Begraben liegt mein Herz - Monika Bonanno - E-Book
SONDERANGEBOT

Begraben liegt mein Herz E-Book

Monika Bonanno

0,0
2,49 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wer bedrängt, beobachtet und bedroht Sabrinas Familie? Steht es auf ihrer Stirn geschrieben, dass sie ein potenzielles Opfer ist? Ihr Ehemann Thomas ist Polizist, hat das Stalking etwas mit seinem Beruf zu tun? Wer wütet mörderisch in ihrem Umfeld? Wie nah liegen Liebe, Hass und Wut beieinander? - Es beginnt in der Vorweihnachtszeit in einem Reihenhaus am Stadtrand von Frankfurt am Main. Stress und Hektik säen in Sabrina Zweifel an ihre Ehe und dem Leben im Großen und Ganzen. Besorgt verfällt sie ins Grübeln, nach und nach verliert sie den Überblick. Ihre ganze Lebenssituation wirkt auf sie diffus, deshalb erkennt die Mutter von drei Kindern auch nicht die Gefahr, die über ihnen schwebt. Ihr Mann Thomas tut die Ereignisse zunächst als belanglos ab, obwohl er als Polizist aufmerksamer sein sollte. Sein cholerisches Verhalten ist eher bedrohlich als hilfreich. Sabrina leidet an Alpträumen, ahnt Fürchterliches, doch sie verdrängt die Gedanken und lenkt sich mit dem Alltäglichen ab, bis die Bedrohungen immer massiver werden. - Hin und wieder kann sich der Leser bei der Lektüre auch einmal entspannt zurücklegen, doch möglicherweise gehören auch die nicht so aufregenden Begebenheiten zu dem Fall. Neugierige Spürnasen können es vermuten. - Weitere Informationen auf der Website: autorin-monika-bonanno.jimdo.com/

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 219

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Monika Bonanno

Begraben liegt mein Herz

Der Psychothriller, der euch fesseln wird!

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1 - Anfang Dezember 2003

Kapitel 2 - Ende Dezember 2003

Kapitel 3 - Im Januar 2004

Kapitel 4 - Anfang Februar 2004

Kapitel 5 - Ende Februar 2004

Kapitel 6 - Anfang März 2004

Kapitel 7 - Mitte März 2004

Kapitel 8 - Anfang April 2004

Kapitel 9 - Mitte April 2004

Kapitel 10 - Ende April 2004

Kapitel 11 - Anfang August 2004

Kapitel 12 - Mitte August 2004

Kapitel 13 - Im August 2004

Kapitel 14 - Der nächste Tag im August 2004

Kapitel 15 - Ende August 2004

Kapitel 16 - Der letzte Tag im August 2004

Kapitel 17 - Anfang September 2004

Kapitel 18 - Derselbe Tag im September 2004

Epilog

Es geht weiter:

Impressum neobooks

Prolog

Ein menschliches Wesen dachte darüber nach, ein Gleichnis zu finden, um die Folge der widersprüchlichen Gefühle in Gedanken fassen zu können.

Heiße, unfruchtbare, endlose, öde Wüste!

Quälender Durst, Hunger, lähmende Einsamkeit!  

Zum Wahnsinn treibender Seelenschmerz!

Eine alles verglühende grausame Sonne!

Sandkörner, die auf der Haut kratzen und das Auge reizen!

Absolute Isolation und die verzweifelte Suche nach dem eigenen Spiegelbild!

Matte Glieder und ein desorientierter Geist!

Unzählige, ausdruckslose sich stets gleichende Sandhügel!

Mutters Gesicht!

Dann, wie aus dem Nichts auftauchend eine Oase!

Grüne schattenbringende Palmen!

Süße, reife Früchte!

Kristallklares, erquickendes Quellwasser!

Reife Kokosnüsse zwischen raschelnden Palmwedeln!

Duftendes Haar und samtweiche Haut!

Der Gesang eines Vogels!

Blühende, duftende blauviolette Orchideen, Veilchen und Rosen!

Ein Zitronenfalter, gelb leuchtend im Sonnenstrahl!

Nur noch ein paar Schritte!

Gleich ist die fruchtbare Stelle erreicht!

Eine einzige richtige Antwort!

Nie wieder erdrückende Hitze, Hunger und Durst!

Nie wieder Einsamkeit! Falsch! Alles löst sich auf!

Die Person betrat das Badezimmer und nahm nacheinander zwei Cremedosen vom Regal, mit liebevollem Blick betrachtete sie die Teile. Ihre Fingerspitzen strichen leicht über die goldfarbenen Deckel, dann flogen die Gegenstände von einem wehmütigen Lächeln begleitet in den Papierkorb unter dem Waschtisch. Es folgten in der gleichen Weise eine Flasche Körperlotion, ein Gefäß mit rosafarbenen Badeperlen, Kamm und Zahnbürste, Behälter mit hellblauem Creme-Lidschatten und rosafarbenem Puder. 

Danach ging es in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine aus. Es schenkte sich das schwarzbraune Getränk in eine große Tasse, damit balancierte es zu dem kleinen rechteckigen Küchentisch, setzte sich und legte die Füße hoch.

Mit beiden Händen griff es zur Tageszeitung und betrachtete fasziniert die erste Seite der Boulevardzeitung, die über die Entführung einer jungen Frau berichtete. Seufzend klappte die Person die Zeitung zu. Eine feine salzige Träne kullerte aus ihrem Auge. „Mein Engelsgesicht, warum hast du meine Liebe nicht erwidert? Alles hätte so wundervoll sein können, wenn du gewollt hättest. Warum hast du mir nicht wenigstens einmal gesagt, was ich von dir hören wollte? Warum warst du so grausam zu mir? Jetzt bist du stumm und kalt, so stumm und kalt wie dein Verhalten mir gegenüber. Ich habe dir doch gesagt, dass du meine ganz große Liebe bist, aber du hast dich gewehrt, und dich gegen mich aufgelehnt. Du warst so hinterhältig zu mir.“

Wütend und traurig gab das Geschöpf das benutzte Geschirr in die Spülmaschine neben die Teller und die Sektgläser. Die Gedanken flogen zu den letzten Tagen zurück, zu der bezaubernden Person, die das Glas mit der prickelnden Flüssigkeit an den Lippen gespürt und löffelweise den echt russischen Kaviar gekostet hatte. 

Die Gestalt betrat den Schlafraum, dort begann sie mit irrem Blick Ordnung zu machen. Auf dem Boden lag eine rote Holzschachtel, sie hob das Utensil auf und stellte es auf den Nachttisch zurück.

Auf dem Bett lagen ein seidener Morgenmantel und ein weißer Spitzen-BH mit passendem Slip, sie drückte ihre Nase in die Wäschestücke und atmete den Geruch ein. Danach kamen die Dinge hastig in einen Korb, obenauf legte sie eine blauviolette blutverschmierte Rose. 

Mit flinken Fingern riss sie die großen farbigen Fotos von den Wänden, brachte dann den Korb voller Erinnerungen hinunter in den Keller und warf seinen Inhalt mit zeremonieller Andacht Stück für Stück in den Brennofen der Heizungsanlage. 

Das war die Trauerfeier, denn eine Beerdigung würde es nicht geben.

Der kalte Mond geht auf,

die Wolken ziehen schwarz.

Wie schaurig heult der Sturm,

in meinem Kopf herrscht Schmerz.

Denn in der stillen Dunkelheit

begraben liegt mein Herz.

Kapitel 1 - Anfang Dezember 2003

Es regnete schon den ganzen Tag. In einer Frankfurter Vorstadt saß Sabrina in dem frisch renovieren Reihenhaus am Fenster und streichelte mechanisch den Kater Pascha, der auf ihrem Schoß lag. Sabrina nahm ihn hoch, schaute in seine grünbraunen Augen, dann küsste sie ihn liebevoll auf das Näschen, dankbar schnurrte der Kater und legte seine Pfote auf ihren Arm. 

Sie fühlte sich so müde und kraftlos, feine Tränen liefen über ihre Wangen, als sie an das letzte Gespräch mit ihrem Mann dachte. Er hatte sie angebrüllt. „Verdammt, ständig machen die Kinder hier alles kaputt, ich habe es echt dick. Ich kann es nicht mehr ertragen, wie ihr alle euch benehmt, dumm, tollpatschig und achtlos. Es wird hier nichts mehr angeschafft, auch alle anderen Ideen könnt ihr euch in Zukunft aus dem Kopf schlagen! Die Kinder sind schließlich keine Babys mehr, ich verlange, dass sie ordentlicher werden, sorge gefälligst dafür!“ 

Sabrina konnte diese Aussagen nicht mehr hören, verzweifelt hatte sie ihren Mann angeschrien: „Lass uns doch in Ruhe, du hättest ja keine Familie gründen müssen, wenn du glaubst als Single glücklicher zu sein.“

Ihr Sohn Christian war dreizehn, Kerstin zwei Jahre jünger und das Nesthäkchen Eva sieben Jahre alt. Die Art, wie ihr Mann Thomas sie immer beschuldigte und für alles verantwortlich machte, wie er wegen jeder Kleinigkeit aus der Haut fuhr, machte sie nervlich total fertig. Sabrina wischte sich die Tränen mit einem Papiertaschentuch fort.

Sie schaute aus dem Fenster in den Garten. Die Bäume waren blattlos und sorgfältig zurückgeschnitten, die Rosen gegen den Frost mit Zweigen bedeckt, sie hatte das Laub beseitigt und die Erde umgegraben. Alles sah sehr ordentlich, aber auch so kalt und unfreundlich aus.

„Ach, es könnte schon wieder Frühling werden. Ich hasse den Winter mit seinen ekligen dunklen Tagen“, flüsterte Sabrina dem Kater ins Ohr. Sie war einfach völlig platt, die Belastungen in der Vorweihnachtszeit häuften sich und stressten die dreifache Mutter immens. So viele zusätzliche Termine mussten in den normalen Wochenablauf einfügt werden. Von Montag bis Freitag arbeitete Sabrina täglich fünf Stunden als Buchhalterin in einer großen Werbeagentur. Thomas wollte und konnte ihr nicht helfen, in seinem Job bei der Polizei war er täglich zehn Stunden im Einsatz, danach so kaputt und frustriert, dass er abends müde auf das Sofa fiel.

Von nebenan hörte man lautes Geschrei und Gepolter. Sabrina schoss erschrocken von ihrem Stuhl hoch. Pascha machte einen Satz, landete auf dem Boden und miaute empört. 

Die drei Kinder lagen im Wohnzimmer zwischen der Ledercouch und dem Schrank, sie rauften und schrien. Christians Fuß stieß dabei so heftig gegen den Glastisch, dass dieser verdächtig klirrte. Auf dem Boden lagen die Teile eines Brettspieles verstreut.

„Wollt ihr wohl sofort aufhören“, schrie Sabrina wütend und Christian brüllte zurück: „Die Kerstin kann nicht verlieren.“ 

„Aber“, kam es von Kerstin, „der Christian hat sowieso geschummelt.“ 

„Stimmt ja gar nicht“, mischte sich Eva ein, „die Kerstin bescheißt.“ 

Kerstin stemmte ihre Hände in die Hüften, unflätig rief sie aus: „Fick dich!“ 

Sabrina eilte mit hochrotem Kopf zu ihrer Tochter, zog sie hoch und schaute ihr mit ärgerlichem Blick in ihre braunen Augen. Ihre Stimme überschlug sich, als sie brüllte:  „Jetzt reicht es, benimm dich gefälligst und pass auf, was du sagst. Ich will hier solche Worte nicht hören, verstanden? Verschwindet alle auf eure Zimmer, aber sofort!“

Sabrina ging ins Bad, sie drehte den Hahn auf, um warmes Wasser in die Wanne zu füllen, ließ einen duftigen Badezusatz in das Wasser tröpfeln, dann zog sie sich aus. Kritisch prüfend stand sie vor dem großen Spiegel, sie hatte schon wieder ein Pfund zugenommen, aber besaß noch eine tolle Figur, eine schmale Taille, lange Beine, ein kleines festes Gesäß. Nur die Brust hatte ein wenig unter den Schwangerschaften und den langen Stillzeiten gelitten. 

Mit flinken Fingern steckte sie das lange, lockige dunkelbraune Haar auf, danach betrachtete sie eingehend ihr Gesicht. Die großen blauen Augen waren gerötet, der Teint vor Aufregung fleckig, die schmale Nase zierte ein Mitesser, und an den Augenwinkeln zeigten sich Fältchen.

„Hässlich“, sagte sie laut, „wenn sich die Seele im Angesicht widerspiegelt. Wo habe ich das gelesen? Ich weiß es nicht, vergessen.“ Seufzend stieg sie in die Wanne. Der Schaum streichelte ihre Arme, und ihre kalten Füße kribbelten im heißen Wasser. Sie schloss die Augen, fuhr sich mit sanften Bewegungen über die Schultern und den Hals, nahe bei der Halsschlagader. Sie dachte an ihren Mann, er war in den letzten Jahren dicker geworden, hatte einen Bierbauch bekommen, auch sein Haar war schon ziemlich grau. Dies störte Sabrina nicht so sehr wie die fehlende Bereitschaft, einmal etwas Ungewöhnliches zu tun.

Sanft streichelte sie ihre Brust, nahm das Duschgel und wusch sich mit langsamen kreisenden Bewegungen die Füße, die Beine und ihre Schenkel. Mit geschlossenen Augen stellte sie sich liebevolle schmale Männerhände und einen zärtlichen Blick aus graublauen Augen vor. Gefühlvolle Lippen küssten ihren Mund und ihren Hals.

Da schellte das Telefon. 

„Mama!“, rief Christian hektisch. 

„Ich bin in der Wanne, dann geh halt dran.“ 

Sabrina seifte sich mit hastigen Bewegungen fertig ein, dann duschte sie eiskalt, stieg aus der Badewanne und rubbelte ihre Haut und das Haar trocken. 

Christian betrat das Badezimmer, wie einen ekligen Gegenstand hielt er das Telefon zwischen Daumen und Zeigefinger. Sabrina sah ihn fragend an. 

„Keine Ahnung, wer das war“, sagte er irritiert, „nur ein Rauschen und ein Seufzen, irgendwie unheimlich. Die Nummer kann ich auch nicht sehen, unterdrückt.“

-

Zur gleichen Zeit fuhr ihr Mann Thomas viel zu schnell durch die Innenstadt. Sein Partner Ralf sah dabei gelangweilt aus dem Fenster. Gedehnt schlug er vor: „Hör mal, Tom, gehen wir uns eine Rindswurst holen. Ich habe Hunger, heute ist ohnehin nichts los.“ Ralf war ein kleiner, drahtiger Typ mit hellem Bürstenhaarschnitt, dicker Hornbrille, rötlichem Dreitagebart und einer Knubbel-Nase. 

„Gebongt“, sagte Tom, „fahren wir. Da kann Sabrina heute mal alleine mit den Kindern essen, aber ich muss sie anrufen und es ihr sagen, sonst wartet sie umsonst.“ 

Ralf sprach grinsend: „Ach du armer Mensch, bin ich froh keiner Frau Rechenschaft ablegen zu müssen.“

Da knatterte die Funkanlage. „An alle Streifenwagen, Messerstecherei!“ 

Ralf schaltete sofort das Martinshorn und das Blaulicht ein. 

Tom trat augenblicklich so scharf auf die Bremse, dass die Reifen quietschten, er zog schnell den Polizeiwagen auf die Gegenfahrbahn, dann raste er in die andere Richtung los. Seine Nerven waren bis zum äußersten angespannt, und sein Puls schnellte in die Höhe.

Es war nicht sehr weit bis zum Tatort. Noch bevor Thomas den Wagen zum Stehen bringen konnte, sahen sie vier junge Leute an der Straßenbahnhaltestelle. Sie bildeten einen Kreis, schlugen und traten brutal nach einer Person, die bereits am Boden lag. Als einer von ihnen den Polizeiwagen wahrnahm, liefen sie los.

Tom hielt den Streifenwagen an, beim Aussteigen zogen er und Ralf gleichzeitig ihre Waffen aus dem Halfter.

„Sofort stehenbleiben, Polizei!“, rief Ralf mit kraftvoller Stimme. 

Doch die Kerle waren bereits in alle Richtungen davon gestoben, nur einen konnte Tom gerade noch am Kragen packen. Auf dem Boden lag ein junger blonder Mann, er war bei Bewusstsein, aber er stöhnte laut und starrte mit irrem Blick zu den Beamten. Sein Gesicht war blutüberströmt, und um ihn bildete sich bereits eine dunkelrote Blutlache. Mit seiner rechten Hand griff er sich ächzend unter die blaue Jacke, auch dort sah man Blut hervorquellen, offenbar hatten ihn mehrere Messerstiche im Brustkorb verletzt. 

Ralf beugte sich über ihn. „Okay, ganz ruhig, gleich kommt Hilfe“, sprach er beruhigend.

In der Zwischenzeit hatte Tom dem gefassten Jungen Handschellen angelegt, er zerrte ihn mit an den Wagen, dann las er ihm mit zornbebender Stimme seine Rechte vor. Währenddessen versuchte Ralf das Opfer zu beruhigen, doch der Mann starrte ihn nur an, schrie immer lauter, dabei schoss ihm ein Blutschwall aus dem Mund. „Der Mann muss sofort versorgt werden, er wurde mit einem Messer schwer verletzt!“, rief Ralf seinem Kollegen zu. 

Da fuhren auch schon der Krankenwagen wie auch zwei weitere Streifenwagen vor. Schnell betteten die Sanitäter den Verletzten auf die Trage und eilten mit ihm los.

„He du, Bulle, das wollten wir nicht, es war nur ein Versehen, ein Missverständnis!“, schrie der jugendliche Täter, doch seine Stimme klang nicht nach Reue, sondern hasserfüllt. 

Tom wurde es plötzlich kalt, er zitterte am ganzen Körper und hatte das irre Gefühl, als wäre ein eisiger schwerer Stein in seinem Magen. Er brüllte wutentbrannt: „Versehen, du Arschloch, das glaub ich ja nicht. Wieso lauft ihr miesen Typen überhaupt mit einem Messer herum?“ Voller Zorn schlug er dem Jungen so heftig mitten ins Gesicht, dass dem Kerl das bösartige Grinsen verging, das Blut schoss ihm aus der Nase und seine Lippe wurde dick.

„Hör auf Tom, bist du verrückt geworden“, zischte Ralf, „wenn du dich nicht beherrschst, bekommst du wegen so einem verdammten Mistkerl noch ein Verfahren an den Hals. Das ist er doch nicht wert, wir bringen ihn sofort auf die Wache, dann klären wir das.“ 

Tom nahm den Arm herunter, resignierend sprach er: „Dem Vogel passiert doch sowieso nichts. Wo sind überhaupt die anderen Schläger?“ 

Die Polizisten aus den beiden nachkommenden Streifenwagen hatten die Verfolgung sofort aufgenommen, doch sie kamen erfolglos zurück.

„Okay Freunde, alles klar“, sagte der Gefangene mit nasaler Stimme, als er sah, dass außer ihm keiner gefasst worden war, „dass ihr es wisst, ich war es sowieso nicht! Die anderen Jungs kenne ich gar nicht, ich habe auch kein Messer, bitte sehr! Der Bulle hat mich ja schon gefilzt. Ich bin nur zufällig vorbeigekommen und habe versucht zu helfen, beinahe wäre ich sogar selbst noch fies verletzt worden. Hier, seht her!“ Mit einem schiefen Grinsen entblößte er seinen mit einem Totenkopf tätowierten Unterarm, eine schmale mindestens schon zwei Tage alte Kratzspur war darauf zu sehen.

„Halt bloß dein dreckiges Maul!“, rief Tom, dann schubste er ihn unsanft in den Streifenwagen. 

Mit zusammengekniffenen Augen drohte der Typ: „Der Schlag wird dir noch leidtun, verdammtes Bullenschwein!“

„Welcher Schlag, kein Mensch hat hier geschlagen, keiner hat so etwas gesehen.“ 

„Wir treffen uns, wenn du es am wenigsten erwartest. Pass auf dich auf!“

Ralf setzte sich seufzend ans Steuer, um auf die Wache zu fahren. Tom hätte den Täter am liebsten so lange grün und blau geprügelt, bis er ehrliche Reue zeigte. Doch Ralf hatte recht, am Ende würde die Geschichte so ausgehen, dass er mit einer Anklage rechnen müsste, während der Kerl möglicherweise aus der Sache fein raus käme.

Kapitel 2 - Ende Dezember 2003

Am letzten Adventswochenende gingen Tom und Sabrina mit den Kindern zu dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt. Es lag ein Aroma von gebrannten Mandeln, Popcorn, Fleischspießen und gegrillter Bratwurst in der Luft, und der große Weihnachtsbaum auf dem Römerberg strahlte noch viel schöner als der vom Vorjahr. Von den Ständen her duftete es nach Plätzchen, Räuchermännchen, Duftkerzen, Glühwein, Kinderpunsch, Gewürzen und Adventstee.

Eva machte große Augen, als der Weihnachtsmann sie ansprach. 

Kerstin grinste, ganz leise flüsterte sie Christian zu: „Unsere kleine Schwester glaubt noch an den Weihnachtsmann, wie niedlich.“ 

Chris nickte zustimmend und fragte: „Mama, wir möchten eine Bratwurst essen, ja?“ 

Thomas schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ihr wollt doch bestimmt lieber ein Knoblauchbrot, das riecht so gut?“ 

„Papa, du weißt, dass wir keinen Knoblauch mögen“, murrten Kerstin und Christian im Gleichklang. 

„Das ist viel gesünder“, entschied Thomas, ohne auf die Worte der Kinder einzugehen, „keine Diskussionen!“ 

„Ich mag aber nicht“, sagte Christian leise und duckte sich unwillkürlich.

„Jetzt passe dich endlich an die Familie an!“, donnerte Thomas wütend los. Er hob seine rechte Hand zum Schlag, ließ sie wieder sinken, stattdessen drückte er mit einem zornigen Blick kräftig Christians Oberarm. Sein Sohn verzog vor Schmerz das Gesicht, sagte jedoch nichts, weil er wusste, dass er gegen den Vater nicht ankam.

„Lass ihn doch, er kann den Geschmack von Knoblauch eben nun mal nicht leiden“, sprach Sabrina mit fester Stimme. 

„Du halt dich da raus, Chris muss endlich lernen sich wie ein großer Junge zu benehmen!“, schrie Thomas aufgebracht. 

„Stell dir vor, es gibt auch Erwachsene, die keinen Knoblauch und keine Zwiebeln mögen“, gab Sabrina heftig zur Antwort. 

Thomas wollte nicht mehr zuhören, wütend ging er einfach wortlos weiter. „Immer fällt sie mir in den Rücken und verzärtelt die Kinder“, murmelte er bitter vor sich hin.

Da klopfte ihm jemand freundschaftlich auf die Schulter. „Hallo Tom, hallo Sabrina, wie geht es euch?“ Es waren ihre Freunde Simone und Michael. 

Simone war eine zierliche impulsive Person, sie trug das blonde Haar ganz kurz geschnitten und kleidete sich stets nach der neuesten Mode. Michael glich eher einem Bären, statt einem Mann, sein großer, kräftiger Körper steckte in abgetragenen Cordhosen und kariertem Hemd, sein brauner Bart wucherte wild über das Gesicht. 

„Hallo, uns geht es gut und euch?“, sagte Sabrina. 

„Sehr gut, wir wollen noch Christbaumschmuck kaufen. Michael hat dieses Jahr einen so großen Baum geschlagen, dass der Schmuck vom vorigen Jahr nicht reicht. Ich glaube, wir müssen ein Loch durch die Decke bohren, sonst haben wir keinen Platz für die Baumspitze“, erklärte Simone lachend und Michael stimmte fröhlich ein.

Sabrina lächelte etwas gequält. „Wie nett“, murmelte sie. 

„Es war schön, euch zu sehen, aber wir müssen jetzt nach Hause“, erklärte Thomas etwas freundlicher, jedoch immer noch abweisend. „Frohe Weihnachten.“ Er schüttelte Michael die Hand und gab Simone einen flüchtigen Kuss auf die Wange. 

Stürmisch umarmte sie Thomas, sah ihm dabei liebevoll in die Augen, dann glitt ihre Hand zärtlich über seinen Kopf. Tom wandte sich irritiert ab, er schaute seinen Freund fragend an, doch zu seinem Erstaunen schien dieser sich nicht an dem Verhalten seiner Frau zu stören.

„Einen guten Rutsch, falls wir uns nicht mehr sehen“, wünschte Simone mit einem koketten Augenaufschlag.

Michael reichte Thomas die Rechte, danach gab er Sabrina einen freundschaftlichen Kuss auf den Mund. Als Thomas das sah, blieb er wie angewurzelt stehen, drehte sich wortlos um, um mit schnellen Schritten voraus zu marschieren. Von ihm kam kein einziges Wort mehr, weder auf dem Weg noch im Auto. 

Als sie zu Hause ankamen, war Tom immer noch schweigsam.

„Soll ich Kaffee kochen oder wollen wir einen Glühwein trinken?“, fragte Sabrina, während sie ihren Mantel an die Garderobe hängte. 

„Mach, was du willst“, brummte Thomas unwirsch. 

„Was ist los, was möchtest du haben?“, fragte sie irritiert. 

„Lass mich doch in Ruhe, mir ist alles egal“, knurrte er. 

Die Kinder verzogen sich leise in ihre Zimmer, und Sabrina setzte sich neben Thomas auf das Sofa. Verwundert sah sie ihn an, aber er schaute nur mit glanzlosen Augen an ihr vorbei.

„Kann ich mit dir reden?“, fragte sie ihn zaghaft. 

„Was gibt es da zu reden?“ 

„Warum bist du so sauer?“ 

Thomas gab ihr keine Antwort, stattdessen schaute er auf einen imaginären Punkt an der gegenüberliegenden Wand. 

„Wir sollten die Kinder nicht zwingen, etwas zu essen, was sie gar nicht wollen“, versuchte Sabrina das Gespräch in Gang zu bringen, doch er winkte ärgerlich ab. „Komm sei ruhig, lass mich in Ruhe.“ 

Thomas nahm demonstrativ die Zeitung in die Hand, er wollte nicht mit seiner Frau sprechen, dafür war er einfach viel zu wütend. 

„Nein Tom, wir müssen darüber reden, so kann das nicht mehr weitergehen“, sagte Sabrina mit zittriger Stimme.

 „Rede doch mit den Männern darüber, von denen du dich küssen lässt“, fuhr Tom sie hart an. Seine Stimme klang grimmig hinter der Zeitung.

Sabrina fragte: „Was soll das? Was meinst du damit?“ „

Was das soll?“ Thomas ließ die Zeitung sinken. „Du hast dich von Michael küssen lassen, in aller Öffentlichkeit, vor mir und vor den Augen der Kinder“, wies er sie verächtlich zurecht. 

„Tom, du hast Simone auch geküsst. Das ist doch nicht schlimm, da ist doch nichts dabei“, verteidigte sich Sabrina. 

„Nein, woher willst du wissen, was der Mann sich dabei denkt, bist du eine Hellseherin?“ Seine Stimme überschlug sich, das Gesicht wurde bedenklich rot und sein Herz raste wie verrückt.

Sabrina flehte: „Thomas höre bitte auf, Michael hat sich gar nichts dabei gedacht, sie wollten uns nur ein frohes Fest wünschen.“ 

Heftig schlug er mit der Faust auf den Tisch. „Das ist mir egal, ich will nichts mehr davon hören, in Zukunft wünsche ich, dass du etwas dagegen unternimmst.“ 

„Was hätte ich denn tun sollen, ihm eine Ohrfeige verpassen“, erwiderte sie verzweifelt, „der denkt doch, ich habe sie nicht mehr alle.“ 

„Mache was du willst. Sorge nur dafür, dass dies nicht mehr passiert, klar!“ Tom packte sie heftig am Handgelenk, brutal bohrte er seine Fingernägel in ihr Fleisch und brüllte: „Sabrina, du lehnst dich ständig gegen mich auf.“ 

Sie sah ihn entsetzt an. Thomas ließ sie los, ihren Blick missachtend nahm er die Zeitung wieder in die Hand. Sabrina wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen, sie presste die Finger auf den Mund, um nicht laut aufzuschreien.

Weinend lief sie in die Küche. In diesem Moment hasste sie ihren Mann aus tiefstem Herzen, seine aufbrausende brutale Art und sein gemeines Verhalten. Ihr Mund formte sich zu einem wilden Aufschrei, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. 

Wie in Trance füllte Sabrina den Wasserbehälter des Kaffeeautomaten auf und drückte auf den Knopf für zwei Tassen. Das Aroma von frisch gemahlenen Bohnen stieg ihr in die Nase.

Plötzlich gab es einen lauten Schlag am Küchenfenster. Sie zuckte zusammen, drehte sich so heftig herum, dass sie dabei das Geschirr von der Arbeitsplatte fegte, das scharfe Brotmesser fuhr ihr über den Unterarm. Bevor sie die Scherben aufsammelte, sah sie aus dem Fenster, konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen.

Thomas rief ärgerlich: „Was war das, wer macht denn da so einen Lärm?“ 

Nichts“, antwortete Sabrina, „es ist sicher nur ein Ast gegen das Fenster geflogen. Kein Wunder bei dem Sturm.“ „Wir haben gar keinen Sturm, noch nicht mal heftigen Wind.“ Von ihrem Handgelenk tropfte Blut auf die weißen Fliesen des Küchenbodens.

-

Am Heiligen Abend schmückte Sabrina mit den Kindern den Tannenbaum. Es ging zwar wie jedes Jahr ein wenig hektisch zu, doch sie hatten ihren traditionellen Spaß bei der Sache. „Mama, darf ich den Stern auf die Spitze stecken?“, fragte Eva mit zuckersüßem Lächeln. 

Sabrina gab ihr den Stern in die Hand und hob sie hoch. „Du bist ganz schön schwer geworden, meine Kleine.“

Eva erwiderte vorwitzig: „Ich bin ja auch nicht mehr klein, ich bin schon fast so groß wie Kerstin, bald schon so groß wie Christian.“ 

„Feiern wir jetzt Bescherung?“, wollte Kerstin wissen. 

„Holst du jetzt die Geschenke?“, fragte Christian neugierig. 

"Gleich. Ihr seid wohl schon ganz aufgeregt. Wir warten noch, bis es dunkel ist, dann leuchten die Kerzen viel schöner“, antwortete Sabrina schmunzelnd.

Endlich war es soweit, es gab ein wildes Durcheinander, bis die Päckchen unter dem Baum lagen, die Kerzen angezündet und die Flöten und Notenbücher zurechtgelegt waren. Alle liefen nach oben, um sich feierlich zu kleiden. 

Thomas stand schon mit der Kamera bereit, da kamen die Kinder die Treppe herunter, die Mädchen in schwarzen Seidenröcken und weißen Blusen, Christian in einem Anzug mit Weste und Fliege. Der Kater hatte eine goldene Schleife am Hals, mit seinen Pfötchen versuchte er das störende Ding abzustreifen, doch es gelang ihm nicht. Sabrina ging hinter ihnen her, sie trug ein enganliegendes glänzendes Abendkleid mit langem Rückenausschnitt, hatte ein dezentes Make-up aufgelegt und die Wimpern schwarz getuscht.

Thomas sah sie bewundernd an. „Sie sieht wunderschön aus, mein Engelsgesicht, und sie gehört mir, mir ganz alleine! Wenn sie nur nicht immer so emanzipiert wäre“, dachte er.

Nachdem die Weihnachtslieder gesungen und alle guten Wünsche ausgesprochen waren, durften die Kinder endlich mit dem Auspacken beginnen. Das Geschenkpapier flog durch die Luft, Spiele und Bücher wurden bewundert und Pullover und Mützen achtlos auf die Seite gelegt. 

„Gut“, murmelte Christian, „aber?“ 

„Was aber?“, fragte Thomas grinsend. „Ach nichts“, antwortete Christian, er schien ein wenig enttäuscht. 

„Es ist wohl kein so großes Geschenk dabei gewesen, wie du es erwartet hast“, zog Thomas ihn mit betont ernstem Gesicht auf, „vielleicht hast du es nicht verdient.“

Sabrina sah ihn an, während sie das letzte Päckchen öffnete, zum Vorschein kam eine kleine Flasche ihres Lieblingsparfüms, dann fragte sie herausfordernd: „Tom, du verheimlichst uns doch nichts?“ 

Er zog grinsend einen Briefumschlag aus der Tasche und reichte ihn seiner Frau. „Das ist mein Weihnachtsgeschenk für meine liebe Familie.“ 

Sie öffnete den Umschlag und zog eine Buchungsbestätigung hervor. „Nach Fuerteventura“, jubelte sie und fiel Thomas um den Hals, „so eine Überraschung!“

„Ans Meer, jetzt im Winter, super“, freute sich Kerstin. „Kann man denn da ins Wasser, ist es dort nicht auch schrecklich kalt?“, fragte Eva aufgeregt. 

„Nein, Dummerchen“, erklärte Thomas, „dort ist es jetzt so warm, dass man sogar baden gehen kann, jedenfalls im Pool, vielleicht auch im Meer.“ 

Eva hüpfte vor Aufregung von einem Bein auf das andere und jubelte: „Hurra, wo ist mein neuer Badeanzug? Mama packe ihn gleich ein!“ Voller Freude tanzte die Kleine im Zimmer herum.

Nachdem alles wieder aufgeräumt war, öffnete Thomas den Wein, währenddessen ging Sabrina in die Küche, um das Dressing über die vorbereiteten Salate zu geben. Ihre Augen schimmerten vor Freude. „Manchmal ist er doch ein lieber Kerl“, dachte sie glücklich. 

Lächelnd knipste Sabrina die Weihnachtsbeleuchtung am Küchenfenster an, da hatte sie plötzlich das merkwürdige Gefühl beobachtet zu werden. Sie schaute angestrengt aus dem Fenster, unter dem Kirschbaum glaubte sie einen Schatten zu sehen, da schloss sie schaudernd den Fensterladen. 

„Ich glaube, ich spinne wirklich, wer soll uns denn beobachten, wir wohnen doch in einer ganz harmlosen netten Wohnsiedlung. Vielleicht ein Einbrecher“, überlegte sie nervös, „möglich, doch eher unwahrscheinlich, aber wer schaut dann durch unsere Fenster? Keiner, ich bilde mir das bloß ein.“ 

Kapitel 3 - Im Januar 2004

Eine gute Woche später lagen Sabrina, Thomas und Christian in einer Mulde aus Sand und Steinen am Strand, während die Mädchen ausgelassen am Ufer tollten. 

Thomas schloss die Augen und murmelte: „Ach wie schön, einmal nur entspannen."

Da kam Kerstin angerannt und rief lachend: „Guten Morgen, Papa!“ Sie ließ das salzige Meerwasser aus der Tauchermaske über das verschlafene Gesicht ihres Vaters rinnen.