Bewerben auf Juniorprofessuren und Professuren - Mirjam Müller - E-Book

Bewerben auf Juniorprofessuren und Professuren E-Book

Mirjam Müller

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Beschreibung

Berufungsverfahren spielen für wissenschaftliche Karrieren eine Schlüsselrolle: Hier entscheidet sich oftmals, ob eine akademische Karriere dauerhaft verfolgt werden kann oder Wege außerhalb der Wissenschaft eingeschlagen werden müssen. Mit der Einführung von Tenure-Track-Professuren verlegt sich diese berufliche Weichenstellung verstärkt in eine frühere Karrierephase. Für Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich erstmals auf eine Professur bewerben, sind Berufungsverfahren oft unbekanntes Terrain mit intrasparenten Anforderungen und Regeln. Für Hochschulen wiederum sind sie komplexe, hochregulierte Prozesse. Das Buch lässt alle Schritte des Verfahrens nachvollziehbar werden und gibt Einblicke in Anforderungen und Auswahlkriterien. Mit Antworten auf typische Fragen und vielen praktischen Tipps aus langjähriger Coaching-Praxis ermöglicht dieser Ratgeber eine individuelle Vorbereitung für die passende Selbstpräsentation und Strategien für eine erfolgreiche Bewerbung auf Professuren.

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Mirjam Müller

Bewerben auf Juniorprofessuren und Professuren

Strategien für die ersten Berufungsverfahren

Campus Verlag

Frankfurt / New York

Über das Buch

Berufungsverfahren spielen für wissenschaftliche Karrieren eine Schlüsselrolle: Hier entscheidet sich oftmals, ob eine akademische Karriere dauerhaft verfolgt werden kann oder Wege außerhalb der Wissenschaft eingeschlagen werden müssen. Mit der Einführung von Tenure-Track-Professuren verlegt sich diese berufliche Weichenstellung verstärkt in eine frühere Karrierephase.Für Nachwuchswissenschaftler*innen, die sich erstmals auf eine Professur bewerben, sind Berufungsverfahren oft unbekanntes Terrain mit intrasparenten Anforderungen und Regeln. Für Hochschulen wiederum sind sie komplexe, hochregulierte Prozesse.Das Buch lässt alle Schritte des Verfahrens nachvollziehbar werden und gibt Einblicke in Anforderungen und Auswahlkriterien. Mit Antworten auf typische Fragen und vielen praktischen Tipps aus langjähriger Coaching-Praxis ermöglicht dieser Ratgeber eine individuelle Vorbereitung für die passende Selbstpräsentation und Strategien für eine erfolgreiche Bewerbung auf Professuren.

Vita

Mirjam Müller arbeitet als Personalentwicklerin an der Universität Konstanz. Berufliche Stationen führten die Historikerin von einem Wirtschaftsunternehmen ins Wissenschaftsmanagement. Als Wissenschaftscoachin hat sie zahlreiche Postdocs auf dem Weg zu ihrer ersten Professur und in Berufsfelder außerhalb der Wissenschaft begleitet.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Vorwort

1.

Einführung: Berufungsverfahren transparenter machen

Bewerbungschancen

Berufungsverfahren als Black Box

Aufbau des Buches

Grundlegende Ratschläge für eilige Leser*innen

1.

Liefern Sie eine professionelle Bewerbung ab

2.

Versetzen Sie sich in die neue Rolle hinein

3.

Nutzen Sie Ihre Netzwerke

2.

Das Verfahren

2.1

Ablauf des Berufungsverfahrens

Freigabe der Stelle

Einsetzung der Berufungskommission

Ausschreibung der Professur

Engere Auswahl und Einladung der Bewerber*innen

Anhörung

Einholung externer Gutachten

Erstellung des Berufungsvorschlags

Zustimmung der Gremien

Ruferteilung

Berufungsverhandlungen

Rufannahme

Ernennung

Berufungsverfahren aus der Perspektive von Bewerber*innen

2.2

Die Berufungskommission

Kommissionsmitglieder

Heterogene Zusammensetzung

Informationen zu den Kommissionsmitgliedern

2.3

Auswahlkriterien

Formale Einstellungsvoraussetzungen

Das Qualifikationsprofil für eine Professur

Gewichtung der Kriterien

2.4

Beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren

Nicht beeinflussbare Faktoren

Beeinflussbare Faktoren

3.

Die schriftliche Bewerbung

Das Prozedere der Kommission

Passende Stellenausschreibungen finden

Einzureichende Dokumente

Allgemeines zu Form und Stil

Vorgaben der Kommission beachten

Layout

Orientierung

Online-Bewerbung

Recherche zur ausgeschriebenen Stelle

Stellenausschreibung

Netzwerke

Ansprechpersonen und Gleichstellungsbeauftragte

3.1

Das Anschreiben

Formales

Aufbau und Inhalt

Stil

3.2

Der wissenschaftliche Lebenslauf

Formales

Rubriken und Inhalt

Was nicht in den CV gehört

Beschreibung des Werdegangs

3.3

Forschungsprofil und Forschungskonzept

Das Forschungsprofil

Das Forschungskonzept

3.4

Lehrportfolio, Lehrprofil und Lehrkonzept

Das Lehrportfolio

Das Lehrprofil

Das Lehrkonzept

3.5

Urkunden, Zeugnisse und andere Anlagen

Urkunden wissenschaftlicher Qualifikationen

Nachweise über wissenschaftliche Erfahrungen

Arbeitszeugnisse

Empfehlungsschreiben

Publikationen

Zertifikate von Weiterbildungen

Lehrevaluationen

3.6

Bewerbungsformulare

4.

Die persönliche Vorstellung

Das Prozedere der Kommission

Verfahrenselemente

Vorbereitung

Organisatorisches

Recherche zur ausschreibenden Universität

Vorgespräche mit Kolleg*innen

Vorgespräch mit Kommissionsvorsitzenden

Ausarbeiten der eigenen Vorstellungen

Auftreten

4.1

Der Fachvortrag

Themenwahl

Ablauf

Aufbau

Vortragsstil und Folien

Vorstellung von Person und Forschungsprofil

Zeitmanagement

Diskussion

4.2

Das Kommissionsgespräch

Themen und typische Fragen

Haltung

Antwortstrategien

4.3

Weitere mögliche Verfahrenselemente

Gespräch mit Studierenden

Lehrprobe

Führung durch das Institut

Mittag- oder Abendessen mit der Kommission

Prüfung der Führungs- und Sozialkompetenz

5.

Die Berufungsverhandlungen

5.1

Ablauf von Berufungsverhandlungen und Ernennung

Ruferteilung

Terminvereinbarung für die Verhandlung

Erstellung des Konzeptpapiers

Vorgespräche mit Institut und Fakultät

Verhandlungstermin

Berufungsangebot

Rufannahme

Ernennung

5.2

Verhandlungspartner*innen

5.3

Verhandlungsgegenstand

5.4

Das Konzeptpapier

Aufbau

Tipps für die Erstellung

5.5

Die Verhandlungen

Ablauf des Verhandlungstermins

Verhandlungsstrategien

Abschluss der Verhandlungen

6.

Bewerbung auf Fachhochschulprofessuren

Einstellungsvoraussetzungen

Schriftliche Bewerbung

Persönliche Vorstellung

Berufungsverhandlungen

Bewerbungsstrategien

7.

Schlusswort: Bewerbungsstrategien

Typische Bewerbungszeitfenster

Breite oder enge Bewerbungsstrategie

Wunsch nach Klarheit

Lernprozesse und Unterstützung

Bewerbungsphase beenden

Anhang

Coaching und Beratung zu Berufungsverfahren

Coachingangebote von Wissenschaftseinrichtungen

Coachingnetz Wissenschaft

Deutscher Hochschulverband (DHV)

Hochschullehrerbund (hlb)

Trainings zu Berufungsverfahren

Trainingsangebote von Wissenschaftseinrichtungen

Deutscher Hochschulverband (DHV)

Hochschullehrerbund (hlb)

Literatur zur Wissenschaftskarriere

Ratgeber für die Postdoc-Phase

Ratgeber für Berufungsverfahren

Ratgeber zu Bewerbungen auf Professuren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Ratgeber für die Professur

Internetressourcen für die Bewerbung auf Professuren

Stellenbörsen für Professuren

Expertinnendatenbanken

Blogs, Kurztexte und Videos zu Berufungsverfahren

Infocenter der Hochschulverbände

Vorlagen für die Bewerbung

Das akademische Portfolio

Das Anschreiben

Der Lebenslauf

Das Forschungsprofil

Das Lehrportfolio

Typische Fragen in Kommissionsgesprächen

Checkliste Berufungsverhandlungen

Literatur

Anmerkungen

Vorwort

Beratung und Wissensvermittlung zu Berufungsverfahren sind ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit als Wissenschaftscoachin und Trainerin. Mich fasziniert dabei das Spannungsfeld zwischen den Regeln für Form und Inhalt und den Spielräumen dafür, das eigene Profil wahrheitsgemäß, aber möglichst vorteilhaft für die jeweilige Stelle zu präsentieren. Die formalen und informellen Regeln von Berufungsverfahren zu kennen, ist für eine erfolgreiche Bewerbung grundlegend. Und darauf aufbauend diejenigen Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen darzustellen, die von der jeweiligen Berufungskommission gesucht werden.

In den vergangenen Jahren wurde vieles unternommen, um Berufungsverfahren professioneller zu gestalten (Stichworte Berufungsmanagement, Laufzeiten von Verfahren, Transparenz). Dennoch erlebe ich in der Arbeit mit Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen noch immer, dass zu viel Wissen über das Verfahren vorausgesetzt wird und zu wenige Informationen bereitgestellt werden, als dass sich alle Bewerber*innen mit solidem Wissen über Abläufe und Anforderungen ganz darauf konzentrieren können, die Inhalte und Erfahrungen in den Vordergrund zu stellen, die sie auszeichnen. Mit diesem Buch möchte ich einen Beitrag für mehr Transparenz leisten und damit Unklarheiten und Ängste nehmen, helfen, Fehler zu vermeiden, und einer breiteren Gruppe von promovierten Wissenschaftler*innen die Möglichkeit geben, sich in diesem entscheidenden Verfahren bestmöglich zu präsentieren.

Ich greife dabei auf vielfältige Rollen und Erfahrungen aus meiner Tätigkeit im Wissenschaftsmanagement, als Coachin und Trainerin zurück: Als Persönliche Referentin eines Vizepräsidenten hatte ich Einblicke in Berufungsakten und deren Bewertung seitens des Präsidiums. Als Kommissionsmitglied interdisziplinärer Auswahlkommissionen für Nachwuchsgruppen auf W1-Niveau habe ich die unterschiedlichen disziplinären Anforderungen und Bewertungsmaßstäbe, das Priorisieren verschiedener Auswahlkriterien und die Entscheidungsdynamiken im Fall mehrerer hervorragender Kandidat*innen erlebt. In universitären Arbeitsgruppen habe ich an der Erstellung von Leitlinien für Evaluations- und Berufungsverfahren für W1- und W3-Professuren mitgearbeitet. Als Personalentwicklerin verfüge ich über wissenschaftlich fundiertes Fachwissen zur Personalauswahl. Zahlreiche Gespräche mit Kommissionsmitgliedern und Berufungsmanager*innen haben mir weitere Perspektiven auf das komplexe Verfahren eröffnet. Nicht zuletzt haben mehrere Hundert Coachees und Trainingsteilnehmende ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichen Varianten ihrer Berufungsverfahren, die Spannbreite der Informationspolitik verschiedener Universitäten und vor allem ihre Fragen und Bedürfnisse als Bewerbende mit mir geteilt. Ohne sie wäre dieses Buch nicht möglich gewesen.

Meinen Kolleg*innen der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Konstanz sowie aus dem Coachingnetz Wissenschaft e. V. verdanke ich einen wichtigen Teil meines Wissens über das Wissenschaftssystem und Wissenschaftscoaching. Hervorheben möchte ich den Gründungspräsidenten der TU Nürnberg, Hans Jürgen Prömel, und den Kanzler der Universität Konstanz, Jens Apitz. Ersterer hat mir vor über 20 Jahren erklärt, worauf es aus Sicht einer Universität bei Berufungsverfahren ankommt, Letzterer hat in mehreren gemeinsamen Informationsveranstaltungen sein Wissen und seine Perspektive auf Berufungsverhandlungen weitergegeben. Anke Waldau, meine Hochschuldidaktik-Kollegin im Academic Staff Development der Universität Konstanz, hat meinen Blick auf lehrbezogene Aspekte von Berufungsverfahren geschärft. Für kritische und bestärkende Kommentare gilt mein Dank meinen ersten Leser*innen Dr. Vera Braun, Michaela David, Elke Karrenberg, Jan Liu, Prof. Dr. Mandy Roheger, Jenny Schmalfuß, Dr. Anne Schüttpelz, Prof. Dr. Anusch Taraz und Prof. Dr. Sebastian Wolf. Für das Vertrauen und die unkomplizierte Zusammenarbeit danke ich Eva Janetzko vom Campus Verlag.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre mit vielen nützlichen Erkenntnissen!

1.Einführung: Berufungsverfahren transparenter machen

Berufungsverfahren spielen in Wissenschaftskarrieren eine Schlüsselrolle. Bei den meisten W2- und W3-Professuren (siehe Infokasten, nächste Seite) eröffnen sie den Zugang zur Lebenszeitprofessur und damit nach vielen Jahren der Qualifikation, des Wettbewerbs und teilweise des Prekariats die Aussicht, dass Wissenschaft lebenslang als Beruf ausgeübt werden kann – mit sozialer Absicherung, prestige- und einflussreichem Status. Sie liefern die Antwort auf die Frage, ob man es mit der Professur »schafft« oder aber »scheitert« – meist nach mehreren Jahren vergeblicher Bewerbungen. Schon 1919 bezeichnete Max Weber das Streben nach einer Professur als »Hazard«1, ein Würfelspiel, das zum Synonym des Glücksspiels wurde. Und auch heute halten Berufene ihren Erfolg oft für einen glücklichen Zufall.

Bewerbungschancen

Diese wahrgenommene Unwägbarkeit und die damit verbundenen Ängste haben einen sehr reellen statistischen Hintergrund: Insgesamt gibt es in Deutschland an Universitäten und Fachhochschulen rund 50 000 Professuren.2 Davon schieden 2017 an Universitäten und Kunsthochschulen 677 Professor*innen altersbedingt aus dem Dienst aus. Gleichzeitig gab es mit 1 603 Juniorprofessuren, 955 Nachwuchsgruppenleitungen und 1 586 Habilitationen rechnerisch etwa sechsmal mehr potenzielle Bewerber*innen auf diese Stellen.3 Eingerechnet sind zwar auch Juniorprofessor*innen und Nachwuchsgruppenleiter*innen4 kurz nach Stellenantritt, die in der Regel noch nicht für Lebenszeitprofessuren in Frage kommen. Nicht berücksichtigt sind aber diejenigen Wissenschaftler*innen, die sich auf wissenschaftlichen Mitarbeitendenstellen habilitationsäquivalent qualifiziert haben, und das Feld der Bewerber*innen auf befristeten W2-Professuren sowie Inhaber*innen einer Lebenszeitprofessur, die sich auf weitere Positionen bewerben, sei es, um sich tatsächlich zu verändern, oder aber, um ihre derzeitige Position in Bleibeverhandlungen zu verbessern. Das konkrete Zahlenverhältnis variiert freilich von Fach zu Fach, auch in Abhängigkeit von einem attraktiven alternativen Arbeitsmarkt. Zudem lockt das Ausland mit interessanten Stellen – bringt allerdings selbst gut qualifizierte Mitbewerber*innen hervor. Nichtsdestotrotz ist offensichtlich, dass zu viele Qualifizierte einer begrenzten Anzahl von Lebenszeitprofessuren gegenüberstehen und dass daher nicht alle, um nicht zu sagen die Mehrzahl, dieses Karriereziel nicht erreichen wird.

Info

W1-, W2- und W3-Professuren

An deutschen Universitäten gibt es drei verschiedene Arten von Professuren, die in verschiedene Besoldungsgruppen eingeteilt sind.5

W1-Professuren (Juniorprofessuren) sind auf maximal sechs Jahre befristet. Sie richten sich an Wissenschaftler*innen in den ersten Jahren nach der Promotion und sollen der Qualifikation auf eine Lebenszeitprofessur dienen. Im dritten oder vierten Jahr der W1-Professur findet in der Regel eine Zwischenevaluation statt.

Für alle W2- und W3-Professuren sind zusätzliche wissenschaftliche Leistungen, zum Beispiel in Form einer Habilitation oder habilitationsäquivalenter Leistungen, Einstellungsvoraussetzung (siehe Kapitel 2.3). Die meisten W2- und W3-Professuren sind Lebenszeitprofessuren, einige sind befristet. Das kann beispielsweise bei Stiftungsprofessuren auf Zeit oder Erstberufungen auf Probe der Fall sein.

W2- und W3-Professuren unterscheiden sich in der Eingruppierung ihrer Besoldung.6 Bisweilen haben W2-Professuren fachlich ein engeres Profil. Teilweise wird ein geringerer Erfahrungshorizont als bei W3-Professuren vorausgesetzt. Bei W3-Professuren wird oft zusätzliche Erfahrung erwartet, beispielsweise in Bezug auf Führungsverantwortung und Drittmitteleinwerbung. An einzelnen Universitäten sind eine oder mehrere W2-Professuren einer W3-Professur zugeordnet.

Berufungsverfahren für W1-Professuren haben in der Regel einen weniger existenziellen Charakter für Bewerber*innen. Planen doch angesichts der derzeitigen Alternativen von wissenschaftlichen Mitarbeitendenstellen oder Nachwuchsgruppen nur wenige promovierte Wissenschaftler*innen eine Juniorprofessur als den einzig gangbaren Karriereweg zur Dauerstelle in Forschung und Lehre ein. Gerade für Forschende kurz nach der Promotion ist die Bewerbung auf eine W1-Professur ein Test ihres Marktwerts – vielleicht auch ein Glücksspiel, aber eher mit spielerischem Charakter als mit dem existenziellen Ernst späterer Jahre.

Info

Tenure-Track-Professuren

Bei einer Tenure-Track-Professur wird der oder die Inhaber*in der zunächst befristeten Professur auf eine Lebenszeitprofessur übernommen, wenn bestimmte, zu Beginn festgelegte Evaluationskriterien erfüllt wurden. Je nach Bundesland gibt es verschiedene Modelle von Tenure-Track-Professuren: W1-Professuren mit Tenure Track auf eine unbefristete W2- oder W3-Professur sowie befristete W2-Professuren mit Tenure Track auf eine unbefristete W2- oder W3-Professur. An den Universitäten regeln eigene Satzungen das Tenure-Track-Verfahren.7

Berufungsverfahren für Tenure-Track-Professuren wiederum ermöglichen in der Regel eine frühere und vergleichsweise verlässliche Perspektive auf eine Lebenszeitprofessur. Im Fall von W1-Tenure-Track-Professuren sind die Verfahren daher oft kompetitiver als bei herkömmlichen Juniorprofessuren. Dies wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren weiter verschärfen: Durch das Tenure-Track-Programm8 des Bundes und der Länder sowie durch die Bestrebungen der Universitäten, die Wissenschaftskarriere verlässlicher zu gestalten, stellt dieser Karriereweg einen immer bedeutsameren und weiter verbreiteten Zugang zur permanenten Professur dar. Dadurch werden Karriereentscheidungen in der Wissenschaft absehbar zu einem früheren Zeitpunkt getroffen.

Auch W2-Tenure-Track-Professuren können für Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen attraktiv sein. Aufgrund des Bewährungsvorbehalts, also der Tenure-Evaluation, bieten sie jedoch weniger Sicherheit als unbefristete W2-Professuren. In Modellen mit Tenure Track auf W3 ist jedoch ein Karriereaufstieg ohne Bewerbung und Ortswechsel in Reichweite.

Berufungsverfahren als Black Box

Berufungsverfahren spielen also zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Wissenschaftskarriere eine wichtige Rolle. Für promovierte Wissenschaftler*innen, die sich zum ersten Mal auf eine Professur bewerben, sind sie oft unbekanntes Terrain. Im Gegensatz zur Personalauswahl für die meisten anderen wissenschaftlichen Stellen sind Berufungsverfahren hoch regulierte Prozesse, die zum einen dem hochschulrechtlichen Rahmen gerecht werden müssen, zum anderen aber tradierten Regeln folgen, die jede Universität in eigene, dabei ähnliche Verfahrensregularien gegossen hat. Innerhalb dieses starren Rahmens verfügt die Berufungskommission bei ihrer Bewertung der Bewerber*innen über einen Spielraum. Dieser wird durch fachspezifische Konventionen, aber auch durch Machtkonstellationen in der Kommission beeinflusst.

Während Abläufe und Gepflogenheiten für viele der Auswählenden »business as usual« sind, stellen sich Anforderungen und Verfahren für Bewerber*innen oft wenig transparent dar. Was ist mit den »üblichen Unterlagen« gemeint, die für die schriftliche Bewerbung eingereicht werden sollen? Warum werden im Kommissionsgespräch Fragen gestellt, die sich auf die Ausübung von Aufgaben der Professur beziehen – selbst wenn man diese als Postdoc noch nicht übernehmen konnte? Und was erwartet die Hochschulleitung an Form und Inhalt bei einem Konzeptionspapier, das als Grundlage der Berufungsverhandlungen eingereicht werden soll? Für mit Berufungsverfahren Vertraute sind diese Fragen leicht zu beantworten. Dennoch gibt es im deutschen Wissenschaftssystem bisher wenig Anleitung für diejenigen, die als »beste Köpfe« angeworben werden sollen.

Auch verfahrensseitig bleibt vieles unklar. So etwa, wenn eine Bewerbung eingesandt wurde, aber nach einer kurzen Eingangsbestätigung Monate bis Jahre ohne weitere Nachricht an die Professor*innen in spe verstreichen. Oder wenn zum »Vorsingen« geladen wird, aber den Bewerber*innen weder konkrete Informationen zur Dauer der einzelnen Elemente des Auswahlverfahrens gegeben werden noch mitgeteilt wird, mit welchen Personen die Gespräche vor Ort stattfinden. In den letzten Jahren hat sich im Zuge der Professionalisierung des Berufungsmanagements und des Gütesiegels »Faire und transparente Berufungsverhandlungen«9 des Deutschen Hochschulverbands bereits vieles hin zu mehr Bewerber*innenfreundlichkeit und Serviceorientierung verbessert. Dennoch liegt die Abwicklung des Verfahrens vielerorts in den Händen des oder der Kommissionsvorsitzenden und daraus resultiert nach wie vor eine große Bandbreite bei der Handhabung einzelner Verfahrensteile, nicht zuletzt beim Abfassen von Einladungs- und Informationsschreiben.

Berufungsverfahren erschließen sich bis heute hauptsächlich Insider*innen oder denjenigen, denen Insider*innen für eine Erklärung zur Seite stehen. Den Bewerber*innen, die mit den Interna des Systems noch nicht so vertraut sind, dass sie seine Codes kennen und entschlüsseln können, wird ein erfolgreicher Auftritt vor der Berufungskommission erschwert. Dies schränkt die Diversität bei der Auswahl ein und hat mit der vielgepriesenen Bestenauslese, die ein Grundprinzip von Berufungsverfahren ist, wenig zu tun. Müsste der Rahmen stattdessen nicht allen gegenüber offengelegt werden, sodass sie die Chance haben, ihre Leistung entsprechend zu präsentieren? Wäre das nicht ein wichtiger Beitrag dazu, die am besten geeignete Person transparent, fair und qualitätsgeleitet auszuwählen?

Aufbau des Buches

Dieses Buch möchte dazu beitragen, den Ablauf von Berufungsverfahren und die Erwartungen an Bewerber*innen transparenter zu machen. Aufbauend auf diesem Grundwissen bietet es Anleitungen und Strategien, wie Sie sich in diesem Verfahren gut präsentieren können. Es richtet sich vor allem an diejenigen Wissenschaftler*innen, die sich zum ersten Mal auf eine Professur bewerben oder sich mehrfach erfolglos beworben haben und ihre Bewerbungsstrategie reflektieren möchten. Dabei orientiert es sich am chronologischen Ablauf des Verfahrens: In Kapitel 2 wird zunächst ein Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte und die an ihnen Beteiligten gegeben. Im dritten Kapitel werden die verschiedenen Elemente der schriftlichen Bewerbung vorgestellt sowie Hinweise für ein überzeugendes Portfolio gegeben. Das vierte Kapitel führt in die Abläufe und Anforderungen der mündlichen Anhörung, des »Vorsingens«, ein. Das fünfte Kapitel widmet sich schließlich den Verhandlungen um Ausstattung, Gehalt und Rahmenbedingungen der Professur.

Das Hauptaugenmerk des Buches liegt auf Berufungsverfahren an öffentlich-rechtlichen Universitäten in Deutschland. An den über 20 privaten Universitäten können die Berufungsverfahren variieren. Diese Institutionen sind häufig flexibler, schneller und legen wegen ihrer zahlenden Studierenden bei der Auswahl einen Fokus auf gute Lehre. An Hochschulen für angewandte Wissenschaften mit ihren Schwerpunkten auf Lehre und Praxis folgen Berufungsverfahren an einigen Stellen einer unterschiedlichen Logik, die eigene Bewerbungsstrategien erfordert. Daher widmet sich Kapitel 6 explizit den Fachhochschulprofessuren. Kapitel 7 thematisiert strategische Fragen rund um Ihre Bewerbung auf eine Professur. Am Ende der Kapitel haben Sie die Möglichkeit, sich anhand von Reflexionsfragen mit Ihrer Bewerbungsstrategie auseinanderzusetzen. Der Anhang versorgt Sie mit weiterführenden Informationen, Literatur, Vorlagen für schriftliche Bewerbung und Berufungsverhandlungen sowie Beispielfragen aus Kommissionsgesprächen.

Das Buch konzentriert sich auf die Verfahrensweisen, die im Allgemeinen auf alle Fächer zutreffen. Einige grundsätzliche Unterschiede zwischen Fächergruppen werden verdeutlicht. Darüber hinaus gibt es jedoch für die meisten Fächer und ihre Teilgebiete spezifische Gepflogenheiten bei Berufungsverfahren, die nicht im Detail wiedergegeben werden können. Insbesondere in der Medizin gibt es hinsichtlich der klinischen Aufgaben zahlreiche Besonderheiten bei Bewerbung, Anhörung und Verhandlung, auf die nicht eingegangen wird.10 Ich lege Ihnen ans Herz, sich für die wichtigen fachspezifischen Einzelheiten mit erfahrenen Personen auszutauschen, die sich mit Berufungsverfahren in Ihrer Disziplin auskennen.

Berufungsverfahren an Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz weisen weitgehend Parallelen auf. Bestehende Unterschiede werden in diesem Buch nicht thematisiert. Es ist ratsam, dass Sie sich bei Bewerbungen in Österreich und der Schweiz nach den landesspezifischen Gepflogenheiten erkundigen. Einige Anlaufstellen dafür finden Sie im Anhang.

Strukturen von Universitäten und die Bezeichnung der akademischen Struktureinheiten variieren (Fakultät, Fachbereich, Sektion, Institut, Seminar). Zur Vereinheitlichung verwende ich den Begriff »Institut« für eine Organisationseinheit, in der mehrere Professuren eines Fachs zusammengefasst sind, und den Begriff »Fakultät« für die darüberliegende Organisationseinheit, die mehrere Institute umfasst. Für ihre Leitungspersonen verwende ich die Begriffe »Institutsdirektor*in« bzw. »Dekan*in«.

Die Bezeichnung »Nachwuchswissenschaftler*in« steht seit langem wegen ihrer hierarchischen Konnotation in der Kritik. Ich nutze daher die Bezeichnungen »promovierte Wissenschaftler*innen«, »Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen«, »Promovierende« oder »Postdocs« – außer an den Stellen, bei denen auf ein hierarchisches Verhalten hingewiesen werden soll, das in der Regel nicht ratsam ist.

Grundlegende Ratschläge für eilige Leser*innen

Bevor Sie mit der Lektüre beginnen, möchte ich Ihnen drei zentrale Punkte mitgeben, die mir beim Coaching zu Berufungsverfahren häufig begegnen und auf die ich im Folgenden immer wieder zurückkommen werde:

1.Liefern Sie eine professionelle Bewerbung ab

Berufungsverfahren sind kein Selbstläufer, sondern erfordern eine professionelle Vorbereitung und Selbstpräsentation. Berufungskommissionen erwarten, dass Sie sich mit den Regeln und Usancen vertraut machen und diese anwenden. Es ist also nicht ausreichend, alle wissenschaftlichen Erfahrungen zu präsentieren oder diese für alle ausgeschriebenen Professuren mehr oder weniger gleich darzustellen, in der Hoffnung, dass sich die Kommission diejenigen Punkte heraussucht, die ihr wichtig erscheinen. Oder dass die Kommission Sie möglichst umfangreich in all Ihren Facetten kennenlernen möchte. Eine Berufungskommission sucht für eine konkrete Stelle mit institutionsspezifischen Aufgaben die geeignetste Person. Als Bewerber*in ist es Ihre Aufgabe, zu verdeutlichen, wie gut Sie auf genau diese Professur passen.

Wenn Sie so wollen, wird ein Puzzleteil gesucht, das genau die Form dieser speziellen Professur im Kontext der konkreten Universität hat. Manchmal mag die Form nicht ganz scharf umrissen sein oder sich erst im Laufe des Verfahrens verfestigen. Eine Bewerbung ist jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn Sie herausfinden, nach was die Universität sucht und was zu ihr passt. Darauf aufbauend stellen Sie sich und Ihre Stärken passend dar, gewissermaßen als das gesuchte Puzzleteil. Das erfordert Informationen, Eindenken in die Situation vor Ort sowie eine gezielte Auswahl und spezifische Präsentation Ihrer Qualifikationen.

In der Aufmachung Ihrer Selbstpräsentation sollten Sie keinen besonders individuellen Stil wählen, sondern die Gepflogenheiten von schriftlicher sowie mündlicher Bewerbung kennen und Ihre Leistungen in diesem konservativen Rahmen glänzen lassen.

2.Versetzen Sie sich in die neue Rolle hinein

Berufungsverfahren sind keine Preisverleihung für herausragende Nachwuchswissenschaftler*innen, sondern Personalauswahlverfahren vor dem Hintergrund des Berufsprofils einer Professur. Die Berufungskommission wird also der Auswahl die wichtigsten Tätigkeiten einer Professur zugrunde legen, Ihre schriftlichen Unterlagen mit dieser Folie vergleichen und Ihnen bei der Anhörung Fragen dazu stellen, wie Sie als Professor*in agieren werden.

Auch wenn Sie als Postdoc oder Habilitierte*r noch keine Professur innehatten und noch nicht alle entsprechenden Aufgaben versehen durften oder sogar, wenn Sie erst kurz nach der Promotion stehen: Nehmen Sie diese Herausforderung an. Versetzen Sie sich bei Ihrer Bewerbung in die innere Haltung, dass Sie professorabel sind, also geeignet für eine Professur, oder dass Sie diese Professur sogar schon innehätten. Malen Sie sich aus, was Sie den Tag über täten, wenn Sie Professor*in wären – auch wenn davon vieles noch nicht Ihrem derzeitigen Arbeitsalltag entsprechen sollte.

Ganz konkret beginnt das Adressieren der neuen beruflichen Phase schon beim Lebenslauf, der für die Bewerbung auf eine Professur in der Regel mehr Rubriken als zuvor umfasst. Und nicht zuletzt sollten Sie vor der Berufungskommission und in den Verhandlungen souverän und auf Augenhöhe auftreten.

3.Nutzen Sie Ihre Netzwerke

Wissenschaftskarriere kann man nicht allein machen – das gilt auch und gerade für Bewerbungen auf Professuren. In Berufungsverfahren dürfen und sollten Sie Ihre Netzwerke nutzen.11 Dies fängt bereits deutlich vor Ihrer ersten Bewerbung auf eine Professur an: Nur in äußerst seltenen Fällen werden Personen auf Professuren berufen, die in der einschlägigen Fachcommunity nicht bekannt sind. Es ist daher essenziell, dass Sie sich während Ihrer wissenschaftlichen Qualifikation durch Publikationen, Konferenzvorträge, die Organisation eigener Workshops oder Panels, die Mitarbeit in Fachgesellschaften und Einladungen an andere Universitäten bekannt machen.

Netzwerke an anderen Wissenschaftseinrichtungen helfen Ihnen, zu erfahren, wann wo welche Professur ausgeschrieben wird und was die begleitenden Umstände und Erwartungen sind. Mentor*innen sowie andere erfahrene Fachkolleg*innen können Ihnen zusätzlich Hinweise zu den fachlichen Gepflogenheiten geben, Kontakte in der Fachcommunity herstellen und im gebotenen Rahmen ein gutes Wort für Sie einlegen. Gegebenenfalls lesen sie Ihre Bewerbungsunterlagen und Vortragsfolien gegen und teilen Dokumente aus eigenen Bewerbungen mit Ihnen. Scheuen Sie sich nicht, diese Kontakte zu nutzen – auch das gehört zu einem professionellen Bewerbungsverhalten.

2.Das Verfahren

Berufungen von Professuren sind komplexe Verfahren. Ihnen liegen bundes- und landesweite Gesetze, hochschulinterne Verfahrensregelungen und regelhafte Traditionen zugrunde. Die Durchführung dauert meist zwölf bis achtzehn Monate. Für Universitäten ist es essenziell, Berufungsverfahren juristisch korrekt durchzuführen, um nach Möglichkeit eine rechtliche Anfechtung zu vermeiden. Um Kommissionen bei der organisatorischen, aber auch bei einer rechtssicheren Umsetzung des Verfahrens zu unterstützen, haben viele Universitäten in den letzten Jahren Stabsstellen mit professionellen Berufungsmanager*innen eingerichtet.

In diesem Kapitel wird zunächst der Ablauf des Berufungsverfahrens vorgestellt, bevor auf die Zusammensetzung der Berufungskommission, die Auswahlkriterien sowie Faktoren des Verfahrens eingegangen wird, die Sie beeinflussen oder auch nicht beeinflussen können.

2.1Ablauf des Berufungsverfahrens

Der Ablauf eines Berufungsverfahrens umfasst an deutschen Universitäten in der Regel zwölf Schritte (Abbildung 1), an denen verschiedene Gremien der Institution und teilweise auch die ministerielle Aufsichtsbehörde beteiligt sind. Die Verfahrensschritte sind grundsätzlich für W1-, W2- und W3-Professuren gleich, auch wenn für Juniorprofessuren ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt werden kann.

Abbildung 1: Ablauf von Berufungsverfahren aus der Perspektive von Universitäten

Freigabe der Stelle

Erster offizieller Verfahrensschritt ist die Freigabe und Einrichtung der Stelle. Gemeint ist die Genehmigung, dass eine Professur aus dem Stellenplan der Universität für das entsprechende Fachgebiet genutzt werden kann. Hintergrund ist, dass die meisten öffentlich-rechtlichen deutschen Universitäten aus ihrem vom Bundesland zur Verfügung gestellten Budget nicht flexibel Stellen schaffen können. Stellen aus Haushaltsmitteln liegt ein Stellenplan zugrunde, der innerhalb der Universität beschlossen und in der Regel vom Wissenschaftsministerium des Bundeslandes genehmigt werden muss. Die Anzahl der W1-, W2- und W3-Professuren, die dort festgeschrieben ist, kann durch die Universität in der Regel nur bei der Einrichtung zweit- und drittmittelfinanzierter Professuren, etwa aus Stiftungsmitteln oder aus durch Bundes- und Landesmittel finanzierten Sonderprogrammen, überschritten werden.

Entsprechend ist der erste Schritt bei der Besetzung einer Professur die Identifikation einer Stelle im Stellenplan und der Beschluss, dass diese Stelle mit einer Professur einer bestimmten Schwerpunktsetzung oder Denomination neu- bzw. wiederbesetzt werden soll. Dieser Beschluss wird in der Regel auf dem klassischen Gremienweg (Verabschiedung durch Institut, Fakultät, Senat und Rektorat/Präsidium) herbeigeführt. Im Vorfeld finden Abstimmungen zwischen Fach und Rektorat/Präsidium statt. In diesen wird erörtert, welches Fach die Professur vertritt, wie die Berufungskommission zusammengesetzt werden soll, welches Bewerber*innenfeld erwartet wird und welche Ausstattung zur Verfügung gestellt werden kann.

Der Standardfall ist eine fachlich ähnliche Wiederbesetzung der Professur nach Wegberufung oder Emeritierung des oder der bisherigen Stelleninhaber*in. Die Planung ist eingebettet in die Struktur-, Forschungs- und Lehrplanung der Universität. Aus strategischen Gründen, etwa bei einer Eckprofessur für die Beantragung eines Forschungsverbunds oder bei der Einrichtung eines neuen Studiengangs, kann die Universität die Denomination ändern, die Professur einem anderen Fach zuordnen oder eine andere Besoldungsgruppe ausschreiben, also beispielsweise statt einer W2- oder W3-Professur eine W1-Professur.

Einsetzung der Berufungskommission

Aufgabe der Berufungskommission ist es, den Auswahlprozess durchzuführen und den universitären Gremien eine Berufungsliste mit Personen vorzuschlagen, die für die Professur in Frage kommen. Die Zusammensetzung der Berufungskommission wird allgemein durch die Landeshochschulgesetze und konkreter durch universitätsinterne Satzungen, Ordnungen oder Richtlinien festgelegt. Grundsätzlich sind Professor*innen, wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende vertreten, wobei die Professor*innen die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder stellen. Details zu Zusammensetzung und Dynamiken der Berufungskommission finden Sie in Kapitel 2.2.

Anhand der vorgeschriebenen Zusammensetzung schlägt in der Regel die Fakultät in Einvernehmen mit der Hochschulleitung vor, welche Personen als Mitglieder der Berufungskommission an der Besetzung der Stelle beteiligt werden. So können verschiedene fachliche Strömungen repräsentiert, relevante interne Forschungsstrukturen vertreten oder die Meinungsführer*innen des Instituts oder der Fakultät entsendet werden. Als externe Mitglieder werden Fachvertreter*innen angefragt, die der Fakultät durch Kollaborationen verbunden sein können. Hinzu kommen universitäre Funktionsträger*innen. Der Vorschlag zur Zusammensetzung der konkreten Berufungskommission wird über den Gremienweg (Institut, Fakultät, Senat) verabschiedet. Dies kann gleichzeitig mit dem Beschluss zur Freigabe der Stelle geschehen.

Um sicherzustellen, dass die Mitglieder der Berufungskommission unvoreingenommen und unabhängig urteilen können, haben Universitäten Regelungen zum Umgang mit Befangenheit zwischen Kommissionmitgliedern und Bewerber*innen erlassen, die festlegen, welche persönlichen oder vorherigen Arbeitsbeziehungen einer Beteiligung am Auswahlverfahren entgegenstehen.12 Sollte sich im Laufe des Verfahrens herausstellen, dass sich eine Person beworben hat, die eine zu enge wissenschaftliche Beziehung mit einer an der Auswahl beteiligten Person hat, kann es vorkommen, dass das entsprechende Mitglied der Berufungskommission im Laufe des Verfahrens aussetzt und durch eine andere Person vertreten wird.

Ausschreibung der Professur

Die Landeshochschulgesetze regeln, dass Stellen für Hochschullehrer*innen öffentlich und im Regelfall international auszuschreiben sind. Es können Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht vorgesehen sein, etwa bei der Berufung von einer Tenure-Track-Professur auf eine Lebenszeitprofessur. Die Stellenanzeigen für Professuren werden üblicherweise auf der Webseite der Universität, in überregionalen Zeitungen und deren Internet-Stellenbörsen, in Fachjournalen, den Mailinglisten der Fachgesellschaften oder beispielsweise dem europäischen Forschungsstellenportal EURAXESS13 veröffentlicht.

Ausschreibungen für Professuren sind meist ähnlich aufgebaut. Sie benennen die konkrete Schwerpunktsetzung bzw. Denomination der Professur und ihre Ansiedlung in einem bestimmten Institut, gegebenenfalls auch in weiteren Forschungsstrukturen. Beschrieben wird, in welchen Forschungsgebieten und Methoden der oder die zukünftige Stelleninhaber*in ausgewiesen sein und in welchen Lehrgebieten oder Studiengängen Lehre gehalten werden soll. Schließlich weist die Ausschreibung in der Regel darauf hin, welche Unterlagen in welcher Form an wen einzureichen sind und wer als Ansprechperson für Rückfragen zur Verfügung steht (siehe Kapitel 3). Oft wird der Ausschreibungstext bereits mit der Freigabe der Professur verabschiedet bzw. der Text dem Beschluss beigefügt. In diesem Fall werden die dort formulierten Kriterien von universitären Gremien, wie Institutsrat oder Strukturkommission, und nicht von der Berufungskommission zusammengestellt.

Zusätzlich zur öffentlichen Ausschreibung der Professur setzen viele Universitäten Methoden der aktiven Rekrutierung ein. Dies bedeutet, dass für die Professur in Frage kommende Personen kontaktiert, auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht und zur Bewerbung eingeladen werden. Typischerweise wird aktive Rekrutierung angewendet, wenn der Anteil an Professorinnen erhöht werden soll und daher Frauen zur Bewerbung aufgefordert werden oder wenn ein sehr spezialisiertes Fachgebiet besetzt werden soll, für das nur ein eingeschränkter Bewerber*innenkreis in Frage kommt. Für die aktive Rekrutierung werden unter anderem Datenbanken wie AcademiaNet, /femconsult und GEPRIS herangezogen, um geeignete Kandidat*innen zu identifizieren.14 Es kann sein, dass die Passung zwischen ausgeschriebener Professur und angesprochenen Personen recht weit gefasst ist. Mit der Einladung zur Bewerbung ist keine Garantie verbunden, dass die Person die Professur bekommt. Sie muss genau wie alle anderen das gesamte Auswahlverfahren durchlaufen.

Engere Auswahl und Einladung der Bewerber*innen

Nun konstituiert sich die Berufungskommission: Sie konkretisiert anhand der Stellenausschreibung die Auswahlkriterien und sichtet meist in mehreren Sitzungen die eingegangenen Bewerbungen. Während die formale Prüfung der Unterlagen, etwa auf Vollständigkeit, häufig vom Berufungsmanagement oder Dekanat erledigt wird, grenzt die Berufungskommission die Auswahl meist in zwei Sitzungen und anhand des A-B-C-Schemas ein (siehe Kapitel 3). Falls nicht schon mit der Bewerbung geschehen, ist es vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften üblich, in diesem Schritt von einem engeren Bewerber*innenkreis Schriften anzufordern, meist drei für die Stelle einschlägige Publikationen (siehe Kapitel 3.5). Aus teilweise bis zu 200 Bewerbungen werden auf diesem Wege sechs bis acht Personen identifiziert, die zu einer persönlichen Vorstellung eingeladen werden.

Anhörung

Für den mündlichen Teil des Auswahlverfahrens hat sich im akademischen Jargon die Bezeichnung »Vorsingen« etabliert. Die Anhörung besteht aus mehreren Teilen. Gesetzt sind bei Universitätsprofessuren ein fachlicher Berufungsvortrag und das Kommissionsgespräch. Je nach Fach und Standort können mehrere weitere Elemente hinzukommen, wie ein Gespräch mit Studierenden oder eine Lehrprobe (siehe Kapitel 4). Während die Vorauswahl aufgrund formaler und wissenschaftlicher Leistungskriterien erfolgt, wird bei der Anhörung zusätzlich die Passung der Persönlichkeit und der Vorstellungen zur Ausgestaltung der Professur beurteilt.

Einholung externer Gutachten

In der Sitzung nach der Anhörung nimmt die Berufungskommission eine weitere Einengung des Bewerber*innenkreises vor. Nach Diskussion aller eingeladenen Kandidat*innen kommen in der Regel drei oder vier Bewerber*innen in die engere Wahl: Ihre Unterlagen werden mit der Bitte um eine vergleichende Stellungnahme an externe Gutachter*innen weitergereicht. Als Gutachtende kommen Professor*innen in Frage, die für den Themenbereich der ausgeschriebenen Stelle Expert*innen sind. Teilweise wird auf den Kommissionsmitgliedern bekannte Kolleg*innen zurückgegriffen, die an anderen Universitäten im In- und Ausland tätig sind. Auch für die Gutachtenden gelten die oben genannten Befangenheitsregeln.

Die Gutachten spielen eine wichtige Rolle bei der abschließenden Bewertung der Auszuwählenden. Sie entstehen auf Basis der Bewerbungsunterlagen und der eingereichten Schriften, des Ausschreibungstextes sowie Informationen zur Einbettung der Professur – also ohne Berücksichtigung der Anhörung. Je nach Stelle werden zwei bis drei Gutachten eingeholt. Sie beschreiben in der Regel alle Kandidat*innen in der engeren Wahl zunächst einzeln und geben eine Bewertung zu ihrer Forschungsleistung, Lehrerfahrung und Passung zur ausgeschriebenen Stelle sowie gegebenenfalls zur Habilitationsäquivalenz ab. Danach wird eine Reihung der Kandidat*innen vorgeschlagen. Die Voten der Gutachten können durchaus unterschiedlich ausfallen, insbesondere der Reihungsvorschlag.

Erstellung des Berufungsvorschlags

Die Berufungskommission befasst sich in einer abschließenden Sitzung mit den externen Gutachten. Deren Einschätzung wird mit den Eindrücken aus der Anhörung und dem Wissen der Kommissionsmitglieder über die Anforderungen der Universität zusammengebracht. Auf dieser Grundlage erstellt die Kommission eine Berufungsliste. Diese umfasst in der Regel drei Plätze für Personen, die grundsätzlich auf die entsprechende Professur berufbar sind: Der erstplatzierten Person soll die Professur als Erstes angeboten werden. Lehnt diese ab, geht der Ruf an die zweitplatzierte Person der Liste. Zieht auch diese zurück, an die dritte. Bisweilen werden für die Platzierung auch lateinische Begriffe genutzt, also »primo loco« (auf dem ersten Platz), »secundo loco« (auf dem zweiten Platz) und »tertio loco« (auf dem dritten Platz).

Die Berufungskommission ist bei ihrer Entscheidung nicht an die Reihung aus den Gutachten gebunden, insbesondere wenn unterschiedliche Reihenfolgen vorgeschlagen wurden. Weicht die Kommission von der vorgeschlagenen Reihung ab, muss der oder die Vorsitzende dies jedoch in seiner oder ihrer Stellungnahme zum Verfahren nachvollziehbar begründen.

In manchen Fällen werden Sonderformen von Berufungslisten vorgeschlagen. So wird bisweilen der zweite oder dritte Platz mit zwei Personen besetzt, die nach Ansicht der Kommission gleich geeignet sind. Hier konnte sich die Berufungskommission letztlich nicht auf eine Reihung einigen. Wenn zwei Personen auf einem Listenplatz mit a) und b) gereiht sind, wird der auf Platz a) gesetzten Person zuerst die Professur angeboten. Möglichweise sieht die Kommission auch nur eine*n oder zwei Kandidat*innen als geeignet an. Statt einer Dreierliste wird also eine Zweier- oder Einerliste vorgeschlagen. Letzteres (»primo et unico loco« – auf dem ersten und einzigen Platz) ist für eine Universität ein Risiko, da das Verfahren abgebrochen werden muss, wenn diese Person die Professur nicht annimmt. In der Regel wird eine Einerliste nur bei Ad-personam-Verfahren verabschiedet, wenn beispielsweise auf eine drittmittelfinanzierte Professur diejenige Person berufen werden soll, die die Mittel eingeworben hat (zum Beispiel im Heisenberg-Programm15 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)).

Zustimmung der Gremien

Mit der Verabschiedung einer Berufungsliste hat die Kommission ihre Aufgabe abgeschlossen. Die Liste wird mit einem umfangreichen Dokumentenanhang auf dem klassischen Gremienweg dem Institutsrat, Fakultätsrat und Senat zur Zustimmung vorgelegt. Beigefügt sind in der Regel die Bewerbungsunterlagen (Anschreiben und Lebenslauf) der Listenplatzierten, der Bericht des oder der Kommissionsvorsitzenden, gegebenenfalls Stellungnahmen von Gleichstellungsbeauftragten, Schwerbehindertenvertretung oder beteiligten Personalexpert*innen sowie die externen Gutachten. Zusätzlich kann eine Stellungnahme des oder der Studiendekan*in zur Lehrtätigkeit oder das Votum der Studierenden beigelegt werden. Damit wird als Grundlage für die Entscheidung der Gremien Transparenz zum Ablauf des Verfahrens hergestellt. Außerdem wird in den entsprechenden Sitzungen durch ein designiertes Mitglied der Berufungskommission mündlich über das Verfahren berichtet und es können Rückfragen gestellt werden. Alle Gremienmitglieder müssen diese Unterlagen sowie mündliche Erläuterungen und Diskussionen aus den Sitzungen, wie alle personenbezogenen Informationen zum Verfahren, selbstverständlich vertraulich behandeln.

In den meisten Fällen schließen sich die Gremien dem Votum der Berufungskommission mehrheitlich an. In Einzelfällen werden jedoch Fehler im Verfahren moniert und die Liste zurückgewiesen (siehe Kapitel 2.4).

Ruferteilung

Je nach hochschulrechtlichem Rahmen wird die durch alle Gremien verabschiedete Berufungsliste an das Rektorat/Präsidium oder das Wissenschaftsministerium weitergereicht. Diese prüfen die oben genannten Unterlagen und Protokolle der Gremiensitzungen und erteilen auf dieser Grundlage den Ruf. Üblicherweise wird der Ruf wie vorgesehen an den oder die Erstplatzierte*n erteilt.

In Einzelfällen kann die Hochschulleitung bzw. das Ministerium von dem Recht Gebrauch machen, den Ruf einer anderen als der erstplatzierten Person zu erteilen. Das kann beispielsweise bei einer Juniorprofessur der Fall sein, wenn das akademische Alter nicht dem rechtlich vorgesehenen entspricht oder bereits eine Habilitation vorliegt (siehe Kapitel 2.3). In der Regel wird in einem solchen Fall zuvor das Gespräch mit der Universität bzw. der Fakultät gesucht, damit eine Klärung herbeigeführt werden kann. Vor allem, wenn der Ruf durch das Ministerium erteilt wird, vergehen von der Erstellung der Liste bis zur Ruferteilung nicht selten Wochen bis Monate, in denen Universität und Listenplatzierte keine Informationen zum Fortschritt erhalten.

In einigen Verfahren informiert der oder die Vorsitzende der Berufungskommission zumindest die erstplatzierte Person nach Abschluss der Kommissionsarbeit oder nach Zustimmung der Gremien telefonisch über die Liste und die Aussicht auf den Ruf. In manchen Bundesländern gibt es auch ein offizielles Schreiben der Hochschulleitung unter dem Vorbehalt der ministeriellen Zustimmung, sobald die Liste an das Wissenschaftsministerium weitergeleitet wird. Hundertprozentig sicher, dass Sie die Professur angeboten bekommen, können Sie als Bewerber*in allerdings erst sein, wenn Sie das Rufschreiben erhalten.

Berufungsverhandlungen