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Statische Anatomie? Muss man lernen. Funktionelle Anatomie? Muss man verstehen.
Dieses Buch zeigt Ihnen, wie die einzelnen Muskeln in den Funktionsgruppen mit den beteiligten Knochen, Bändern und Gelenken zusammenarbeiten. Jeder Muskel ist so detailliert beschrieben und gezeichnet, dass er begreifbar wird. Entscheidendes Wissen für alle, die mit manuellen Techniken arbeiten wie Tierosteopathen und Tierphysiotherapeuten. Interessant auch für Tierärzte, da sich viele Erkrankungen des Pferdes am Bewegungsapparat manifestieren. Wertvolle Praxistipps gehen auf die alltäglichen, klinischen Probleme ein. Übersichtliche Steckbriefe zu den einzelnen Muskeln liefern zusätzlich schnell auffindbare Grundlagen.
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Seitenzahl: 433
Michaela Wieland-Findeis, Claudia Schebsdat, Jörne Rentsch
3., korrigierte Auflage
185 Abbildungen
Mit dem vorliegenden Buch über den Bewegungsapparat Pferd konnte ein Gemeinschaftsprojekt realisiert werden, das uns Autorinnen seit vielen Jahren am Herzen liegt. Durch die Zusammenführung unserer Interessenschwerpunkte Anatomie und Biomechanik sowie die eingeflochtenen Bezüge zur praktischen Arbeit am Pferd soll dem Leser ein praxisorientierter Überblick dieser komplexen Fachgebiete nahegebracht werden. Funktionelle Bedeutungen und Zusammenhänge bis in die kleinste Zelle/Einheit des Pferdes sollen aufgezeigt werden.
Ein besonderer Dank nach Entstehung dieses Werkes gilt dabei insbesondere zwei Personen, die uns seit vielen Jahren als Mentoren begleiten, fördern und mit uns die Leidenschaft und das Engagement an der Wissenschaft um das Pferd teilen. Zum einen Frau Beatrix Schulte Wien, Leiterin des Deutschen Institutes für Pferde-Osteopathie, an welchem wir als Dozentinnen tätig sind, und auf deren Hof unsere Idee Gestalt annahm. Zum anderen Herr Professor Horst Wissdorf, der uns mit seinem unendlichen Wissen an Anatomie seit Beginn unserer Ausbildung begeistert und uns bei der Arbeit seitdem praxisorientiert begleitet. Seine tatkräftige Unterstützung hat das Buch maßgeblich geprägt.
Ebenso bedanken wir uns ganz besonders bei den Pferden, die wir behandeln durften, mit denen wir gearbeitet und die wir über Jahre betreut und begleitet haben.
Im Sinne der Pferde, bei denen uns ein artgerechter und respektvoller Umgang und eine ebensolche Haltung so am Herzen liegen, hoffen wir einen gelungenen Einblick für alle Reiter und Besitzer sowie Studierende, Auszubildende, Pferdeosteotherapeuten, Pferdephysiotherapeuten, Tierärzte und alle Interessierten zu ermöglichen.
Juni 2021
Michaela Wieland-Findeis
Claudia Schebsdat
Jörne Rentsch
Die Autorinnen dieses Buches sind alle Humanphysiotherapeutinnen, Pferdeosteotherapeutinnen und langjährige Dozentinnen der Weiterbildungsgänge Pferdeosteopathie und Pferdephysiotherapie und vereinen damit Theorie und Praxis in besonderer Weise. Dieser Praxisbezug zieht sich durch das gesamte Buch, das sich in erster Linie an Therapeuten wendet, aber auch an Trainer und Reiter, die bereit sind, sich mit der Anatomie des Pferdes auseinanderzusetzen. Zugegebenermaßen ist das nicht ganz einfach, aber unerlässlich, wenn pferdegerecht trainiert werden soll und wenn es um Diskussionen geht wie Rollkur, geöffneter Ganaschenwinkel, warum mit gedehntem Hals geritten werden soll, welche Bedeutung die Bogensehnenbrücke für das Aufwölben des Pferderückens hat usw.
Genau hier sind heute bemerkenswerte Mängel anatomischer Kenntnisse zu beklagen, ja häufig ist nicht einmal ein Basiswissen der Anatomie und der funktionellen Zusammenhänge des Pferdekörpers vorhanden. Dabei ist gerade die Kenntnis der Anatomie der Schlüssel zum Verständnis der klassischen Reitlehre, die nichts anderes zum Ziel hat, als den Bau des Pferdekörpers in funktionelle Einheiten zu bringen und damit die körperliche und geistige Gesundheit des Pferdes zu stabilisieren. Therapeuten, ebenso wie fortschrittliche und modern denkende Trainer, sollten sich in jedem Fall die Mühe machen und sich in dieses Buch einarbeiten. Dispute, wie die relative Aufrichtung des Pferdes auszusehen hat oder wo sich der falsche Knick befindet, dürften dann der Vergangenheit angehören.
Genau hier ist eine weitere Gruppe aufgefordert, sich mit funktionellen und anatomischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen: Die Richter. Auch sie sollten in Seminaren und z.B. mit Hilfe dieses Buches geschult werden, damit sie konsequent dazu kommen, Notenabzüge zu erteilen, wenn das Pferd während der ganzen Vorstellung mit dem Schweif schlägt, mit den Zähnen knirscht, sich „grundlos“ erschreckt oder Ecken und Volten nicht in vertikaler und horizontaler Balance geht, sondern sich mit seinem Reiter regelrecht in die Kurve legt wie ein Motorradfahrer. Welcher Reiter, Trainer oder Richter hat eine Vorstellung davon, welche Züge und Zugübertragungen auf Sehnen und Skelett des Pferdes bei fehlerhafter Einstellung erfolgen? Wer von ihnen hat Wissen über Faszien, Matrix und Nervenfunktionen? Ein Pferd ist so sensibel, dass es jede Fliege auf seinem Körper spürt. Genauso sensibel sollte die reiterliche Einwirkung erfolgen. Ein Reiter sollte viel weniger im Fitnessstudio trainieren als sich mit der Wahrnehmung und Koordination seines eigenen Körpers zu beschäftigen und diese steigern. So wie sich jeder Schauspieler und Musikvirtuose mit seinen Feinfunktionen auf geistiger und körperlicher Ebene auseinandersetzt und jahrelang daran arbeitet, um zu künstlerischer Reife zu gelangen, ist und bleibt es ein jahrelanger Prozess, um ein Pferd bis zu seiner vollen Persönlichkeitsentfaltung zu fördern.
Die Anatomie hat sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht verändert, weder beim Reiter noch beim Pferd. Ebensowenig der Prozess der Reifung, auch wenn wir in einer sehr beschleunigten Zeit leben. Die Ausbildung eines Pferdes wird heute eher länger dauern, denn je höher das Bewegungspotenzial des Pferdes ist, umso länger wird es dauern, bis die notwendige Kraft vorhanden ist, um zusätzlich zum eigenen Körper Reiter und Sattel zu tragen.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass Bücher wie dieses geschrieben werden, und ich hoffe sehr, dass es zur Schulungsgrundlage für Pferdetherapeuten, Pferdewirtschaftstrainer und Richter wird.
Beatrix Schulte Wien
Titelei
Vorwort zur 3. Auflage
Geleitwort zur 1. Auflage
Teil I Grundlagen
1 Gewebearten
1.1 Einteilung
1.2 Funktion und Zusammenspiel der Gewebearten
2 Bindegewebe
2.1 Funktionen und Einteilung
2.2 Aufbau
2.2.1 Zellen
2.2.2 Extrazelluläre Matrix
2.2.3 Funktion der Matrix
2.3 Adaptives Vermögen des Gewebes
2.3.1 Wundheilungsphasen
2.4 Formbarkeit des Bindegewebes
2.5 Veränderte Aktivität des vegetativen Nervensystems während der Heilung des Bindegewebes
2.6 Faszien
2.6.1 Aufbau und Funktion
2.6.2 Pathologie
3 Knochen
3.1 Aufbau und Funktion
3.1.1 Knochenwachstum
3.2 Knochenformen
3.2.1 Röhrenknochen
3.2.2 Kurze Knochen
3.2.3 Platte Knochen
3.3 Knochenheilung
4 Gelenke
4.1 Aufbau und Funktion
4.1.1 Gelenkknorpel
4.1.2 Gelenkkapsel
4.1.3 Menisken, Disken und Bandscheiben
4.2 Gelenkarten
5 Bänder
5.1 Vorkommen und Einteilung
5.2 Aufbau und Funktion
5.3 Gefäßversorgung und Innervation
6 Muskeln
6.1 Muskelphysiologie
6.1.1 Muskelfasern und Muskelzellen
6.1.2 Kontraktion
6.1.3 Motorische Einheit
6.1.4 Energieproduktion
6.1.5 Bindegewebe des Muskels
6.1.6 Muskelfasertypen
6.1.7 Muskelrezeptoren
6.2 Muskeldehnung
6.3 Propriozeptorentraining
7 Nervensystem
7.1 Einleitung
7.2 Nervenzellen
7.3 Synapsen
7.4 Transmitter
7.5 Anatomischer Querschnitt des Rückenmarks
7.6 Vegetatives Nervensystem
7.7 Peripheres Nervensystem
7.8 Spinalnerven (Rückenmarksnerven)
7.8.1 Halsnerven (Nn. cervicales)
7.8.2 Plexus brachialis
7.8.3 Brustnerven (Nn. thoracici)
7.8.4 Lendennerven (Nn. lumbales)
7.9 Hirnnerven (Nn. craniales)
7.9.1 Sinnesnerven
7.9.2 Augenmuskelnerven
7.9.3 Kiemenbogennerven
Teil II Funktionelle Anatomie
8 Allgemeine Biomechanik
8.1 Einleitung
8.2 Ebenen und Achsen
8.2.1 Ebenen
8.2.2 Achsen
8.2.3 Richtungsbezeichnungen am Pferdekörper
8.3 Biomechanik der Gelenke
8.3.1 Gelenkbewegungen
8.3.2 Gelenkformen
8.3.3 Rollen und Gleiten
8.3.4 Anguläre Bewegung
8.3.5 Joint Play
8.3.6 Endgefühl
8.3.7 Behandlungsebene
9 Rumpfkonstruktion und Statik
9.1 Statik des Rumpfes
10 Schultergliedmaße
10.1 Gewichtsverteilung und Belastung
10.2 Knochen der Schultergliedmaße
10.2.1 Schulterblatt (Skapula)
10.2.2 Oberarmknochen (Humerus)
10.2.3 Unterarmknochen (Radius und Ulna)
10.2.4 Vorderfußwurzelknochen (Ossa carpi)
10.2.5 Mittelhandknochen (Ossa metacarpalia)
10.2.6 Vorderzehenknochen (Ossa digitorum manus)
10.3 Aufhängung des Brustkorbs
10.3.1 Aufhängung der Schultergliedmaße
10.3.2 Rumpfträger
10.3.3 Biomechanik der Skapula
10.4 Schultergelenk (Art. humeri)
10.4.1 Bänder
10.4.2 Muskulatur
10.4.3 Biomechanik
10.5 Ellbogengelenk (Art. cubiti)
10.5.1 Bänder
10.5.2 Muskulatur
10.5.3 Biomechanik
10.6 Verbindung von Radius und Ulna
10.7 Karpalgelenk (Art. carpi)
10.7.1 Bänder
10.7.2 Muskulatur
10.7.3 Biomechanik
10.8 Zehengelenke (Artt. digitales manus)
10.8.1 Fesselgelenk (Art. metacarpophalangea)
10.8.2 Krongelenk (Art. interphalangea proximalis)
10.8.3 Hufgelenk (Art. interphalangea distalis)
10.8.4 Muskeln der Zehen
10.9 Passive Stehvorrichtung
10.10 Stellungsabweichungen
10.10.1 Vorständig
10.10.2 Rückständig
11 Beckengliedmaße
11.1 Gewichtsverteilung und Belastung
11.2 Knochen der Beckengliedmaße
11.2.1 Becken
11.2.2 Kreuzbein (Os sacrum)
11.2.3 Oberschenkelbein (Os femoris)
11.2.4 Unterschenkelknochen (Ossa cruris)
11.2.5 Hinterfußwurzelknochen (Ossa tarsi)
11.2.6 Mittelfußknochen (Ossa metatarsalia)
11.2.7 Hinterzehenknochen (Ossa digitorum pedis)
11.3 Funktionseinheit Becken und Kreuzdarmbeingelenk
11.3.1 Bänder
11.3.2 Muskulatur
11.3.3 Biomechanik
11.4 Hüftgelenk (Art. coxae)
11.4.1 Bänder
11.4.2 Muskulatur
11.4.3 Biomechanik des Hüftgelenks
11.5 Kniegelenk (Art. genus)
11.5.1 Kniekehlgelenk (Art. femorotibialis)
11.5.2 Kniescheibengelenk (Art. femoropatellaris)
11.5.3 Bänder
11.5.4 Muskulatur
11.5.5 Biomechanik
11.6 Schienbein-Wadenbein-Gelenk (Art. tibiofibularis proximalis)
11.7 Sprunggelenk (Art. tarsi)
11.7.1 Bänder
11.7.2 Muskulatur
11.7.3 Biomechanik
11.8 Zehengelenke
11.8.1 Fesselgelenk (Art. metatarsophalangea)
11.8.2 Krongelenk (Art. interphalangea proximalis)
11.8.3 Hufgelenk (Art. interphalangea distalis)
11.9 Spannsägenmechanismus (passive Stehvorrichtung)
12 Kopf
12.1 Geschichtliche Hintergründe der Osteopathie zur Beweglichkeit der Schädelknochen
12.2 Schädelknochen
12.2.1 Hinterhauptsbein (Os occipitale)
12.2.2 Stirnbein (Os frontale)
12.2.3 Nasenbein (Os nasale)
12.2.4 Zwischenkieferbein (Os incisivum)
12.2.5 Oberkieferbein (Maxilla)
12.2.6 Jochbein (Os zygomaticum)
12.2.7 Tränenbein (Os lacrimale)
12.2.8 Schläfenbein (Os temporale)
12.2.9 Scheitelbein (Os parietale)
12.2.10 Unterkiefer (Mandibula)
12.2.11 Zungenbein (Os hyoideum)
12.2.12 Basale Schädelfläche
12.3 Kiefergelenk (Art. temporomandibularis)
12.3.1 Allgemeines zum Kiefergelenk
12.3.2 Anatomie des Kiefergelenks
12.3.3 Bänder
12.3.4 Muskeln
12.3.5 Biomechanik
13 Wirbelsäule
13.1 Aufbau
13.1.1 Wirbel
13.1.2 Wirbelgelenke
13.1.3 Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben, Disci intervertebrales)
13.1.4 Segmente
13.2 Halswirbelsäule
13.2.1 Bedeutung
13.2.2 Halswirbel
13.2.3 Wirbelgelenke
13.2.4 Bänder
13.2.5 Muskulatur
13.2.6 Biomechanik
13.3 Brustwirbelsäule
13.3.1 Allgemeines
13.3.2 Brustwirbel (Vertebrae thoracicae)
13.3.3 Rippen (Costae)
13.3.4 Gelenkige Verbindung der Brustwirbelsäule
13.3.5 Bänder
13.3.6 Muskulatur
13.3.7 Biomechanik
13.3.8 Auswirkungen von Bewegungseinschränkungen, Verspannungen und Blockierungen
13.4 Lendenwirbelsäule
13.4.1 Bedeutung der Lendenwirbelsäule
13.4.2 Lendenwirbel (Vertebrae lumbales)
13.4.3 Bänder
13.4.4 Muskulatur
13.4.5 Biomechanik
13.5 Kreuzbein (Os sacrum)
13.6 Schweif
13.6.1 Schweifwirbel (Vertebrae caudales/coccygeae)
13.6.2 Muskulatur
13.6.3 Auswirkung von Bewegungseinschränkungen
Teil III Bewegung des Pferdes
14 Biomechanik und Bewegungsablauf in den Grundgangarten des Reitpferdes
14.1 Takt und Losgelassenheit
14.2 Balance
14.3 Haltung des Reitpferdes
14.4 Relative Aufrichtung
14.5 Zervikothorakaler Übergang
14.6 Absolute (aktive) Aufrichtung
14.7 Training
14.8 Geraderichtung
14.9 Vier Phasen des Fußens
14.9.1 Phasen der Schultergliedmaße
14.9.2 Phasen der Beckengliedmaße
14.10 Grundgangarten des Pferdes
14.10.1 Schritt
14.10.2 Trab
14.10.3 Galopp
Teil IV Anhang
15 Muskeltabelle
16 Literatur
Autorenvorstellung
Anschriften
Sachverzeichnis
Impressum/Access Code
1 Gewebearten
2 Bindegewebe
3 Knochen
4 Gelenke
5 Bänder
6 Muskeln
7 Nervensystem
Die Verbände aus gleichartig differenzierten Zellen mit ihrer zugehörigen extrazellulären Matrix (s.u.) bezeichnet man als Gewebe. Die Zellen eines Verbandes sind sich strukturell und funktionell sehr ähnlich und erfüllen gemeinsam die Aufgabe der jeweiligen Gewebeart. In der Regel werden die Gewebe strukturell in 4 Arten untergliedert:
Epithelgewebe
Binde- und Stützgewebe
Muskelgewebe
Nervengewebe
Der Fokus in der Praxis liegt auf der Behandlung des Bindegewebes mit Einfluss auf alle weiteren Gewebearten. Alle Strukturen des (Pferde-)Körpers leiten sich aus den 3 Keimblättern ab: Aus dem Ektoderm bilden sich Epithel-, Talg- und Schweißdrüsen, Sinnesepithel, ZNS und PNS. Aus dem Mesoderm bilden sich Bindegewebe, Knorpel, Knochen, quergestreifte und glatte Muskulatur, Perikard, Blut-/Lymphzellen, Nieren, Gonaden, Verdauungssystem, Muskulatur und Schilddrüse. Aus dem Entoderm bilden sich Ösophagus, Magen, Leber, Pankreas, Darmtrakt und Tracheobronchialsystem.
Epithelgewebe
besteht aus einem flächenhaften Zellverband,
bedeckt äußere Körperoberflächen (Oberflächenepithel) und innere Körperoberflächen (Drüsenepithel),
stammt in seiner Gestaltung und embryonalen Herkunft aus allen 3 Keimblättern ab,
hat die Aufgabe, den mechanischen Schutz gegen äußere Einflüsse (z.B. Hitze, Kälte) und eine chemische Schutzbarriere (z.B. gegen Enzyme) sowie Absorption und Resorption zu gewährleisten.
Binde- und Stützgewebe
besteht zusammengefasst aus verschiedensten Geweben; Gemeinsamkeit: Entstehung aus dem Mesoderm,
liegt immer im Inneren des Körpers, nie an der Oberfläche,
stellt weit mehr als nur ein „Füllgewebe“ dar,
bildet u.a. Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder, Organkapseln, Faszien.
Muskelgewebe
besteht aus Muskelzellen, die durch kontraktile Myofibrillen gekennzeichnet sind,
unterteilt sich in verschiedene Arten:
glatte Muskulatur
quergestreifte Muskulatur
Herzmuskulatur
s. Kap. ▶ Muskelphysiologie
Nervengewebe
erfüllt die Aufgabe der Erregungsweiterleitung,
besteht aus Nervenzellen und Gliazellen; s. Kap. ▶ Nervensystem.
Alle Gewebearten erfüllen Stütz- und Haltefunktionen durch kleine und große Zellverbände. Durch ihre verbindende Tätigkeit ist die therapeutische Behandlung nur einer einzelnen Gewebeart nicht möglich. Eine Behandlung wird immer Einfluss auf alle Gewebeschichten haben. Da die Nervenendigungen und die Gefäße frei in den Geweben enden, hat jede Bewegung, jeder therapeutisch gesetzte Reiz ebenfalls Einfluss auf Nerven und Gefäße. Dies hat großen therapeutischen Nutzen, dessen Wirkungsweise man sich bewusst sein sollte.
Praxistipp
Werden in der Praxis z.B. Faszientechniken ausgeführt, sollte immer ihre Weiterleitung und Wirkungsweise bedacht werden. So hat z.B. ein Fasziengriff auf Höhe des Gewebes des 7. Halswirbelkörpers über das Ganglium stellatum großen Einfluss auf das vegetative Nervensystem. Dies macht man sich zur Tonussenkung des Sympathikus zu Nutze. Als Antwort kann das Pferd aber auch zunehmend anfangen zu schwitzen (im Behandlungsgebiet oder auch am ganzen Körper) oder vorübergehende Stresssymptome zeigen.
Der Knochen ist eine der härtesten Substanzen im Körper. Er besteht zu 60% aus Kalziumsalzen, zu 30% aus kollagenen Fasern und zu 10% aus Wasser, Gefäßen und Zellen. Knochen sind Bindegewebe, jedoch außerordentlich hart, da die Matrix sich nicht an Wasser, wie im übrigen Bindegewebe, sondern an Kalzium bindet. Die organischen Bestandteile des Knochens bestehen zu 5% aus Matrix und zu 95% aus kollagenen Fasern. Die Kristalle der Matrix verbinden sich mit den kollagenen Fasern, dadurch wird der Knochen stabil und bleibt dennoch elastisch.
Etwa 5% der Knochenzellen sind Osteoblasten, sie liegen dem Knochen auf und ruhen beim ausgewachsenen Organismus. Bei Bedarf können sie aktiviert werden und produzieren Knochengewebe. Osteoblasten bauen den Knochen an den Stellen auf, an denen er be- oder überlastet wird. So entstehen auch Überbeine, die vor allem beim jungen Pferd, häufig im medialen Bereich des vorderen Metacarpus, zu finden sind (mechanische Überbelastung).
Osteoblasten bilden die Grundlage für die Knochenmatrix und werden zu nicht weiter teilungsfähigen Osteozyten. 90–95% der Zellen sind Osteozyten, einkernige Zellen, die in der mineralisierten Matrix ruhen und für den Erhalt des Knochengewebes sorgen. Sie sind von Durchblutung abhängig, daher führt Mangeldurchblutung, z.B. durch Immobilisation, zum Zerfall von Knochengewebe. Osteoklasten bauen Knochen ab, zur Freisetzung von Kalzium und Phosphaten, die evtl. in Nerven oder Muskulatur benötigt werden. Ein Mangel an Kalzium und Phosphat im Mineralhaushalt der Pferde führt also zum Knochenabbau. Bei Osteoklasten handelt es sich um mobile Zellen, die durch ihre Aktivität die Knochendicke bestimmen.
Belastungsänderungen aktivieren Osteozyten, Osteoklasten und Osteoblasten. Der zur Versorgung des Knochens notwendige Nährstoffaustausch findet über das Gefäßsystem statt; Diffusionen, wie sie zur Versorgung des Gelenkknorpels dienen, sind im Bereich des Knochens nicht möglich.
Die Knochen tragen (lange Röhrenknochen der Extremitäten), schützen (Thorax, Schädel, Becken, Wirbelsäule), geben Form und bieten über ihr Periost Ansatzstellen für Muskulatur und Bänder. Sie bilden mit ihren Epiphysen (Ende des Knochens) Gelenke, produzieren Knochenmark und Blutzellen und speichern Kalzium und Phosphate. Trotz ihrer vermeintlichen Starre zeigen die Knochen viel Flexibilität.
Das Kalzium, welches im Knochen gebunden ist, braucht der Körper für Nervenleitfähigkeit und Muskelarbeit. Durch Osteoklasten- und Osteoblastenaktivität besteht ein reger Stoffwechsel zwischen Kalziumeinlagerung und -ausschüttung. Dieser Vorgang wird hormonell gesteuert. Phosphate benötigt das Pferd als weiteren Energielieferanten für die ▶ ATP-Produktion.
Als Kortikalis bezeichnet man den äußeren, sehr harten Bereich des Knochens. Sie kann sich kaum verformen und ist sehr viel steifer als die darunterliegende Spongiosa. Die Spongiosa ist ein schwammförmig aufgebautes Knochengewebe aus feinen Knochenbälkchen (Trabekeln), deutlich weicher als die Kortikalis. Sie weist einen viel stärkeren Stoffwechsel auf als die Kortikalis.
Nach außen hin umhüllt das Periost (Knochenhaut) den Knochen. Die äußere fibröse Schicht enthält kollagene Fasern und Fibroblasten. Hier finden Kapseln, Bänder und Muskeln ihre Insertion. Somit ist z.B. ein Knochen-Sehnen-Übergang die Verbindung von Fibroblasten untereinander.
Die innere Schicht des Periosts, das Kambium, ist reich an Gefäßen und Zellen, die je nach Bedarf umgewandelt werden können, um Knochen zu bilden.
Von innen wird der Knochen durch das einschichtige Endost ausgekleidet. Es ist reich an Gefäßen und Nerven, die über sog. Volkmann-Kanäle durch die äußeren Knochenschichten ins Innere des Knochens gelangen.
Das Längenwachstum der Röhrenknochen geschieht durch Aufbau von Knorpel am Ende der Epiphyse, der am Übergang zum Schaft in Knochen umgewandelt wird. Chondroblasten sind für dieses Knorpelwachstum verantwortlich.
Das Breitenwachstum wird durch Osteoblastenaktivität außen am Schaft des Knochens realisiert. Innen, in der Markhöhle des Knochens, wird durch Osteoklastenaktivität Knochenmaterial abgebaut. Damit wird der Knochen während des Breitenwachstums nicht unendlich viel dicker, denn damit würde er an Leichtigkeit und Flexibilität einbüßen (Leichtbauprinzip).
Knochen und Knochenhaut sind sehr gut innerviert. Neben sensiblen Nerven finden wir sensorische (afferente) Nerven, die Informationen über einwirkende Kräfte an das Zentralnervensystem weitergeben.
Praxistipp
Der Knochen ist von Belastungsreizen abhängig. Die Diaphyse (Knochenschaft) nimmt Biege- und Rotationskräfte auf, die Epiphysen nehmen Verformungen im Bereich der Trabekel auf.
Steigende Belastung, z.B. nach Frakturen, bewirkt größere Knochenstabilität und vermehrte Mineralisierung, eine sinkende Belastung bewirkt wiederum eine Abnahme der Mineralisierung des Knochens. Ein adäquat gesteigertes Training bringt also lebenswichtige Impulse nicht nur für die Muskulatur und den Kapsel-Band-Apparat, sondern auch für den Knochen.
Nach einer Immobilität von 4 Wochen erkennt man bereits eine deutlich erhöhte Kalziumkonzentration im Blut aufgrund einer Demineralisierung des unbelasteten Knochens. Dauerhaft hohe Gaben von Kortikosteroiden verringern ebenfalls die Knochendichte und greifen zusätzlich Leber und Nieren an.
Auch andere Bindegewebe wie die ▶ Faszien leiden unter Kortisonsubstitution und werden porös.
Man unterscheidet zwischen langen Röhrenknochen, kurzen würfelförmigen Knochen und platten Knochen.
Röhrenknochen (Femur, Humerus, Metakarpale III etc.) sind geprägt von der Diaphyse, sie ist der Schaft des Röhrenknochens.