Besorgt um ein junges Menschenleben - Patricia Vandenberg - E-Book

Besorgt um ein junges Menschenleben E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. »Frau Arnold läutet«, sagte Oberschwester Käthe zu Schwester Lisa. »Sie will doch nur Beate«, erwiderte die Jüngere mürrisch. »Beate hin, Beate her, da brauche ich doch gar nicht erst aufzukreuzen.« »Na, na, na«, sagte Oberschwester Käthe nachsichtig. »Beate ist auf der Säuglingsstation. Nun gehen Sie schon.« Schwester Lisa war nicht die einzige in der Frauenklinik Dr. Leitners, die auf Schwester Beate eifersüchtig war, aber sie zeigte es am deutlichsten. Oberschwester Käthe dagegen bemühte sich sehr, nicht zu deutlich zu zeigen, wie sehr auch ihr die so vielgeliebte und vielbeneidete Beate ans Herz gewachsen war. Schwester Lisa kam auch schon gleich wieder zurück. »Na, was habe ich gesagt«, brummte sie, »nur Beate ist gefragt. Frau Arnold möchte, daß Beate den Stammhalter bringt. Ihr Schwager ist nämlich gekommen. Mei, das ist ein Mann!« Dabei verdrehte sie die Augen. Oberschwester Käthe ahnte, daß Lisa ihre Kollegin nun noch mehr beneidete.

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Dr. Norden Aktuell – 24 –

Besorgt um ein junges Menschenleben

Patricia Vandenberg

»Frau Arnold läutet«, sagte Oberschwester Käthe zu Schwester Lisa.

»Sie will doch nur Beate«, erwiderte die Jüngere mürrisch. »Beate hin, Beate her, da brauche ich doch gar nicht erst aufzukreuzen.«

»Na, na, na«, sagte Oberschwester Käthe nachsichtig. »Beate ist auf der Säuglingsstation. Nun gehen Sie schon.«

Schwester Lisa war nicht die einzige in der Frauenklinik Dr. Leitners, die auf Schwester Beate eifersüchtig war, aber sie zeigte es am deutlichsten. Oberschwester Käthe dagegen bemühte sich sehr, nicht zu deutlich zu zeigen, wie sehr auch ihr die so vielgeliebte und vielbeneidete Beate ans Herz gewachsen war.

Schwester Lisa kam auch schon gleich wieder zurück. »Na, was habe ich gesagt«, brummte sie, »nur Beate ist gefragt. Frau Arnold möchte, daß Beate den Stammhalter bringt. Ihr Schwager ist nämlich gekommen. Mei, das ist ein Mann!« Dabei verdrehte sie die Augen.

Oberschwester Käthe ahnte, daß Lisa ihre Kollegin nun noch mehr beneidete. Deshalb ging sie selbst zur Säuglingsstation, um Beate Bescheid zu sagen.

Ihr wurde das Herz ganz weit, wenn sie sah, wie liebevoll und behutsam diese junge Kinderschwester mit den ihr anvertrauten Schützlingen umging. Gerade jetzt hatte sie den kleinen Arnold frisch gewickelt.

Beates reizvolles Gesicht hatte einen zärtlichen Ausdruck, als sie sich zu Oberschwester Käthe umwandte.

»Ist das nicht ein goldiges Kerlchen?« fragte sie. »So lieb ist er. Man spürt so richtig, wenn eine Mutter sich auf ihr Kind gefreut hat.«

Ja, Irene Arnold hatte sich auf dieses Kind genauso gefreut wie auf ihr erstes, und daß es nach dem Mädchen nun ein Junge war, machte das Glück vollkommen.

Als an diesem Vormittag ihr Schwager gekommen war, strahlten ihre Augen.

»Wie lieb, daß du dir Zeit nimmst, Wolf«, sagte sie, »so mitten in der Ernte! Damit hatte ich nicht gerechnet.«

»Es wäre schandbar, wenn ich den jüngsten Arnold nicht gleich begutachten würde«, erwiderte Wolf Arnold, sich tief über ihre Hand neigend.

Einen großen Strauß der herrlichsten Rosen aus seinem Gewächshaus hatte er ihr mitgebracht. Er gehörte nicht zu denen, die viele Worte machen konnten. Er war nicht so weltgewandt wie sein Bruder Richard, der einige Jahre älter als er, jedoch nicht geneigt gewesen war, das elterliche Gut zu übernehmen. Richard hatte sich der Musik verschrieben und war Dirigent geworden. Prompt hatte er sich dann jedoch in die talentierte junge Geigerin Irene Brehm verliebt und sie schleunigst geheiratet, damit sie ihm nicht ein anderer wegschnappte, wie er sagte.

Wolf Arnold verehrte seine Schwägerin, die nicht gezögert hatte, ihre eigene Karriere ihrem Mann und dem Familienleben zuliebe aufzugeben. Er liebte seine kleine zweijährige Nichte Ricarda sehr und freute sich in seiner stillen Art unsagbar darüber, daß Richard und Irene ihrem Sohn den Namen Wolf geben wollten.

Er dachte sich nichts dabei, als Schwester Lisa von Irene wieder hinausgeschickt worden war mit dem Auftrag, daß Schwester Beate das Baby bringen möchte.

»Wenn ich noch eine Tochter bekomme, werde ich sie Beate nennen«, sagte Irene.

»Ein hübscher Name«, sagte Wolf.

»Und wie er paßt zu diesem Mädchen! Schau es dir an, Wolf, sie ist ganz gewiß die reizendste Kinderschwester unter Gottes Himmel. Jedenfalls für mich«, fügte sie mit einem unergründlichen Lächeln hinzu.

Als Beate mit dem Baby kam und es behutsam in Irenes Arm legte, klangen diese Worte in seinen Ohren.

»Du bist aber friedlich, mein Schatz«, sagte Irene, ihre Lippen zärtlich an das runde, von seidigem dunklem Haar bedeckte Köpfchen legend.

»Wölfchen ist ganz lieb«, sagte Beate.

»Und das, liebe Beate, ist sein ebenso lieber Onkel Wolf«, sagte Irene lächelnd. »Der Pate dieses braven Kindes, mein Schwager Wolf Arnold.«

Wolf hatte sich erhoben und machte eine höfliche Verbeugung. Beate blickte in zwei dunkle Männeraugen, die sie mit einem unergründlichen Blick umfingen. Heiße Glut stieg in ihre Wangen.

»Können Sie nicht ein Weilchen bleiben, Beate?« fragte Irene.

»Das geht leider nicht. Läuten Sie bitte, Frau Arnold, wenn ich Wölfchen wieder holen soll.«

»Aber bitte, nur Sie«, sagte Irene.

*

»Ist das nicht ein bezauberndes Mädchen?« fragte Irene, als sich die Tür hinter Beate geschlossen hatte. »Unsere Kleine wird liebevoll betreut.«

»Das ist beruhigend«, erwiderte Wolf. »Als Ricky zur Welt kam, war Schwester Beate wohl noch nicht hier?«

»Nein, leider nicht. Sie ist noch sehr jung. Um so erstaunlicher ist ihre Umsicht und ihr Einfühlungsvermögen. Du weißt ja, wie empfindlich ich bin.«

»Und das hast du innerhalb so kurzer Zeit festgestellt?«

»Sofort. Sie war bei mir, als die Wehen einsetzten, weil gerade eine Kaiserschnittentbindung war. Wir haben uns unterhalten, und ich hatte keinerlei Beklemmungen, wie damals bei Ricky. Ich würde Beate am liebsten mitnehmen.«

So impulsiv kannte Wolf Arnold seine schöne Schwägerin nicht, aber war es ihm denn nicht ähnlich ergangen? Hatte nicht ein einziger, langer Blick genügt, um sein Herz schneller schlagen zu lassen? Und er war doch gewiß kein Mann, der sich rasch für eine Frau begeistern konnte. Nach einer gewaltigen Enttäuschung, die er vor einigen Jahren erlebte, schon gar nicht.

Irene hatte Fingerspitzengefühl. Sie spürte, wie gedankenverloren Wolf war und lächelte rätselhaft, hatte sie doch schon, als sie Beate kennenlernte, gedacht, daß dies eine Frau für Wolf wäre.

Waren Richard und Wolf auch grundverschiedene Charaktere, und liebte sie ihren Mann auch über alles, für Wolf hatte sie sehr viel übrig. Mit ihm konnte sie über alles sprechen, was den Künstler Richard nervös machte. Wenn Richard auf Auslandstournee war, genoß sie seit der Geburt der kleinen Ricarda die Ruhe auf dem Gut.

Einerseits bedrückte es sie, daß Wolf noch nicht die Frau gefunden hatte, mit der auch er glücklich sein konnte, denn sie wußte sehr gut, wie sehr er Kinder liebte. Andererseits war sie froh, daß er nicht eine Frau hatte, mit der sie nicht auskommen konnte, denn dieses schöne, harmonische Verhältnis wollte sie nicht missen.

Und nun spürte sie, daß auch ihm Beate gefiel. Und Beate?

Sie ging wie eine Traumwandlerin den Korridor entlang, begleitet von diesem Blick aus den dunklen Männeraugen, der sie förmlich elektrisiert hatte. Noch niemals hatte sie dergleichen erfahren.

Sie merkte gar nicht, wie Schwester Lisa auf sie einredete.

»Nanu, was ist denn mit dir los?« fragte Lisa. »Bist du auch chloroformiert von Frau Arnolds Schwager? Aber du könntest dir ja Chancen ausrechnen«, fügte sie anzüglich hinzu.

»Ach, was du denkst«, sagte Beate, aber sie konnte es nicht verhindern, daß sie errötete. »Ich habe doch nur das Baby gebracht und ihn gar nicht richtig angeschaut.«

Beate konnte man das sogar abnehmen, das mußte sogar Lisa zugeben. Sie schien sich überhaupt nicht für Männer zu interessieren. Jedenfalls redete sie über keinen und hockte nur in ihrem Appartement im Schwesternheim.

Man wußte natürlich, daß ihre Mutter einen modernen Bungalow bewohnte und wunderte sich, daß Beate nicht in ihrem Hause lebte, aber es hatte sich auch herumgesprochen, daß Beate anscheinend mit der zweiten Ehe ihrer Mutter nicht einverstanden war.

Das konnte Lisa auch nicht ganz verstehen, denn sie war bei dem Zahnarzt Dr. Holzer in Behandlung, und sie fand auch ihn sehr schick. Als sie das aber einmal zu Beate gesagt hatte, war diese sofort von dannen geeilt.

Auch jetzt entfernte sie sich rasch und ging auf die Säuglingsstation, aber dort gab es augenblicklich nichts zu tun. Es herrschte himmlischer Frieden. Sauber und satt schlummerten die acht Babys in ihren Bettchen.

Nach zehn Minuten wurde Beate wieder zu Frau Arnold gerufen. Das Baby maunzte.

»Wölfchen will in sein Bett«, sagte Irene. »Am Nachmittag kommt sein Vater, da soll es auch gutgelaunt sein.«

»Das ist es bestimmt«, versicherte Beate. »Ein so braves Baby haben wir selten. Es steckt die anderen sogar an.«

»Es scheint seinem Onkel nachzugeraten«, scherzte Irene. »Sein Vater ist nicht so duldsam.«

»Auch nicht so langweilig wie ich«, bemerkte Wolf darauf.

Nun sah ihn Beate doch wieder an, obgleich sie sich fest vorgenommen hatte, dies zu vermeiden. Und wieder fühlte sie sich von seinem Blick umschlossen. Es war ein berauschendes Gefühl

Unwillkürlich drückte sie das Baby fester an sich, nicht ahnend, wie bezaubernd sie in ihrer Verwirrung, mit dem Kleinen im Arm, aussah.

»Langweilig bist du nicht«, sagte Irene. »Du brauchst dein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.«

Es gab nun wahrhaftig keinen Grund mehr, Beate noch länger im Zimmer festzuhalten, aber als sie dann gegangen war, schwieg auch Irene eine Weile.

»Ich denke, ich werde sie zur Taufe einladen«, sagte sie dann. »Was meinst du, Wolf?«

»Ich habe nichts dagegen.« Er lächelte flüchtig. »Ich habe so ein Gefühl, als wolltest du mich verkuppeln.«

»Aber nein, lieber Wolf. Ich möchte nur nicht jemanden einladen, der dir nicht sympathisch ist, da wir ja die Taufe auf dem Gut feiern.«

»Wie könnte sie mir nicht sympathisch sein«, meinte er sinnend.

»Ja, wie könnte sie nicht«, sagte Irene lächelnd.

*

Am Nachmittag hatte Beate frei. Irene war darüber sehr betrübt, und auch Beate legte keinen großen Wert auf die Freizeit. Doch Dr. Leitner bestand darauf, denn Dr. Holzer hatte angerufen und gesagt, daß sich seine Frau nicht wohl fühlte.

Niemand wußte, wie ungern Beate dieses Haus betrat, obgleich sie zu ihrer Mutter eigentlich immer ein recht gutes Verhältnis gehabt hatte. Sie hätte ihr auch eine zweite Ehe nicht verübelt, denn Vera Moog war achtunddreißig Jahre alt gewesen, als ihr Mann starb und eine sehr attraktive, jugendliche Erscheinung. Aber Fred Holzer hätte sie nicht heiraten sollen, meinte Beate. Sie hatte von Anfang an eine Aversion gegen diesen Mann gehabt, ohne dafür einen triftigen Grund zu wissen. Er sah gut aus, war ein beliebter Zahnarzt, der etwas von seinem Beruf verstand, und er war auch nicht unvermögend. Auch zu Beate war er sehr nett gewesen, nur nicht damit einverstanden, daß sie Kinderschwester geworden war. Er hätte es lieber gesehen, wenn sie in seiner Praxis Zahnarzthelferin geworden wäre, und damit hatte er auch fest gerechnet.

Da hatte es dann schon die erste Differenz gegeben, doch Beate war fest geblieben, und zu ihrer Überraschung hatte ihre Mutter ihr dabei auch die Stange gehalten.

Dann war sie dahintergekommen, daß ihre Mutter auf alle jüngeren weiblichen Wesen eifersüchtig war, auch auf ihre Tochter. Und so war sie dann ins Schwesternheim gezogen.

Auch dagegen hatte Fred Holzer etwas einzuwenden gehabt, doch in ihrer Mutter hatte Beate wiederum Rückhalt bekommen.

Mit gemischten Gefühlen ging Beate auch an diesem Tag zur Villenkolonie am Hang. Es war Mittwoch, und da hatte Dr. Holzer nachmittags keine Sprechstunde. Er hatte einführen wollen, daß Beate immer diesen Nachmittag mit ihnen verbrachte, aber sie hatte es dann doch in der Klinik durchsetzen können, daß dies nur einmal im Monat so traf. Dr. Leitner hatte sich seinen Reim darauf gemacht, als sie diese Bitte äußerte, aber er war viel zu taktvoll, um sie nach den Gründen zu fragen.

An diesem Nachmittag traf Beate ihre Mutter tatsächlich fiebrig. Das Hausmädchen hatte ihr die Tür geöffnet.

»Herr Doktor mußte noch etwas erledigen«, erklärte sie, doch Beate war recht froh, daß ihr Stiefvater nicht im Hause war.

Als sie das geschwollene Gesicht ihrer Mutter sah, vermutete sie, daß sie geweint hatte und knüpfte daran die weitere Vermutung, daß es wieder einmal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eheleuten gekommen war. Aber es war sinnlos, Fragen zu stellen, denn sie wußte zu genau, daß ihre Mutter dies stets in Abrede stellte.

Vera Holzer hatte Fieber und Kopfschmerzen.

»Warum habt ihr Dr. Norden noch nicht gerufen?« fragte Beate.

»Ach, es wird sich schon wieder geben«, erwiderte Vera schwach.

Von diesem Widerspruch nahm Beate keine Notiz. Sie ging zum Telefon und rief Dr. Norden an.

Offiziell hatte der am Mittwochnachmittag auch keine Sprechstunde, aber da nahm er sich immer Zeit für jene Patienten, die auch menschliche Betreuung brauchten, weil sie sonst niemanden hatten, mit dem sie sprechen konnten.

Beate mochte Dr. Norden so sehr, wie sie ihren Stiefvater ablehnte. Dr. Daniel Norden war für sie ein Arzt, dem man absolut vertrauen konnte. Von ihrem Stiefvater dachte sie das nicht, mochten die Patienten auch noch so begeistert von ihm reden, wie auch ihre Kollegin Lisa.

Beate kannte auch Frau Dr. Norden, die für sie das Idealbild einer Frau gewesen war, bis sie auch Irene Arnold kennengelernt hatte. Es war für Irene ein ganz großes Kompliment, mit Fee Norden auf eine Stufe gestellt zu werden, doch die Betroffenen ahnten davon nichts.

Dr. Norden kam eine halbe Stunde später. Vera hatte vor sich hin gedämmert, und Beate hielt sich fern von ihr, da sie nicht wußte, ob ihre Mutter vielleicht einen Virus ausbrütete. Sie konnte einfach nicht riskieren, sich anzustecken, denn sie mußte ja ihre Babys betreuen.

Dr. Norden untersuchte Vera Holzer gründlich, die sogar darauf bestanden hatte, daß Beate ihr nicht zu nahe käme.

»Was fehlt Mama?« fragte Beate, als er aus dem Schlafzimmer kam.

»Nichts Aufregendes. Wahrscheinlich hat sie sich über etwas aufgeregt«, erwiderte er. »Ein Backenzahn mußte ihr gezogen werden.«

»Davon hat sie mir nichts gesagt«, wunderte sich Beate.

»Wenn man so schöne Zähne hat, trauert man jedem nach. Das nimmt einen auch seelisch mit«, sagte Dr. Norden schmunzelnd.

»Man sagt doch, daß Fred ein vorzüglicher Zahnarzt ist«, bemerkte Beate.

»Sie haben das noch nicht festgestellt?« fragte Dr. Norden beiläufig.

»Nein, meinen Zähnen fehlt nichts. Außerdem war ich schon früher immer bei Dr. Merten.«

Dr. Norden hätte sich über diese Bemerkung auch wundern können, aber er wußte schon, daß Beate auf ihren Stiefvater nicht besonders gut zu sprechen war. Er wußte aber auch, daß Dr. Holzer sich eines ausgezeichneten Rufes als Zahnarzt erfreute. Es konnte also nur Aggressivität gegen den Stiefvater sein, die Beates Einstellung bestimmte.

Er mochte dieses Mädchen. Er wußte von seinem Freund Dr. Leitner auch, wie tüchtig und beliebt sie war.

»Also, eine Ansteckungsgefahr ist nicht zu fürchten«, hatte er eben gesagt, als Dr. Holzer eintrat.

Er war groß, schlank und sah blendend aus. Die grauen Schläfen am dunklen Haar, und dazu die hellen Augen gaben ihm eine besonders interessante Note.

Er war genau der Typ, für den auch junge Mädchen schwärmten, und jäh kam Dr. Norden der Verdacht, daß er Beate auch sehr gefallen könnte, doch als er sie anblickte, gewahrte er einen geradezu widerwilligen Ausdruck in ihren Augen.

»Was fehlt denn der Mama?« fragte Fred Holzer.

»Es scheint, daß sie etwas unter der Zahnextraktion leidet«, sagte Dr. Norden.

»Die liebe Eitelkeit«, lächelte Dr. Holzer. »Dabei gab es nicht die geringsten Komplikationen.«

*

Auf der Heimfahrt fragte sich Dr. Norden, was dieser gutaussehende, charmante Dr. Holzer wohl an sich haben mochte, daß auch er eine gewisse Antipathie empfand, wie sie sich so deutlich in Beates Augen ausgedrückt hatte.

Ob Fee mehr über ihn wußte als er? Er fragte seine bildschöne Frau beim Abendessen, zu dem sie an diesem Tag mal pünktlich kamen.

»Was hört man eigentlich so über Dr. Holzer?« Lange herumzureden brauchte er bei Fee nicht.

»Ach, kracht es da schon?« fragte Fee aufhorchend.

»Wo soll es krachen?«

»In der Ehe. Er ist ein Charmeur.«

»Willst du sagen, daß er nicht treu ist?«

»Ich werde mich hüten. Ich weiß doch nur, was man so redet, und es stimmt mich nachdenklich, daß Beate lieber im Schwesternheim wohnt als daheim. Das ist hat natürlich auch Claudia stutzig gemacht.«

Claudia war Dr. Leitners junge Frau, die der gute Schorsch kennengelernt hatte, als sie in der Frauenklinik als Krankenschwester tätig war.

»Beate mag ihn nicht«, sagte Daniel.

»Woher weißt du das?« fragte Fee.

»Ihr Blick besagte es. Immerhin ist er ein sehr gut aussehender Mann.«

»Der eine gleichaltrige Frau geheiratet hat, die zumindest einen luxuriösen Bungalow mit in die Ehe brachte. Was sonst noch, weiß ich nicht. Aber das ist nur Klatsch, Daniel. Vera Moog ist auch eine attraktive Frau.«

»Vergiß nicht, daß sie jetzt Holzer heißt.«

»Ich mochte Herrn Moog sehr gern«, erwiderte Fee gedankenvoll. »Er war ein vornehmer Mensch.«

»Wem sagst du das?«

»Beate hing sehr an ihrem Vater, das wissen wir doch. Aber sie ist nun ein sehr reizvolles Mädchen geworden.«

»Nun sag es schon, Fee: Du denkst doch auch, daß Holzer in den kritischen Jahren ist, in denen die Männer den jungen Mädchen lieber nachschauen.«

Fee lachte leise. »Ich werde dich an die Leine legen, wenn du in die kritischen Jahre kommst.«

»Darauf kannst du noch lange warten. Ich habe schließlich die begehrenswerteste Frau der Welt.«

Fee warf ihm einen schrägen Blick zu. »Ob er das nicht auch zu seiner Frau sagt, dieser charmante Dr. Holzer?«

»Vielleicht hat er heute was anderes zu ihr gesagt, als er ihr den Backenzahn zog, und nun ist sie down. Sie ist eine nette Frau, Fee, aber sie ist ihm untertan im wahrsten Sinne des Wortes. Sie betet ihn an und nimmt alles hin, um ihn nur ja nicht zu verlieren, und wenn er ein Gspusi anfängt, schweigt sie auch dazu.«

»Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne sie nur flüchtig, aber einmal reißt auch jeder noch so toleranten Frau die Geduld«, sagte Fee.

»Wenn sie selbst nicht schon in den kritischen Jahren ist und meint, keine anderen Chancen mehr zu haben«, sagte Daniel. »Beate ist mehr die Tochter ihres Vaters, und ich muß sagen, daß sie wirklich ein ganz bezauberndes Mädchen geworden ist.«

»Hallo«, sagte Fee. »Gefällt sie dir sehr?«

Daniel zog sie an sich und küßte sie. »Das war nur eine Feststellung. Du hast nichts zu fürchten. Wenn ich Appetit habe, dann nur auf dich.«

»Das will ich hoffen«, murmelte Fee zwischen zwei Küssen.

*

»Ich finde es ganz nett, wenn wir uns mal allein unterhalten können, Beate«, sagte Fred Holzer zu seiner Stieftochter. »Bist du des Babygeschreis noch immer nicht überdrüssig?«

»Soviel schreien sie eigentlich gar nicht«, erwiderte Beate.