

Die Aufzugtür öffnet sich und wir betreten die leere Kabine. Also ich gehe die drei Schritte. Madison für ihren Teil liegt bequem in meinen Armen.

„In meiner rechten vorderen Hosentasche ist die Karte, damit wir ohne Stopp bis zur Suite fahren können“, erkläre ich.

Ohne lange zu überlegen, greift Madison nach der Karte, und ich schwöre, dass just in diesem Moment ein Blitz durch mich hindurch jagt. Warum? Weil die Frau auf meinen Armen mit ihren kleinen vorwitzigen Fingern verdammt noch mal meinen Schwanz streift. Deswegen. Ich stöhne ungehalten und was tut sie? Beißt sich auf ihre Unterlippe. Kleine Hexe. Natürlich weiß sie genau, was ihre Berührung in mir auslöst.

„Vorsicht“, brumme ich mit einem warnenden Unterton.

Als hätte sie mich mit ihrer unschuldigen Berührung nicht gerade eiskalt erwischt, hält sie die Karte lässig vor den Scanner.

Ich fixiere angestrengt die Anzeige mit den Nummern für die einzelnen Etagen. Wir müssen bis ganz nach oben. Weshalb zur Hölle sind die Suiten immer oben? Wieder werde ich von Erdbeerduft eingehüllt und bin noch nie so froh gewesen, als der Aufzug stoppt und wir auf meiner Etage ankommen. Langsam, aber sicher halte ich die Idee, Madison mit zu mir zu nehmen, für genau das, was es ist – eine Schnapsidee. Vollkommen bekloppt und unüberlegt. Sie ist verletzt. Also kann ich sie nicht mal vögeln. Was tragisch ist, denn mein Schwanz verlangt mit jeder Sekunde, die verstreicht, um mehr Beachtung. Ihm gefällt der Erdbeerduft offenkundig ebenso wie mir. Ich ignoriere ihn so gut wie möglich.

„Kyle?“ Meinen Namen aus ihrem Mund zu hören, gibt mir den Rest. Ihre warme, melodische Stimme weckt ein bis dato unbekanntes Gefühl in mir.

„Was ist?“, sage ich unnötig barsch.

„Wir sind da, denke ich.“ Sie weicht meinem Blick aus, was mir überhaupt nicht gefällt. „Aber wenn ich doch lieber nach Hause fahren soll …“ Sie lässt den Rest des Satzes offen.

„Nein, natürlich nicht“, sage ich schnell, um sie zu beruhigen. „Du kannst gerne bleiben.“

„Sicher?“ Nun hebt sie doch den Kopf und sieht mich unsicher an.

„Mhm.“

Hatte ich erwähnt, dass ich am Arsch bin?

Kapitel 3

Was mache ich hier? Schon als Vorschulkind hat man mir eingebläut, nicht mit Fremden mitzugehen. Und jetzt finde ich mich in einer luxuriösen Suite mit einem Kerl, den ich vor einer Stunde nur von Fotos her kannte, wieder. Das alles ist so weit weg von meiner Komfortzone. Ich verfolge diese Band nicht intensiv genug, um irgendetwas über ihn zu wissen. Ach was. Ich verfolge diese Band überhaupt nicht. Woher soll ich verdammt noch mal wissen, ob er ein Bad Boy oder ein Nice Guy ist. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass die Fans im Klub quasi durchgedreht und auf einer Welle der Euphorie durch den Abend gerauscht sind. Aber es gibt in Hollywood und in der Musikszene genügend Beispiele, in denen sich schräge Charaktere hinter netten Gesichtern und publikumsfreundlichen Storys versteckt haben.

Kyle trägt mich zu einer Couch, auf der bequem eine komplette Footballmannschaft Platz finden würde. Als er mich herunterlässt und der weiche Stoff meine Haut berührt, sind wir uns plötzlich so nahe, dass ich die Sprenkel in seinen blauen Augen erkennen kann.

„Du kannst mir vertrauen“, raunt er mir zu, ehe er mich langsam loslässt und sich wieder aufrichtet.

Ich sitze wie auf einer watteweichen Wolke und schaue zu ihm auf. Meine Zunge klebt an meinem Gaumen. Wie kann er wissen, welche Gedanken mir durch den Kopf wirbeln?

Ohne mich aus den Augen zu lassen, greift er nach seinem Handy. Ich kann nicht anders und beobachte ihn neugierig.

„John. Ich habe Besuch und brauche Eis für einen verletzten Knöchel … Klar, das wäre super … Essen?“ Er zieht fragend eine Braue hoch.

Ich schüttele den Kopf.

„Ein bisschen Obst vielleicht und morgen früh eine Auswahl vom Büfett, Kaffee, Tee. Sie machen das schon. Danke, John.“ Dann beendet er das Gespräch.

„Sie bringen dir mitten in der Nacht etwas zu essen?“, frage ich ungläubig.

„Ich wohne in einem Fünfsternehotel. Das ist Standard. Das Eis sollte jeden Moment hier sein. Lass mal sehen.“ Kyle streift sich seine Jacke ab und kniet sich vor die Couch. Vorsichtig begutachtet er meinen Knöchel, dessen Umfang sich mittlerweile verdoppelt hat.

Ich streife mir die Schuhe ab und versuche, den Fuß in verschiedene Richtungen zu bewegen. Rechts und links geht, ohne dass der Schmerz stärker wird. Wenn ich die Zehen anziehe, jagt allerdings ein stechendes Ziehen meine Wade hinauf bis zum Knie.

Verdammt. Verdammt. Verdammt!

In die andere Richtung kann ich den Fuß kaum einen halben Zentimeter bewegen, ohne dass mir Tränen in die Augen schießen. Ich brauche professionellen Rat. Statt mich hierher bringen zu lassen, hätte ich besser einer Notaufnahme einen Besuch abgestattet.

„Vielleicht solltest du zu einem Arzt?“ Kyle spricht aus, was ich denke.

„Vermutlich hast du recht“, gebe ich entmutigt zu. Die Tanzprüfung kann ich vergessen. Mit diesem Klumpfuß kann ich unmöglich auf eine Bühne. Wieder treten mir Tränen in die Augen. Feuchtigkeit benetzt meine Wange. Himmel ist das peinlich.

Kyle wischt sie weg, sagt jedoch kein Wort. Sein Daumen ist rau und trotzdem ist seine Berührung so unendlich zärtlich. Ehe ich reagieren kann, klingelt es an der Tür.

„Das wird das Eis sein“, murmelt er, springt auf und hastet Richtung Eingangsbereich.

Als er wiederkommt, trägt er einen großen Kühlbehälter in der einen und eine Schale mit Obst in der anderen Hand.

„Hier.“ Er reicht mir ein Tuch und das Eis.

Als ich es auf meinen geschundenen Knöchel lege, entschlüpft mir ein wohliges Summen. Ich schiebe mir eines der Kissen, die zahlreich auf der Couch verstreut liegen, unter den Fuß und schließe für ein paar Sekunden die Augen. Was für eine Wohltat. Doch die Ruhe währt nur kurz. Mit der Geschwindigkeit eines Überschallfliegers jagen mir Horrorszenarien durch den Kopf und verursachen ein unangenehmes Pochen hinter meinen Schläfen.

Offenkundig realisiere ich erst jetzt, wie dramatisch meine Lage tatsächlich ist. Ich bin verletzt. So sehr, dass ich das Training für eine Weile aussetzen muss. In fünf Tagen ist meine entscheidende Prüfung, auf die ich jahrelang hingearbeitet habe. Danach wollte ich mich für diverse Arrangements bewerben und meinen Traum als Tänzerin leben.

Wieder klingelt es an der Tür. Ich lasse meine Augen geschlossen und gebe mich, zusätzlich zu meinem physischen, auch noch meinem seelischen Schmerz hin.

Erschrocken zucke ich zusammen, als eine Frauenstimme neben mir erklingt. Ruckartig reiße ich die Augen auf und sehe eine Mittfünfzigerin vor mir stehen.

„Madison, richtig? Kyle hat mich angerufen und zufällig bin ich ganz in der Nähe gewesen. Mein Name ist Sue. Ich bin Ärztin.“ Sie lächelt mich einnehmend an.

Wann hat er dieses Gespräch geführt und weshalb weiß ich nichts davon? Ich scheine weggedöst gewesen zu sein, mutmaße ich und strecke die Hand aus.

„Madison, genau. Vielen Dank, dass Sie um diese Zeit noch vorbeischauen.“ Keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich fühle mich überrumpelt.

„Kein Problem. Ich bin ein Nachtmensch.“

Die Untersuchung ist unangenehm. Mein Knöchel protestiert und schillert in einem satten Rot.

„Sehen Sie diese Einblutung hier? Ein klassisches Zeichen für einen Bänderriss. Dazu die Schmerzen … Sie sollten gleich morgen früh zum Röntgen, damit weitere Verletzungen ausgeschlossen werden können. Fürs Erste lege ich Ihnen einen Tapeverband an. Ansonsten keine Belastung und permanent kühlen.“

Ich nicke wie betäubt. In meinem Kopf kreist unaufhörlich das Wort Bänderriss. Langsam hebe ich meinen Blick und sehe zu Kyle, der mit vor der Brust verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand steht. Seine Augen sind wachsam auf uns gerichtet. Mitgefühl spiegelt sich in ihnen.

„Soll ich sie lieber ins Krankenhaus fahren? Vielleicht kann eine OP …“

Erschrocken keuche ich auf.

„Nein.“ Sue unterbricht ihn. „Ein Bänderriss heilt in den meisten Fällen von selbst. Dauert eben nur seine Zeit.“ Sie klebt einen weiteren Streifen von dem Tape auf meinen Fuß und drückt ihn vorsichtig an. Trotzdem spüre ich ihre Finger überdeutlich.

„Meine Prüfung kann ich dann wohl vergessen“, sage ich mit brüchiger Stimme. Meine Zukunft droht mir zu entgleiten. Panik steigt in mir auf und ich beginne zu zittern.

„Prüfung in was?“, fragt Sue, während sie meinen Fuß mit einem letzten schwarzen Tape-Streifen beklebt.

„Tanz.“ Sie dreht sich zu Kyle, der mir die Beantwortung der Frage abnimmt.

Spürt er, wie schwer mir das Reden gerade fällt? Wie kann das sein, wo wir uns erst knapp zwei Stunden kennen – wenn man überhaupt von kennen sprechen kann.

„O Schätzchen. Tut mir leid. Aber sollte sich mein Verdacht bestätigen, werden Sie für ein paar Monate ausfallen.“

Geschockt sehe ich Sue an. Die Tatsache laut ausgesprochen zu hören, ist um ein Vielfaches schlimmer, als sie nur zu denken. Mein Kopf sinkt zurück in die Kissen, und ich presse mir ein anderes auf das Gesicht, bevor mir ein markerschütternder Schrei entkommt.

„Bring sie morgen früh in die Klinik. Sei nett zu ihr. Sie braucht Trost, Kyle.“

„Himmel, Sue. Im Grunde kenne ich sie gar nicht. Wir sind uns nur zufällig begegnet, als der Unfall passiert ist.“

Wie recht er hat. Ich kann unmöglich von ihm verlangen, dass er sich mit mir herumschlägt. Sicher hat er ganz andere Dinge zu erledigen. Rockstardinge eben. Plötzlich fällt mir wieder ein, wo und vor allem bei wem ich mich befinde. Kyle ist ein gefeierter Megastar. Weshalb sollte er sich mit meinen Problemen befassen?

„Sie ist hier, bei dir und du hast mich mitten in der Nacht angerufen.“

„Was soll das heißen?“

„Ich denke, das wirst du schon noch herausfinden.“

Ein Knurren dringt gedämpft an mein Ohr, bevor jemand an dem Kissen zupft, das ich mir wie eine Fünfjährige nach wie vor auf das Gesicht presse. Langsam lasse ich es zur Seite fallen und richte mich auf.

„Tut mir leid.“ Meine gemurmelte Entschuldigung klingt heiser und deprimiert.

„Ein Bänderriss ist kein Weltuntergang, auch wenn es im Augenblick so scheint. Kopf hoch, Madison. Und lassen Sie sich morgen von Kyle …“ Sie schaut auf ihre Uhr und seufzt. „Versuchen Sie ein bisschen zu schlafen. Und dann lassen Sie in der Klinik noch mal einen Kollegen draufschauen. Sicher ist sicher. Nehmen Sie eine Schmerztablette. Gute Nacht.“

„Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Jetzt bin ich es, die ihr die Hand reicht.

„Kein Problem.“ Dann wendet sie sich ab.

Kyle bringt sie zur Tür. So habe ich einen Moment für mich.

Ich atme tief ein und lange aus.

Als Erstes sollte ich meine Eltern anrufen. Aber nicht mitten in der Nacht. Sie würden sich wahnsinnige Sorgen machen. Ich nehme mir fest vor, mit ihnen zu telefonieren, wenn ich von der Klinik zurück und in meiner Wohnung bin. Außerdem muss ich die Prüfung absagen und auf unbestimmte Zeit verschieben.

---ENDE DER LESEPROBE---