Benchmarken - Jon Christoph Berndt - E-Book

Benchmarken E-Book

Jon Christoph Berndt

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Was macht ein Unternehmen zu einem profilierten und begehrten Unternehmen? Weshalb haben die einen scheinbar mühelos so großen Erfolg, und die anderen strampeln sich ab und bleiben dennoch irgendwie in der Versenkung? Henkel & Berndt sagen, weshalb die konsequent gelebte Markenorientierung längst nicht mehr nur etwas für die Großen ist. Und bringen auf den Punkt, was ein Unternehmen zur Benchmarke macht: Es hat den Erfolg, den alle wollen. Es ist Mutmacher, Vorausgeher und Erlaubnisgeber für andere. Es ist fit für die Zukunft. Und sie lüften das Geheimnis des Erfolgs, indem sie echten Benchmarken auf den Zahn fühlen – hier schonungslos dokumentiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 314

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

I. Die Benchmarke …

… hat Herkunft

… ist wesentlich

„Was macht die Benchmarke, Herr Ledermann?“

(Edding)

… hat entschiedene Macher

… ist gesellschaftlich

„Was macht die Benchmarke, Herr Wasiletschko?“

(Busch-Jaeger)

… handelt um die Ecke

… nimmt sich die Zeit

„Was macht die Benchmarke, Frau Schramm?“

(Schramm Werkstätten)

… ist ehrlich

… weckt Vertrauen

„Was macht die Benchmarke, Herr Polenz?“

(Easy Credit)

… ist nachhaltig

… ist sozial

„Was macht die Benchmarke, Frau Müller?“

(Hotel Castell)

… geht mit der Zeit

… ist crossmedial

„Was macht die Benchmarke, Herr Meyer?“

(Wertgrund Immobilien)

… hat starke Botschafter

… wird konsequent geführt

„Was macht die Benchmarke, Herr Punke?“

(Bünting Tee)

… ist standhaft

… ist ein Genuss

„Was macht die Benchmarke, Herr Papenfuß?“

(Kaldewei)

… hat Zukunft

II. Wie Benchmarke geht (am B-to-B-Beispiel von Arnold)

III. Was die Benchmarke braucht

IV. Firmen- & Markenverzeichnis

·

„Ihre Marke ist das, was man hinter Ihrem Rücken über Sie erzählt.“

Jon Christoph Berndt® und Prof. Dr. Sven Henkel®

·

Der Politologe Jon Christoph Berndt® ist Spezialist für Profilierung, Aufmerksamkeit und Vermarktungserfolg. Mit der brandamazing Unternehmensberatung in München begleitet er markenorientierte Unternehmen und Menschen dabei, ihren Erfolg planbar zu machen. Sie profilieren und präsentieren sich überzeugend und bekommen die Beachtung, die sie verdienen. Damit sind sie fit für die Zukunft. Jon Christoph Berndt ist ein gefragter Experte in den Medien, Autor zahlreicher Bücher und Dozent an der Universität St. Gallen. Zudem hält er international Keynote- Vorträge auf Deutsch genauso wie auf Englisch. Dabei ist ihm, bei aller fachlichen Substanz, Humor besonders wichtig – wer lacht, lernt.

www.brandamazing.com

Welch Ehre, dass der gefragte Experte mit dem ehrwürdigen Prof. durch die Welt von Markenfreiheit und -abenteuer rockt.

·

Der Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Sven Henkel® ist Inhaber des Lehrstuhls für Customer Behavior and Sales an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht sowie Direktor des dort ansässigen Institute for Transformation in Business and Society (INIT). Zudem ist er Ständiger Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen und Faculty Member der dortigen Executive School (Schwerpunkt Branding und Marketingkommunikation), darüber hinaus involviert in diverse Langzeitprojekte des dortigen Center for Customer Insight. Er forscht und arbeitet schwerpunktmäßig in den Feldern Markenführung, Behavioral Branding und Verkaufspsychologie und ist Academic Advisor bei brandamazing. Seine Arbeiten werden regelmäßig in international anerkannten Fachmagazinen veröffentlicht.

Das klingt ja alles wie Samt und Seide. Kannst du auch normale Sätze, auf Deutsch?

·

I. Die Benchmarke …

Die Benchmarke

… hat Herkunft

Ursprung hat viele Wurzeln: Tradition, Region, Werte … Wichtig ist, dass man weiß, woher man kommt – und wohin man will. Echtheit ist die Mutter guter Geschichten rund um das Unternehmen und das Produkt. Man muss sie immer und überall spüren.Herkunft macht unverwechselbar. Produkte lassen sich kopieren, aber nicht die Kultur und das Umfeld, in denen sie entstanden sind.

Wer wissen will, wo es langgeht, muss wissen, wohin er will. Und wer wissen will, wohin er will, muss wissen, woher er kommt. Kein Ziel ohne das Wissen um Start und Weg, keine Zukunft ohne Herkunft. Sonst dreht man sich schnell im Kreis. Wenn ein Produkt, ein wirklich schönes, tolles, auf einmal einfach da ist, genügt das nicht. Denn es gibt zunächst keinen Grund dafür, es haben zu wollen. Es entsteht kein Bild, das Kopfkino geht einfach nicht los.

Manchmal ist das besser, als wenn im Kopf ohne Unterlass der falsche Film läuft: Bei Trigema denke ich toujours an Affen. Das kann nicht die Absicht von Herrn Grupp sein.

Die Geschichte fehlt, diese berührende Story, der Auslöser für das Verlangen. Ohne das ist alles nichts.

Herkunft hat verschiedene Gesichter. Ein Glücksfall für heutige Unternehmer ist es, wenn die Firma eine lange Tradition hat. Miele hat sie, die Marke war gefühlt schon immer da. Lambertz hat sie auch, die Aachener Printenkönige gibt es seit 1688. Und die Schramm Möbelwerkstätten in der Pfalz, die diese besondersten Boxspring-Betten der Welt fertigen, haben auch schon 1923 angefangen. Es ist schön, wenn man sagen kann, dass der Urahn anno achtzehnhundertknips den Grundstein für dieses eine Große gelegt hat, das man heute so gern herzeigt. Nokia kann immer eine schöne Geschichte darum bauen, dass alles mit Gummistiefeln anfing. Was für eine Story! Okay, zum Schluss hat sie ihnen nichts genutzt. (Immerhin war es nicht so, dass sie mit Handys angefangen und mit Gummistiefeln aufgehört haben.)

Könnte man die alten Handyknochen zu wasserdichten Stiefeln verarbeiten? Groß genug waren die Teile ja.

Italienisches Olivenöl kommt aus Italien. Sollte man meinen. Das ist eine ganz andere Form attraktiver Herkunft. Wie haben die Italiener es geschafft, dass ihr Olivenöl viel gefragter ist als das aus Spanien und als das aus Griechenland ohnehin? An den Ruf des italienischen „Originalprodukts“ ragen die anderen nicht im Ansatz heran. Italienische Provenienz steht hier eben für Qualität und Vertrauen. Zieht man aus den dortigen Umtrieben in Politik, Finanzwesen und Jurisprudenz logisch anmutende Rückschlüsse auf die Verhältnisse in der Lebensmittelindustrie, mag man das kaum glauben. Zumal im Geschäftsleben Vertrauen ohnehin die härteste Währung ist: Olivenöl aus Italien? Lieber nicht! So denkt aber niemand. Italien genießt vielmehr lebenslangen Vertrauensvorschuss, und der kommt daher, dass da nach dem Zweiten Weltkrieg die große weite Welt war. Vati, Mutti, Kind und Hund mit der Isetta über die Alpen, egal wie, und direkt beim ersten Barista, dem Grenzer seinem Neffen im Anbau vom Zollhäuschen, auf dieser frisch eingenommenen anderen Seite voller ewiger Sonne und Glückseligkeit, gab es nicht nur Austreten, sondern vor allem den ersten originalen Espresso für den Vati und die Mutti und diese bunte fremde Limo fürs Kind, das es sowieso mal besser haben sollte. Das hat es auch, 50 Jahre später: Bei Lidl in Fiumefreddo am Fuße des Vesuv gibt es drei Liter heimisches Olivenöl mit hübschem Etikett für 5,99 Euro.

Da ist wenigstens drin, was draufsteht: Öl aus Oliven aus Italien. Sonst nix. Kalbsleberwurst ist aus wenig Kalbfleisch und viel Leber, nicht zwingend aus Kalbsleber. (Deshalb steht seit 2010 im Kleingedruckten „Kalbfleisch-Leberwurst“.)

Das würde man nehmen für daheim, auch als Mitbringsel – wenn hinten auf dem Kanister nicht „Lidl Italia“ stehen würde; zwar ganz klein, aber groß genug dafür, dass ein Mitbringsel von Lidl Italia kein Mitbringsel von dort ist, wo ewige Sonne und Glückseligkeit sind.

Die sollen sich nicht so haben: Wer bei Aldi seine Reisen bucht, darf bei Lidl die Mitbringsel kaufen.

Lieber eins, das zwar viel teurer ist, aber immerhin kann man nicht wirklich lesen, was hinten draufsteht. Teuer ist Qualität. Und fremde Sprache macht klar, wo ein wertiges Geschenk herkommt. Dass beide Olivenölbehälter im nicht ganz unwahrscheinlichen Fall aus derselben Abfülle kommen, will das Herz nicht wissen. Und der Kopf hat beim urlaubsmäßigen Olivenölfassen für daheim nicht wirklich was zu melden.

Regionalität schafft Identität. Diese naheliegende Form, wie die Markenartikelindustrie „Herkunft“ spielt, führt bald dazu, dass die armen spanischen Produzenten, die ihr Zeug nicht loswerden, das Öl im Tanklastwagen nach Italien fahren, um es erst dort auf Büchsen zu ziehen. So können sie es als „italienisches Olivenöl“ verkaufen – und ein sattes Preispremium erzielen.

Ein „Linie Aquavit“ muss zweimal im Segelboot über den Äquator geschippert sein, um den Namen tragen zu dürfen. Dagegen ist einmal im Laster nach Italien die leichtere Übung.

Das ist wegen der neuen europäischen Rechtsordnung nicht mehr möglich, doch mag man annehmen, dass immer noch ein bisschen was von dem geht, womit man mit einem anderen Etikett auf viel weniger Inhalt viel mehr verdienen kann. Inzwischen sind die Spanier aufgewacht: Die viel größeren Meister der Produktion treffen auf die italienischen Dauermeister im Marketing. Olivenölfirmen beider Länder schlagen nationalistische Töne an und werfen sich gegenseitig Panscherei vor; die Staatsanwaltschaften sind schwer gefordert. Und jetzt will einer beides, die Menge und den Preis: Der spanische Konzern De Oleo expandiert groß in Italien und bringt das Gleichgewicht noch mehr durcheinander. Wer will da verlässlich nachvollziehen können, was woher kommt, was wo drin ist und was wie heißt? Selbst der Ölsommelier wird sizilianisches Olivenöl nicht mehr lange nasensicher an dieser zarten Tomatennote erkennen und toskanisches an diesem typischen Hauch von Artischocke. Bald wird er dankbar dafür sein dürfen, dass im Olivenöl Oliven drin sind und abseits dessen nichts, woher auch immer und was auch immer da draufsteht. Es wird ihn mehr und mehr betrüben, dass Oliven nicht sprechen können. Die könnten was erzählen von der langen Reise! Die Marke als Herkunfts­bezeichnung ist in Gefahr.

Durch die Lerneffekte in der virtuellen Welt spielen Landesgrenzen eine immer geringere Rolle. Kann gut sein, dass „Made in EU“ dann irgendwann richtig attraktiv ist.

Wer keine lange Geschichte hat und weder Champagner produziert noch Dresdner Christstollen noch Parmigiano Reggiano (bei all diesen Produkten funktioniert der so vertrauenserweckende geografische Heimatbezug noch halb- bis ganzwegs), kann sich wenigstens darauf verlassen, dass „Made in Germany“ was zählt in der Welt, genauso wie „Made in Austria“ und „Made in Switzerland“. Selbst hier will man nicht so ganz genau wissen, dass nicht alles ist, wie es scheint. Wie groß muss die Fertigungstiefe, der im angegebenen Ursprungsland erbrachte Anteil an der Wertschöpfung des Produkts im Verlauf der Herstellung, sein, damit gesagt werden darf, es sei dort hergestellt? Egal – was zählt, ist das gute Gefühl.

In der Schweiz gibt es noch „Engineered in Switzerland“: Erfunden haben´s die Schweizer, hergestellt wird es da, wo der Stundenlohn unter 30 Franken liegt. Die Gesetzeslage wird auch hier strenger, und das ist gut so.

Wahre Herkunftsgeschichten wie die vom Porsche Cayenne made in Germany, der im Grunde ein echter Slowake ist, maßgeblich hergestellt im Volkswagen-Werk in Bratislava, bereichern zwar die eine oder andere Stammtischrunde altgedienter Marketeers, doch was soll’s: Die Marke Porsche ist so stark und das Marketing so clever, dass der Mann von Welt zu gern den slowakischen Cayenne aufs Golfgreen steuert – und etliche Tausend Euro mehr bezahlt als für den weitgehend baugleichen VW Touareg, ebenfalls aus Bratislava.

Andere, die auch mit ganz viel Leidenschaft exquisite Produkte herstellen, leider in der falschen Lage, kriegen dafür einfach kein Bein auf den Boden. Das Château Vartely macht so berühmte wie preisgekrönte Weine. Aber das Weingut ist in 3501 Orhei, Moldawien. Die Russen wollen die exquisiten Produkte nicht mehr, weil Moldawien in die EU strebt. Und die Europäer haben sie nie gewollt, weil Orhei nicht in Frankreich liegt.

Hier müssen die Destination-Marketeers ran. Nach Marrakesch wollte lange niemand und jetzt balgt sich die Münchner Schickeria da im Mamounia am Schokobrunnen um die größten Erdbeeren.

Dieser Wein schmeckt nur ganz ausgezeichnet, wenn der Kellner beim Einschenken das Etikett verdeckt. Und wenn man es doch zu sehen kriegt, schmeckt der moldawische Merlot ab sofort wie moldawischer Merlot – grottoid, meldet der Kopf dem Herz. Da können sie in Orhei noch so gute Böden und noch so viel Sonne haben, noch so viele deutsche Ausbildungszertifikate in Weinbau und Önologie an die Rauputzwand genagelt und westeuropäische Rebstöcke eingeführt und angepflanzt. Bei jeder Blindverkostung hat der Rotspon 1a Chancen aufs Treppchen, aber wenn der Ursprung und damit die Werbung und damit die unauslöschlichen Bilder im Kopf im Spiel sind, entscheidet nicht der Gaumen. Lange zuvor entsteht im Herzen die Leidenschaft, genauso wie lebenslange Abneigung gegen Unbekanntes, Untrendiges, irgendwie Verdächtiges. Osten schmeckt bäh.

Schreit nach Movement-Marketing! Es ist so ungerecht, eine Region für etwas zu diskriminieren, wofür sie nichts kann. Da finden sich immer Aufständische, in diesem Fall gegen das etablierte Etikettentrinken. Tretet mit denen eine Bewegung los!

Deshalb kostet der 2008er Merlot vom Château Vartely im Web 2,83 Euro und nicht 28,30 Euro.

Region macht Ursprung, Tradition auch. In Orhei klappt es mit beidem nicht: Das ganze schöne Château macht den Eindruck, als ob der Beton nicht ganz durchgetrocknet ist. Und der Schlossherr kennt die Defizite bei den Faktoren Herkunft und Tradition. Deshalb ist dieser Macher selbst die Herkunft, die Identität des Weinguts, die Qualität der Produkte. Und nicht die Baulichkeit. Er will es wissen und er hat viel aufzuholen – all die Jahre, die die Franzosen und die Italiener, ein bisschen auch die Spanier, ihren Vorsprung haben. Und er hat Zeit. Was er nicht mehr schaffen wird beim Image, werden die nächsten Generationen schaffen.

Und gegen Pfusch am Bau gibt es Markenprodukte von Deitermann und Remmers. Ich finde Tauschgeschäfte toll: Die beste Abdichtmasse aus Deutschland gegen die beste Abdichtmasse aus Moldawien.

So war es bei den heute Etablierten ja auch, sie konnten halt früher anfangen. Der Chef weiß: Marke muss man erst ganz lange ganz flach spielen, um dann ganz lange ganz hoch zu gewinnen. Vor allem muss sie (es ist wie beim Wein) in Ruhe reifen, um die Herkunft zu entwickeln, die es braucht, um aus Wahrnehmern Abnehmer, aus Abnehmern Liebhaber und aus Liebhabern Fans zu machen.

Fan von was? Von der Qualität des Weins (Zielgruppe echte Kenner) oder der Strahlkraft des Labels (Zielgruppe Life­style-Trinker). Die zweite ist viel größer und leichter auszumachen, tatsächlich an Auto, Anzug und Uhr.

Bis es so weit ist, richtet man auf Schloss Vartely Hochzeiten reicher Leute aus. Die gibt es in Moldawien genug, und sie empfinden so viel Liebe zu ihrem Vaterland, dass sie einheimisch trinken. Zum Zeigen, wer man wirklich ist, genügen das deutsche Auto, der schwäbische Anzug, die Schweizer Uhr. Und wenn der Boss von Vartely noch auf der Website aus der Deckung kommt, guten Grund dafür gibt es bereits mehr als genug, kommt endlich die Persönlichkeit ins Spiel, die es dafür braucht, dass der Erfolg ein Gesicht hat.

Diese eine stärkste Herkunft, die in der profilierten Human Brand ihrer Macher liegt, ist die unumstößlichste überhaupt. Für die echte Benchmarke ist sie unerlässlich – schwierig zu schaffen und, einmal erreicht, genauso schwierig zu verteidigen und immer weiter zu stärken. Die Wirkung, die sie erzeugt, speist sich aus etwas, was nur unzureichend erklärbar und dafür umso besser erlebbar ist. Es ist die Leidenschaft, die Integrität, die Haltung der Macher. Sie prägen das Unternehmen, und wenn sie es mit Verve tun, verkörpert es ihre Haltung. Außen herum erlebt man, wie es ist, wenn die Macher etwas machen, was sie so und nicht anders machen, weil sie gar nicht anders können. Und nicht weil es ihre oberste Maxime ist, ihren Wohlstand zu mehren.

Wohlstand mehren ist nicht die oberste, aber eine bedeutende Maxime. Erfolg und Geld faszinieren die Massen, brotlose Kunst wird als irrelevant abgetan. Die Marke bringt uns die Idole näher, Coco Chanel genauso wie Sheryl Sandberg.

Die einfachste und zugleich wirkungsvollste Definition von „Marke“: Sie ist immer das, was man sich hinter dem Rücken ihres Inhabers über sie erzählt, des Unternehmens genauso wie des Menschen. So einfach und so wahr. Um etwas absolut Begehrenswertes zu schaffen, reicht es beileibe nicht, ordinären Schaumwein herzustellen und das Glück zu haben, das in der Champagne tun zu dürfen. Nur dann darf der Schaumwein Champagner heißen. Doch auch in der Champagne gibt es exzellente Weingüter, die ihre Moussage für ein paar Euro la bouteille in deutsche SUVs verladen. Die Rheingauer Winzer feixen sich einen drüber: Sie machen handgerüttelte, flaschenvergorene Rieslingsekte zum Niederknien und dürfen das seit Anfang der Neunziger nicht mehr „méthode champenoise“ nennen. Heute sind sie froh: Champagner ist für alle, Rheingauer Rieslingsekt ist nur für die, die ihn zu schätzen wissen.

Wer klein und in der Nische ist, sollte seine Kleinheit und Nischigkeit zu seiner Stärke machen. Am besten alles limitiert, das macht Uhren zu Sammlerstücken und Weine zu Raritäten, beide schön hochpreisig.

Weniger für wenige – und die Preise sind viel mehr als nur in Ordnung. Die Inhaber bürgen für die Qualität und sie haben alle Zeit der Welt. Der wahre Kenner leckt sich beim bloßen Gedanken an die Ware mit der Zunge über die Augenbrauen.

Nur was eine gute Herkunft hat, hat eine gute Zukunft. Es löst Begeisterung aus und die weckt Begehrlichkeit. Es besitzt magnetische Anziehungskraft und die zieht einen förmlich (Pull!) ins Regal. Ein Produkt allerdings, das nicht einfühlsam verständlich machen kann, woher es kommt, ist einfach nur da und tut sich immer schwer. Es ist mit der devoten Grundhaltung „Entschuldigung, dass es mich gibt!“ am Markt, und die wird dort immer gleich durchschaut, wo die Kaufentscheidung fallen soll. Vielleicht nimmt man es, wenn es sehr preiswert ist (Push!); allerdings nur, wenn es „30 % mehr!“ gibt oder das Nagelpflegeset – immerhin Nirosta und ums Haar made in Solingen – obendrauf.

Der billige Nagelknieper als Anreiz dafür, eine Autopolitur zu kaufen, kommt unseriös. Wer Geld für sinnloses Product-Bundling ausgibt, hat mich als Kunden nicht verdient.

Das ist auch der Unterschied zwischen geriebenem Hartkäse und Parmigiano Reggiano. Der einzig wahre kommt da her, wie er heißt, und ist seit Jahrzehnten geschützt, mittlerweile EU-weit. Übersetzungen, wie im Deutschen „Parmesan“, dürfen nicht mehr von anderen Hartkäse-Produzenten verwendet werden. In der Emilia-Romagna ist das Original nicht nur Religion, sondern auch Währung. In Modena und Parma haben sie Parmesan-Banken, bei denen die Käsereien ihre Laibe als Pfand für günstige Kredite hinterlegen.

Geht das auch für Baufinanzierungen über zehn Jahre?

Die Filiale der Credem Banca in Modena ist mit Videokameras und Bewegungsmeldern besser gesichert als Fort Knox, behauptet Bankdirektor Paolo Benni. Bei ihm lagern 153.000 Laibe im Wert von etwa 70 Millionen Euro. Dieser Hartkäse war immer schon härter als die Lira und ist heute härter als der Euro. Herkunft ist ein regelrechtes Asset, und geronnenes Kasein aus der richtigen Region ist kreditwürdig.

Jägermeister spielt das mit der Herkunft gleich doppelt und dreifach: keine Ahnung, wo der herkommt. Es muss dort wunderschön sein, und bestimmt wachsen da famose Kräuter! Keine Ahnung, wie lange es den schon gibt, der Opa hat ihn schon gemocht. Regionalität und Tradition sind also vorhanden, und trotzdem war die langweilige, erschreckend gut etablierte Marke im Begriff, zur Grabbeigabe ihrer Liebhaber zu verkommen. Der Wandel zur Kultmarke gelingt mit der Kernaussage „Achtung, wild!“. So erfahrene wie konsequente Markenmacher bewahren das Alte und erfinden das Neue, und der clevere Link zwischen beidem schafft das Momentum, das es in der Kassenzone braucht. Mit der neu durchdachten Strategie avanciert die Einschlafhilfe zum hippen Kultgetränk der Enkel. Ein Paradebeispiel dafür, was die Benchmarke kann: Inhalt, Logo und Flasche bleiben gleich. Lediglich die Werte, für die das Getränk steht, werden radikal verändert. Sie transportieren Eigenschaften wie eckig, kantig und eben wild. Das kommt an in der kaufkräftigen Zielgruppe, und zwar ohne – das ist die Kunst – die älteren Generationen zu verprellen. Im Gegenteil, man schafft es sogar, dass Großvater beim gewohnten Magenbitterchen, seit 1935 nur aus Wolfenbüttel, seine wilde Jugend erinnert. Mehr noch, er lässt sie wieder aufleben: Jägermeister ist nicht nur wieder jung, er macht auch wieder jung! Das Zeug hat wirklich Herkunft, es kommt aus der immerwährenden Glückseligkeit. Das gibt ihm Zukunft. Eines Tages kriegt man dafür ebenfalls Kredit auf der Bank.

·

Aus dem Benchmarkentagebuch

von Henkel & Berndt

Klingt hochpreisig. Bei Mc Donald’s bemühen sie das „Simmentaler Rind” (vulgo Fleckvieh) auf den Burger. Was ist denn die Turopolje-Sau für eine Vulgo?

Da hat der Grafiker mal alles draufgepackt, was der Augst so an JPGs auf dem iPhone hat. Ich nehm das Gemüse!

·

Der Siegelwahn hält unvermindert an. Bald gibt es Bildchen mit „100 % verpackt“, „Garantiert aus Atomen zusammengesetzt“ und „Echt hergestellt“.

Bei aller Siegelallergie habe ich den Verdacht, dass viele Verbraucher solch ausgezeichneten Produkten tatsächlich ihr Vorschussvertrauen schenken.

·

Ein Schlüsselwort mehr, und das gleiche Produkt ist 20 % teurer. Ich war eine Stunde vor Ort – die linken gingen besser weg.

Die linken sorgen für das Bild vom romantischen Spargeldinner im Kopf. Macht der hochpreisige Blanchet auch, und der ist bloß preiswerte Weißwein-Cuvée.

Die Benchmarke

… ist wesentlich

Fokus Customer Insight: Nur wer die Nöte seiner Kunden versteht, kann relevant handeln.Dafür ist es wichtig, die Schmerzpunkte genau zu analysieren: Wo liegen die Ängste, und wie muss eine Lösung aussehen, die die Lage des Kunden spürbar verbessert?Wesentliche Marken tragen zum Seelenfrieden bei, indem sie einen wertvollen Beitrag zur Lebensqualität leisten.

Für etwa 1,6 Millionen Kinder in Deutschland gehören Verzicht und Mangel zum Alltag. Und das in einem der reichsten Länder der Welt, das sich mit Stolz auf Humboldt, Goethe, Bach und Einstein beruft. Und auf seine Unternehmen, die ganzen Erfinder und Weltmarktführer. Alle sind sich einig darin, dass es soziale Ungerechtigkeit gibt. Getan wird relativ wenig dagegen. Man spendet meist nicht aus Geiz nicht, sondern wegen des beklommenen Gefühls: Durch die Konfrontation mit Missständen wird einem der eigene Wohlstand bewusst. Man schämt sich beinahe dafür, dass es einem besser geht. Eine Spende von ein paar Euro kommt einem vor diesem Hintergrund eher vor wie ein schäbiger Versuch, sich von seinem schlechten Gewissen freizukaufen. Das ist der kritische Punkt, an dem häufig lieber nichts geschieht.

Wobei viele Leute, sogar ganze Belegschaften, sich, statt nur zu spenden, gleich selbst engagieren.

Starke Marken adressieren solche besonders sensiblen Momente, indem sie dennoch eine Lösung bieten, die die unmittelbare Verbesserung des Ist-Zustands bewirkt. Damit das schneller und besser geht, gibt es eine starke soziale Marke, die ihnen dabei hilft: Die Non-Profit-Initiative „Deutschland rundet auf“ setzt genau da an, wo eine Spende sich wie ein schäbiger Ablasshandel anfühlt. Und das auf eine sehr sympathische Art und auf Augenhöhe, ohne Druck auf die Tränendrüse. Sie nimmt bewusst keine Euros und sagt „Kleine Cents. Große Wirkung“ – bei Projekten, die Kinderarmut in Deutschland bekämpfen. Die Schilder mit der Aufforderung „Aufrunden bitte!“ gibt es bei großen Filialunternehmen an der Kasse.

Vor allem sind das solche, deren Image ganz besonders davon profitiert – Kaufland, Netto, Penny, Reno, Bonprix … Das darf ja auch so sein.

Man muss es der Kassiererin sagen, dann rundet sie auf den nächsten vollen 10-Cent-Betrag auf, und die Differenz geht an die Stiftung. In weniger als drei Jahren sind mehr als 4 Millionen Euro zusammengekommen – ohne dass die Spender es wirklich gemerkt haben. Kein Nesteln nach Kleingeld, kein Gefummel an der Ein-Herz-für-Kinder-Spardose, keine bösen Blicke aus der Warteschlange. Ein Satz genügt, den Rest macht das Kassensystem.

Dem Gründer der Initiative, Christian Vater, wird eines Tages bewusst: Der Deutsche kann die kleineren Cent-Münzen im Portemonnaie nicht ausstehen und spendet dennoch nicht, weil er sich bei dem Prozess der Aushändigung schäbig vorkommt. Vater weiß auch, dass Spendendosen bei den Marktleitern rote Tücher sind. Sie stehen immer im Weg, werden ständig geklaut, und der administrative Aufwand kostet mehr als das, was drin ist. Außerdem müssen sie das Geld persönlich überbringen. „Da will man Gutes tun und bekommt am Ende Ärger mit der Steuer“, sagt der Leiter eines Supermarktes. „Deutschland rundet auf“ bietet für genau diese „Pain Points“ die Lösung. Die IT-Anwendung wird in den Kassenprozess des Partners integriert und erledigt dann die Abrechnung und Steuerliches gleich mit. Das alles immer dann, wenn der Kunde, am liebsten aus purer Gewohnheit, der Kassiererin die beiden Worte sagt: „Aufrunden bitte!“

Bei uns im Penny am Gärtnerplatz in München gibt’s immer noch ein Petzauge von der charmanten Weltbürgerin an der Kasse gratis dazu.

Um der Sache die Tragschwere der milden Gabe für den guten Zweck zu nehmen, zählt Christian Vater, für sein Engagement geehrt als Best Newcomer Human Brand 2012, auf prominente Mitbürger. Zuzeiten setzen sie sich alle gleichzeitig an Deutschlands Super-, Bau-, Drogerie- und Getränkemarktkassen und trugen so die Idee in die Redaktionen. Tue Gutes und lasse darüber sprechen. Henri Maske, Heino und Andrea Sawatzki sind dabei, Cindy aus Marzahn kassiert bei Penny in Marzahn. Christian Vater schafft mit „Aufrunden bitte!“ eine relevante Marke, die eine relevante gesellschaftliche Herausforderung relevant anpackt. Und, das ist besonders smart, ohne den erhobenen Zeigefinger. Am wichtigsten ist, dass man ihr fast ausschließlich im stimmigen Kontext begegnet. Dafür, dass das Geld sinnvoll investiert wird, steht das Kuratorium mit anerkannten Human Brands – pro bono, versteht sich.

Ein besonderer Customer Insight ist hier der frische Einblick in die Bedürfnisse, Wünsche, Nöte, Probleme und Verhaltensweisen des Kunden. Er führt dazu, dass der endlich sagen kann: „Now you finally got it. Now you really understand me!“

„Herr Professor: You can speak Pfälzisch to me!”

Sein Spendenpotenzial und seine Bereitschaft, zu spenden, sind ihm im Zweifel gar nicht bewusst. Umso mehr freut er sich, wenn er ohne viel Aufwand zum Wohltäter avanciert. Auch deshalb ist es wichtig, regelmäßig über die konkrete Wirkung der eingeworbenen Gelder bei Initiativen wie „Off Road Kids“ und „Das Family Programm“ zu sprechen. Wer den Effekt seiner Gabe, gerade vor der eigenen Haustür mitten in Deutschland, plakativ mitbekommt, gibt gern wieder. Und die Partner profitieren auch, extrem glaubwürdig. Vater: „Wir wollen sicherstellen, dass jeder, der möchte, etwas Gutes tun kann. Welche Einkaufsstätte er dafür wählt, ist ihm überlassen. Außerdem: Greenwashing ist etwas, woran ich überhaupt nicht glaube. Es funktioniert nicht. Wir leben in einer Zeit von Globalisierung und Social Media, und wenn jemand etwas tut, was nicht in Ordnung ist, kommt es immer raus.“

Da hat er recht. Das ist eine der Segnungen der absoluten Transparenz von Social Media.

Customer Insights spiegeln die Sehnsüchte, Wünsche und Ängste des Kunden wider. Sie zeigen, was ihn zum Kauf von Produkten und Leistungen veranlasst. In vielen Fällen sind ihm seine Motive gar nicht bewusst, oder er verdrängt sie, weil die Konfrontation mit seiner Innensicht durchaus unangenehm sein kann. Wer gibt schon gern zu, dass er den Porsche nur kauft, um dem Nachbarn zu imponieren? Oder dass er San-Pellegrino-Mineralwasser trotz des hohen Preises nur nimmt, um nicht als Knauser dazustehen, wenn abends der Chef zum Essen kommt? Die starke Marke spielt mit den Ängsten des Kunden. Relevant ist sie, wenn er in ihr die Lösung für sein Problem sieht. In erster Linie will er sich auf sie verlassen können. Wenn es eine Firma schafft, ihr Produkt am neuralgischen Punkt des eingelösten Markenversprechens zu positionieren, ist sie bedeutsam.

Der Saft- und Smoothieladen Innocent hat einen sehr nachvollziehbaren Customer Insight: „Uns gibt es, damit sich jeder ganz leicht etwas Gutes tun kann (das auch noch super schmeckt).“ Das ist das Versprechen. Es soll eingelöst werden, indem der Markt mit einer Vielzahl von leckeren, hochkonzentrierten Säften versorgt wird, die zu 100 % aus Obst und zu 0 % aus sonst was bestehen. „Ananas, Banane & Kokosnuss“, „Brombeere, Erdbeere & Johannisbeere“, „Granatapfel, Heidelbeere & Açaí“ … Die Mischung ist stets so bunt wie die Kommunikation.

Kommt dreiviertelwegs glaubwürdig rüber: gehört nicht zu Coca-Cola, macht nicht brachial auf bio, und die Plastikflaschen sind zum großen Teil recycelt. Nur warum die auf der Website jetzt auch noch groß rumstricken müssen wie Myboshi …?

Und Hauptsache gesund. Der Thrill an der Sache kommt nicht aus der Produktidee, sondern aus der Positionierung: Wider Erwarten wendet sich Innocent nicht an besorgte Mütter, die ihren vom Chinesisch-, Geigen- und Yogaunterricht gestressten Highspeed-Kindern die Leistungskraft fürs drohende Assessment-Center im Waldorf-Kindergarten geben wollen. Da gibt es vielmehr noch die Väter dieser kleinen Racker. Die strampeln toujours auf den Autobahnen und in den Senator-Lounges und Meetingräumen dieser Welt und verdienen das Geld für die standesgemäße Erziehung und Ernährung ihrer Lieben. Dabei betreiben sie vor allem eines: Raubbau am eigenen Körper. Für Sport bleibt nur Zeit in den Ferien; dann reichlich, vier Stunden Tennis bei 40 Grad im Schatten, anschließend hochkant mit der Hobie Cat durchs Mittelmeer und abends Powerspinning. Nicht weniger kompromissfrei ist die Ernährung in der urlaubsfreien Zeit: drei Tassen Kaffee morgens, Frühstück bei Mc Donald’s,

Nee, mein Bester, der frühstückt auf dem Lomo-Autohof, den Namen find ich Kult, und zwar das Schnitzel à la Meyer. Da gibt’s auch immer was fürs Auge.

ansonsten Nespresso und Bahlsen im Meeting und vor der Rückfahrt die extrascharfe Curry bei „Best Worscht in Town“ oder in der Art. Gut, dass Rennie den Magen aufräumt.

Genau hier tritt Innocent auf den Plan: Im Berufsleben des Managers gibt es nur wenige Momente, in denen er zum Nichtstun verdonnert ist – wenn er auf den Flieger wartet oder auf den Zug. Die Zeit zum Rechnerhochfahren ist zu knapp, das Umfeld zu lärmig, Telefonkonferenzen stehen keine an. Er drückt sich so rum am Airport und am Hauptbahnhof, dreht die x-te Runde bei Relay durch die Zeitungen, dann bei Rewe City. Da passiert’s: Innocent, zwischen eingeschweißtem, verzehrfertigem, fast frischem Obst und Volvic-Tee mit Grüntee-Extrakt! Es schreit den Kunden an: „Hast du dir heute was Gutes getan oder warst du wieder bei Best Worscht in Town?“ Jetzt Unschuld shoppen, Saft oder Schmusi. Dieses Insight trifft die Mechanik des Überzeugungsmechanismus: Ich kaufe mich frei von meinem schlechten Gewissen. Einfacher war es nie, den Vitalpegel von negativ auf positiv zu drehen. Dafür zahlt der Kunde gern, genauso wie im Fitnessstudio, und dort im Voraus, was er dann nie abtrainiert.

Also 1a Name, der zu 100 % das Versprechen auf den Punkt bringt. Großartig!

Erfolg haben die Marken, die existenzielle Kundenbedürfnisse befriedigen. Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow stellt 1943 sein Konzept der Bedürfnishierarchie vor, das er mit Kollegen bis in die Siebzigerjahre weiter verfeinert. Demnach haben bestimmte Bedürfnisse für den Menschen eine höhere Priorität als andere. Zunächst müssen Hunger, Durst und sexuelles Verlangen gestillt sein,

Lieber Herr Maslow, heute stehen da in der Pyramide ganz andere besonders fundamentale Bedürfnisse: Netz, Akku, Likes.

bevor er sich mit abstrakteren Bedürfnissen wie denen nach Sicherheit, sozialer Bezogenheit, Individualität und Selbstverwirklichung auseinandersetzt. Übertragen auf das Marketing lässt sich daraus ableiten: Je existenzieller das Bedürfnis ist, das durch ein Produkt angesprochen wird, desto eher wird die produktbezogene Information vom Kunden verarbeitet und desto wahrscheinlicher kauft er das Produkt. Man kann ein Auto als Fun Car (Mazda MX5) oder als Lifestyle Car (Fiat 500) positionieren. Eine höhere Relevanz bekommt es aber, wenn man den Sicherheitsaspekt herausstellt: „Wollen Sie wirklich, dass Ihre Tochter im Dunkeln mit dem Fahrrad nach Hause fährt?“, „Schick ist der neue Kia Ceed ja, aber ist er so stabil wie der Golf?“, „Haben Sie mal darüber nachgedacht, wie viele Kilometer Sie im Jahr fahren? Denken Sie nicht, dass Sie hier besonders auf Sicherheit achten sollten?“. Sofort sind existenzielle Bedürfnisse, die das (Über-)Leben des Kunden betreffen, aktiviert. Volvo adressiert mit dem Claim „For Life“ jahrelang diese Angst. Die Marke steht für Sicherheit, und damit das besonders glaubwürdig ist, darf ein Volvo nicht zu schön sein. Gerade das suggeriert Stabilität und gibt dem Käufer das Gefühl, im Ernstfall gut behütet zu sein.

„Was macht die Benchmarke, Herr Ledermann?“

(Edding)

Herr Ledermann sagt, er schläft immer gut. Das ist durchaus erstaunlich, weil er in ziemlich verantwortlicher Position ist, Chef von 650 Leuten, weltweit unterwegs, und die Aktie macht manchmal auch, was sie will. Er hält es mit den Buddenbrooks, sinngemäß: „Sei mit Freude bei den Geschäften am Tage, aber nur mit solchen, die dich nachts gut schlafen lassen.“ Er schläft derart gut, dass er sogar nach Tokio Eco fliegt; von den neun Stunden kriegt er sowieso nichts mit. Die Mitreisenden wissen dann immer schon, was droht: „Ich komme wunderbar ausgeschlafen an und lege direkt los mit der Arbeit, während der eine oder andere Kollege, der mittelstandsgetreu mit mir in der Holzklasse fliegt, sich durch den Tag quält.“

Per Ledermann macht in Stiften; solchen, die man wegwischen kann, und Permanent Markern, bei denen der Name Programm ist. Einer der Firmengründer heißt Edding mit Nachnamen, so einfach, 1960 fängt alles an. Der andere heißt Ledermann. Erst importieren sie Filzschreiber aus Japan, dann führen sie ein Modell als Edding No. 1 auf dem deutschen Markt ein. Der Namensgeber steigt später aus. Der andere bleibt, macht die Firma noch größer und reicht den Stift zur rechten Zeit weiter. Heute ist der Vorstandsvorsitzende froh, dass er nicht so heißt wie die Firma. Er kommt mit diesem alten Golf zum Gespräch nach Bautzen – wo Edding produziert –, das Modell weiß er nicht, in T-Shirt und Pullover, Stoffschuhen und Vollbart, lädt zu Pizza und Bier. Bei Alpia stecken sie in den Achtzigern jede Mark in die Schokolade und keine Mark in die Werbung. Bei Edding stecken sie in den Zehnern keinen Euro in die Autos und die besseren Flugtickets und jeden Euro in die Stifte und die Technologien, die Entwicklung einer vollständig kompostierbaren Variante, Kombibüros, Telearbeitsplätze und Kinderpädagogen und die Edding-Akademie. Und in ganz andere Produkte, bei denen es um Farbe und Haltbarkeit geht – Druckerpatronen, Fugenmarker, Sprühlack, Nagellack. 001 ist der Farbcode für Schwarz, 002 der für Rot, es geht weiter bis 079, außerdem ein paar Sonderfarben. Per Ledermann sagt dazu: „Alles schöne Farben. Besonders schön ist, dass wir unser Ergebnis schon immer in 001 schreiben.“

Sie schaffen, wovon andere träumen: So gut wie jeder sagt „Edding“, wenn er „Permanent Marker“ meint. Herr Ledermann findet das nicht nur gut: „Man verlangt im Laden einen Edding, und dann kommt es vor, dass man was ganz anderes, Minderwertiges kriegt. Das schadet uns.“ Und es schränkt ein bei der Entwicklung neuer Produkte. Er will nicht auf den Stift reduziert werden. Neuheiten sind wichtig, weil immer weniger auf Papier und ans Whiteboard geschrieben wird und immer mehr elektronisch. Für seine Kernprodukte rechnet er bis 2020 mit 10 % Rückgang in Europa. Da kann die Expansion in Auslandsmärkte viel wettmachen und auch die Markendehnung. In Kolumbien und Argentinien gibt es schon kleine Bautzen. Dort wird auch produziert, genauso wie in Sachsen. Hier sind es 85 Millionen Stifte im Jahr, mit einem Schwerpunkt – Kunststoffspritzguss im Grenzbereich von hundertstel Millimetern: „Stifte, die austrocknen, sind halt nicht ganz dicht.“ Und damit nicht von Edding. In Argentinien liegt die gestützte Markenbekanntheit schon bei 34 %. Da ist noch Luft nach oben, in Deutschland sind es 97 %. Die Strategie: „Wir haben den Anspruch, als Marke einheitlich aufzutreten. Das heißt, wir definieren für jedes Land den Rahmen, in dem dann lokal die Umsetzung stattfindet.“ Also so corporate wie nötig und so landestypisch wie möglich, vor dem Hintergrund der immer anders gelagerten Faktoren Kultur, Markt, Zielgruppe, Wettbewerb … Die Verantwortlichen vor Ort wissen einfach am besten, wie man dort den Rahmen ausfüllt, und es bringt nichts, sie von Deutschland aus zu gängeln. „Mit der Einführung des Brand-Managements haben wir den Rahmen bewusst enger gesteckt, weil der einheitliche Markenauftritt sehr wichtig ist. Und wir haben glücklicherweise Leute, die sich nicht alles gefallen lassen. Dann wird miteinander gekämpft, und am Ende findet sich das richtige Maß.“ Edding ist in 100 Ländern präsent; strategisch bearbeitet werden erst einige europäische Länder und einige in Lateinamerika.

Die Marke ist stark, aber noch nicht stark genug für das riesige Brasilien. Da kauft Herr Ledermann lieber erst mal zu. Zuvor fragt er jeden Taxifahrer, jeden Hotelangestellten in Rio und São Paulo: „Kennen Sie Compactor?“ Das ist sein Wunschkandidat für eine Beteiligung vor Ort. Alle kennen die einheimische Marke, keiner kennt Edding. „Da muss man realistisch einschätzen, was man erreichen kann, und wir haben gesagt: Riesenpfund, auf geht’s!“ Jetzt sollen, mit der Power von Edding, für beide Partner neue Märkte entstehen – Brasilien für Edding, der Rest der Welt für Compactor.

Auch für die Markendehnung gibt es viele Ansatzpunkte. Mit Legamaster ist schon lange etwas Diversifizierendes im Unternehmen – Konferenzraumtechnik, vor allem elektronische, die den klassischen Stift nicht braucht. Für ganz andere stiftferne Ansätze gibt es die eigene Abteilung zur Beobachtung disruptiver Technologien, die bestehende Anwendungen eines Tages verdrängen und ersetzen könnten. Da will man früh informiert sein und die Strategie dann entsprechend anpassen. Die Erkenntnisse gehen ans Brand Management und fließen dort in die Entwicklung neuer Produkte ein. Das mit dem Füller geht vor Jahren schief. Hier sind andere einfach besser und vor allem glaubwürdiger. Herr Ledermann spricht voller Wertschätzung von Lamy, Rotring und Pelikan, und er sagt, ganz erkenntnisreich: „Wir wollten aus dem Produkt kommen, das war falsch. Heute kommen wir aus der Marke und aus dem, wofür sie steht.“ Edding ist Markieren, nicht Schreiben. Die Druckerpatronen funktionieren gut, tragen inzwischen 8 % zum Umsatz bei – auf einem schmalen Grat, was den Brand-fit angeht. Man ist damit auf der richtigen Seite, weil nicht die Schreib-, sondern die Buntkompetenz assoziiert wird. Und der Dekolack zum Sprühen passt auch. Als Stift gibt es den schon länger, deshalb sieht die Spraydose genauso aus, auch mit der markanten Kappe, nur eben viel größer und ziemlich cool. Selbst produziert wird beides nicht, dafür ist alles engineered und enabled im eigenen Haus: „Wir müssen nicht selbst herstellen, wir müssen das Beste haben, in Edding-Qualität.“ Auch deshalb pitcht Bautzen immer mit um die Produktionsaufträge. 200 Milliliter Dosenlack kosten im Laden 8,99 Euro, von anderen Herstellern kriegt man die doppelte Menge im vergleichbaren Farbton für weniger als die Hälfte. „Das“, sagt Herr Ledermann, „ist das Preispremium, das ganz klar aus der Marke kommt.“

Für ihn ist die Marke „ein unglaubliches Asset“, zu hüten wie ein Schatz und gleichzeitig zu stärken und auszubauen. Sie macht profane Produkte sexy und begehrenswert: „Bei Spraydosen fand Marke bisher gar nicht richtig statt. Wir sagten uns, da muss es doch was über das emotionslose Sprühen hinaus geben ...“ Ganz anders sexy wird es jetzt erst, mit dem Nagellack. Der kommt zustande, wenn man der „Eddipreneurship“ freien Lauf lässt: „Wir verstehen Benchmarke so, dass wir uns immer wieder an dem orientieren, was es noch nicht gibt. Wir wollen Dinge anders machen.“ Nagellack von Edding gibt es 55 Jahre nicht, jetzt in 58 Farben; erst testweise bei Müller im Drogeriemarkt, dann in vielen Parfümerien, offline wie online. 8 Milliliter kosten 7,95 Euro, wobei drei genetisch im Unternehmen verankerte Eigenschaften besonders wichtig sind, damit die Marke sich glaubwürdig dehnt: deckt gut, hält lange, platzt nicht ab. Und der Claim ist wichtig – weit weg von den Sally Hansens, Manhattans und Astors. Edding Laque ist für Frauen, die beim Nägellackieren ihren Mann stehen: „Power statt Püppchen“. Das ist ein heißer Ritt im Regal. Wer ihn wagt, erhöht die Chance, Benchmarke zu bleiben. Investitionsvolumen: eine halbe Million Euro. Zwei Faktoren sind Herrn Ledermann neben dem Finanziellen auch noch wichtig: „Das Produkt macht uns Spaß. Und wir treten nicht dafür an, die Marktanteile von L‘Oréal zu übernehmen.“ Lieber treten sie an mit wild lackierten VW-Bullis, den original alten, für die Guerilla-Maniküre mit Passantinnen hinten im Laderaum, direkt vorm Point of Sale in der Müller-Filiale, bis das Ordnungsamt vor Ort ist.