Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen - Otto F. Kernberg - E-Book

Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen E-Book

Otto F. Kernberg

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Beschreibung

Der neue Kernberg! - Schwerpunkt Narzissmus: Welche Optionen haben Sie bei Verzerrungen der verbalen Kommunikation? Welche Differentialdiagnosen des antisozialen Verhaltens gibt es? - Schwerpunkt Sexualität: Das Liebesleben von PatientInnen mit schwerer Persönlichkeitsstörung und wie es therapeutisch verbessert werden kann - Schwerpunkt Ausbildung: Wie TherapeutInnen auf die komplexe Behandlung von PatientInnen mit schwerer Persönlichkeitsstörung vorbereitet werden können Otto F. Kernberg diskutiert in seinem neuen Buch Themen, die seit Jahrzehnten fest mit seinem Namen verbunden sind: schwere Persönlichkeitsstörungen, ihre Ätiologie, Diagnose und Behandlung. Pointiert und differenziert zugleich beantwortet Kernberg die Frage, welche spezifischen Schwierigkeiten bei PatientInnen mit schweren Persönlichkeitsstörungen im Zusammenhang mit deren Erotik, ihren Liebesbeziehungen und Aggressionen auftreten. Außerdem legt er den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse über Persönlichkeitsstörungen und ihre neurobiologischen und psychodynamischen Determinanten dar. Darüber hinaus stellt Kernberg eine psychodynamische Psychotherapie vor, die speziell auf die Behandlung der Psychopathologie dieser Störungen zugeschnitten ist: Wie kann am Syndrom der Identitätsdiffusion gearbeitet werden, die sich auf das emotionale Wohlergehen auswirkt? Wie können die PatientInnen tragfähige Beziehungen zu anderen Menschen entwickeln und aufrechterhalten? Wie effektiv ist hierfür die von Kernberg und seinen Mitarbeitern entwickelte Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP)? Mit der Beschreibung der Grenzen wie auch der Fortschritte, die bezüglich der therapeutischen Effektivität bei schweren Persönlichkeitsstörungen zu verzeichnen sind, legt Kernberg gleichzeitig ein Resümee seines therapeutischen und wissenschaftlichen Lebenswerks vor. Eine wertvolle Orientierung für alle, die mit dieser PatientInnengruppe arbeiten.   Dieses Buch richtet sich an: - PsychotherapeuInnen, PsychologInnen, PsychiaterInnen,PsychologInnen und ÄrztInnen in Aus-/Weiterbildung   Aus dem Inhalt Persönlichkeitsstörungen | Das Spektrum der psychoanalytischen Psychotherapien | Narzisstische Pathologie | Erotik in der Übertragung | Realitätsverleugnung, Trauer und die Ausbildung von PsychotherapeutInnen

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Seitenzahl: 524

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Otto F. Kernberg

Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen

Bewältigung der Aggression und Befreiung der Erotik

Übersetzung von Elisabeth Vorspohl

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

First Published in the United States by the American Psychiatric Association, Washington DC, USA. Copyright © 2018. All rights reserved.

First Published in Germany by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH is the exclusive publisher of Treatment of Severe Personality Disorders: Resolution of Aggression and Recovery of Eroticism, First Edition, (Copyright © 2018), authored by Otto F. Kernberg, M. D., in German for distribution Worldwide.

Permission for use of any material in the translated work must be authorized in writing by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH.

The American Psychiatric Association played no role in the translation of this publication from English to the German language and is not responsible for any errors, omissions, or other possible defects in the translation of the publication.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2021 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von © shutterstock/Photographee.eu

Gesetzt von Eberl & Kœsel Studio GmbH, Krugzell

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40020-5

E-Book: ISBN 978-3-608-12058-5

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20469-8

Inhalt

Einführung

Dank

Teil I

Persönlichkeitsstörungen

1 Was ist die Persönlichkeit?

1.1 Die Komponenten der Persönlichkeit

1.1.1 Temperament

1.1.2 Charakter und Ich-Identität

1.1.3 Normale Identität und Identitätsdiffusion

1.1.4 Ein integriertes System ethischer Werte (Über-Ich)

1.1.5 Intelligenz

Literatur

2 Übersicht und Kritik der für das DSM-5 vorgeschlagenen Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen

2.1 Hintergrund

2.2 Eine entscheidende Kompromisslösung

2.3 Die ausgeschlossenen Kategorien

2.4 Das umfassende »Alternative Modell«

2.5 Kritische Überlegungen

2.6 Die doppelte Schicht der neurobiologischen und subjektiven intrapsychischen Strukturen

2.7 Schluss

Literatur

3 Neurobiologische Korrelate der Objektbeziehungstheorie

3.1 Neurobiologische Grundlagen

3.1.1 Das Persönlichkeitskonzept

3.1.2 Entwicklung und Integration der Affektsysteme

3.1.3 Ursprung des Selbst: Selbstreflexion und Integration

3.1.4 Frühe Entwicklung der Differenzierung zwischen Selbst und Anderem/Anderer

3.1.5 Empathie und Mitgefühl

3.2 Psychoanalytische Objektbeziehungstheorie

3.2.1 Basale Entwicklungskonzepte

3.2.2 Mentalisieren – neu betrachtet

3.3 Borderline-Persönlichkeitsstörung: Eine paradigmatische Persönlichkeitsstörung unter Bedingungen der Borderline-Persönlichkeitsorganisation

3.3.1 Neurobiologische Merkmale

3.3.2 Schwere Kindheitstraumata

3.3.3 Beziehung neurobiologischer Merkmale zum schweren Kindheitstrauma

3.4 Der Beitrag der Objektbeziehungstheorie zum Verständnis und zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung

3.5 Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) als Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsorganisation

3.6 Schluss

Literatur

Teil II

Das Spektrum der psychoanalytischen Psychotherapien

4 Die Grundelemente der psychoanalytischen Technik und psychoanalytischer Psychotherapien

4.1 Entwicklung der klassischen psychoanalytischen Technik im Kontext der modernen Objektbeziehungstheorie: Übersicht

4.2 Voraussetzungen der psychoanalytischen Arbeit

4.3 Definition und Analyse der vier Grundkomponenten der psychoanalytischen Behandlungstechnik

4.3.1 Deutung

4.3.2 Übertragungsanalyse

4.3.3 Technische Neutralität

4.3.4 Nutzung der Gegenübertragung

4.4 Unterscheidung der Psychoanalyse von psychoanalytischen Psychotherapien

Literatur

5 Deutung bei Borderline-Pathologie. Ein klinisches Beispiel

5.1 Vorgeschichte

5.2 Die Sitzung

Literatur

Weiterführende Literatur

6 Das Spektrum der psychoanalytischen Behandlungstechniken

6.1 Charakteranalyse

6.2 Traumanalyse

6.3 Agieren, Enactment, Wiederholungszwang, Durcharbeiten

6.3.1 Agieren (acting out)

6.3.2 Enactment

6.3.3 Wiederholungszwang

6.3.4 Durcharbeiten

6.4 Negative therapeutische Reaktion

6.5 Somatisierung

6.6 Das psychoanalytische Feld

6.7 Beendigung

6.8 Schluss

Literatur

7 Neue Entwicklungen in der Übertragungsfokussierten Psychotherapie

7.1 Strategien

7.2 Taktiken

7.3 Techniken

7.4 Beziehung der TFP zu anderen psychoanalytischen Behandlungsmethoden

7.5 Neue Entwicklungen

7.5.1 Allgemeine Theorie und Technik

7.6 Praktische technische Innovationen

7.6.1 Anfängliche und fortgesetzte Evaluierung der Konflikte des Patienten unter dem Aspekt des aktuellen Funktionierens im sozialen und privaten Leben außerhalb der Sitzungen

7.6.2 Lebensziele und Behandlungsziele

7.6.3 Potenzial des Patienten versus reale Lebenssituation

7.6.4 Abwehrmechanismen gegen das Gefühl persönlicher Verantwortlichkeit

7.6.5 Vertragsbrüche und »zweite Chancen«

7.6.6 Technische Neutralität und antisoziales Verhalten

7.7 Sex und Geld: zwei Tabuthemen

7.8 Schluss

Literatur

8 Eine Neuformulierung der Supportiven Psychodynamischen Psychotherapie

8.1 Psychodynamisch fundierte Supportive Psychotherapie – traditionelle Definition und Veränderungen des Verfahrens

8.2 Eine neudefinierte Behandlungsstrategie

8.3 Wichtige Behandlungstechniken bei der Anwendung der Supportiven Psychodynamischen Psychotherapie

8.3.1 Ein modifizierter Deutungsansatz

8.3.2 Übertragungsanalyse

8.3.3 Suspendierung der technischen Neutralität

8.3.4 Arbeit mit der Gegenübertragung

8.3.5 Konfrontation primitiver Abwehroperationen

8.3.6 Supportive Techniken

8.4 Behandlungstaktiken

8.4.1 Diagnostische Begutachtung

8.4.2 Klärung der Prioritäten der allgemeinen Interventionen, der Prognose und der Grenzen der Behandlung

8.4.3 Vertragsvereinbarung und Sitzungsfrequenz

8.4.4 Freies Assoziieren

8.4.5 Ausgewählte Tatsache

8.4.6 Beobachtung und Handhabung der Übertragung

8.4.7 Die Beziehung des Therapeuten zur äußeren Umwelt

8.4.8 Die Pflichten des Patienten

8.5 Übersicht der allgemeinen Indikationen, Kontraindikationen und Frequenz

8.6 Vergleich zwischen der Supportiven Psychodynamischen Psychotherapie und der Übertragungsfokussierten Psychotherapie

Literatur

Teil III

Narzisstische Pathologie

9 Die Behandlung der schweren narzisstischen Pathologie – eine Übersicht

9.1 Gemeinsame Übertragungsmerkmale, die das pathologische Größenselbst widerspiegeln

9.1.1 Narzisstische Übertragungen auf einer hohen, stabilen Funktionsebene

Typische Übertragungsentwicklung

Dickhäutige Narzissten

9.1.2 Narzisstische Übertragungen auf einem fluktuierenden Borderline-Niveau

Dünnhäutige Narzissten

Das Syndrom der Arroganz

Triangulierungsintoleranz

9.1.3 Extreme nicht-depressive Suizidalität und Selbstdestruktivität

Schwere narzisstische Suizidalität

Das Syndrom der »toten Mutter«

Extrem sadomasochistische Übertragungen

9.1.4 Die antisoziale Dimension

9.2 Schluss

Literatur

10 Verzerrungen des freien Assoziierens als narzisstische Abwehroperation und die zugrundeliegenden Ängste

Literatur

11 Differenzialdiagnose antisozialen Verhaltens unter klinischem Blickwinkel

Übersetzung: Petra Holler

11.1 Das Spektrum des antisozialen Verhaltens

11.1.1 Pseudopsychopathische Schizophrenie

11.1.2 Antisoziale Persönlichkeitsstörung

11.1.3 Syndrom des malignen Narzissmus

11.1.4 Narzisstische Persönlichkeitsstörung mit antisozialen Merkmalen

11.1.5 Andere Störungen im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation mit antisozialen Merkmalen

11.1.6 Neurotische Persönlichkeitsorganisation mit antisozialen Merkmalen

11.1.7 Antisoziales Verhalten bei Anpassungsstörungen im Jugendalter

11.1.8 Dissoziales Syndrom

11.1.9 Antisoziales Verhalten ohne Psychopathologie

11.2 Diagnose

Teil IV

Erotik in der Übertragung

12 Erotische Übertragung und Gegenübertragung bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen

12.1 Teil I: Evaluierung der Sexualpathologie

12.2 Ein erstes veritables Hindernis

12.3 Eine reife Fähigkeit, erfolgreich zu lieben

12.3.1 Sexuelle Freiheit

12.3.2 Intensive Objektbeziehungen

12.3.3 Das gemeinsame Wertesystem des Paares

12.4 Allgemeine Voraussetzungen, die Therapeuten erfüllen sollten

12.5 Diagnostische Beurteilung

12.6 Sexuelle Konflikte auf der Ebene der neurotischen Persönlichkeitsorganisation

Literatur

13 Erotische Übertragung und Gegenübertragung bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen

13.1 Teil II: Therapeutische Entwicklungen

13.1.1 Übertragungs- und Gegenübertragungsentwicklungen bei Borderline-Patienten

13.2 Liebesbeziehungen von Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstruktur

13.3 Scheinbar vollständige Auslöschung der Sexualität

Literatur

Teil V

Verleugnung der Realität, Trauer und die Ausbildung von Psychotherapeuten

14 Realitätsverleugnung

14.1 Schluss

Literatur

15 Die langfristigen Auswirkungen des Trauerprozesses

Literatur

16 Vorschlag für eine Erneuerung der psychoanalytischen Ausbildung

16.1 Erneuerung der Struktur der psychoanalytischen Ausbildung

16.2 Ein modernes Verständnis der psychoanalytischen Theorie

16.3 Die psychoanalytische Technik und ihre Anwendung

16.4 Erhalt und Bereicherung der subjektiven, intersubjektiven und existenziellen psychoanalytischen Behandlungsverfahren

Literatur

Sachverzeichnis

Für Kay, mit all meiner Liebe

Einführung

Dieses Buch ist eine Übersicht der Arbeit, die ich den neurobiologischen und psychodynamischen Determinanten der Struktur, der Entwicklung und des Funktionierens der normalen Persönlichkeit und der Persönlichkeitsstörungen in den vergangenen Jahren gewidmet habe. Es aktualisiert die Forschungsergebnisse des Personality Disorders Institute of the Weill Cornell Medical College Department of Psychiatry, denen neben empirischen Studien und klinischen Untersuchungen über schwere Persönlichkeitsstörungen auch unsere Erfahrungen mit der Effektivität der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) zugrunde liegen, einer psychodynamischen Behandlung, die wir speziell für diese Störungen an unserem Institut entwickelt haben. Ich konzentriere mich in diesem Buch insbesondere auf eine Gruppe grundlegender Techniken, die sämtlichen psychoanalytisch fundierten Behandlungen gemeinsam sind, und arbeite die jeweilen Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen psychodynamischen Therapieverfahren heraus. Dieses Material ist in Teil I und Teil II enthalten.

Teil III des Buches ist einer auf den aktuellen Stand gebrachten Übersicht der schweren narzisstischen Pathologie gewidmet. Teil IV untersucht die Psychopathologie der Erotik und die Probleme im Liebesleben von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Der abschließende Teil V behandelt allgemeine wesentliche Fragen, die mit der Bewältigung der Herausforderungen des Lebens dieser Patienten zusammenhängen sowie mit der Fähigkeit zu trauern und ihren Auswirkungen. Gegenstand des letzten Kapitels sind Grundvoraussetzungen, die in der Ausbildung psychodynamischer Psychotherapeuten erfüllt sein müssen, damit sie der anspruchsvollen und komplexen Arbeit auf diesem Gebiet gerecht werden können.

Im Folgenden fasse ich den Inhalt der einzelnen Buchkapitel kurz zusammen.

Im 1. Kapitel von Teil I, »Persönlichkeitsstörungen«, untersuche ich ein modernes Konzept der Persönlichkeit, das sowohl den genetischen und konstitutionellen Determinanten ihres Funktionierens Rechnung trägt, das in den Schicksalen der Organisation des zentralen Nervensystems Ausdruck findet, als auch dem Einfluss intrapsychischer Entwicklungen, die eine zweite Ebene der strukturellen Determinanten dieses Funktionierens bilden. Kurzum, dieses Kapitel ist ein Versuch, genetische und neurobiologische Einflüsse auf die Organisation und das Funktionieren der Persönlichkeit mit psychodynamischen und Umwelteinflüssen zusammenzuführen.

Im 2. Kapitel diskutiere ich die heutige Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen durch die American Psychiatric Association. Ich erläutere die Konsequenzen der unterschiedlichen Blickwinkel und Diskussionen, die darüber geführt wurden und unter deren Einfluss sowohl die traditionelle Klassifikation des DSM-III und DSM-IV entstand als auch die neue Klassifikation des DSM-5, für die ein neuer Kenntnisstand maßgeblich war. Sie wird dem heutigen Verständnis der Persönlichkeitsstruktur in höherem Maße gerecht und illustriert zugleich die Konflikte zwischen wissenschaftlichen und politischen Erwägungen, die sich der Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen als hinderlich erwiesen haben.

Das 3. Kapitel beschreibt detailliert unser heutiges Wissen über die Vernetzungen von neurobiologischen Strukturen und Neurotransmittern mit den psychodynamischen Determinanten der Organisation unserer Psyche und deren komplexe Interaktion.

Zusammen bieten diese drei Kapitel eine aktualisierte Übersicht unserer Kenntnisse über das Funktionieren der Persönlichkeit, die Beziehung zwischen Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen und die Entwicklungsaspekte der Entstehung schwerer Persönlichkeitsstörungen.

Teil II des Buches, »Das Spektrum psychoanalytischer Psychotherapien«, beschäftigt sich mit psychodynamischen Psychotherapien und den modernen Weiterentwicklungen und einschlägigen Kontroversen. Das 4. Kapitel beschreibt vier grundlegende psychoanalytische Techniken, die als gemeinsame Basis der Standardpsychoanalyse und der von ihr hergeleiteten psychoanalytischen Psychotherapien betrachtet werden, nämlich Deutung, Übertragungsanalyse, technische Neutralität und Verwendung der Gegenübertragung.

Das 5. Kapitel illustriert, wie die zentrale Technik der Deutung in der TFP schwerer Persönlichkeitsstörungen eingesetzt wird. Es zeigt anhand eines klinischen Falls, dass Patienten mit schwerer Persönlichkeitsstörung entgegen früheren Annahmen von der Deutung als wichtigem technischen Instrument profitieren können.

Im 6. Kapitel fächere ich das gesamte Spektrum der psychodynamischen Techniken auf, die die Anwendung der im 4. Kapitel beschriebenen Grundtechniken konstituieren. Zusammen geben das 4. und das 6. Kapitel eine vollständige Übersicht des psychotherapeutischen Behandlungsinstrumentariums, das der Psychoanalyse und allen psychoanalytischen Psychotherapien gemeinsam ist.

Eine kurze, zusammenfassende Darstellung der TFP, die auch die jüngsten klinischen und Forschungsergebnisse berücksichtigt, folgt im 7. Kapitel. Diese psychodynamische Psychotherapie für schwere Persönlichkeitsstörungen wurde vom Personality Disorders Institute entwickelt. Das Kapitel beschreibt zudem die Anwendung der vier wesentlichen psychoanalytischen Techniken – Deutung, Übertragungsanalyse, technische Neutralität und Verwendung der Gegenübertragung – in der TFP.

Das 8. und letzte Kapitel dieses Teils ist einer modernen supportiven psychodynamischen Psychotherapie gewidmet und vervollständig somit das gesamte Spektrum, das von der Psychoanalyse an einem Pol bis zur stützenden Psychotherapie am anderen reicht.

In Teil III des Buches, »Narzisstische Pathologie«, geht es um die schwere narzisstische Pathologie, ihre Diagnose, Prognose und Behandlung. Das 9. Kapitel enthält eine Übersicht der klinischen Syndrome und entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und beschreibt die rasanten Entwicklungen, die sich in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet vollzogen haben. Diese klinischen Funde und Forschungsergebnisse haben zur Klärung der stark variierenden Schweregrade und erheblichen Unterschiede der klinischen Manifestationen einer für die narzisstische Persönlichkeitsstörung spezifischen Organisation, der differenziellen prognostischen Kriterien und der therapeutischen Techniken beigetragen.

Das 10. Kapitel beschreibt die spezifischen Verzerrungen der verbalen Kommunikation im therapeutischen Austausch mit narzisstischen Patienten, die sich im Prozess ihres freien Assoziierens widerspiegeln.

Im Mittelpunkt des 11. Kapitels steht die Differenzialdiagnose des antisozialen Verhaltens als wichtigster Indikator einer nur eingeschränkten Behandelbarkeit von Patienten mit narzisstischer Pathologie. Das Kapitel klärt auch die noch immer umstrittene Art der Beziehung zwischen der narzisstischen Pathologie in einem allgemeinen Sinn und der spezifischen antisozialen Persönlichkeitsstörung, der schwersten Form des pathologischen Narzissmus. Diese Differenzialdiagnose sollte für alle Angehörige der psychischen Gesundheitsversorgung, die mit der narzisstischen Psychopathologie arbeiten, von größtem Interesse sein.

Teil IV des Buches, »Erotik in der Übertragung«, ist der Diagnose und Behandlung der Sexualpathologie sowie den Schicksalen des Liebeslebens von Menschen mit schwerer Persönlichkeitsstörung gewidmet. Das 12. Kapitel untersucht den diagnostischen Prozess der Evaluierung von Schwierigkeiten im Liebes- und Sexualleben von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sowie die entsprechenden Gegenübertragungsentwicklungen des Therapeuten. Dieses Kapitel illustriert auch typische sexuelle Konflikte auf der Ebene der neurotischen Persönlichkeitsorganisation bei weniger schweren Persönlichkeitsstörungen.

Das 13. Kapitel fokussiert speziell auf die erotische Übertragung und Gegenübertragung bei Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsorganisation. Es ist der Versuch einer umfassenden Übersicht der verschiedenen Symptome und interpersonalen Probleme, die sich aus schweren sexuellen Hemmungen und Einschränkungen der Fähigkeit dieser Patienten herleiten, verbindliche enge Beziehungen zu führen.

Teil V des Buches, »Verleugnung der Realität, Trauer und die Ausbildung von Psychotherapeuten«, thematisiert spezifische Probleme, die als gravierende Konsequenzen schwerer Persönlichkeitsstörungen auftreten. Das 14. Kapitel konzentriert sich auf die Verleugnung der Realität als wichtiges, existenzielles Problem der betroffenen Patienten, auf die entscheidende Aufgabe des Therapeuten, seine Aufmerksamkeit für blinde Selbstdestruktivität zu schärfen, und die Notwendigkeit, die Folgen der Realitätsverleugnung abzuklären und zu bearbeiten. Diese Problematik taucht als maßgebliche Schwierigkeit in psychotherapeutischen Langzeitbehandlungen dieser Patienten auf. Ihre Bewältigung kann den Weg zu bereichernden neuen Lebenserfahrungen und Erfolgen bahnen.

Im 16. Kapitel geht es um das Konzept einer idealen Ausbildungseinrichtung, in der die psychodynamische Psychotherapie gelehrt und weiterentwickelt werden kann. Psychoanalytische Institute dienen als Beispiel, um zu zeigen, welche charakteristischen Merkmale eine solche Einrichtung aufweisen könnte. Das Kapitel ist zugleich auch eine Kritik an der heutigen psychoanalytischen Ausbildung und beschreibt, wie die Weiterentwicklung und Lehre der psychodynamischen Psychotherapie als Aufgabe psychoanalytischer Institute optimal gestaltet werden könnten.

Dieses Buch ist also ein Versuch, eine integrierte und aktualisierte Übersicht unserer Kenntnisse über Persönlichkeitsstörungen sowie ihre neurobiologischen und psychodynamischen Determinanten zu geben. Es beschreibt und diskutiert darüber hinaus eine spezifische psychodynamische Psychotherapie, die auf die Bewältigung der eigentlichen Psychopathologie dieser Störungen, nämlich das Syndrom der Identitätsdiffusion, und ihres Einflusses auf das emotionale Wohlergehen und Beziehungen zu wichtigen anderen Menschen zielt. Zwei spezifische Aspekte der schweren Persönlichkeitsstörungen werden hier detailliert untersucht: die Beschaffenheit der narzisstischen Pathologie und ihre Behandlung sowie die traditionell vernachlässigte, aber maßgebliche Bedeutung der Exploration und therapeutischen Behandlung des verarmten Liebeslebens von Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen, insbesondere solchen mit signifikanter narzisstischer Pathologie. Dieses Buch wird, so hoffe ich, für alle Kliniker von Nutzen sein, die diesen Patienten zu helfen versuchen.

Dank

In den vergangenen Jahren haben Dr. Betty Joseph und Dr. André Green, deren beider Tod für das heutige psychoanalytische Denken ein großer Verlust ist, meine Untersuchungen der psychoanalytischen Theorie und Technik tiefgreifend beeinflusst. Zu weiteren europäischen Kollegen, deren Arbeit mich inspiriert hat, zählen in Großbritannien Drs. Anne-Marie Sandler und Joseph Sandler, beide verstorben, sowie Dr. Ronald Britton; in Deutschland haben Dr. Peter Buchheim, Dr. Horst Kächele(verstorben), Dr. Irmhild Kothe-Meyer (verstorben), Dr. Rainer Krause, Dr. Ernst Lürssen (verstorben) sowie Drs. Gerhard Roth, Almuth Sellschopp und Peter Zagermann mein Denken über die Grenzen zwischen heutiger psychiatrischer und psychotherapeutischer Arbeit einerseits und Psychoanalyse andererseits beeinflusst. Für ähnliche Einflüsse und Erfahrungen danke ich Drs. Anna Maria Nicolò und Paolo Migone in Italien und Dr. Miguel Angel Gonzalez Torres in Spanien. In den USA durfte ich viele wissenschaftliche und persönliche Gespräche mit Dr. Martin Bergmann (verstorben), Dr. Harold Blum, Dr. Robert Michels, Dr. Robert Wallerstein (verstorben), Dr. Robert Tyson und Dr. Robert Pyles führen. Auf meine Überlegungen zur psychoanalytischen Ausbildung haben Drs. Cláudio Eizirik und Elias Mallet da Rocha Barros in Brasilien, Drs. Sara Zac de Filc und Isidoro Berenstein in Argentinien sowie César Garza Guerrero in Mexiko tiefgreifenden Einfluss ausgeübt.

Ich hätte dieses Buch ohne die intensive Mitarbeit meiner Freunde und Kollegen vom Personality Disorders Institute of the Weill Cornell Medical College nicht schreiben können. Ich danke den leitenden Institutsangehörigen, insbesondere Drs. Eve Caligor, Monica Carsky, Diana Diamond, Eric Fertuck, Catherine Haran, Kenneth Levy Michael Stone, Mallay Occhiogrosso, Barry Stern und Frank Yeomans. Einen besonderen Dank schulde ich Ms. Jill Delaney, ebenfalls langjährige Mitarbeiterin des Instituts, die sämtliche Kapitel gründlich und kritisch gelesen und redigiert hat. Unsere Forschungskooperation mit Drs. Mark Lenzenweger, Michael Posner, David Silbersweig und B. J. Casey in den USA und die unermüdliche Mitarbeit unserer Experten für Persönlichkeitsstörungen in der Adoleszenz, Dr. Alan Weiner in New York, Drs. Lina Normandin und Karin Ensink in Kanada sowie Drs. Marion Braun, Werner Köpp und Maya Krischer in Deutschland, haben unsere gemeinsame Erforschung psychotherapeutischer Methoden inspirativ beeinflusst. Ähnlich stimulierende und kreative Beiträge verdanke ich Drs. Peter Buchheim, Susanna Hörtz, Mathias Lohmer, Manfred Lütz, Philipp Martius, Almuth Sellschopp und Agnes Schneider-Heine in Deutschland, Drs. Stephan Doering, Melitta Fischer-Kern, Peter Schuster, Anna Buchheim und George Brownstone in Österreich und dem verstorbenen Dr. Gerhard Dammann aus der Schweiz.

Zutiefst dankbar bin ich Dr. John Clarkin, dem Co-Direktor des Personality Disorders Institute of the Weill Cornell Medical College und führenden Kopf hinter der Transformation unserer theoretischen und klinischen Hypothesen in brauchbare Forschungsdesigns. Ihm ist es gelungen, unsere Studienvorhaben inmitten der administrativen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der professionellen und finanziellen Infrastruktur unserer Arbeit zu meistern waren, in erfolgreiche Bahnen zu lenken. An dieser Stelle möchte ich auch Mr. Alvin Dworman sowie Mr. und Mrs. Michael Tusiani meine Anerkennung und meinen tiefempfundenen Dank für ihr Vertrauen und ihre großzügige Unterstützung unserer Arbeit mit schweren Persönlichkeitsstörungen aussprechen. Ihr Interesse und Verständnis haben uns in unseren Forschungs- und Ausbildungsfunktionen als wichtiger Ansporn gedient. All diese Arbeit wäre ohne den zuverlässigen, anteilnehmenden, effektiven und inspirierenden Beistand durch Dr. Jack Barchas, Professor und Chairman des Department of Psychiatry of the Weill Cornell Medical College, weniger fruchtbar gewesen.

Von Herzen danken möchte ich Ms. Janie Blumenthal, die die Kapitel dieses Buches gewissenhaft getippt und zusammengestellt hat, und meiner persönlichen Sekretärin und langjährigen ehemaligen Sekretärin der Geschäftsführung des Personality Disorders Institute, Ms. Louise Taitt. Sie hat meine Arbeit unterstützt und in all den Jahren über meine Zeit gewacht, damit ich mich dem Schreiben dieses Buches wie auch all seinen Vorgängern widmen konnte. Last, but not least, danke ich meiner Frau, Dr. Catherine Haran, die mir in ihrer doppelten Funktion als leitende Ärztin am Personality Disorders Institute und als Forscherin in jeder institutionellen Wetterlage den Rücken gestärkt und mir geholfen hat, diese Aufgabe zu erfüllen. Ich widme ihr dieses Buch als Ausdruck meiner tiefen Liebe und Dankbarkeit.

Otto F. Kernberg

Teil I

Persönlichkeitsstörungen

1 Was ist die Persönlichkeit?

Der Begriff der Persönlichkeit bezeichnet (1)meiner Ansicht nach die dynamische Integration der Gesamtheit unserer subjektiven Erlebens- und Verhaltensmuster – einschließlich des bewussten, konkreten und habituellen Verhaltens, der Art und Weise, das Selbst und die Umwelt wahrzunehmen, des bewussten expliziten Denkens sowie der habituellen Bedürfnisse und Ängste, der unbewussten Verhaltensmuster, der Erfahrungen und Ansichten sowie der intentionalen Zustände (vgl. Kernberg und Caligor 2005; Posner et al. 2003). Die Persönlichkeit ist insofern eine dynamische Integration, als sie eine organisierte Verbindung mannigfacher, einander wechselseitig beeinflussender Eigenschaften und Erfahrungen darstellt – das Endprodukt der Koordination vielfältiger Dispositionen. So gesehen, bildet sie eine ungleich komplexere und differenziertere Entität als lediglich die Summe ihrer einzelnen Bestandteile.

Der Persönlichkeit liegt die Fähigkeit des menschlichen Organismus zugrunde, subjektive Zustände zu erleben, die den inneren Zustand des Körpers, aber auch die Wahrnehmung der äußeren Umwelt widerspiegeln, innerhalb deren dieser Körper lebt. Dazu zählen charakteristische psychische Funktionen wie Affekte(1), Wahrnehmung(1), Kognition(1), prozedurales und deklaratives(1) Gedächtnis sowie unterschiedliche funktionelle Ebenen der Selbstreflexion(1), die von der relativ simplen Spiegelung wahrgenommener und intendierter motorischer Bewegungen und wahrgenommener Sinneseindrücke bis zur komplexen selbstreflektierenden Beurteilung kognitiver und affektiver Zustände reichen.

In Kombination mit den Weiterentwicklungen, die in der Erforschung der genetischen Determiniertheit von Neurotransmittern(1), die unsere unterschiedlichen affektiven Zustände aktivieren und regulieren, erzielt wurden, erleichtern die – mit der Geburt des Kindes beginnende – Beobachtung der Interaktionsbeziehungen(1) von Babys und ihren Betreuungspersonen und die Beobachtung des psychischen Funktionierens während der frühen Entwicklung bis hinein ins Erwachsenenalter eine integrierte Sichtweise der Determinanten, die für die Persönlichkeit prägend sind. Die psychodynamische Untersuchung der intrapsychischen Beziehung zwischen Verhaltensweisen, Motivationszuständen, Phantasie und Wahrnehmung der psychosozialen Realität dient in Verbindung mit der Erforschung der für Affektaktivierung und -kontrolle zuständigen Hirnstrukturen sowie der Entwicklung der prozeduralen und deklarativen Gedächtnis- und kognitiven Fähigkeiten(1) unserem Verständnis als breiterer Kontext. Die Erforschung der Soziologie kleiner Gruppen und des psychischen Einflusses von Bildungs- und kulturellen Normen kann zusammen mit der Untersuchung spezifischer organischer und persönlichkeitsbezogener Pathologien als genereller Bezugsrahmen für die Beschreibung der dominanten Persönlichkeitsmerkmale und ihres harmonischen bzw. disharmonischen Funktionierens in Gesundheit und Krankheit dienen.

Persönlichkeitsforscher und -experten stimmen wahrscheinlich darin überein, dass die Persönlichkeit durch genetische und konstitutionelle Dispositionen(1) determiniert wird, die im Laufe der individuellen Entwicklung mit der jeweiligen Umwelt, insbesondere mit deren psychosozialen Elementen, interagieren. Gleichwohl bestehen zwischen den jeweiligen Feldern weiterhin gewaltige Unterschiede, was die Bestimmung der entscheidenden Persönlichkeitsdeterminanten und ihrer wechselseitigen Beeinflussung sowie ihre Beurteilung anlangt (Konner 2010; Widiger und Mullins-Sweatt 2005). Meiner Ansicht nach hängt das Haupthindernis, das den Fortschritt auf diesem allgemeinen Gebiet des menschlichen Wissens erschwert, mit dem verführerischen Reduktionismus zusammen, an dem die Formulierung theoretischer Bezugsrahmen – die dann wiederum die Entwicklung entsprechender Verfahren und Instrumente zur Erforschung der Persönlichkeit beeinflussen – nur allzu häufig krankt.

So ermöglichten psychoanalytische Untersuchungen von Persönlichkeitskonstellationen in der klinischen Praxis die Beschreibung schwerer Persönlichkeitsstörungen wie etwa der narzisstischen Persönlichkeitsstörung(1) (Akhtar 1992). Sie lagen auch bedeutsamen Fortschritten bei der Beschreibung jener Eigenschaften zugrunde, die für das gesamte Feld der Persönlichkeitsstörungen charakteristisch sind. Gleichzeitig aber hat die Vernachlässigung(1) nicht nur der neurobiologischen Determinanten von Motivationssystemen und intentionalen Zuständen, sondern auch der Umweltdeterminanten der Persönlichkeitseigenschaften zur Folge, dass die Bemühungen um eine zufriedenstellende, rein psychoanalytische Theorie der Persönlichkeit und ihrer Störungen eindeutig zu kurz greifen. In entsprechender Weise vernachlässigt die Reduzierung von Persönlichkeitsstudien auf die deskriptive Wiedergabe von Persönlichkeitsmerkmalen und die Faktorenanalyse von Clustern epidemiologisch vorherrschender Charaktereigenschaften(1) die tieferen Organisationsstrukturen des Verhaltens und greift deshalb gleichfalls zu kurz (Kernberg und Caligor 2012b). Diese Unzulänglichkeit spiegelt sich in den problematischen Bemühungen wider, eine solche Eigenschaftspsychologie zu spezifischen neurobiologischen Strukturen und Funktionen in Beziehung zu setzen, ohne die Komplexität der inneren psychischen Verhaltensorganisation zu berücksichtigen, die ebendiesen Eigenschaften je nach zugrundeliegender struktureller Dynamik eine völlig andere Bedeutung verleiht. Ein übervereinfachtes Modell der Persönlichkeitsmerkmale, die durch neurobiologische Charakteristika determiniert sind, in denen spezifische genetische Determinanten zum Ausdruck kommen, ist ebenso unbefriedigend wie ein übervereinfachtes, auf unbewussten Konfliktkonstellationen beruhendes psychodynamisches Modell. Die gleiche Kritik trifft meiner Ansicht nach auf andere Persönlichkeitstheorien zu, die es verabsäumen, der Komplexität der relevanten neurobiologischen und intrapsychischen Strukturen Rechnung zu tragen, z. B. auf ein simplizistisches Modell der normalen bzw. pathologischen psychosozialen Anpassung.

Im Folgenden versuchen wir, die Organisationsstruktur(1) der Persönlichkeit unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu beschreiben. Wir stützen uns dabei auf die Gruppenarbeit, die in den vergangenen 30 Jahren am Personality Disorders Institute des Weill Cornell Medical College stattfand. Die für Identität(1) und Identitätsstörungen(1) (Störungen des Selbst) wichtigsten Ergebnisse dieser Gruppe wurden mittlerweile in die Klassifizierung der Persönlichkeitsstörungen des DSM-5(1) (American Psychiatric Association 2015) aufgenommen. Die folgenden Ausführungen repräsentieren kein allumfassendes Verständnis der Persönlichkeitsbildung, sondern den Versuch, den verschiedenen grundlegenden wissenschaftlichen Entwicklungen, von denen unser wachsendes Verständnis dieses Gebietes profitieren kann, Rechnung zu tragen.

1.1 Die Komponenten der Persönlichkeit

Gemäß unserer Grundthese ist die Persönlichkeit(1) gewissermaßen eine Dachorganisation für eine kleine Anzahl entscheidender Einzelsysteme: Temperament, Objektbeziehungen, Charakter, Identität, ethische Wertsysteme sowie kognitive Fähigkeiten (Intelligenz).

1.1.1 Temperament

Ich halte das Temperament(1)(1) für das grundlegende konstitutive Element der Persönlichkeit, das durch die allgemeine psychische Reaktivität des Individuums, und zwar vor allem seine psychomotorische, kognitive und affektive Reaktivität, Ausdruck findet (Kernberg 1992; Panksepp 1998). Die affektive Reaktivität(1) bildet den fundamentalen Aspekt der psychischen Aktivität eines Menschen; als primäres Motivationssystem setzt sie das Individuum vor allem in Spitzenaffekt-Zuständen durch positive, belohnende oder aber durch negative, aversive Affektzustände zu seiner Umwelt in Beziehung. Neurobiologische Affektsysteme(1) werden in Reaktion auf organismische Erfordernisse aktiviert, die eine alternative oder eine zusätzliche Aktivierung weiterer Systeme einfordern. Ich beziehe mich hier speziell auf das Bindungs-Verlassenheitspanik-System(1), das Kampf-Flucht-System(1), das Spiel-Bonding-System(1), das erotische System(1), das Fütterungssystem(1) und das agentische Paniksystem(1) (Panksepp 1998; Wright und Panksepp 2012). Jede Reaktion dieser Systeme auf Bedürfnisse des Organismus entsteht durch die kombinierte Aktivierung spezifischer Hirnstrukturen und Neurotransmitter(2), insbesondere spezifischer neuroaktiver Peptide und Amine des serotinergen, des dopaminergen und des noradrenergen Systems.

Von zentraler Relevanz in der frühen Entwicklung ist das Bindungs-Verlassenheitspanik-System(2). Es motiviert das Baby, die Brust und den Körperkontakt mit der Mutter zu suchen, und bildet den Prototyp der Aufnahme von Beziehungen zu wichtigen Anderen (»Objektbeziehungen(1)«). Das System vermittelt die Herstellung internalisierter Repräsentationen dieser Interaktionen mit der Mutter in Form dyadischer, affektiver Erinnerungseinheiten, die sich im Kontext eines dominanten positiven oder negativen primären Affekts(1) aus Repräsentanzen des Selbst(1) und solchen des »Objekts(1)« aufbauen.

1.1.2 Charakter und Ich-Identität

Die internalisierten affektiven Erinnerungsspuren bilden die Grundbausteine der inneren Repräsentation von Beziehungen(1) zu wichtigen Anderen (Kernberg 1976). Die wiederholte Aktivierung sowohl extrem lustvoller als auch extrem unlustvoller, potenziell traumatischer affektiver Erfahrungen ist für die primäre Motivation, sich einem Objekt anzunähern oder es zu meiden, ausschlaggebend. Die moderne Bindungstheorie(1) beschreibt diese Motivationsstrukturen(1) als innere Verhaltensmodelle(1). Gemäß der psychoanalytischen Theorie organisieren sich solche primären »idealen« bzw. »ganz und gar bösen« internalisierten Objektbeziehungen(1) um diskrete Segmente maßgeblicher, entweder »idealisierter« oder gefürchteter (verfolgender) frühester Erfahrungen. Aus diesen internalisierten Repräsentationen von Beziehungen zu wichtigen Anderen – inneren Verhaltensmodellen – leiten sich habituelle Verhaltensmuster(1) her, deren dynamische Integration schließlich den Charakter konstituiert. Der Charakter(1) ist also die dynamisch integrierte Struktur habitueller Verhaltensmuster. Gleichzeitig kristallisiert sich die Ich-Identität – genauer, die Selbst-Identität(1)(1) – in der allmählichen Konsolidierung all der integrierten Repräsentanzen des Selbst, die sozusagen von einem integrierten Set der Repräsentanzen wichtiger Anderer umgeben sind, als übergreifendes, integriertes Bild des Selbst und der eigenen, habituellen Beziehungen zu wichtigen Anderen heraus.

Zusammenfassend ist bezüglich all der bislang beschriebenen Prozesse festzuhalten, dass das Temperament die Motivation zur Aktivierung interpersonalen Verhaltens widerspiegelt und die daraus resultierenden internalisierten Objektbeziehungen(2) die Entwicklung des Charakters und der Identität prägen: Charakter als die objektive, individualisierte Integration habitueller Verhaltensmuster, und Identität(2) als die subjektive Entsprechung des Charakters(1). Identität und Charakter sind wechselseitig komplementäre Ausdrucksformen der Organisation unseres psychischen Lebens.

In den Charaktermerkmalen oder -eigenschaften, den aus den inneren Einheiten der Selbst- und Objektrepräsentanzen(2)(2) hervorgehenden Ausdrucksformen innerer Verhaltensmodelle, spiegeln sich frühere Erfahrungen in gegenwärtigen, zumeist automatisiert funktionierenden Reaktionsweisen wider. Diese Charaktereigenschaften(1)(1) hängen zu unterschiedlichen Graden von Temperamentsdispositionen ab, die in der Vergangenheit Einfluss auf die affektive Gratifikation oder Frustration der Bedürfnisse und Wünsche des Individuums im Kontext seiner adaptiven Beziehungen zu wichtigen Anderen ausgeübt haben. Darüber hinaus können Charaktereigenschaften als Schutzreaktionen dienen, indem sie die Äußerung tieferer Bedürfnisse verhindern, falls diese im interpersonalen Feld als allzu riskant oder inakzeptabel gelten. Mit anderen Worten: Charaktereigenschaften(1) können eine Abwehrfunktion erfüllen und sich z. B. gegen Impulse richten, die auf ein Verhalten drängen, das der Eigenschaft krass zuwiderliefe.

So kann eine habituelle Schüchternheit(1) Ausdruck einer Abwehr projizierter aggressiver Impulse(1) sein. Das heißt, der Betreffende projiziert (1)eigene, intensive negative affektive Erfahrungen auf Andere, weil es ihm zu riskant erscheint, sie selbst in seiner Umwelt zu äußern. Allerdings kann Schüchternheit, um bei dem Beispiel zu bleiben, auch eine Abwehrreaktion gegen exhibitionistische Impulse(1) und die Äußerung erotischer Wünsche darstellen, die bewusst als nicht tolerierbar erlebt werden. Allgemein formuliert: Charaktereigenschaften können zur Abwehr unerträglicher, primitiver aggressiver(1) und erotischer Impulse(1) dienen, die mit frühinfantilen und kindlichen Erfahrungen zusammenhängen und in späteren Phasen der Persönlichkeitsentwicklung nicht länger ungehindert geäußert werden können (Kernberg und Caligor 2005).

Typisch für defensive Charaktereigenschaften(1) ist ihre Rigidität, d. h. ihre habituelle Aktivierung ungeachtet der Frage, ob sie in der jeweiligen Situation adaptiv sind oder nicht. Das Resultat ist eine Starrheit der Gesamtpersönlichkeit(1), die für viele Persönlichkeitsstörungen charakteristisch ist. Solche Eigenschaften geben u. U. Hemmungen in bestimmten Bereichen der – typischerweise sexuellen oder aggressiven – Affektäußerung(1) zu erkennen; in paradoxer Manier können Reaktionen gegen gefürchtete Triebimpulse(1) übertriebenen, kontraphobischen Verhaltensweisen(1) Vorschub leisten. Kurzum, defensive Charaktereigenschaften können inhibitorisch wirken, als kontraphobische Formationen dienen oder »Reaktionsbildungen(1)« darstellen. Insbesondere im Fall schwerer Persönlichkeitsstörungen treten Kombinationen aus inhibitorischen und reaktiven Formationen auf, die den für diese Störungen typischen chaotischen Verhaltensmustern(1) zugrunde liegen. Wie schon erwähnt, können bestimmte Eigenschaften konfliktfreie, dominante temperamentliche Dispositionen widerspiegeln, insbesondere Introversion(1) oder Extraversion(1). Charaktereigenschaften können Schicksale der wichtigsten Neurotransmitter zu erkennen geben, die die Aktivierung primärer Affektsysteme(1) beeinflussen, z. B. die Akzentuierung der Intensität negativer Affekte(1), der ein vermindertes Funktionieren des serotinergen Systems und eine genetisch determinierte Hyperreaktivität der Amygdala(1) auf aversive Wahrnehmungen zugrunde liegen.

Bislang habe ich Charaktereigenschaften mit der Aktivierung internalisierter Verhaltensmodelle in Verbindung gebracht, denen dyadische Einheiten der durch bestimmte Affekte – vor allem durch hochintensive Affektzustände – dominierten Selbst- und Objektrepräsentanzen(3)(3) entsprechen. Signifikantes Lernen(1) findet im Laufe der Entwicklung aber natürlich immer öfter in Affektzuständen niedriger Intensität statt, in denen direkte Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung der wahrgenommenen Umwelt ein Lernen erlauben, das von der affektiven Äußerung organismischer Bedürfnisse relativ unbeeinflusst ist. Mit anderen Worten: Charakterbildung beruht nicht ausschließlich auf »Spitzenaffekt(1)-Zuständen«. Allerdings entsprechen basale Affektzustände(1) basalen Motivationstendenzen(1), die wiederum letztlich durch die basalen neurobiologischen Systeme aktiviert werden, deren Funktion darin besteht, die mit Bindung, Füttern, Selbstschutz, Peer-Bonding und Sexualität zusammenhängenden Triebbedürfnisse(1) zu äußern.

Bislang habe ich dyadische Beziehungen(1) zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen beschrieben. Nun ist hinzuzufügen, dass triadische internalisierte Objektbeziehungen(1) von Anbeginn des Lebens – und nach und nach auf zunehmend artikulierte Weise – die ursprünglichen dyadischen Strukturen verkomplizieren und den Einsatz komplexerer Mechanismen der Identitätsbildung verlangen. Wenn Kinder die Beziehung zwischen ihrer Betreuungsperson und anderen wichtigen Menschen in ihrer psychosozialen Umgebung – Erwachsenen und Geschwistern – zu akzeptieren und zu verstehen lernen, beginnen sie, Interaktionen zwischen wichtigen Anderen zu beurteilen und sie via Projektion(1) zu ihren eigenen Erfahrungen in dyadischen Interaktionen in Beziehung zu setzen. Internalisierte dyadische Beziehungen unterliegen nun dem Einfluss, den die Wahrnehmung dyadischer Beziehungen in der unmittelbaren Umwelt des Individuums, gewöhnlich der Beziehung zwischen den Eltern, ausübt.

Anders formuliert: Trianguläre Beziehungen(1) tauchen auf und führen zu den in der psychoanalytischen Entwicklungstheorie beschriebenen signifikanten Konflikten rund um infantile Aggression(1), Sexualität(1) und Abhängigkeit(1). Sie sind hier von Interesse, weil sie eine realistischere Beurteilung des Selbst und wichtiger Anderer in der interpersonalen wie auch der inneren Welt der Objektbeziehungen(1) ermöglichen. Diese Entwicklungen fördern das Auftauchen idealisierter, d. h. unrealistischer, (1)Repräsentationen(4) des Selbst, die nach dem Vorbild der Gebote(1) und Verbote der Eltern, ihres Lobes und ihrer Kritik geformt werden. Schließlich entwickelt sich – begleitet vom Abbau primitiver Illusionen(1) des eigenen Gutseins, eigener Macht und Rechtschaffenheit und von einer allmählichen Internalisierung der Erwartungen, Gebote und Verbote – eine »moralistische« Beurteilung des eigenen Selbst(1) und erzeugt eine Spannung zwischen dem eigenen ersehnten Selbstgefühl(1) und dem realistisch wahrgenommenen Selbst. Die psychische Strukturierung dieser Spannung repräsentiert das in der psychoanalytischen Theorie beschriebene (1)Über-Ich (Jacobson 1978 [1964]).

1.1.3 Normale Identität und Identitätsdiffusion

Wie schon erwähnt, bildet der subjektive Aspekt der dynamischen Charakterorganisation die Identitätsentwicklung(1)(1). Ein ungemein wichtiger Entwicklungsprozess beginnt in den ersten zwei bis drei Lebensjahren und umfasst entscheidende Entwicklungen in der späten Kindheit und bis hinein in die Adoleszenz. Die Rede ist von der allmählichen Integration der Selbstrepräsentanzen(1) in ein dauerhaftes Selbstkonzept und der allmählichen Integration multipler Repräsentanzen wichtiger Anderer als ganze, vom Selbst getrennte Objekte. Dieser Entwicklungsprozess kommt der Fähigkeit zu Anteilnahme(1) und Empathie(1) zugute. Eine frühe Entwicklungsphase, in der belohnende, lustvolle Spitzenaffektzustände(1) und ihre entsprechenden internalisierten Objektbeziehungen(3) vollständig von negativen, aversiven Spitzenaffektzuständen(1) mit den frühen Betreuungspersonen abgetrennt sind, führt zur Konsolidierung zweier getrennter Segmente des psychischen Erlebens(1) – einer idealen oder idealisierten Wahrnehmung(1)(1) der intrapsychischen und äußeren Realität(1)(1) und andererseits einer furchterregenden, bedrohlichen, potenziell zerstörerischen und katastrophischen(1) Erfahrungswelt. Dieses angsterzeugende Segment des psychischen Erlebens wird zumeist nach außen projiziert und findet Ausdruck in einer diffusen Panik. Die Entwicklung mündet in die Konstruktion einer phantasmatischen, primitiven, verfolgenden äußeren Welt.

Beide Segmente der psychischen Erfahrung(1) repräsentieren den parallel erfolgenden Aufbau idealisierter und verfolgender dyadischer Einheiten, die mit der separaten Kanalisierung der entsprechenden kognitiv-affektiven Erinnerungen(1) zusammenhängen, die sich aus den jeweiligen Selbstrepräsentanz-Objektrepräsentanz-Dyaden(1) aufbauen. Wenn primitive psychische Mechanismen, die vor überwältigenden Ängsten(1) schützen sollen, später zu einer defensiven Aufrechterhaltung dieser gespaltenen Organisation führen, kann sich eine Charakterstruktur entwickeln, die auf den – von Melanie Klein (2000 [1946], 2000 [1957]) und ihrer Schule beschriebenen – primitiven Abwehrmechanismen(1) der Spaltung(1), projektiven Identifizierung(1), Verleugnung(1), primitiven Idealisierung(1), Entwertung(1) und omnipotenten Kontrolle(1) beruht. Diese primitiven Abwehroperationen lassen sich klinisch an den Verhaltensweisen von Patienten mit schwerer Persönlichkeitsstörung beobachten, aber auch in bestimmten Experimentalsituationen, z. B. in vollständig unstrukturierten kleinen und großen Studiengruppen, und unter extrem traumatischen sozialen Umständen.

Unter normalen Umständen jedoch, d. h. bei deutlicher Dominanz positiver Erfahrungen, die die Entwicklung von Grundvertrauen(1) in eine liebevolle und verlässliche Objektbeziehungswelt ermöglichen, fördern diese Erfahrung und eine zunehmend durch niedrige Affektaktivierung charakterisierte Lernumwelt die Verbindung positiver und negativer, idealisierter und verfolgender Repräsentanzen des Selbst(1)(1)(1)(1) und anderer Menschen. Die Dominanz positiver Erfahrungen ermöglicht es, dass das negative(1) Erfahrungssegment absorbiert, integriert und mentalisiert werden kann. Zwischen dem dritten und fünften bis sechsten Lebensjahr konsolidiert sich gewöhnlich ein integriertes Selbstbild im Kontext eines realistischeren, besser integrierten Bildes der wichtigen Anderen: eine normale Identität (Kernberg und Caligor 2012a).

Aus dem Scheitern dieses Prozesses resultiert das Syndrom (1)der Identitätsdiffusion. Dabei kommt es zu einer permanenten Spaltung(1) zwischen dem idealisierten und dem verfolgenden Erfahrungsbereich. Das Syndrom der Identitätsdiffusion zeigt sich klinisch in einer Unfähigkeit des Patienten, sein Selbst und wichtige andere Menschen in seinem Leben für einen Außenstehenden auf kohärente, integrierte Weise zu beschreiben (Kernberg und Caligor 2012a). Diese Unfähigkeit spiegelt sich psychopathologisch in chaotischen Verhaltensmustern wider, in schweren Unsicherheitsgefühlen, raschen Schwankungen der Selbsteinschätzung(1) und der Selbstachtung(1) sowie in einer Unsicherheit, was die eigenen Interessen und Verpflichtungen angeht. Aus dem gleichen Grund bereitet es diesen Patienten erhebliche Schwierigkeiten, sich beruflich wirklich zu engagieren oder sich auf intime, reife Beziehungen einzulassen, in denen Sex und Liebe nicht voneinander abgespalten werden müssen. Ihre interpersonalen Beziehungen zu wichtigen Anderen sind entsprechend instabil und chaotisch, weil diesen Patienten die Fähigkeit fehlt, über eine oberflächliche Beurteilung anderer Menschen hinauszugelangen, und ihre Selbst(1)- und Fremdwahrnehmung(1) raschen inneren Schwankungen unterliegt.

Die fehlende Integration des Selbst und der Repräsentationen wichtiger Anderer ist ein entscheidendes ätiologisches Merkmal der Charaktereigenschaften der verschiedenen Prototypen schwerer Persönlichkeitsstörungen. Wir sprechen bei diesen Patienten von einer Borderline-Persönlichkeitsorganisation.(1)Im Unterschied dazu bezeichnen wir jene Persönlichkeitsstörungen, bei denen zwar signifikante rigide, defensive, pathologische Eigenschaften vorliegen, aber kein Syndrom der Identitätsdiffusion, als neurotische Persönlichkeitsorganisation.(1)Bei diesem Typus handelt es sich um Persönlichkeitsstörung weniger schweren Grades.

Unter dieser allgemeinen Perspektive betrachtet, entspricht die in der DSM-5-Klassifizierung der Persönlichkeitsstörungen als zentrales Kriterium des Schweregrades von Persönlichkeitsstörungen vorgeschlagene Identitätsstörung – (2)definiert durch die Kombination von mangelnder Integration des Selbst und der willentlichen Selbstbestimmung und durch anomale interpersonale Beziehungen, denen eine mangelnde Fähigkeit zu Empathie(1) und Intimität zugrunde liegt – eindeutig dem Syndrom der Identitätsdiffusion(2) (Kernberg und Caligor 2012a).

1.1.4 Ein integriertes System ethischer Werte (Über-Ich)

Im Anschluss an (1)diese Beschreibung der einzelnen Komponenten der Persönlichkeit, also Temperament, Charakterbildung und Identität, wende ich mich nun erneut dem Erwerb einer inneren »moralischen« Struktur(1) zu, die in einer Verpflichtung an ethische Werte und universell anerkannte ethische Prinzipien in den Beziehungen zu wichtigen Anderen und im sozialen Leben generell Ausdruck findet. Wertesysteme und ethische Verantwortung geraten in Konflikt mit den praktischen Erfordernissen unserer direkten Interaktionen mit der uns umgebenden menschlichen Gesellschaft und weisen über sie hinaus. Diese Komponente der Persönlichkeit entspricht in etwa dem Freud’schen Über-Ich.(2) Das Freud’sche Es wiederum,(1)(1) also das dynamische Unbewusste, entspricht der Gesamtheit unserer primitiven aggressiven und sexuellen Bedürfnisse(1)(1) und Abhängigkeitswünsche sowie den entsprechenden ersehnten bzw. gefürchteten primitiven Objektbeziehungen(1), die im Zuge der Konsolidierung der Ich-Identität(1) für das Bewusstsein inakzeptabel werden. Die aktive Zurückweisung solcher unerträglichen Bedürfnisse und Ängste bewirkt, dass sie durch Verdrängung und andere, weiterentwickelte Abwehroperationen, die erst durch die Verankerung einer Ich-Identität(2) möglich werden, aus dem Bewusstsein verbannt werden. Das Freud’sche Ich erfüllt, unter dem Blickwinkel der Persönlichkeitsorganisation(1) betrachtet, die Funktionen der Identität – das heißt, es wird durch ein integriertes Selbst und seine aus internalisierten, integrierten Objektrepräsentanzen(1)(1) bestehende Umwelt konstituiert. Mit anderen Worten: Das Selbst und seine innere Objektbeziehungswelt bestimmen letztlich die Organisation der Charaktereigenschaften, die die harmonische Aktivierung funktionierender, intimer, empathischer und stabiler Beziehungen zu wichtigen Anderen erlauben.

Das Über-Ich(3) ist eine komplexe Struktur, deren Pathologie als wichtiger Indikator des Schweregrades – und der psychotherapeutischen Prognose – von Persönlichkeitsstörungen dient. Was die Internalisierung ethischer Wertesysteme(1) betrifft, so verdanken wir die Klärung der sich nach und nach entwickelnden Verankerung dieses Persönlichkeitssegments meiner Ansicht nach dem Werk von Edith Jacobson. Ich fasse deren allgemeine Schlussfolgerungen hier zusammen.

Der früheste Vorläufer des Über-Ichs entsteht laut Jacobson (1978 [1964]) durch die Internalisierung der allerersten Verbote, dem klaren »Nein!«, mit denen die Mutter in der Interaktion mit ihrem Baby auf Verhaltensweisen zu reagieren pflegt, die das Kind ihrer Meinung nach in Gefahr bringen könnten. Die phantasmatischen(1) Verzerrungen solcher frühen Verbote(1) in Verbindung mit der Aktivierung intensivster negativer Affekte(1), die zum verfolgenden Segment der frühen Erfahrung(1) gehören, leiten sich aus der Kombination von Projektionsmechanismen und äußerer Frustration her. Zusätzlichen Nachdruck erhalten die Verbote, weil das Baby sie unter dem Eindruck solcher Projektionsmechanismen missversteht und fehlinterpretiert. Diese erste, negative Schicht internalisierter Verbote(1) stimuliert primitive, implizit lebensbedrohliche phantasierte Gefahren und Strafen, die sich unter dem Einfluss des aktivierten Bindung-Verlassenheitspanik-Systems vorwiegend auf die Angst, ausgesetzt und im Stich gelassen zu werden, konzentrieren. Die Internalisierung dieser Verbote bedeutet, dass sie als Mechanismus akzeptiert werden, der vor den größeren Gefahren des Verlassen- oder gar Vernichtet-Werdens schützt. Bei schweren Traumatisierungen(1), physischer Misshandlung(1), sexuellem Missbrauch(1) oder ständigem Miterleben von Misshandlungen und Missbrauch Anderer kann ein solches früh internalisiertes negatives Grundgefühl einer drohenden Lebensgefahr wesentlich dominanter werden, als es unter normalen Bedingungen der Fall ist.

Diese erste, primitive Ebene internalisierter Verbote beginnt, sowohl die positiven als auch die negativen Segmente der frühen Erfahrung zu beeinflussen. Sodann baut sich unter dem Einfluss positiver Spitzenaffektzustände(1) und bei niedriger Affektintensivierung(1) nach und nach eine zweite Erfahrungsebene auf, die die Umwelterwartungen an »gutes« Verhalten widerspiegelt. Die lobende Anerkennung des kindlichen Verhaltens – durch Stimulierung, Belohnungen und Dankbarkeit seitens der Elternobjekte(1) – fördert Verhaltensweisen, die das Kleinkind schließlich aufgrund der mit ihnen assoziierten Belohnungen als ideal zu betrachten lernt. Diese Ebene konstituiert das frühe (1)Ich-Ideal. Es entsteht durch die Internalisierung der fordernden und belohnenden Aspekte der als ideal wahrgenommenen Imagines wichtiger Anderer und als Resultat der Entwicklung realistischerer »idealer« Selbstrepräsentanzen(1), die durch eine allmähliche Abschwächung und Integration der idealisierten und verfolgenden Selbstsegmente(1)(1) ermöglicht wird.

Die Formierung des Ich-Ideals als internalisierte Struktur stärkt ein Gefühl der Sicherheit, des inneren Guten und der warmherzigen Verbundenheit mit wichtigen Anderen. Diese Struktur wirkt nach und nach neutralisierend auf das sehr primitive, verfolgende Erfahrungssegment(1) im Über-Ich ein. Während des gesamten zweiten und dritten Lebensjahres vollzieht sich die Integration der primitivsten verfolgenden und der sekundären idealisierten Ebene realistischer und phantasierter, erwünschter und gefürchteter Gebote und Verbote. Diese Neutralisierung negativer Erfahrungen(1) reduziert die Projektionsprozesse und erleichtert den inneren Aufbau einer dritten Ebene der Gebote und Verbote. Ebendies beschrieb Freud (1923b) als fortgeschrittene ödipale Entwicklungsstufe, die sich (1)etwa zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr konsolidiert.

Diese dritte, realistischere Ebene internalisierter Gebote(1)(2) und Verbote enthält bereits viele Erwartungen der Herkunftsfamilie, in denen sich die kulturellen Erwartungen der unmittelbaren sozialen Umgebung und deren spezifische ethnische, soziale, nationale oder religiöse Traditionen und Vorurteile widerspiegeln. Mit Beginn des Schulbesuchs (gemäß der klassischen psychoanalytischen Theorie (1)(1)die Latenzjahre) hat dann eine hinreichende Integration dieser verschiedenen Ebenen internalisierter Wertesysteme unter der Dominanz der dritten, realistischeren und komplexeren, stattgefunden. Sie ermöglicht es dem Kind, ein von seinem Umfeld vertretenes soziales Wertesystem zu übernehmen, das Verhalten nach Maßgabe von Eigenverantwortlichkeit, Gerechtigkeit und Rücksichtnahme auf Andere reguliert.

In den Jahren bis zur Adoleszenz findet ein allmählicher Prozess der Entpersönlichung, Abstrahierung und Individualisierung des Über-Ichs(1)(1) statt, mit anderen Worten: Die Abstrahierung/allgemeine Integration von Wertesystemen hängt nicht länger von den mit einer spezifischen Elternimago verknüpften konkreten Geboten oder Verboten ab (Jacobson 1978 [1964]). Charakteristisch für die Heranwachsenden sind nun tiefe, unbewusste Dispositionen aus den Jahren der frühen Kindheit sowie später erfolgte vorbewusste und bewusste Identifizierungen(1) mit Wertesystemen, die das Kind zuhause, in der Schule und in seiner sozialen Gruppe erworben hat. Wenn dann schließlich in der Frühadoleszenz(1) durch die Aktivierung intensiver sexueller Strebungen sexuelle Impulse(1), Phantasien, Ängste und Wünsche aus der frühen Kindheit wiederbelebt werden und die sekundären Geschlechtsmerkmale(1) zu reifen beginnen, vollzieht sich eine tiefgreifende Veränderung. Die infantilen, gegen Sexualität(2) und Aggression(1) gerichteten Verbote müssen nun modifiziert und den Anforderungen angepasst werden, die für intime Beziehungen unter erwachsenen Menschen gelten. Dieser Prozess erfolgt unter dem Eindruck von Triebwünschen(1) und den Bemühungen, sie mit der Identitäts- und Charakterentwicklung sowie mit den bewussten und unbewussten Wertesystemen, die das entwickelte, integrierte Über-Ich(1) repräsentiert, in Einklang zu bringen. Kurzum, die Entwicklung eines internalisierten Systems ethischer Prinzipien resultiert aus spezifischen Aspekten jener internalisierten Objektbeziehungen(4), in denen unterschiedliche Ebenen mannigfaltiger Gebote und Verbote die Identifizierung des Kindes mit den moralischen und ethischen Werten seiner Herkunftsfamilie und sozialen Umgebung einleiten.

Unter pathologischen Umständen können Persönlichkeitsstörungen(1) unterschiedlichen Schweregrades die Integration dieses internalisierten Systems ethischer Werte beeinträchtigen und zur Entwicklung unterschiedlicher Ebenen der Psychopathologie führen. Eine Identitätsdiffusion(3) kann sich unter der Vorherrschaft stark ausgeprägter aggressiver Impulse(1) fixieren, ganz gleich, ob diese aus einer genetisch determinierten, temperamentsbedingten Dominanz negativer Affekte(1) bei mangelnder kognitiver Kontrolle und Kontextualisierung der Affekte resultieren, aus hochgradig pathologischen Bindungserfahrungen(1) oder aus einer traumatischen frühen Kindheit. Die fehlende Identitätsintegration(1) beeinträchtigt dann die Integration der verschiedenen Ebenen des Über-Ich-Systems. Dessen erste, verfolgende Ebene erhält durch aggressive internalisierte Objektbeziehungen(1) eine exzessive Dominanz; die relative Schwäche des Ich-Ideals(1) erschwert die Integration beider Ebenen und führt zu einer dauerhaften Dominanz der ersten, verfolgenden Ebene des Über-Ichs(1). Auch die Verankerung der dritten, höheren Ebene ethischer Werte wird dadurch in Mitleidenschaft gezogen – eine Konsequenz der exzessiven Projektion früherer negativer Über-Ich-Eigenschaften. In klinischer Hinsicht prädisponiert diese innere Situation zur Aktivierung ich-syntonen aggressiven, antisozialen Verhaltens.

Die Entwicklung antisozialen Verhaltens(1) ist tatsächlich die gravierendste Komplikation der schwersten Form der Borderline-Persönlichkeitsorganisation(1) und, was die Psychotherapie betrifft, verantwortlich für eine schlechte Behandlungsprognose. Antisoziales Verhalten zerstört die Fähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, ebenso wie die Dämpfung der affektiven Äußerung eigener emotionaler Bedürfnisse, die bei Bedingungen, unter denen die Identitätsentwicklung(2) normal verlaufen kann, die Integration des Über-Ichs fördert. Bei normaler Über-Ich-Integration, aber starker Einwirkung exzessiver Schuldgefühle wegen eigener Triebimpulse, kann die frühe Über-Ich-Ebene das Ich-Ideal durch die Entwicklung sadistischer Perfektionserwartungen(1)(1) »kontaminieren«. Unter diesen Umständen können die in der Entwicklung der dritten Über-Ich-Ebene gegen die infantile Sexualität(1) gerichteten Verbote als exzessiv prohibitiv empfunden werden, so dass ein integriertes, aber sadistisches Über-Ich(1) sexuelle und aggressive Impulse(1)(1) sowie Abhängigkeitsbedürfnisse hemmt. Das Resultat ist eine defensive Charakterstruktur(2), wie sie für das höhere Niveau der Persönlichkeitsstörungen (neurotische Persönlichkeitsorganisation) charakteristisch ist.

Zusammenfassend und vereinfachend können wir die dominanten ätiologischen Merkmale der Persönlichkeitsstörungen(2) unterschiedlichen Schweregrades dahingehend beschreiben, dass auf der Ebene der Borderline-Persönlichkeitsorganisation(2) Konflikte (welchen Ursprungs auch immer) im Zusammenhang mit aggressiven Impulsen(2) vorherrschen. Auf einer höheren Entwicklungsebene dominieren mit der Formierung einer normalen Identität Konflikte im Zusammenhang mit infantiler Sexualität und Abhängigkeit in der Pathologie der neurotischen Persönlichkeitsorganisation(2) (Kernberg und Caligor 2012a). Diese – freilich sehr allgemein formulierte – Aussage trifft auf ein breites Variantenspektrum der individuellen Lebensgeschichte und Entwicklung zu.

1.1.5 Intelligenz

Die letzte wesentliche Komponente der Persönlichkeit ist das kognitive Potenzial des Individuums, seine Intelligenz, d(1)ie insbesondere im Grad der Abstraktionsfähigkeit Ausdruck findet. Man geht ganz allgemein davon aus, dass das Intelligenzniveau sowohl von der genetischen Disposition als auch von frühen Erfahrungen abhängig ist. Die Stimulation der kognitiven Prozesse und der Sprachentwicklung(1) sowie das explizite, aufmerksame Eingehen auf die Motivationen, Denkprozesse und Phantasien(1) des Kindes üben einen fundamentalen Einfluss auf die Entwicklung seiner kognitiven Fähigkeiten(1) aus. Im Allgemeinen kommt ein hohes kognitives Potenzial einer zunehmend realistischen und subtilen Wahrnehmung der Umwelt sowie der Fähigkeit zugute, auf kognitive Hinweisreize angemessen zu reagieren. Die genetisch determinierte Entwicklung des präfrontalen und präorbitalen Kortex, der anterioren kortikalen Mittellinienstrukturen und der Sprachzentren des Gehirns(1) ist von maßgeblicher Bedeutung für die gezielte Kontrolle und trägt zur Modulierung affektiver Reaktionen(1) bei (Silbersweig et al. 2007).

Die kognitive Kontrolle kann die Auswirkungen einer gravierend traumatischen Umwelt zwar lindern, doch die Intelligenz kann das Trauma unter solch pathologischen Umständen sogar noch verstärken, nämlich durch die Entwicklung komplexer, verzerrter kognitiver Interpretationen dieser Umwelt. Kognitive Systeme der Rationalisierung pathologischer Charakterzüge wiederum können unangemessene Anpassungsstrategien, die im Kontext schwerer Persönlichkeitsstörungen(1) entwickelt werden, erheblich verstärken. In der klinischen Praxis begegnen uns Patienten mit Persönlichkeitsstörungen jeden Schweregrades mit sehr hoher ebenso wie mit sehr niedriger Intelligenz. Hohe Intelligenz ist, was die Möglichkeit der psychotherapeutischen Behandlung und die Ebene der allgemeinen sozialen Anpassung(1) betrifft, die u. a. im Bildungsgang und im Niveau der beruflichen Tätigkeit Ausdruck findet, prognostisch günstig.

Wenn wir sowohl die normale Persönlichkeitsentwicklung als auch die Ätiologie von Persönlichkeitsstörungen(1) in den Blick fassen, können wir im Grunde zwei Organisationsebenen des psychischen Lebens unterscheiden. Da wäre erstens eine neurobiologische Entwicklungsebene, die die Organisation basaler neurobiologischer, im psychischen Leben Ausdruck findender Strukturen vorgibt. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Entwicklung der Wahrnehmung und des Gedächtnisses(1), die Aktivierung des Bewusstsein(1)s und – von grundlegender Bedeutung – die Entwicklung von Affektsystemen(1), die die Homöostase aufrechterhalten und zum primären Motivator der Objektbeziehungen(2) werden. Diese basale Ebene der psychischen Entwicklung(1) wird um eine sekundäre Organisationsebene auf rein symbolischem, intrapsychischem Niveau ergänzt, die wir treffend als den allmählichen Aufbau einer inneren W(1)elt beschreiben können, deren Zentrum die persönliche Identität und die realistische Wahrnehmung und libidinöse Besetzung(1) einer Welt wichtiger Anderer bilden. Diese innere Welt organisiert die erfolgreiche Äußerung elementarer Triebbedürfnisse(1), die Autonomie und Selbstbehauptung(1) sowie befriedigende Beziehungen zur sozialen Umwelt. Sie umfasst sexuelle Intimität, Liebesbeziehungen, Freundschaften, Engagement und Verantwortungsbewusstsein, Effektivität und Zufriedenheit im Beruf und persönliche Kreativität. Unser Verständnis der Ätiologie von Persönlichkeitsstörungen(2), ihrer Interaktions- und Organisationsmechanismen sowie ihres Behandlungspotenzials wirft Licht auf die Beeinträchtigungen, die sie für diese Entwicklungen mit sich bringen, und auf die Grenzen unserer Behandlungsmöglichkeiten. Fortschritte in all diesen Bereichen setzen voraus, dass beide Systeme, das neurobiologische ebenso wie das intrapsychische, mitsamt ihrer wechselseitigen Beeinflussung in Normalität, Pathologie und Behandlung Berücksichtigung finden.

Literatur

Akhtar, S. (1992). Broken Structures: Severe Personality Disorders and Their Treatment. Northvale, NJ (Jason Aronson).

American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th Edition. Arlington, VA (American Psychiatric Association).

American Psychiatric Association (2015 [2013]). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. DSM-5. Deutsche Ausgabe hg. von P. Falkai und H.-U. Wittchen. Göttingen (Hogrefe).

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2 Übersicht und Kritik der für das DSM-5 vorgeschlagenen Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen

2.1 Hintergrund

Die Work Group on Personality and Personality Disorders for DSM-5(2)(1) (American Psychiatric Association 2013) formulierte zu Beginn ihrer Arbeit mehrere Grundannahmen. Erstens hatte sich die DSM-IV-Klassifikation (American Psychiatric Association 1994) aufgrund der hohen Komorbidität zwischen den verschiedenen Persönlichkeitsstörungen und der Tatsache, dass in der klinischen Praxis am häufigsten die »Nicht Näher Bezeichnete Persönlichkeitsstörung(1)(1)« diagnostiziert wurde, als nicht zufriedenstellend erwiesen. Zweitens bestand in der Arbeitsgruppe eine hartnäckige dynamische Spannung zwischen empirischen Forschern, die Klassifikationssysteme für die Persönlichkeitseigenschaften normaler Populationen entwickeln wollten, und Klinikern, denen es um ein Klassifikationssystem zu tun war, das den in klinischen Settings beobachteten Störungskonstellationen der Persönlichkeit gerecht werden sollte.

Zahlreiche faktoranalytische Untersuchungen mit großen Samples bestätigen übereinstimmend das »Fünf-Faktoren-Modell« (FFM) zur Beschreibung der wichtigsten Dimensionen, die das differenzielle Profil der Persönlichkeitsstrukturen(1)(1) in einer Normalbevölkerung bestimmen. Diese fünf Dimensionen sind Offenheit für Erfahrungen(1), Gewissenhaftigkeit(1), Extraversion(2), Verträglichkeit(1) und Neurotizismus(1). Die klinische Psychiatrie und Psychologie hingegen identifizierten bestimmte dominante Konstellationen pathologischer Persönlichkeitseigenschaften, die sich in differenzielle Kategorien von Persönlichkeitsstörungen übersetzen lassen, auch wenn Patienten Merkmale mehrerer Störungen aufweisen können. Diese klinischen Kategorien haben je unterschiedliche prognostische und therapeutische Implikationen. Kurzum, die konkurrierenden dimensionalen und kategorialen Klassifikationssysteme sorgten für eine signifikante Dynamik in den für die Erarbeitung des DSM-III, -IV und -5 zuständigen Komitees und Arbeitsgruppen (American Psychiatric Association 1980, 1994, 2013).

Das DSM-IV(1) war ein rein kategoriales System. Die zehn beschriebenen Persönlichkeitsstörungen(1) repräsentierten klar abgegrenzte Entitäten, jeweils charakterisiert durch eine bestimmte Anzahl von Eigenschaften, so dass jede Diagnose auf einer spezifischen Kombination solcher Eigenschaften beruhen konnte. Die grundlegende Heterogenität mindestens eines Teils dieser Störungen wurde durch die Tatsache illustriert, dass Eigenschaftskombinationen, die eine bestimmte Kategorie repräsentierten, in anderer Form die Diagnose einer anderen Kategorie determinieren konnten.

Im Falle des DSM-5 arbeitete die Work Group on Personality und Personality Disorders unter strenger Weisung der Gesamtleitung des DSM-5, um das kategoriale System des DSM-IV durch ein dimensionales zu ersetzen (Kupfer et al. 2002). Neben der Unzufriedenheit mit dem kategorialen Klassifikationssystem des DSM-IV spielten weitere, grundsätzliche Überlegungen eine Rolle. Erstens sollte die Suche nach einem neuen Klassifikationssystem konkrete Verhaltenseigenschaften mit mutmaßlich zugrundeliegenden neurobiologischen Dispositionen und Funktionen sowie mit der Möglichkeit verbinden, die Disposition für eine spezifische Persönlichkeitsstörung(1) anhand neurobiologischer und genetischer Marker zu identifizieren (Donaldson und Young 2008). Diese Bemühungen entsprachen einer starken Betonung der translatorischen Forschung, die Psychopathologie zum neurobiologischen Funktionieren und zur Pathologie im neurobiologischen Bereich in Beziehung setzt. Zweitens – und weniger explizit, aber als grundlegender ideologischer Einfluss von Belang – spiegelte diese Orientierung lange, hartnäckige Auseinandersetzungen zwischen den neurobiologischen und den psychodynamischen Disziplinen wider, aber auch den wachsenden Nachdruck, mit dem die neurobiologische Psychiatrie den Einfluss klinischer psychodynamischer Konzepte und Erkenntnisse auf das Klassifikationssystem der Persönlichkeitsstörungen zurückdrängte, um es mit dem dramatischen Zuwachs an Kenntnissen über die genetische und neurobiologische Grundlage wesentlicher Bereiche der klinischen Psychiatrie in Einklang zu bringen (Krueger et al. 2022; Skodol et al. 2011).

2.2 Eine entscheidende Kompromisslösung

Die dynamische Spannung zwischen Forschern, deren Interesse den empirischen Studien über normale Populationen galt, weil sie diese Erkenntnisse zu den vorherrschenden Prototypen der Persönlichkeitsstörungen(1) in Beziehung setzen wollten, und den Vertretern der klinischen Psychiatrieforschung, denen es darum ging, die im DSM-IV beschriebenen Hauptkategorien, die sie durch ihre Erfahrung bestätigt sahen, zu erhalten, führte zu einem Kompromiss. Dieser enthielt eine wichtige, maßgebliche neue Entwicklung, nämlich die Einigung über einen gemeinsamen elementaren Faktor sämtlicher Persönlichkeitsstörungen, der als Hauptkriterium für die Beurteilung des Schweregrades einer jeden Persönlichkeitsstörung dient: die Integration bzw. fehlende Integration des (1)Selbst (d. h. des Grades an Normalität oder Pathologie in den Beziehungen des Individuums zu anderen Menschen) (Bender et al. 2011). Die quasi alltägliche Beobachtung, dass Patienten mit Persönlichkeitsstörungen Schwierigkeiten haben, sich selbst und ihre Beziehungen zu wichtigen Anderen zu begreifen und zu handhaben, wurde hier zum allerersten Mal überhaupt als ein Grundcharakteristikum der Persönlichkeitsstörungen anerkannt. Dass diese Dimension expliziert, operationalisiert und klinisch in Bezug auf den Störungsgrad evaluiert werden konnte, stellte sowohl die Befürworter eines empirisch basierten dimensionalen Systems als auch – und insbesondere – die psychodynamisch orientierten Psychotherapeuten zufrieden, die diese Dimension seit mehr als 40 Jahren in ihrer therapeutischen Arbeit und bei der Beurteilung von Patienten mit Persönlichkeitsstörungen beobachtet, beschrieben und benutzt haben (Kernberg 1983 [1975], 1988 [1980]).

Was die Differenzierung zwischen den wesentlichen Persönlichkeitsprototypen betrifft, so führte das Ringen zwischen den Klinikern, die die Kategorien des DSM-IV-Systems beibehalten wollten, und den Forschern, die das Fünf-Faktoren-Modell auf die klinischen Prototypen pathologischer Persönlichkeitsstrukturen anwenden wollten, zu einem Kompromiss. Von den zehn DSM-IV-Persönlichkeitsprototypen sollten einige beibehalten werden, deren Wert als Prototypen durch signifikante empirische Forschung zu bestätigen wäre und die, was ihre Häufigkeit in der klinischen Praxis anlangt, klinisch bedeutsam sind (Skodol et al. 2011). Dies führte erstens zur Beibehaltung der schizotypen, der antisozialen, der Borderline-, der vermeidend-selbstunsicheren sowie der zwanghaften Persönlichkeitsstörung – fünf der ursprünglich zehn Kategorien.

Diese ohnehin unter beträchtlichen Spannungen und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Arbeitsgruppe zustande gekommene Entscheidung zog eine kleine Krise nach sich, weil die narzisstische Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen werden sollte, obwohl sie Gegenstand zahlreicher empirischer Studien war und in der klinischen Praxis sehr häufig gesehen wird! Bei aller Fairness ist doch festzuhalten, dass dieser angestrebte Ausschluss die in der Arbeitsgruppe vorherrschende anti-psychodynamische Einstellung zum Ausdruck brachte, denn die klinische Beschreibung, die Erforschung der Psychopathologie und die empirische Untersuchung der Merkmale dieser Störung erfolgten überwiegend durch psychodynamisch orientierte Forscher und Kliniker (Russ et al. 2008). Schließlich wurde die narzisstische Persönlichkeitsstörung als sechste Kategorie der DSM-5-Nomenklatur vorgeschlagenen (Ronningstam 2011).

2.3 Die ausgeschlossenen Kategorien

Die Arbeitsgruppe beschloss, die ausgeschlossenen DSM-IV-Persönlichkeitsstörungen(1) – paranoide(1), schizoide, histrionische und abhängige Persönlichkeitsstörung(1)(1)(1)(1) sowie die im Anhang des DSM-IV aufgeführte depressive und negativistische Persönlichkeitsstörung(1) und die Kategorie der nicht näher bezeichneten Persönlichkeitsstörung(2)(2) – unter die Diagnose einer »merkmalspezifischen Persönlichkeitsstörung(1)(1)« zu subsumieren. In der Praxis hätte dies dem Kliniker anheimgestellt, eine Persönlichkeitsstörung auf der Basis einer Pathologie des Selbst und der Beziehungen zu Anderen zu diagnostizieren und die Beschreibung der Persönlichkeitsstörung durch Verwendung der spezifischen, von den entsprechenden pathologischen Merkmalen abgedeckten Eigenschaften auf den jeweiligen Patienten »zuzuschneiden« (Skodol et al. 2011).

Dass der Ausschluss von Persönlichkeitsstörungen mit einer langen Geschichte signifikanter klinischer Beobachtungen und spezifischer therapeutischer Interventionen ernste Fragen aufwirft, versteht sich von selbst. Dies gilt etwa für die paranoide(2) und die histrionische Persönlichkeitsstörung(2), wobei letzterer ein breites, in der psychodynamischen Literatur beschriebenes pathologisches Spektrum entspricht, das von der hysterischen(1) bis zur infantilen Persönlichkeitsstörun(1)g und zur depressiven Persönlichkeitsstörung reicht, die mit Blick auf psychodynamische Psychotherapien eine günstige Prognose hat. Das über die paranoide Persönlichkeitsstörung(3) in den vergangenen Jahren keine wichtige Studie durchgeführt wurde, ist als Begründung für ihren Ausschluss problematisch. Unter dem Blickwinkel psychodynamisch orientierter Befürworter einer kategorialen Nomenklatur war die Wiedereinbeziehung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung(2) eine bedeutsame positive Entwicklung, die der klinischen Realität Rechnung trug. Kliniker werden die histrionische Persönlichkeitsstörung(3) möglicherweise nach wie vor als eine wenige schwere Form der Borderline-Persönlichkeitsstörung betrachten und die schizoide Persönlichkeitsstörung(2) für eine weniger schwere Form der schizotypen(1) und sie in ihrer Praxis entsprechend kontextualisieren.

Für neurobiologisch orientierte Forscher und diejenigen, die das dimensionale Klassifikationssystem bevorzugen, scheint der Einfluss des Fünf-Faktoren-Modells durch die Beziehung der Faktoren Gewissenhaftigkeit(2), Extraversion, Verträglichkeit(2) bzw. Neurotizismus(2) zur zwanghaften Persönlichkeit(1), zur vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeit(1) (für die das Gegenteil der Extraversion(3), nämlich Distanziertheit(1), typisch ist), zur antisozialen Persönlichkeit(1) als Ausdruck von Antagonismus (das genaue Gegenteil von Verträglichkeit) und zur Borderline-Persönlichkeit(1) als Ausdruck von Neurotizismus(3) im Sinne einer negativen, Labilität und emotionale Fehlregulation widerspiegelnden Affektivität relativ gesichert. Insofern Gewissenhaftigkeit als genaues Gegenteil von Enthemmung, ausgedrückt durch Impulsivität, betrachtet wird, verwiese sie auf eine weitere Beziehung zwischen Persönlichkeitsstörungen und dem Fünf-Faktoren-Modell(1) (Widiger 2011). Zu erwähnen ist auch, dass der Faktor Offenheit, der tatsächlich auch eine Offenheit für ungewöhnliche, idiosynkratische, bizarre Ideen bezeichnete und mit der schizotypen Persönlichkeitsstörung(2) zusammenzuhängen schien, so viele methodologische und konzeptuelle Fragen aufwarf, dass er verworfen wurde. Ein neuer Faktor, »Psychotizismus(1)«, stand fortan für die faktorielle Persönlichkeitsdimension, welche die schizotypen Persönlichkeitsstörungen widerspiegeln. Kurzum, mit Ausnahme der narzisstischen Persönlichkeitsstörung(3) konnte das Fünf-Faktoren-Modell entweder durch direkte Repräsentation dieser Faktoren im klinischen Bild oder durch ihre Äußerung in Form des genauen Gegenteils zu den basalen Persönlichkeitsbereichen in Beziehung gesetzt werden, die den ins DSM-5 aufgenommenen Persönlichkeitsstörungen zugrunde liegen.

2.4 Das umfassende »Alternative Modell«

Das »Alternative DSM-5-Modell(1)(1) zur Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen« enthält zwei grundlegende Beurteilungen, und zwar erstens des Funktionsniveaus der Persönlichkeit einschließlich einer Beurteilung des Selbst und des interpersonalen Funktionierens. Zweitens führt es die diagnostischen Kriterien für die sechs ausgewählten spezifischen Störungskategorien auf.

Die Beurteilung des Schweregrades der Pathologie des Selbsterlebens(1) umfasst folgende Komponenten:

Identität(3): Erleben der eigenen Person als einzigartig, mit klaren Grenzen zwischen sich und Anderen; Stabilität des Selbstwerts und Akkuratheit der Selbsteinschätzung; Fähigkeit, eine Reihe von Emotionen(1) zu erleben und zu regulieren.

Selbststeuerung(1): Verfolgen von kohärenten und sinnhaften kurz- und langfristigen Zielen; Orientierung an konstruktiven und prosozialen Maßstäben des Verhaltens; Fähigkeit zur produktiven Selbstreflexion.

Die Beurteilung des interpersonalen Funktionsniveaus(1) umfasst:

Empathie(2): Verständnis und Anerkennung des Erlebens und der Motive Anderer; Toleranz bezüglich unterschiedlicher Sichtweisen; Verstehen der Wirkungen des eigenen Verhaltens auf Andere.

Nähe(1) und Distanz(1): Positive Beziehungen mit Anderen; Wunsch und Fähigkeit, anderen Menschen gegenüber nahe oder distanziert zu sein; auf jeden Fall: gegenseitiger Respekt im interpersonalen Verhalten.

Kurz, die für das Funktionskontinuum der Persönlichkeit zentralen Komponenten sind Identität, Selbststeuerung(2), Empathie(3) und die Regulierung von Nähe(2)/Intimität(1) und Distanz(2). Die entsprechende Skala unterscheidet fünf Beeinträchtigungsgrade, von geringfügiger oder keiner Beeinträchtigung (gesundes Funktionieren) bis zu extremer Beeinträchtigung.

Die Diagnosekriterien für sechs spezifische Typen der Persönlichkeitsstörungen – antisoziale, vermeidend-selbstunsichere, Borderline-, narzisstische, zwanghafte und schizotype – werden durch das im Selbst Ausdruck findende Funktionsniveau der Persönlichkeit (die A-Kriterien