Berija -  - E-Book

Berija E-Book

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Beschreibung

Der vorliegende Band ist ein erschütterndes Dokument. In Beiträgen von Historikern, Zeitzeugen und Opfern, Politikern und Schriftstellern sowie Auszügen aus dem Prozessprotokoll von 1953 wird das Terror-Regime Josef Stalins lebendig - und das Psychogramm seines verantwortlichen Vollstreckers: des Georgiers Lawrenti P. Berija. Er leitete die Todesmaschinerie von 1938 bis 1953. Nach Stalins Tod ließ ihn Chruschtschow in einem Handstreich verhaften, anklagen und am 23. Dezember 1953 erschießen. Wladimir Nekrassows voluminöses Porträt ist ein Standardwerk, das nun endlich wieder zugänglich ist!

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Wladimir F. Nekrassow (Hrsg.)

Berija

Henker in Stalins DienstenEnde einer Karriere

Aus dem Russischen von Barbara und Lothar Lehnhardt

edition berolina

ISBN 978-3-95841-037-4

1.Auflage dieser Ausgabe

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805 / 30 99 99

FAX 01805 / 35 35 42

(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 € / Min.)

© 2016 by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin

Die Originalausgabe Berija : konjez karjery erschien 1991 im Verlag Polititscheskaja Literatura Moskau, eine deutsche Ausgabe im Jahr darauf in der edition q Verlags-GmbH, Berlin.

Umschlaggestaltung : BEBUG mbH, Berlin

www.buchredaktion.de

Zum Geleit

Die sehr unterschiedlichen Erinnerungen, Aufsätze und Dokumente in diesem Buch vermitteln authentische Einblicke in das Leben und die Ära des Lawrenti Pawlowitsch Berija. Dieser Mann wurde von einem System absoluter Macht gegen das Volk eingesetzt. Es geht folglich hier nicht nur um einen einzelnen Herrschsüchtigen, der Recht, Gesetz und alle Normen der Moral verletzt und wie ein absoluter Despot über das Schicksal von Millionen bestimmt hat ; es geht zugleich um das System und die Umstände, die diesen Menschen hervorbrachten, ihn aufsteigen, seine karrieristischen Ambitionen wie seinen Machthunger befriedigen ließen.

Als die stalinistische Diktatur errichtet wurde, brauchte man zunächst Berijas Vorgänger Jagoda und Jeschow, um den Massenterror zu entfesseln. Dann jedoch war ein Mann vonnöten, der die Konsolidierung der persönlichen Macht Stalins vollenden und zugleich den Partei- und Staatsapparat zu dessen untertänigem Willensvollstrecker machen konnte.

Dafür eignete sich Berija wie kein zweiter. Das Leben anderer Menschen, selbst bester Freunde, hatte ihm seit jeher nichts bedeutet. Unter seiner Leitung entwickelten sich die Straforgane der Sowjetunion nicht nur zu einem gigantischen, allgegenwärtigen Repressionsapparat, dem Hunderttausende unschuldiger Menschen zum Opfer fielen, sondern zugleich in riesige Industrie- und Bauunternehmungen, wo die unentgeltliche Zwangsarbeit von Millionen Insassen des GULAG-Systems gnadenlos ausgebeutet wurde.

Nach dem Tode Stalins war Berija bestrebt, nunmehr die höchste Stufe der Macht im Lande zu erreichen. Doch dazu kam es nicht mehr. Am 26. Juni 1953 wurde er verhaftet und damit seiner Karriere ein Ende gesetzt.

Das vorliegende Buch ist zugleich Dokument und Erinnerung an eine »bleierne Zeit« wie Memento für ihre Opfer.

WladimirF. Nekrassow

Erster Teil

Karriere eines Henkers

A. Antonow-Owsejenko

Der Weg nach oben. Skizzen zu einem Berija-Porträt

Vor einem Filmtheater, in dem Ende der achtziger Jahre »Die Reue« gezeigt wurde, bot jemand zwei Eintrittskarten an. Junge Leute kamen und fragten:

»Worum geht es in dem Film ?«

»Um Berija.«

»Wer ist denn Berija ?«

Sie nahmen dann doch die Karten. Aber wahrscheinlich gehörten sie zu den Zuschauern, die den Saal wieder vorzeitig verließen.

Welche Beziehung haben sie denn auch zu Berija und zur Berija-­Ära ? Sie wurden in völliger Unkenntnis über die Tyrannen der Neuzeit erzogen.

Und was hat mich eigentlich veranlasst, den Lebenslauf Law­renti Berijas zu recherchieren ? Das Gefühl verspäteter und deshalb nutz­-loser Rache ? Oder besonderes Interesse für diesen Mann ? Die Notwendigkeit, seine Bluttaten öffentlich zu machen ? Jeder ­Aspekt ist hier wichtig. Als Sohn eines Revolutionärs und namhaften, unter Jeschow verurteilten Führers der Oktoberrevolution geriet ich 1943 in das Innere Gefängnis der Lubjanka. Damals standen die Staatssicherheitsorgane schon fünf Jahre unter Berijas Befehl.

Unmittelbar auf dem Arbat, direkt von der Straße weg, wurde ich verhaftet und in einer schwarzen Limousine zur Lubjanka gebracht.

Das erste nächtliche Verhör fand im Arbeitszimmer von Solomon Milstein, Kommissar der Staatssicherheit und langjähriger Mitarbeiter Berijas noch aus der Zeit in Georgien, statt. Mir wurden anti­-sowjetische Agitation und terroristische Tätigkeit vorgeworfen (Artikel 58, Absatz 10 und 8 des Strafgesetzbuchs der RSFSR). Ich hatte niemanden agitiert ; und mich, einen Halbblinden, des Terrors zu bezichtigen, war unsinnig. Doch in diesem Haus verstand man keinen Spaß. Vor allem wollte man niemand wegen fehlenden Straftatbestands freilassen. Das wurde mir während der Ermittlungen klargemacht. Im Frühjahr 1944 legte man mir eine Kopie des Urteils des Sondergerichts zur Unterschrift vor, ­wonach ich in Abwesenheit zu acht Jahren Lager, nach Absatz 10 des Artikels 58, verurteilt worden war. Zusammen mit bereits ­vorangegangenen Repressalien bedeutete das für mich fast 13 Jahre Haft.

In den Lagern traf ich Tausende und Abertausende Opfer des stalinistischen Terrors und der Willkür Berijas. Millionen Menschen sind ums Leben gekommen. Sie harren noch immer der Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit. Sie warten seit Jahren auf ihre Rehabilitierung.

Wer erinnert sich heute noch an die Hinrichtung Berijas im ­Jahre 1953 ? Wer kennt ihn heute noch ? Die Geschichte deckt über manches den Mantel des Vergessens.

Wie kann man die Person dieses Henkers charakterisieren, der selbst in einer Epoche unvorstellbarer Gräueltaten alle anderen Handlanger Stalins bei weitem übertraf ? Die anderen blieben eine graue Masse, Berija aber war eine Persönlichkeit. Er hat nichts Nützliches vollbracht, nichts gebaut und geschaffen, ­seinen schlimmen Ruf durch keine einzige gute Tat gebessert. Berija ist einer der berüchtigtsten Todesengel der Geschichte.

Umso wichtiger ist es für uns, ihn heute richtig zu beurteilen. ­Berija wurde in einer Zeit der blutigen Gewalt groß, überflügelte alle seine historischen Lehrmeister und wurde zum Sinnbild dieser Gewalt.

Er ist ein Produkt der von Genrich Jagoda und Nikolai Jeschow, den Nachfolgern von Dshershinski und Menshinski, erfolgreich umgesetzten Politik. Sie hatten Stalins Absicht, die Partei der Bolschewiki und das Volks zu unterjochen, sofort als dienstliche Pflicht aufgefasst. Sie halfen dem Generalsekretär, das ganze Land zu einem Zuchthaus zu machen. Doch sie waren lediglich Amateure. Mit der Ernennung Berijas für diese Funktion Ende 1938 zog der wahre Meister in die Lubjanka ein.

Seine Verbrechen auf Stalins Geheiß und zusammen mit dem Generalsekretär sind unüberschaubar. Heute, Jahrzehnte später, fragen viele, ob ein normaler Mensch dazu überhaupt fähig sein konnte.

Damals war dies schon möglich, denn die Zeit selbst war kriminell. Die Würde des Menschen und das Leben der Untertanen galten absolut nichts. Die Existenz ganzer Völker hing von einer Laune des Tyrannen ab.

Urteile über den pathologischen Geisteszustand von Stalin und Berija überlassen wir besser müßigen Geschichtsschreibern.

Die Metastasen der Stalin-Ära und die Folgen des Unterdrückungssystems Berijas belasten uns schwer und behindern uns beim Vorwärtsschreiten.

Erst wenn wir diese Last abgeworfen haben, können wir sicher sein, dass sich das alles niemals wiederholen wird.

Bei der Beschäftigung mit der Biographie Berijas wird ersichtlich, dass er seine wahre Vergangenheit mit Legenden abdecken wollte. Als Datum seines offiziellen Parteibeitritts ließ er beispielsweise März 1917 eintragen.

Bei den Verhören vor seiner Verurteilung weigerte sich Berija, selbst dokumentarisch bewiesene Tatsachen zuzugeben.

Meine Abhandlung beruht auf Fakten, vor allem auf Zeugenaussagen, Erinnerungen von Zeitgenossen und Berichten in Zeitungen und Zeitschriften.

Zum Mitarbeiter der Geheimpolizei kann man aus verschiedenen Beweggründen werden, mancher wird rein zufällig zum Agenten. Lawrenti Berija war für dieses schmutzige Gewerbe faktisch geboren. In der städtischen Lehranstalt von Suchumi gab es keinen Diebstahl und keine Zuträgerei, an denen Berija nicht direkt oder indirekt beteiligt war. Gemeinheit und Niedertracht waren in ihm harmonisch vereint. Er stahl eine Mappe mit Beurteilungen der Schüler, bewirkte die Entlassung des Klassenlehrers und orga­nisierte, natürlich über Strohmänner, den Verkauf dieser Unter­lagen.

Nach Abschluss dieser Schule (1915) siedelte Berija nach Baku über und nahm dort ein Studium an der technischen Lehranstalt auf. Im Sommer 1917 erwarb er das Diplom als Architekt und wurde dann in die Armee einberufen. Doch bereits nach einem halben Jahr gelang es ihm, das Kampfgebiet an der rumänischen Front zu verlassen und mit einer amtlich beglaubigten Bescheinigung aus gesundheitlichen Gründen aus der Armee auszuscheiden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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