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Jon Christoph Berndt

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Beschreibung

Alles, was man über "Marke" wissen muss: Die Marke ist tot – zumindest in der kontraproduktiven Art, wie sie von den meisten Unternehmensmachern leider immer noch verstanden und gelebt wird. Eine Marke ist weder Logo und Werbung noch austauschbare Superlativtexte und Fotos in Multicolor. Vielmehr ist sie, verantwortungsvoll entwickelt und wirklich gelebt, die letzte Chance dafür, im Ozean der Gleichförmigkeit zu überleben. Nur wer sich mit seinen Kunden und deren Ansprüchen auseinandersetzt und seine Produkte mithilfe der Marke konsequent auf sie ausrichtet, wird die Schlacht gewinnen, die um die Aufmerksamkeit der Käufer und Konsumenten tobt. Sven Henkel® und Jon Christoph Berndt® bringen auf den Punkt, was die starke Marke heutzutage auszeichnet und wie auch mittelständische und kleinere Unternehmen ihre Kraft für sich nutzbar machen. Für ihren guten Streit bringen sie schlagende Argumente. Der Professor: Sven Henkel® von der Universität St. Gallen; der Berater: Jon Christoph Berndt®. Gemeinsam revolutionieren sie das, was man "Markenarbeit" nennt: Weg vom "Marketing wie immer", hin zu berührenden Themen, anziehenden Geschichten, erlebbar gemachten Emotionen und dem echten Bekenntnis zur Marke als Lebensversicherung der Unternehmen. Wie jeder Unternehmer von der starken Marke profitiert, indem er sie erkennbar und erlebbar macht, sagen Henkel & Berndt genauso kompromissfrei wie humorvoll. Und sie bringen schlagende Argumente für ein neues Handeln in der Markenkommunikation. Marken-Klartext reden z.B. auch Ernst Prost (Liqui Moly), Tina Müller (Opel), Alexander Schlaubitz (Lufthansa), Walter Mennekes (Mennekes), Max Moor (TV-Moderator, Biobauer) und Tom Drieseberg (Weingüter Wegeler). Sie und ihre starken Geschichten beweisen: "Deine Marke ist das, was man hinter Deinem Rücken über Dich erzählt."

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»Auch Ihre starke Marke erkennt man daran, dass man sie erkennt.«
Jon Christoph Berndt® und Prof. Dr. Sven Henkel®
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
[email protected]
3. Auflage 2016
© 2014 by Redline Verlag,
ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Redaktion: Desirée Simeg, Gersthofen
Umschlaggestaltung: Kristin Hoffmann, München
Umschlagabbildung: Stephan Rumpf
Gestaltung: Maria Wittek, München
Satz und E-Book: Grafikstudio Foerster, Belgern
ISBN Print 978-3-86881-539-9
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-653-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-654-1
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.redline-verlag.de

Inhalt

Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Verstehen: ­Menschen, ­Märkte, Marken
Erkenntnis: Die stärksten Marken gibt es immer noch bei Aldi
Image: Eine starke Marke erkennt man daran, dass man sie erkennt
»Was macht die Marke, Frau Müller?«
Versprechen: Wie es ist, wenn es im Laden anders als im Fernsehen ist
»Was macht die Marke, Herr Schlaubitz?«
Relevanz: Kids, Tits, Animals und Kloppo reichen nicht
»Was macht die Marke, Herr Heckle?«
Machen: Marken­bildungsbausteine und was man ­daraus baut
Identität: Spirit of Georgia – Warum Coca-Cola keine Bionade kann
»Was macht die Marke, Herr Mennekes?«
Positionierung: Starke Marken brauchen starke Feinde
»Was macht die Marke, Herr Kurek?«
Persönlichkeit: Warum Mini nichts für echte Kerle ist
»Was macht die Marke, Herr Drieseberg?«
Beziehung: Weshalb ein Krankenhaus ohne Braunülen kein Krankenhaus ist
Wert: Wie teuer ein Opel ist, wenn er von Audi ist
»Was macht die Marke, Herr Prost?«
Dehnung: Wie viel Küche verträgt ein Porsche?
Geschichten: Höhlenmalereien waren Social Media
Leben: Wollen, Wissen, Wirken
Botschafter: Adidas-Verkäufer in Pumaletten gehen gar nicht
»Was macht die Marke, Herr Woltering?«
Menschen: Augen auf beim Körperverkauf!
»Was macht die Marke, Herr Moor?«
Loslegen: »Wie geht das, Henkel & Berndt?«
Zum Beispiel: Markenbildung in der Finanzdienstleistung
Management: Markenführung fängt nirgendwo an und hört niemals auf
Nachwort
Literaturempfehlungen
»Brand New – Was starke Marken heute wirklich brauchen«: Der Keynote-Vortrag von Henkel & Berndt
Hier argumentiert Jon Christoph Berndt®.
Hier argumentiert Sven Henkel®.

Vorwort

Die inhaltsgeladene Diskussion darüber, was Marken heute dafür brauchen, um starke Marken zu sein, braucht kein Vorspiel. Wir fangen einfach an:

Erkenntnis:

Die stärksten Marken gibt es immer noch bei Aldi

Wer am Samstagmorgen loszieht und die »Deutsche Runde« macht (also Wagenwäsche inkl. Felgenreinigung, Getränkeshop, Supermarkt, Baumarkt), hat schon verloren: Er wird nicht nur Opfer der Konsumwelt, sondern auch der Marken. Die sorgen mit ihren niemals aufhörenden Kauf-mich!-Botschaften dafür, dass er beeinflusst, gelenkt, ferngesteuert wird. Schließlich brauchen all die neuen Produkte neue Besitzer. Gut möglich, dass der anspruchsvolle Heimwerker auf dem Weg zum Baumarkt seines Vertrauens an einem Toom, einem Bauhaus, einem Obi und einem Hagebau vorbeifährt. (Praktiker ist ja weg, weil die nicht mal 20 Prozent auf Tiernahrung hatten …) Die Fernsehwerbung hat es ihm angetan: Er will zu Hornbach! Dort gab es mal einen Hammer aus echtem Panzerstahl, dem härtesten Stahl der Welt. Dann sind die anderen Werkzeuge bestimmt genauso unkaputtbar – für wahre Profis eben, wie er einer ist. Dafür macht unser Mann doch gern 15 Kilometer Umweg hin und 15 Kilometer Umweg zurück.

Wer von einem solchen Tag in der Stadt und in den Gewerbegebieten dieser Welt nach Hause kommt, hat nicht nur einen Großteil seiner durchschnittlich 14.000 täglichen Werbebotschaften bereits abgekriegt, sondern hat sich auch x Mal zu einem Spontankauf animieren lassen, y Mal etwas gekauft, was es absolut gleichwertig direkt daneben im Regal zum halben Preis gibt, und ist unter dem Strich z Mal vom Zusammenspiel der Anziehungskraft starker Markenprodukte und seines davon beeinflussten Unterbewusstseins betrogen worden. Betrug, ein garstiges Wort für solche an sich so schönen, wohligen Begebenheiten.

Wieso Betrug? Versuch’s mal mit Selbstschutz. Wir bilden positive oder negative Markeneinstellungen, um uns vor den meisten der 14.000 täglichen Informationen zu schützen. Jede Marke, die entlastet, ist eine gute Marke!

Schließlich hat der Mensch immer wieder aufs Neue die Wahl! Er ist mündiger, aufgeklärter Käufer und Konsument und lässt sich gar nicht überlisten! Warum auch, hat er doch einen freien Willen: »Ich bin jederzeit Herr der Lage, Chef meiner Sinne – und das Werbefernsehen kann mir gar nichts! Okay, ich trinke Coca-Cola und nicht Pepsi, ich ziehe Hosen von Diesel an und nicht von Palomino, und an meine Haut lasse ich nur Wasser und Nivea (und nicht Florena). All das tue ich aber, weil ich das will!« Doch Obacht: So grau wie der Grauschleier, der sich über die delikate Feinwäsche der Dame des Hauses legt, nur weil sie ein Mal – nur ein einziges Mal! – diesem No-Name-Waschmittel vertraut hat, ist alle schöne Theorie.

Die Marke gibt dem Unternehmen (genauso wie dem Produkt) Orientierung, ein Gesicht in der Menge aller Unternehmen und Produkte: »Ah, das kenne ich, das nehme ich!« Sie gibt dem Kopf die Sicherheit, sich richtig entschieden zu haben: Wer mit Persil, Balisto und Apollinaris nach Hause kommt, hat wenig zu fürchten von seinen Lieben. Und die Marke sorgt für das gute Gefühl: »Damit fühle ich mich wohl und geborgen. Sie tut mir gut.« Oftmals am wichtigsten: Sie befördert das Image ihres Käufers.

Gegen Grauschleier und stumpfe Farben empfiehlt sich Ariel Color: Da reißt sich die mittelalte Dame des Hauses im Werbefernsehen mit wilder Geste ein graues Netz vom Leib, und zum Vorschein kommt das gute alte Blusenmuster in allen Blitz- und Donnerfarben. Erst angeregt, dann erregt, legt sie den mittelalten Herrn des Hauses in der Frühstücksküche um, worauf der sich ebenfalls mit wilder Geste ein genauso graues Netz vom Leib reißt – und zum Vorschein kommt das strahlend blaue Hemd, das so strahlend blau ist wie damals bei Wormland an der Stange. »Raus aus dem Grau!« – der Spot ist so erfolgreich, weil er so einfältig ist,

Einfältig? Der angedeutete Sex macht ihn so erfolgreich. Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wer es anspricht, erzeugt Aufmerksamkeit und erhöht so seine Verkaufschance. »Sex sells« gilt fast immer.

und wir lernen: Ariel macht das graue Reihen­mittelhausleben wieder bunt, fördert den Blutdruck und regt die Triebe an. Da nehm’ ich doch auch ’ne Flasche! Wer starke Marken kennt, kennt tolle Geschichten über sie und erzählt sie gern weiter. (Das tun die Markenexperten auch – mit Wonne.)

Gegen stumpfe Ich-kaufe-nur-was-ich-will-Theorie gibt es Wolf Singer: Der emeritierte Professor für Neurophysiologie am Frankfurter Max-Planck-Institut spricht dem Menschen die unabhängige Entscheidungskompetenz ab: »Der freie Wille ist nur ein gutes Gefühl.« Diese von Fachkollegen nicht unkritisch stehen gelassene Meinung ist schon deshalb nachvollziehbar, weil es für den Begriff »Willensfreiheit« noch nicht einmal eine allgemein anerkannte Definition gibt. Im weiteren Sinne versteht man darunter zumindest die Fähigkeit des Menschen, aus mehreren Möglichkeiten eine auszuwählen. Wer aber will schon beurteilen, ob und unter welchen Umständen die Entscheidung wirklich aus ganz freien Stücken, also vollkommen unbeeinflusst von außen, geschieht und ob der Mensch dazu überhaupt in der Lage ist?

Dazu will er gar nicht in der Lage sein. Marke ist geistige Entlastung in einem Alltag, der schon komplex genug ist.

Wie sollte er das sein, wenn er keinerlei Hinweise, keine Anleitung bekommt? Wie soll er überhaupt etwas wollen, wenn nichts und niemand ihn dazu anregt oder gar verführt, unwiderstehliche Begehrlichkeit in ihm weckt? Wie also soll die Wahl eines Produkts tatsächlich frei sein, wenn der, der sie hat, zuvor von der Werbung nicht nur nach Kräften informiert, sondern – und davon darf man ausgehen – auch beeinflusst und damit manipuliert wurde?

Markenwerbung ist nicht nur informativ, wie es die Markenmacher und die Werbe- und PR-Leute immer gern behaupten. Sie ist auch manipulativ. 

Entschärft wird dieser Manipulationsverdacht, wenn sie mit ihrem Kunden wirklich kommuniziert: Wer für seine Inhalte erreichbar ist und geradesteht, manipuliert nicht.

In marktwirtschaftlichen Gesellschaftssystemen, in denen alle Hersteller um Auftraggeber, Käufer und Konsumenten buhlen, geht es nicht ohne, und die Kritiker der Werbung wissen, warum. Wer mit Waren und Dienstleistungen seinen Lebensunterhalt verdient, muss dafür Werbung machen. Sonst weiß niemand, dass es ihn und seine Produkte gibt. Wer dennoch partout keine Werbung will, muss sich in den Dresdner Hauptbahnhof vor 1989 zurückträumen. Da war er noch wunderschön, aber schon damals nicht frei von Reklame – für »Jeans aus Lößnitz« und für DeDeRon, die ostzonale Kunstfaser mit dem tollen Namen. Selbst der Sozialismus kannte immer Werbung.

Oder der strikte Ablehner von Werbung muss umziehen nach Bhutan, wo der freie Wille noch viel freier ist, weil die Werbung das Land erst noch erobern muss – wenn sie denn endlich darf. In Bhutan gibt es kein Bruttoinlandsprodukt, das sich aus dem Wert aller Güter und Dienstleistungen errechnet, die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen erwirtschaftet werden. Je mehr produziert und gekauft wird, desto besser geht es demnach dem Volk. Stattdessen gibt es dort das »Bruttonationalglück«: Gross National Happiness.

Es gibt nicht »kein Marke­ting«: Schon dieser Begriff ist wieder Marketing pur. Sonst würdest du ihn nicht kennen.

Es misst den Zufriedenheitszustand der Bhutaner, die ohne die Küchenmaschine von Kitchen-Aid, ohne Balisto und ohne Auto und deshalb ohne Caramba-Felgenspray auskommen müssen – und trotzdem sind sie mindestens so froh wie der Mops im Haferstroh.

Es gibt zwar in Westeuropa Menschen, die wären auch gern Bhutaner. Dann hätte nämlich der ganze Konsumterror ein Ende. »Wer mit allem versorgt ist, sehnt sich nach dem Nichts«, weissagt der Kultursoziologe Reinhard Knoll. So radikal wird es nicht kommen. Dafür sind die Menschen hierzulande zu anders erzogen, geprägt, konditioniert. Und »Hätt ich doch …, dann würde ich …« und »Eigentlich müsste man …« – das führt nicht weiter. Also rennt man jeden Tag dem Geld hinterher, lässt seine Wünsche reifen und formt seinen Willen, und liefert sich jeden Tag rat- bis hilflos den Markenunternehmen und ihren Botschaften aus, die Träume wahr machen und einem dafür Geld abnehmen. Wer hier lebt und bleiben möchte, kann das zumindest etwas eindämmen. Die Lösung ist so weise wie naheliegend, sie macht richtig froh, erhält gesund und spart viel Geld: Leute, kauft nur Sachen zum Essen und Trinken, für die keine Werbung gemacht wird! Wer so handelt, geht nicht nur ziemlich sicher darin, dass er Lebensmittel und keine Nahrungsmittel konsumiert, sondern macht auch noch sein bisschen Frieden mit der Marke und der Werbung.

Der Biobauernhof macht für seine EU-ungenormte Runkelrübe auch Werbung: Die Anzeige im Wochenblatt, die bunte Rübe auf dem Daimler-Diesel-Lieferwagen, das Preisschild an der Kiste …

Wünsche wecken, Willen bilden und Konsumenten beeinflussen, das gelingt einem Produkt umso besser, je stärker seine Anziehungskraft und die ihm zugeschriebene Wirkung sind. Das lässt sich gut feststellen in der Kassenschlange bei Penny, wo das Feuerwerk der Verlockungen, im versonnenen Wartestand kurz vor der Biep!-Frau am Bandende, fröhliche Urständ feiert. Oben für die Großen (in der »Impulszone« mit einzelnen Duplo-Riegeln, Wrigley’s Kaugummi und den Ein-Schluck-Fläschchen Scharlachberg Meisterspirituose), unten für die Kleinen (in der »Quengelzone« mit den Ü-Eiern genau in Zwergengreifhöhe und all den anderen bunten Sachen der einschlägigen Wir-tun-alles-rein-was-nicht-verboten-ist-Hersteller, die bei regelmäßiger Fütterung aus kleinen Kindern große Mutanten machen). Der dringende Wunsch in der Kassenzone heißt: Ich! Will! Hier! Raus! Der dringende Wille ist jetzt: Ich belohne mich für das ewige Warten. Und die Beeinflussung sorgt dafür, dass das Zeug, das sich hier am Check-out stapelt, genau jetzt genau das Richtige für mich ist.

Hier muss man Käufer und Konsument unterscheiden! Verkaufstechnisch gehört das Ü-Ei sogar auf Greifhöhe der Eltern: Sie kaufen es als Schreiprophylaxe – und das Kind schmatzt und schweigt.

Sehr verständlich, dass man von seinem freien Willen überzeugt ist: Keiner erwischt sich gern dabei, ein schwaches, gefühliges, manipuliertes Kassenbandopfer zu sein. Wer erst einmal akzeptiert hat, dass es doch so ist, geht gern für ein paar Minuten in die Kirche. Da ist auch der Dresdner Hauptbahnhof vor 1989: kein Marktgeschrei, keine bunten Bilder, kein Drei-für-zwei-Gedöns. Dabei ist die Kirche das Unternehmen mit dem höchsten Markenwert überhaupt, und das mit dem allerstärksten Logo. Sie wirbt auch für ihre Sache, und das nicht nur sonntags um 10 Uhr, wenn die Glocken besonders lange und laut läuten. Und die Bilder sind da auch ganz schön bunt. All das ist Werbung für die Marke. Und das mit dem freien Willen und dessen Beeinflussung verhält sich dort genauso …

Wenn Ariel eine starke, begehrenswerte Marke ist und wenn die Ariel-Werber es schaffen, unwiderstehliches Begehr zu wecken und es bis ans Regal im Supermarkt zu erhalten, dann ist genau hier Essig mit dem wirklich freien Willen. Dann kaufe ich Ariel und nicht Persil, trinke Coca-Cola, weil Coca-Cola das so will, trage Diesel-Jeans, weil Diesel es bei mir geschafft hat, und creme mich mit Nivea ein, weil Beiersdorf mich gekriegt hat. Dabei enthält Coca-Cola vor allem Zucker. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Jeans von Diesel (um die 150 Euro muss man dafür schon hinblättern) vormittags aus derselben Maschine gefallen ist wie nachmittags die von Kik (für 9,99 Euro, bei Primark geht es manchmal für noch weniger). Diesel ist, auch wenn man es so sehen mag, ethisch-moralisch nicht verträglicher als Kik. Aber das Label auf dem Hintern ist ein anderes – und deshalb ist das Gefühl anders, wenn man morgens in seine Diesel steigt.

Die Jeans hält die Beine warm wie das Auto uns von A nach B bringt. Darum geht es aber nicht. Die 140,01 Euro Preispremium für eine Diesel sind gut angelegt für das gute Gefühl. Marke macht selbst­bewusst.

Vielleicht sind auch ein paar Nähte anders, oder andere Stones haben das Teil anders gewashed – geschenkt. Und Nivea? Etwa 40 Prozent der Inhaltsstoffe von Nivea sind aus Erdöl. Da könnte man sich auch an der Tanke einschmieren, zum Beispiel mit V-Power Diesel von Shell. Das ist auch eine starke Ölmarke, man kommt unter dem Strich günstiger weg beim Eincremen und der Effekt hat entschieden mehr Bums.

Wer all das kapiert und akzeptiert, ist ein gutes Stück weiter auf dem Weg der Erkenntnis dessen, wie das zeitgenössische Leben funktioniert. Es ist ein Leben inmitten von Marken. Und man selbst ist ebenfalls eine: Auch der Mensch ist markiert und hat eine Markenpersönlichkeit. Es sind Prominente wie Genscher mit dem gelben Pullunder, Lagerfeld mit dem Fächer und Miley Cyrus mit dem nackten Ritt auf der Abrissbirne. Sie sind anziehungsstarke Human Brands. Genauso sind es diejenigen im eigenen Umfeld, die zwar nicht berühmt sind, einem aber ebenfalls und genauso eindeutig auffallen; ob positiv oder negativ, ist eine ganz andere Frage.

Man kann sich gegen Marke sträuben und versuchen, sich dem ganzen Markenzirkus zu verweigern. Man kann sagen, dass man zu Aldi geht. Schließlich ist das Waschmittel da genauso gut, die Creme cremt auch und die Cola dort enthält ebenfalls viel Zucker. Der Unterschied zwischen Coca-Cola (da steht kein ® dahinter, sondern »Schutzmarken«) und Topstar®-Cola (Aldi Süd) beziehungsweise River®-Cola (Aldi Nord) ist bestimmt riesengroß, so in den kleinen Nuancen der Zusammensetzung. Doch da geht bestenfalls dem approbierten Chemiker analytisch einer ab. Aus Sicht der Markenexperten gibt es keinen: Topstar und River sind ebenfalls Marken, starke obendrein, und das lehrt nicht nur der Umstand, dass beide in der »Klasse Nizza 32« 

Was hat die Bezeichnung »Nizza 32« mit Cola-Getränken zu tun? So markiert findet den Coca-Cola-Hängeordner im Patentamt garantiert niemand.

beim Deutschen Patent- und Markenamt als Marke angemeldet sind, das eine in der Kategorie »Alkoholfreie Cola-Getränke«, das andere bloß in der Kategorie »Alkoholfreie Getränke mit Ausnahme von Zitrusfruchtsäften sowie von unter Verwendung solcher Säfte hergestellten Getränken, insbesondere tonische, bittere und Cola-Getränke, sämtliche Waren aus Ländern des englischen Sprachbereichs stammend«.

Coca-Cola macht es weder anders noch besser, nur üppiger: Das Unternehmen hat in Deutschland derart viele Marken in derart vielen Erscheinungsformen angemeldet (grob gesagt alles, was rot, weiß, geschwungen, trinkbar und nicht bei drei auf dem Baum ist), dass man die mehrjährige patentanwaltliche Zusatzqualifikation braucht, um da durchzusteigen. Muss man aber nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass der Käufer von Topstar und River bei Aldi genauso wenig einen freien Willen hat und genauso beeinflusst ist wie der Käufer von Coca-Cola. So verhält es sich auch mit Nivea, Biocura® (Aldi Nord) und Lacura® (Aldi Süd).

Merkwürdig: Kein Mensch spricht von Pepsi, wenn es um Cola geht. Dafür gibt es gute Gründe: Der Name klingt im Deutschen nach einem Durstlöscher für Turnbeutelvergesser. Kann man sich damit aufpeppen, wenn es nach der Sportstunde mit den Rhönradmädels noch zum Skater-Platz geht? Zudem hat Pepsi es fertiggebracht, zwischen 1898 und 2008 geschlagene neun Mal sein Logo zu verändern. 

Das hat zumindest die Werbeagenturen ernährt. Wer häufig die Agentur wechselt, verliert seine Kunden – und Geld.

Die Visualisierung und der Ausdruck einer Marke schlechthin – nicht zu fassen! Coca-Cola hat das zwischen 1885 und 2008 nur ein einziges Mal gemacht. Kein Wunder, dass der Markenwert von Pepsi-Cola laut der Best-Global-Brands-Studie 2013 von Interbrand bei etwas mehr als 17,9 Milliarden Dollar liegt – und der von Coca-Cola bei knapp 79,2 Milliarden Dollar. Den Wert einer Marke kann man nämlich messen. Oftmals ist er das Wertvollste, das ein Unternehmen zu bieten hat.

Nicht selten ist der Markenwert um ein Vielfaches höher als der Buchwert. Viele Unternehmen nutzen ihn dazu, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern oder sich für den Verkauf aufzuhübschen. Das zahlt sich besonders dann für sie aus, wenn jemand die ganze Company kaufen will, sie aber lediglich einen großen Tresor mit einem kleinen Blatt Papier drin mit einer großartigen Rezeptur drauf, etliche Verwaltungsgebäude in vielen Ländern, einige Hundert Abfüllanlagen, einige Tausend Lkws, Millionen roter Plastikkisten und Milliarden kleiner Glasflaschen zu bieten hat. Und, da war noch was, diese einzigartige Form der »Konturflasche«, neben der Farbe und dem Logo. Gut, dass man sich in Atlanta diese Form – man erkennt sie mit verbundenen Augen – bereits 1916 als Geschmacksmuster hat schützen lassen.

Das Markieren von Formen hat Hochkonjunktur: Ist die Nespresso-Kapsel nur ein Patent oder aufgrund ihrer Form außerdem eine »Form-Marke«? Patentschutz läuft aus, Markenschutz nicht.

Keiner darf sie nachahmen. Pepsi hat seine Flasche bestimmt auch schützen lassen, aber wer will die schon imitieren? Ins Museum Plagiarius in Solingen, wo die dreistesten Kopien der besten Produktdesigns stehen, schafft es eben nicht jeder. Schon gar nicht eine Company, die noch nicht einmal ihr Logodesign im Griff hat.

Marke ist Marke ist Marke, im Discounter wie im Supermarkt, online wie offline, die teure wie die billige. Es gibt viele Definitionen von »Marke«, eine ist wesentlich: »Ihre Marke ist das, was man hinter Ihrem Rücken über Sie erzählt.« Dabei erkennt man die starke Marke daran, dass man sie erkennt: Erkennen verursacht Begehrlichkeit, Begehrlichkeit verursacht Anziehungskraft, Anziehungskraft verursacht Habenwollen, Habenwollen verursacht Kaufen, Kaufen verursacht Verwenden, Verwenden verursacht Stolz, Stolz verursacht Liebhaben, Liebhaben verursacht Wiederkaufen, Wiederkaufen verursacht Abhängigkeit, Abhängigkeit verursacht …

»Marke« kommt von »Branding« und damit von »markieren«, und das wiederum kommt von den Cowboys im Mittleren Westen. Die waren es eines Tages leid, vor dem Feierabend immer erst ihre Rinder auseinanderklamüsern zu müssen, bis sie sich endlich ans Lagerfeuer setzen und in Ruhe eine rauchen konnten. Oftmals gab es Streit, weil ein Rind eben aussieht wie ein Rind. Dann fingen sie an, die Tiere mit ihren Zeichen und Symbolen zu »branden«. Auf einmal war viel früher Feierabend, man konnte viel zeitiger gemütlich beisammensitzen und sich eine anstecken. Wenn wir das Bild von den Cowboys am Lagerfeuer vor der glühend versinkenden Sonne im Kopf haben, meinen wir allerdings bloß immer, dass sie geraucht haben. Und zwar die Marke mit der roten Farbe, dem weißen Schriftzug und dem Dreieck auf der Packung …

Dabei haben die Bohnenkaffee und Feuerwasser getrunken. Das Bild von dem Cowboy mit der Zigarette hat uns Marlboro in den Kopf gemalt.

Heute ist das Rind die Firma und das Brandzeichen ist das Logo: In Amerika fingen die Reklameleute vor 100 Jahren damit an, Unternehmen ein unverwechselbares Gesicht zu geben, sie zu »branden«. Dafür entwickelten sie eine Vielzahl von Methoden, mit denen sie General Electric, Kellogg’s, IBM, Heinz, Budweiser und viele andere Namen groß und stark machten, die wir auch in Europa schon seit ewigen Zeiten kennen. Wir haben uns nie gefragt, warum. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Berater mit ihren Methoden nach Europa und sie fingen an, Unternehmen und Produkte wie Fischer und Würth, BMW und Salamander, C&A und Rodenstock, Grundig und Neckermann, Quelle und Karstadt zu profilieren und damit die Grundlage dafür zu schaffen, dass sie genauso schnell so groß und stark wurden wie zuvor die amerikanischen. Auch diese Marken kennt heute jeder – selbst wenn manche von ihnen schon längst im Markenhimmel sind.

Starke Unternehmen, die es noch gibt und die wollen, dass das auch so bleibt, nutzen die Mechaniken der Markentechnik, um das Wertvollste zu bekommen: Menschen. Employer Branding und damit die attraktive Arbeitgebermarke sorgen dafür, dass es jungen Ingenieuren attraktiver erscheint, zum Automobilzulieferer Brose nach Coburg als zu BMW nach München zu gehen. Wie attraktiv diese Marke für Fachleute in der Automotiveindustrie ist, macht Brose auf seiner Website unmissverständlich klar. So viel zum Selbstbild, zu dem, was den Leuten Tolles über sich als Arbeitgeber einfällt. Das Erstaunliche: Es deckt sich ziemlich idealtypisch mit dem Fremdbild. In der Tat kann Brose bei der Arbeitgeberattraktivität mit den Großen in den großen Städten mithalten.

Starke Marken sparen nicht nur Geld beim Employer Branding, sie können es sich sogar leisten, ihren Leuten weniger zu zahlen. Bei Apple, Google und Mini ist das Gehalt Nebensache, wenn man als Mitarbeiter heute der Star jeder Party und morgen die attraktive Beute für den Headhunter ist.

Auch in Coburg hat man idealtypisch verstanden, was eine begehrenswerte Marke zu einer begehrten Marke macht: 1. die klare Positionierung, 2. viel Arbeit, die nie aufhört, 3. ganz viel Kontinuität.

Tandil von Aldi Nord genauso wie Aldi Süd ist eine Marke, und Ariel ist ebenfalls eine. Die Chance ist groß, dass sie aus demselben Werk kommen; vielleicht unterschiedlich parfümiert, mit einer vergleichbaren Menge an Weißmachern, einer vergleichbaren Waschkraft, und der Colorschutz-Effekt ist ebenfalls vergleichbar. Marke oder nicht Marke, das ist nicht die Frage. Es geht vielmehr darum, wie stark sie ist, wie viel Vertrauen sie beim Verbraucher genießt und in welchem Maße sie ihn informiert, verführt, manipuliert, ihm die Sinne benebelt.

Das ist alles richtig und wichtig, aber mir eine Spur zu negativ. Meine These: Wir lieben, brauchen und nutzen Marken, weil sie das Leben einfacher, facettenreicher, bunter und emotionaler machen. Nicht mehr und nicht weniger.

Deshalb ­besteht, was die Markenstärke der Unternehmen angeht, der Unterschied zwischen Audi und Aldi in genau einem Buchstaben.

Es kommt vor, dass die Hausfrau vor der 15 Jahre alten und immer noch zuverlässig waschenden Miele-Waschmaschine kauert, und sie fasst es nicht: Alles grau, grauer, am grauesten! Das Grauen hat für sie einen Namen: Tandil! Das Dinner heute Abend mit diesem einen Heinz aus Parship – ruiniert, bevor die Lidl-Shrimps geknackt sind. Ach, wär sie doch bei Ariel geblieben … Jetzt versaut das falsche Waschmittel den Abend, bevor er begonnen hat. Doch wer weiß, wofür es gut ist: Vielleicht fährt dieser Heinz ja Opel.

Zum Mitnehmen

•Marken sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Sie lenken und leiten, informieren und manipulieren, emotionalisieren und dramatisieren. Auch die Kirche ist eine Marke.•Starke Marken erkennt man daran, dass man sie erkennt. Ein Produkt, das man erkennt und erinnert, hinterlässt einen markanten Eindruck. Das ist der Anfang von Marke.•Marke ist, was man hinter dem Rücken ihres Inhabers über ihn erzählt. Ein Bild von ihr entsteht immer. Die Frage ist nur, welches.•Mut zu Einzigartigkeit und Kontinuität sind marken­bildende Faktoren. Wer sich ständig verändert, wird nicht wiedererkannt!•Starke Marken haben Einfluss: Sie richten sich nicht nur an Kunden, sondern auch an potenzielle Mitarbeiter, und helfen nicht nur bei der Profilierung von Produkten, sondern auch von Menschen.

Image:

Eine starke Marke erkennt man daran, dass man sie erkennt

Frage an den Studenten einer Eliteuniversität: »Was würden deine Eltern sagen, wenn du nach dem Studium als Assistent des Geschäftsstellenleiters bei der Sparkasse Castrop-Rauxel anfangen würdest?« Seine Antwort: »Junge, jetzt haben wir so viel Liebe und Geld in dich investiert – und dann das!« Sie stammt aus einer Reihe von Tiefeninterviews der Universität St. Gallen zur Erforschung der Attraktivität von Arbeitgebermarken. Forschungsfrage: Sind starke Marken die attraktiveren Arbeitgeber?

Auf die Frage, warum die Sparkasse nicht zu seinen Favoriten zähle, antwortet der Student in Bildern: Bei Sparkasse denkt er an schmucklose Vorstadt-Mehrzweckbauten, schusssicheres Glas am Schalter und »Diskretion – Bitte Abstand halten!«-Aufklebern am Boden. Und hinten scheppert die Münzgeldzählmaschine. Er sieht Weltsparer, Häuslebauer und Riester-Rentner, denen das Reihenhaus in der Kleinstadt lieber ist als das Innenstadt-Loft und der Bodensee-Urlaub sympathischer als der Singapur-Trip. Assoziationen, die so gar nicht zu dem Bild passen, das er als Elitestudent von einem Geldinstitut hat: Da sieht er schillernde Glaspaläste, Nadelstreifenanzugträger, die sich in der U-Bahn auf Business-Englisch um die Plätze mit dem besten Handyempfang fürs Day-Trading balgen. Er träumt von fetten Boni und dicken Sportwagen. »Sparkasse geht gar nicht. Und überhaupt, was würden meine Kumpels sagen?« Das Bild, das andere von einem haben, ist mindestens genauso wichtig wie das eigene. Persönlich hat der Befragte seine Sicht von der Sparkasse noch nie überprüft.

Die Sparkasse hat mit der ablehnenden Haltung vermutlich kein Problem.

Kein Problem? Das mag für die Kunden gelten, aber nicht für den Arbeitnehmermarkt: Wer keine Topabsolventen für sich begeistern kann, hat auf lange Sicht bei den Kunden keine Zukunft.

Die Marke hat ein so klares Profil, dass es wohl genug Bewerber genauso wie Kunden und andere Anspruchsgruppen gibt, die sich dafür entscheiden. Für sie ist die Sparkasse das Geldinstitut für Bausparer, Risikovermeider, D-Mark-Vermisser und Freunde der vermögenswirksamen Leistung. Diese Bank hält das Geld zusammen, anstatt Hedgefonds zu finanzieren. Deshalb heißt sie ja Sparkasse und nicht Ausgebkasse.

Deshalb sind so viele Unternehmer bei der Sparkasse und nicht bei Dibadibadu: eine extrem gut gepflegte, behutsam modernisierte Marke mit dem größtmöglichen Vertrauensvorschuss.

Menschen denken und kommunizieren in Bildern: Man kann gar nicht anders, und Kunden machen das immer und überall so. Das Markenimage ist das Bild, das sie von einer Marke haben. Sehen sie ein wulstiges Männchen, denken sie an Michelin. Hören sie Meister Proper, erscheint ihnen der muskulöse Glatzkopf mit dem Ohrring, und wenn sich der McKinsey-Berater in der Firma ankündigt, erwarten sie den Schlacks mit dem Sparkassenscheitel, der Profilbrille und dem schwarzen Schlips auf weißem Hemd.

Ein Pinguin! Wie die ganze Kohorte im Frühflieger nach Frankfurt: schwarzer Boss, silberfarbener Rimowa, schwarzes Blackberry. Alles austauschbare Menschenmärkchen.

Wir werden mit Bildern sozialisiert, mit ihnen können wir uns am besten ausdrücken, sie merken wir uns am besten. Denken wir an ein bestimmtes Ereignis, reihen sie sich aneinander und bilden ein »assoziatives Netzwerk« zum Abspeichern im Kopf. Der Markenname Agent Provocateur lässt Welten aus James Bond, Agenten und erotischen Fantasien entstehen. Ein verbaler Impuls genügt, und das Kopfkino startet.

Hoffentlich weiß der Absender, welchen Film er zeigen will!

Jetzt setzt sich der Mensch intensiv mit der Marke und ihrer Welt auseinander. Diese Momente voller Konzentration sind wertvoll, beim hochwertigen Modelabel genauso wie bei der niedrigpreisigen Eigenmarke für den Alltag: Ja! und M-Budget sind die ­Hausmarken von Rewe und Migros. Dort investiert man viel Hirnschmalz und Geld, damit die Sachen vom Kunden als Nicht-Marken beziehungsweise als günstige Alternative zu Premiummarken wahrgenommen werden. Auch eine klare Positionierung: Wer M-Budget liest, denkt nicht an »billig«, sondern an »preiswert«. Die Migros ist nicht günstig, aber Budget drückt es aus. Bei Migros denkt man an die Schweiz, bei der Schweiz an Berge und Kühe, bei Kühen und Bergen an frische Luft und Erholung. Schon sind M-Budget-Produkte aufgrund der semantischen Bilderverkettung in der Wahrnehmung nicht nur günstig, sondern auch nachhaltig, regional und gesund!

Menschen drücken sich über Markenimages aus: Ein Marken­image ist dann stark, wenn die Wahrnehmungen aller Betrachter auf einen Nenner einzahlen. Wer keine Rolex trägt, weiß sehr wohl, dass das eine Uhr zum Preis eines Kleinwagens ist. Sie bekommt nur, wer Geld hat und das seinem Umfeld mitteilen will. Rolex setzt bewusst auf Symbole, die Status signalisieren und sichtbar machen. Die Krone als Bildmarke, die Signalfarbe Gold und das Vergrößerungsglas über der Datumsanzeige machen Rolex für jeden erkennbar und markieren ihren Träger als erfolgreich und ebenso selbst- wie sendungsbewusst.

Das war gestern. Heute trägt der wahre Erstplatzierte eine abgewetzte Lederjacke, und der Rolex-Mann trägt ihm den Vintage-Koffer.

Die Wissenschaft spricht von der symbolischen Ergänzung des Selbst, wenn Markenprodukte dazu dienen, die Persönlichkeit des Konsumenten zu schärfen. Durch die Marke wird das Nutzer­image um bestimmte Aspekte des Markenimages ergänzt. Der Golf-Fahrer kommt bodenständiger rüber als der Audi-A3-Fahrer, der Handwerker mit dem Hilti-Bohrhammer erweckt einen professionelleren Eindruck als der Kollege mit der Bohrmaschine von Bosch. Marken ergänzen aber nicht nur das Selbst, sie drücken auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Community aus. Man kauft eine Marke, um sich von der Masse abzuheben und seine Einzigartigkeit zu pflegen; gleichzeitig nutzt man sie, um die Zugehörigkeit zu einer Gruppe auszudrücken, der man angehören möchte. In diesem paradoxen Verhältnis, das Menschen zu Marken haben, liegt eine zentrale Herausforderung für das Management. Der reife Harley-Davidson-Fahrer nutzt die Marke, um sich einerseits von den anderen 65-Jährigen abzuheben. Andererseits drückt er damit seine Zugehörigkeit zu der ganz besonderen Gemeinschaft der Harley-Fahrer aus. Ein Markenimage muss deshalb so abhebend wie polarisierend wie integrativ sein. Harley macht’s vor.

Um in den Flagshipstore von Chanel nahe der Place Vendôme in Paris zu gelangen, muss man durch zwei Schleusen und an zwei Wachleuten vorbei. Die Botschaft dieser Maßnahme: »Der Plebs bleibt bitte draußen« oder »Wer hier einkauft, kennt H&M nur aus der Zeitung«.

Das gilt gerade nicht mehr im Zeitalter des hybriden Kunden. Spätestens seit Jerry Hall für H&M gemodelt hat, sind die Schweden auf dem roten Teppich akzeptiert. Macht auch Sinn: Im Umfeld von Diane von Fürstenberg und Talbot Runhof ­differenziert die Marke noch richtig.

Früher schützten sich die Schönen und Reichen durch hohe Burgmauern vor neugierigen Blicken, heute reichen schrankbreite Türsteher, um erst die Neugierde des Volkes zu wecken und es dann auf Abstand zu halten. Nur gucken, nicht anfassen! Mehr Arroganz geht nicht, weniger Arroganz ist auch nicht gut. Chanel will nicht von jedem getragen werden, und nicht jeder kann oder will Chanel tragen. Das Gleiche gilt für Porsche, das Sinnbild dafür, dass man es geschafft hat. Dafür erntet man an der Ampel neidische Blicke von gaffenden Fiat-Fahrern.

Genau für diesen Blick nehmen sie gequält lächelnd in Kauf, dass es in ihrem geleasten Porsche mit null Anzahlung so unbequem ist. Zugeben würden sie es niemals.

Porsche hat für eine Studie Kinder gefragt, was ihr Vater denkt, wenn neben ihm ein 11er hält. »Arschloch!«, war eine der häufigsten Antworten. Und Neid ist immer noch die höchste Form der Anerkennung.

Im Business-to-Business-Umfeld gilt das genauso: Der Müllermeister wertet seine Mühle auf, wenn er seinen Kunden zeigt, dass er ihr Korn nicht mit einer 08/15-Mühle mahlt, sondern mit einem Mahlwerk von Bühler aus dem ostschweizerischen Uzwil. Die Marke ist für getreideverarbeitende Betriebe das, was Bosch für die Autoindustrie ist. 66 Prozent des weltweit konsumierten Weizens laufen durch eine Bühler-Maschine, und man ist maßgeblich beteiligt an der Herstellung von 65 Prozent aller Schokoladen- und 50 Prozent aller Pasta-Produkte. Den Endkunden, der sich im Supermarkt für Golden Toast und gegen Lieken Urkorn entscheidet, beeindrucken diese Dimensionen nicht. Für die Großbäckerei, die den Mehllieferanten wechseln möchte, ist ein Bühler-Maschinenpark hingegen ein Indiz für die Qualität und die Zuverlässigkeit der Mühle und die Vorstellung von 66 Prozent der weltweiten Weizenproduktion auf einem Haufen atemberaubend und imageprägend par excellence.

Nicht zu vergessen die Innenwirkung: An einer tollen Maschine arbeitet man viel lieber, engagierter, genauer, produktiver.

Starke Markenimages gibt es also auch in der Industrie. Wer ihre Wirkung kennt, macht sie sich zunutze.

Klarheit und Einfachheit gewinnen: Je präziser das Marken­image, desto einheitlicher sind die Bilder, die Kunden mit der Marke verbinden. Starke Bildwelten erlauben ein intuitives Urteil darüber, ob man sie mag oder nicht. Je eindeutiger das Image, desto stärker spricht es bestimmte Zielgruppen an und desto konsequenter schließt es andere aus: Apple gehört in Werbeagenturen, aber nicht auf Intensivstationen. Die Anwender verbinden die Marke mit Lifestyle, Musik, Design. Für ernsthaftere Themen wie Gesundheit, Marktforschung und Unternehmenssanierung gibt es Siemens und Lenovo.

Lenovo vor allem, wie geil: Da sind die Scharniere bei den Notebooks noch aus echtem Metall.

Apple tut sehr gut daran, sich aus diesen Märkten rauszuhalten. In Palmolive kann man die Hände baden, antibakteriell sauber werden sie aber nur mit Sagrotan. Jack Wolfskin ist was für Hobby-Kletterer, aber nichts für Profi-Bergsteiger. Markenführung erfordert Mut zum Anderssein. Everybody’s Darling is Everybody’s Depp, weil der Brei, der jedem schmecken soll, so fad ist, dass keiner ihn will.