Beruf(ung) Trader - Giovanni Cicivelli - E-Book

Beruf(ung) Trader E-Book

Giovanni Cicivelli

4,7

Beschreibung

Traden ist ein Beruf. Wer das mit allen Konsequenzen begreift und täglich umsetzt, der hat gute Chancen auf dauerhafte Gewinne an den Finanzmärkten: Zu dem notwendigen Interesse an der Börse gehört die erforderliche Ernsthaftigkeit für den eigenen Job und die ständige Bereitschaft, sich verbessern zu wollen. Giovanni Cicivelli beschreibt seine eigenen Erfahrungen als privater Trader. Er empfiehlt Neueinsteigern den eigenen Weg zum Erfolg zu suchen und nicht anderen Akteuren nacheifern zu wollen. Cicivelli beschreibt wie sein eigenes Money-Management in der Praxis funktioniert und warum Flexibilität und Disziplin manchmal wichtiger sind als theoretische Erwägungen. Denn am Ende muss man als Praktiker nur drei Dinge: Traden, Traden und Traden.

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Beruf(ung) Trader

Schritt für Schritt zum erfolgreichen Börsenhändler

Giovanni Cicivelli

Copyright 2012: © Börsenmedien AG, Kulmbach

Gestaltung und Satz: Johanna Wack, Martina Köhler, Börsenmedien AG Lektorat: Egbert Neumüller Druck: Freiburger Graphische Betriebe

9783864700385

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444 E-Mail: [email protected] www.boersenbuchverlag.de

Inhaltsverzeichnis

TitelImpressumVORBEMERKUNGENMAMATRADEN ALS BERUFAUSSTATTUNGSFRAGENKAPITALFRAGENTAGESABLAUFVERSTÄNDNISFRAGENGRÜNDE FÜR TRADESSONDERSITUATIONENMEIN HANDELS-ANSATZTRADES UND ÜBERLEGUNGEN DAZUFOREX (FX)DEN EIGENEN WEG FINDENZUSAMMENFASSUNGANHANG - Von der Handelsidee bis zu ihrer UmsetzungGLOSSARMichael Covel – Die Gebote des TradingsAndreas und Christian Weiß – So optimieren Sie Ihr TradingCRASHKURSE - VON ANLEGERN FÜR ANLEGER

VORBEMERKUNGEN

Mein Name ist Giovanni Cicivelli. Ich bin von Beruf Trader. Traden ist ein Beruf wie jeder andere auch: Mein Arbeitstag beginnt in der Regel um 7.30 Uhr mit der Zusammenstellung meiner täglichen Beobachtungsliste (Watchlist) und endet meist um 18 oder 19 Uhr. In dieser Zeit arbeite ich diszipliniert und konzentriert, um möglichst viele erfolgreiche Handelsgeschäfte abzuschließen. Leider verstehen Außenstehende und zu viele Anfänger diese Profession nicht wirklich. Ein professioneller Trader macht das Gegenteil von Zocken: Er geht gezielt Risiken ein und versucht, diese mithilfe seiner Instrumente zu kontrollieren.

Als ich mit dem Traden anfing – damals noch mit PIN und TAN in der Mittagspause meines Arbeitgebers, einer Bank –, gab es noch längst keine so tollen Voraussetzungen für Trader wie heute. Doch ich hatte Spaß am Börsengeschehen und wusste genau, dass ich selbstständiger Trader sein wollte. Mein Wissen über das Traden und das Geschehen an der Börse eignete ich mir in der Praxis vor allem selbst an. Seinerzeit fehlte es noch an ausreichenden Fortbildungsangeboten und geeigneten Fachbüchern.

Auf der einen Seite sind die Möglichkeiten heutzutage besser als noch vor zehn Jahren, aber das vielfältige Informationsangebot hat auch einen Haken: Viele Anfänger stehen vor einer Flut von Literatur und entwickeln theoretisches Wissen. In der Praxis kommt es jedoch vor allem auf das Machen, das Traden, an. Die Empfehlung für viele Anfänger ist aus meiner Sicht ein gesunder Mix aus praktischer Anwendung und ständiger Fortbildung. Dazu will ich meine Leser ausdrücklich ermutigen.

Über Kochrezepte, Theorie und Praxis

Kochen ist zurzeit trendy, zumindest wenn man die zahlreichen Kochshows im Fernsehen als Indikator für einen neuen Trend heranzieht. Ein guter Koch verwendet natürlich Rezepte, aber der Profi unterscheidet sich vom Hobbykoch durch das Verfeinern und gekonnte Zubereiten. Nach meiner Erfahrung funktioniert erfolgreiches Traden ebenfalls nicht durch das sture Umsetzen von Kochrezepten: Es soll Trader geben, die wochenlang auf das Eintreten aller Voraussetzungen für den perfekten Trade warten und daher nur selten einen Trade absetzen. Es ergeht ihnen wie einem unbegabten Pokerspieler, der stundenlang auf die perfekte Starthand (zwei Asse) wartet und sich über seine angehäuften Verluste durch seine Zwangswetten wundert. Sämtliche Gegenspieler entsorgen gegen solche „Sicherheitsfanatiker“ ohne erkennbares Zögern ihre Hände. Die Gegenspieler sind Praktiker und treten einfach nicht an. Übertragen auf das Traden: Falls der perfekte Trade irgendwann dann doch kommt, wird er zu 50 Prozent funktionieren. Der Theorietrader wird dann im Verlustfall den Trade so lange analysieren, bis er den scheinbar objektiven Fehler an seinem Setup entdeckt hat. Bis zur nächsten Trading-Gelegenheit dauert es dann vermutlich noch länger. Traden ist keine Wissenschaft.

Sinnvoller ist aus meiner Sicht ein anderer Ansatz, wie ihn Praktiker anwenden. Man sollte mit dem Traden schnellstmöglich beginnen und eigene Erfahrungen sammeln. Statt theoretische Einstiegssignale immer weiter zu verfeinern oder den ultimativen Indikator zu entwickeln, sollte man auf das viel wichtigere Management jedes einzelnen Trades achten.

Traden, Traden, Traden

Anfänger müssen also den Ballast der Theorie, die natürlich notwendig und unverzichtbar ist, für die Handelsphase zeitweise wieder abwerfen. Wichtiger als das Einhalten jeder noch so gut gemeinten Regel ist es, die eigene Handelsstrategie konsequent umzusetzen. Dabei kann man durchaus auf erprobte Konzepte setzen, um sich einen zu langen Vorlauf zu ersparen. Für mich als Trader sind ohnehin Erfahrungswerte wichtiger als Systeme, die in die Vergangenheit zurückgerechnet funktionieren, aber in einem völlig anderen Marktumfeld das Agieren erschweren oder sogar lange Verlustserien produzieren.

Über das Buchkonzept

Seit etwa einem Jahr gebe ich Praxisseminare für Interessenten am Traden. In diesen Webinaren stelle ich vor allem Trades vor. In dem Format kann man natürlich manche grundlegende Frage nicht im Zusammenhang beantworten und deshalb habe ich jetzt die Chance ergriffen, ein Buch über das Traden zu schreiben. Ich möchte hier meinen Praxisansatz vorstellen, um Neueinsteigern den Zugang zu erleichtern. Und damit sind wir schon im Thema drin: Jeder erfolgreiche Trader entwickelt mit der Zeit seinen eigenen Stil. Nach meiner Einschätzung ist dieser individuelle Ansatz der einzige Weg zum langfristigen Erfolg, denn letztlich zählt nur, was bei einem selbst funktioniert.

Interessenten können von der Erfahrung professioneller Trader profitieren, aber nicht durch den Versuch, den Trading-Stil und die Setups eines anderen zu kopieren. Außerdem gilt: Nicht jeder Tipp eignet sich für jeden, aber meist haben die Empfehlungen aus Erfahrung einen richtigen Kern, und den gilt es zu ergründen. Es gilt, einen Transfer des Erfahrungswissens anderer für den eigenen Trading-Ansatz zu leisten. Damit das Lesen etwas erleichtert wird, habe ich in diesem Buch einige Trades aus dem September 2011 eingebaut, die keinen didaktischen Anspruch erheben. Die Trades dienen zur Lesemotivation und helfen mir, manche Aspekte etwas praktischer zu beschreiben.

Ich werde immer wieder gefragt, welche Eigenschaften ein Trader mitbringen sollte. Meine Antwort lautet dann meist wie folgt: Ein Trader sollte Interesse am Börsengeschehen haben, seine eigenen Erfahrungen sammeln und diszipliniert seine Handelsidee umsetzen. Wenn er dann noch etwas Glück hat, kann er als Trader erfolgreich sein.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein erfolgreiches Agieren an der Börse und einen Zuwachs an Erkenntnis durch das Lesen dieses Buches.

Giovanni Cicivelli

Nürnberg im Februar 2012.

MAMA

Wie bei den meisten Tradern war auch mein Weg durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet: Mit 13 Jahren hatte ich durch das Börsenspiel einer Sparkasse erstmals Kontakt zur Börse. Ich fand das Spiel ziemlich spannend und bekam eine erste Ahnung davon, was mich später interessieren könnte. In den Folgejahren verdiente ich mir mit Ferienjobs mein erstes Startkapital: 20.000 Mark. Nach dem Abitur begann ich dann eine Ausbildung in einer Bank. Mama war stolz. Mit nur zwei Koffern waren Mama und ich 1982 aus Sizilien in Deutschland eingewandert und jetzt hatte der Junge es geschafft. Die Banklehre bot mir jedoch nicht die Perspektiven, die ich mir damals wünschte. Die 45 Minuten der Mittagspause nutzte ich täglich, um nach Hause zu gehen und in meinem Kinderzimmer mit PIN und TAN Aktien zu handeln. Das dauerte zwar damals eine Minute pro Order, klappte aber dennoch ganz gut. Irgendwann schwänzte ich zusammen mit meinem besten Freund die Berufsschule und wir handelten die Adelong-Aktie – das war damals einer der heißesten australischen Minenwerte. Das Resultat des Tages war, dass ich ein Plus von 18.000 Mark erzielen konnte. Wow! Warum soll man überhaupt in einer Bank arbeiten, wenn das alles so einfach ist? Hinzu kamen Gespräche mit einem anderen Freund, der in Frankfurt bei einer US-Bank arbeitete und mir tolle Geschichten über die Händler dort erzählte.

Der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Eines Tages saß ich in der Bank neben einer erfahrenen Beraterin, bei der ich hospitierte. Eine Kundin kam aufgeregt in die Beratungsstunde und fragte nach, warum die Kurse ihrer Aktien um 50 Prozent nachgegeben hatten. Der Hinweis der Beraterin schien professionell zu sein: Ihre Auskunft war, dass Aktien am Neuen Markt oft stark schwanken und auch wieder zurückkommen könnten. Das konnte aber nicht sein. Ich kannte den Grund für den Kurseinbruch nämlich besser, durfte aber nichts sagen: Die Aktie hatte kurz zuvor einen Aktiensplit vollzogen. Die Frau hatte dadurch doppelt so viele Aktien in ihrem Depot wie zuvor. Ich kündigte und brach meine Lehre nach etwa einem Jahr ab. Meine Entscheidung stand fest: Ich wollte Trader werden.

Mama war verständlicherweise nicht entzückt. Kurze Zeit später hatte ich drei Viertel meines Kapitals wieder verzockt und nur 10.000 Mark waren mir geblieben. Mama hielt mir eine italienische Standpauke. Ich hatte jetzt nur noch zwei Möglichkeiten. Ich konnte beginnen, endlich ernsthaft zu traden, oder ich hätte ein Studium anfangen müssen. Ich versuchte es weiter mit Aktienhandel und begann, mich durch Selbststudium ständig zu verbessern. Einige Monate später bat ich Mama in mein Zimmer, um ihr meinen Kontostand zu zeigen. Seit damals hat sie nie wieder nachgefragt oder mir Vorwürfe wegen der abgebrochenen Lehre gemacht.

Meine bisherige Lebensgeschichte zeigt: Ich bin kein Vorbild. Aber sie zeigt auch, dass man es mit der notwendigen Ernsthaftigkeit schaffen kann, seine Träume zu verwirklichen. Seit damals habe ich es nie bereut, Trader geworden zu sein.

TRADEN ALS BERUF

Traden ist für mich mein Beruf – ja sogar meine Berufung. Doch bevor ich meinen Zugang zu meiner täglichen Arbeitswelt näher im Zusammenhang erläutere, möchte ich mich kurz damit beschäftigen, was einen Beruf eigentlich ausmacht. Beginnen wir dazu mit einigen definitorischen Ansätzen.

Ein Beruf ist eine dauerhaft angelegte, i.d.R. eine Ausbildung voraussetzende Betätigung, die Arbeitskraft sowie Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nimmt. Nach Artikel 12 GG besteht das Recht, den Beruf frei wählen zu können, allerdings ohne Gewährleistung der Möglichkeit zum tatsächlichen Tätigwerden. Eine Sondergruppe bilden die freien Berufe (Arzt, Architekt, Rechtsanwalt usw.). Eine berufliche Tätigkeit kann in einem Angestelltenverhältnis oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden …

Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon

Ein zusätzliches Element verwendet die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Definition, die einen Beruf als ein Bündel von Tätigkeiten ansieht, die fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern.

Diese Definitionen sind als Annäherung hilfreich, da sie uns einen ersten Denkrahmen geben: Fachspezifische Kenntnisse und Fähigkeiten sind in jedem Fall notwendig, um die Tätigkeit auszuüben. Diese allgemeinen Vorgaben treffen aber für viele Sportarten ebenfalls zu, ohne dass gleich jedes Hobby als Beruf definiert ist. Bei einer Berufsdefinition für Trader muss also neben die Fachkenntnisse zusätzlich noch der finanzielle Aspekt treten: Berufssportler sind ebenfalls meist über ihr Hobby zum Job gekommen. Die Möglichkeit zum Geldverdienen kommt bei Sportlern allerdings nicht aus der Profession selbst, sondern aus anderen Quellen. Eine Radrundfahrt wäre für sich genommen keine lukrative Angelegenheit für Sportler, wenn es nicht zahlreiche Sponsoren gäbe, die sich aus der Nähe zu den Erfolgsträgern etwas versprechen würden. Das unterscheidet Profisportler von Tradern. Trader sind nicht abhängig vom Wohlwollen oder den Interessen anderer Marktteilnehmer.

An den Ausführungen von Gabler gefällt mir der Gedanke, dass man für die Tätigkeit zunächst eine Ausbildung absolvieren sollte. Genauso sieht es für Trader aus: Eine Ausbildung zum Trader sollte den Anfang bilden. Dabei ist dies nicht im herkömmlichen Sinne eines Lehrberufs zu verstehen. Es gibt keine Berufsschule und keine Lehrer, die einem Novizen die Theorie in einer anerkannten Ausbildung oder einem Studium erklären. Die meisten Trader sind Autodidakten, die sich ihre Kenntnisse selbst beigebracht haben. Die Ausbildung zum Trader ist nicht allgemein anerkannt und es gibt nicht die Prüfungen, die bei klassischen Berufen von Industrie- und Handelskammern abgenommen werden. Es gibt zwar Zertifikatslehrgänge der Deutschen Börse oder von Regionalbörsen, dabei geht es aber um andere Schwerpunkte. Dennoch möchte ich hier die Beschreibung eines Lehrgangs anfügen:

Zertifizierter Börsenhändler Kassamarkt Ausbildungsprogramm für interessierte Privatanleger

Mit diesem einwöchigen Lehrgang zum Zertifizierten Börsenhändler Kassamarkt wurde eine praxisrelevante Weiterbildung entwickelt, die über die öffentlich-rechtliche Mindestanforderung der FWB Börsenhändlerprüfung hinausgeht. Den Teilnehmern wird in diesem einwöchigen Seminar das fachliche sowie praktische Know-how für den aktiven Börsenhandel vermittelt.

Neben wichtigen theoretischen Themen wie der Organisation der Börse, den Marktmodellen und Marktteilnehmern, wird der Fokus auf praktische Übungen an den Systemen gelegt. Die Teilnehmer erlangen ein vollständiges Verständnis der Marktmodelle, während sie die wichtigsten Systemfunktionalitäten direkt am System praktisch erlernen.

Quelle: Börse Frankfurt, Veranstaltungen und Seminare

Daneben gibt es noch Lehrgänge für Börsenhändler im Xetra-System und andere Angebote. Auch die Börse Stuttgart bietet Seminare für Privatanleger an und bietet Grundkenntnisse in Optionsscheinen oder eine Ausbildung zum „Börsenprofi“. Der Blickwinkel der Börsen ist das eigene Handelssystem und die Abwicklung von Aufträgen. Die EUREX bildet ebenfalls Händler aus, die auf dem eigenen System Abwicklungen für Kunden vornehmen dürfen. Dabei geht es in erster Linie um das Regelwerk der Börsen. Die Regularien der Terminbörse beispielsweise sehen das erfolgreiche Bestehen der Börsenhändler-Prüfung als notwendige Voraussetzung vor. Unter anderem schicken Banken und Broker ihre Händler hierhin, um die ihnen auferlegten rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Das Angebot der Börsen beinhaltet allerdings nur zum Teil, was ein Trader für seine Profession benötigt. Geboten wird viel Theorie und wenig Praxiswissen. Dennoch können Einsteiger durch solche Veranstaltungen noch vorhandene Wissenslücken schließen.

Wissensquellen

Dieses Buch handelt in erster Linie von den fachspezifischen Fertigkeiten und Fähigkeiten, die man als Trader erwerben und möglichst ständig verbessern sollte. Hinzu kommen Hinweise zur Arbeitsorganisation. Für Tradinganfänger hat sich die Ausgangslage in den letzten Jahren ständig verbessert: Es gibt umfangreiche Literatur zum Thema Börse und über verschiedene Trading-Ansätze. Auch die Fortbildungsangebote haben zugenommen. So kann man ganz nach eigenem Geschmack Seminare oder Webinare nutzen, um sich Anregungen für den Job zu holen. Hinzu kommt die Möglichkeit, sich mit anderen Marktteilnehmern via Web auszutauschen und so gegenseitig voneinander zu profitieren.

Die theoretischen Kenntnisse über das Börsengeschehen oder über Trading-Strategien reichen für den Beruf des Traders natürlich nicht aus. Zum Traden gehören die tägliche Praxis und der finanzielle Erfolg. Erfahrung sollte sich bei dieser Tätigkeit als Trader positiv auszahlen. Nicht der Zocker, der auf den Zufall setzt, wird erfolgreich sein, sondern der kontinuierliche ernsthafte Arbeiter. Vom verstorbenen Börsenaltmeister André Kostolany (1906-1999) stammt der in diesem Zusammenhang denkwürdige Satz: „Es gibt alte Piloten und es gibt kühne Piloten, aber es gibt keine alten, kühnen Piloten.“

Die Statusfrage

Ein Trader kann natürlich genauso in einem Angestellten-Verhältnis für ein Handelsunternehmen agieren wie als selbstständiger Akteur seiner privaten Vermögensverwaltung. Der Status als Angestellter sieht die Weisungsgebundenheit durch den Arbeitgeber vor. Oft geht es dabei um das Umsetzen von Strategien, die andere Menschen oder Systeme vorgeben. Dieses Buch beschäftigt sich mit meiner Vorstellung eines selbstständigen Traders. Dieser setzt seine eigenen Ideen um und handelt auf eigene Rechnung. Mit allen Konsequenzen.

Traden kann man als Vollzeitjob oder (zunächst) nebenberuflich betreiben. Für Einsteiger oder Umsteiger bietet sich die Teilzeitvariante zu Beginn durchaus an. Denn wie bei jedem Selbstständigen übernimmt niemand die monatliche Gehaltszahlung des Traders. Andere Absicherungen sind ebenfalls Fehlanzeige.

Ist Traden ein Gewerbe?

Natürlich ist es nicht meine Idee oder Aufgabe, hier eine Art Steuer- und/oder Rechtsberatung vorzunehmen. Dazu sollte jeder seinen Steuerberater aufsuchen. Aber in der Vergangenheit war das steuerliche Thema in Deutschland immer wieder aktuell und für Trader ein ständiges Ärgernis. Manche Finanzämter hielten Trader für Gewerbetreibende – mit allen Konsequenzen im Hinblick auf Auflagen und anderes Ungemach.

Hier mein eigenes Arbeitsmodell: Ich verwalte auf meinem Konto ausschließlich mein privates Geld. Daher muss ich keine Auflagen von Finanzaufsichten oder sonstige formale Dinge erfüllen und ich komme gar nicht erst in den Verdacht, unerlaubte Vermögensverwaltung oder gar ein Gewerbe zu führen. Ich bin im Inland abgeltungsteuerpflichtig. Die Steuer ist inzwischen in Deutschland auch kein Problem mehr, da die Zahlung automatisch über meinen Broker erfolgt. Am Jahresende, wenn eigentlich Steuererklärungen anstehen, ist das eine erfreuliche Nachricht und Steuerschulden entstehen so gar nicht erst.

Vorteil Praktiker

Wer sein eigenes Kapital verwaltet, der ist vorsichtiger als jemand, der das Geld anderer bewegt, die er nicht persönlich kennt. Das dürfte eindeutig sein. Netterweise sind die spektakulärsten Pleiten immer genau einem Fehler geschuldet: dem Martingale-Spiel. Jeder Börsianer kennt die Empfehlung, nicht in ein fallendes Messer zu greifen. Die gleiche Grundidee steckt hinter dem Satz „The trend is your friend.“ Kein Anleger sollte sich gegen den Markt stellen und seine Positionen immer weiter „verbilligen“. Was jedem auf eigene Rechnung agierenden Trader spätestens mit seinem ersten derartigen Missgeschick klar wird, gilt für Banker offenbar nicht. Bank-Trader schöpfen scheinbar aus einem Füllhorn voller Geld. Genau dieser Gedanke hat zu einigen der spektakulärsten Pleiten an den Börsen geführt, wobei die einzelnen Umstände unterschiedlich ausfielen.

Nick Leeson war 1995 für den Zusammenbruch der Barings Bank verantwortlich. Leeson war Arbitragehändler in Asien und durfte eigentlich nur Kundenaufträge ausführen. Er verkaufte auf eigene Rechnung Put-Optionen und stellte sich damit gegen den Markt, der entgegen seinen Erwartungen immer weiter unter Druck geriet. Die Verluste verschleierte er auf einem Konto (888). Aus einem kleinen Verlust von zunächst einigen Tausend Pfund wurden 1993 zwei Millionen, die ein Jahr später 23 Millionen Pfund ausmachten. 1995 kam es in Japan zu einem Erdbeben und der Verlust summierte sich auf 400 Millionen Pfund. Seine Vorgesetzten begriffen und bemerkten nicht, was Leeson eigentlich anrichtete. Der Gesamtverlust der Bank summierte sich am Ende auf 825 Millionen Pfund. Im Prinzip handelte es sich bei dieser Spekulation um ein Martingale-Spiel. Seit 2005 ist Nick Leeson Manager eines irischen Fußballklubs.

Long-Term Capital Management (LTCM) war Mitte der 90er-Jahre ein legendärer Hedgefonds. Zu den Direktoren gehörten Myron Samuel Scholes und Robert C. Merton, die im Jahr 1997 gemeinsam mit Fischer Black (1938-1995) für ihr Optionspreismodell den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielten. Obwohl Scholes und Merton begnadete Mathematiker sind, begriffen sie nicht – haben es bis heute wohl nicht begriffen –, dass sie ein einfaches Martingale-Spiel aufbauten. Die getätigten Handelsgeschäfte waren letztlich sämtlich in eine Idee investiert. So wettete LTCM unter anderem auf eine Spread-Reduktion bei russischen Anleihen – eine Fixed-Income-Arbitrage. Das Geschäftsmodell sah ein extremes Hebeln der Positionen vor (bis zu 50). Die Banken drehten dem Fonds im Jahr 1998 den Geldhahn zu. Als der drohende Zusammenbruch des Fonds das weltweite Finanzsystem bedrohte, übernahm ein Bankenkonsortium das Geschäft von LTCM. Der Fonds wurde aufgelöst. Mehrere Partner versuchten sich erneut in der Branche und erlitten in der Finanzkrise 2007-2009 erneut Milliardenverluste. Der neue Fonds des LTCM-Gründers John Meriwether verlor in der Krise 44 Prozent seines Wertes und wurde aufgelöst.

Jérôme Kerviel verlor im Eigenhandel der französischen Großbank Société Générale fast fünf Milliarden Euro. Kerviel, der einen Master für Finanzmärkte hat, baute Handelspositionen im Umfang von 50 Milliarden Euro auf. Der Franzose hielt vor allem DAX-Future-Kontrakte. Die Positionen verbarg er durch Manipulation der Bücher, so der Vorwurf. Egal, ob Kerviel ein Einzeltäter oder Opfer eines von seinen Vorgesetzten genehmigten Geschäfts war, wie er behauptet: Er hat in eine Richtung (long) getradet und dadurch letztlich das Handelslimit der Bank an den Terminmärkten weit überschritten.