Promotion - Postdoc - Professur - Mirjam Müller - E-Book

Promotion - Postdoc - Professur E-Book

Mirjam Müller

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Beschreibung

Karrieren in der Wissenschaft sind ein Spiel mit eigenen Regeln. Nur wenigen der hochqualifizierten Postdocs steht im heutigen Wissenschaftssystem eine Professur offen. Welche Leistungen müssen in Forschung, Lehre und Management erbracht werden und welche ungeschriebenen Gesetze sind zu beachten? Mirjam Müller erklärt Hintergründe und benennt Erfolgsfaktoren der entscheidenden Phase zwischen Promotion und Professur. Für jeden Teilbereich des akademischen Portfolios zeigt sie, welche konkreten Karriereschritte zu planen sind und wie das eigene Profil schlüssig präsentiert werden kann. Neben den Leistungsanforderungen werden auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz Wissenschaft beleuchtet: Welche Möglichkeiten bietet er für berufliche Sicherheit? Wie lassen sich Wissenschaft und Familie vereinbaren? Wie kann Zeitmanagement gelingen und die erste Führungsaufgabe gemeistert werden? Der Ratgeber ermöglicht eine persönliche Bilanz und dient als Entscheidungshilfe für eine Karriere in der Wissenschaft.

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Mirjam Müller

Promotion – Postdoc – Professur

Karriereplanung in der Wissenschaft

Campus Verlag Frankfurt/New York

Über das Buch

Karrieren in der Wissenschaft sind ein Spiel mit eigenen Regeln. Nur wenigen der hochqualifizierten Postdocs steht im heutigen Wissenschaftssystem eine Professur offen. Welche Leistungen müssen in Forschung, Lehre und Management erbracht werden und welche ungeschriebenen Gesetze sind zu beachten?

Mirjam Müller erklärt Hintergründe und benennt Erfolgsfaktoren der entscheidenden Phase zwischen Promotion und Professur. Für jeden Teilbereich des akademischen Portfolios zeigt sie, welche konkreten Karriereschritte zu planen sind und wie das eigene Profil schlüssig präsentiert werden kann. Neben den Leistungsanforderungen werden auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz Wissenschaft beleuchtet: Welche Möglichkeiten bietet er für berufliche Sicherheit? Wie lassen sich Wissenschaft und Familie vereinbaren? Wie kann Zeitmanagement gelingen und die erste Führungsaufgabe gemeistert werden? Der Ratgeber ermöglicht eine persönliche Bilanz und dient als Entscheidungshilfe für eine Karriere in der Wissenschaft.

Über die Autorin

Mirjam Müller arbeitet als Personalentwicklerin an der Universität Konstanz. Als Wissenschaftscoach hat sie zahlreiche Postdocs auf dem Weg zu ihrer ersten Professur im In- und Ausland begleitet. Ihre Insiderexpertise zu institutionellen Regeln und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten für die Wissenschaftskarriere erwarb die Historikerin auf verschiedenen verantwortlichen Positionen in der universitären Nachwuchsförderung. Sie ist Mitglied im Coachingnetz Wissenschaft e.V..

Inhalt

Vorwort

1. Einführung: Traumjob Wissenschaft

2. Zwischen Promotion und Professur: Die Postdoc-Phase im Überblick

3. Das akademische Karriereportfolio

3.1 Forschung

3.2 Publikationen

3.3 Vorträge

3.4 Drittmitteleinwerbung

3.5 Preise und Auszeichnungen

3.6 Internationale Kooperationen

3.7 MentorInnen

3.8 Habilitation

3.9 Lehre

3.10 Betreuung

3.11 Führung

3.12 Gremienarbeit

3.13 Wissenschaftsmanagement

3.14 Das eigene Karriereportfolio im Überblick

4. Die Rahmenbedingungen der Wissenschaftskarriere

4.1 Postdoc-Qualifizierungsmodelle im Vergleich

4.2 Finanzierung der eigenen Stelle

4.3 Wissenschaftliche Netzwerke

4.4 Zeitmanagement im Wissenschaftsalltag

4.5 Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie

4.6 Berufliche Sicherheit

4.7 Alternative Karriereszenarien

5. Schlusswort: Entscheidungsfindung

6. Anhang

6.1 Rechtliche Rahmenbedingungen

6.2 Forschungsförderer

6.3 Postdoc-Programme

6.4 Internationale Programme

6.5 Wissenschaftliche Stellenausschreibungen

6.6 Alternative Karriereszenarien

6.7 Preise und Auszeichnungen

6.8 Wissenschaftliche Netzwerke

6.9 Frauenförderung

6.10 Mentoring

6.11 Weiterbildungen

6.12 Wissenschaftscoaches

6.13 Informationsplattformen für Wissenschaftskarrieren

6.14 Literaturempfehlungen

7. Literatur- und Quellenverzeichnis

8. Anmerkungen

Vorwort

Als ich vor zwölf Jahren begann, im Bereich der wissenschaftlichen Karriereförderung zu arbeiten, kam es mir so vor, als würden alle Beteiligten ein bizarres Spiel spielen: Offenbar gab es in diesem Spiel klare Regeln, die im Großen und Ganzen funktionierten und von allen geteilt wurden. Es gab Gewinner und Verlierer. Aber eine Spielanleitung existierte nicht.

Als ich meinen damaligen Chef nach den Regeln fragte, sagte er, dass diese nirgendwo fixiert seien und man sie überhaupt auch nicht so klar beschreiben könne. Als ich ihn aber danach fragte, was er seiner Tochter für ihre wissenschaftliche Karriere raten würde, hatte er sofort eine sehr präzise Anleitung parat. Diese Szene war für mich ein Schlüsselerlebnis. Seither beschäftigt mich in meiner Arbeit die Frage, nach welchen Regeln das Spiel Wissenschaftskarriere verläuft.

Ich sammelte Erfahrungen im Universitätsalltag und führte viele Gespräche mit NachwuchswissenschaftlerInnen1 und ProfessorInnen. Aber obwohl mir die Spielregeln nach und nach immer offensichtlicher schienen, gab es noch immer keine offizielle Spielanleitung, an der sich NachwuchswissenschaftlerInnen orientieren konnten. Weil es mir wichtig schien, die Spielregeln zu erklären und NachwuchswissenschaftlerInnen bei der für sie richtigen Entscheidung im Spiel zu unterstützen, wurde ich nach Jahren in der strukturellen Nachwuchsförderung Wissenschaftscoach. Nun möchte ich auch mit einem Buch die bestehende Lücke schließen, einen Beitrag zur Veröffentlichung der Spielanleitung leisten und NachwuchswissenschaftlerInnen ermutigen, ihre Karriereplanung aktiv in die Hand zu nehmen.

Inhaltlich gilt mein Dank meinem langjährigen Chef an der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Hans Jürgen Prömel (jetzt TU Darmstadt), der mich als Erster aus der Perspektive eines Professors und Mitglieds der Universitätsleitung in die formellen und informellen Spielregeln der wissenschaftlichen Karriere eingeführt hat. Treibende Kraft für mein Lernen über wissenschaftliche Karrieren sowie Fragen und Herausforderungen von NachwuchswissenschaftlerInnen waren meine Coaching-KlientInnen in Berlin und Konstanz. Sie haben mir die vielen individuellen Spielarten einer wissenschaftlichen Karriere bewusst gemacht und immer wieder verdeutlicht, dass erst eine ausreichende Informationsbasis gute Entscheidungen ermöglicht.

Im Entstehungsprozess des Buches standen mir zahlreiche WissenschaftlerInnen für Fragen zu ihrer persönlichen und fachlichen Innensicht auf die Spielregeln wissenschaftlicher Karrieren zur Verfügung. Namentlich möchte ich Dr. Jens Bartels (Universität Zürich), Prof. Dr. Giovanni Galizia (Universität Konstanz), Dr. Claudia Hillebrandt (Universität Jena), Prof. Dr. Marie von Lilienfeld-Toal (Universität Jena), Prof. Dr. Anusch Taraz (Technische Universität Hamburg-Harburg) und PD Dr. Sebastian Wolf (Universität Konstanz) herzlich dafür danken.

Mein Dank geht an dieser Stelle auch an die Universität Konstanz, meine Kolleginnen im Academic Staff Development und im Coachingnetz Wissenschaft e.V.. In Zusammenarbeit mit ihnen habe ich breite Erfahrung im Wissenschaftscoaching sammeln können.

Ich danke meinen ersten Leserinnen, Dr. Uta Hoffmann, Dr. Stefanie Preuß, Dr. Anne Schüttpelz und Dr. Gesa Walcher, für ihre kritischen Anmerkungen, Jürgen Graf und Martin Gropp für stilistische Hinweise und Dr. Stefanie Hölscher für hilfreiche Informationen. Dem Campus Verlag sei ein herzlicher Dank ausgesprochen für das anregende Lektorat. Nicht zuletzt gilt mein Dank meinen Töchtern Hanna und Clara, denen ich dieses Buch widme.

1. Einführung: Traumjob Wissenschaft

Sie haben ein wissenschaftliches Thema gefunden, das Sie nicht mehr loslässt? Ihre Professorin oder Ihr Professor hat Ihnen eine Postdoc-Stelle angeboten? Sie haben bisher immer in der Wissenschaft gearbeitet und können sich gar nicht vorstellen, etwas anderes zu tun? Möglicherweise sind Sie erfolgreich dabei zu promovieren und wollen wissen, wie eine Karriere in der Wissenschaft weitergehen könnte. Oder Sie sind schon mehrere Jahre NachwuchswissenschaftlerIn und wollen überprüfen, ob Sie sich noch auf dem richtigen Weg befinden.

Es gibt viele Gründe, einer wissenschaftlichen Karriere nachzugehen. WissenschaftlerInnen haben in unserer Gesellschaft ein hohes Prestige: Laut Forsa-Umfrage von 2012 genießt der Beruf »Hochschulprofessor« bei 74 Prozent aller Deutschen ein hohes Ansehen und gelangt damit auf Rang 9 der angesehensten Berufe in Deutschland.2 Für Gesellschaft und Forschende gleichermaßen verursachen die ungelösten Rätsel der Wissenschaft einen Nervenkitzel. Unentdecktes zu finden und ungeklärte Fragen zu beantworten, regt den wissenschaftlichen Ehrgeiz an und bringt bei Erfolg große Befriedigung. Das wissenschaftliche Arbeiten ist im Vergleich zu vielen anderen Berufen sehr selbstbestimmt, was Themen, Methoden und nicht zuletzt die Zeiteinteilung anbelangt. Anregenden Wettbewerb und Anerkennung liefert die internationale scientific community. Kein Wunder, dass 71 Prozent der in Deutschland tätigen ProfessorInnen beruflich (sehr) zufrieden sind.3

Eine akademische Laufbahn kann heute auf einer Vielzahl von Wegen verfolgt werden, sei es auf einer von der Forschungsinstitution finanzierten Stelle, einer Drittmittelstelle oder mit einem Stipendium. Gerade in der Postdoc-Phase – der Zeit zwischen der Promotion und einer unbefristeten Stelle als HochschullehrerIn – gibt es seit der Einführung von Juniorprofessur und Nachwuchsgruppen verschiedene parallele Qualifizierungsmodelle für eine Professur.

Gleichzeitig sind die Spielregeln einer akademischen Karriere für viele noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Jahrhundertelang war das deutsche Wissenschaftssystem von einem Meister-Schüler-Verhältnis geprägt, in dem sich erfahrene Lehrmeister die Vielversprechendsten ihrer Zöglinge zu Nachfolgern wählten und sie in die Geheimnisse ihrer Zunft einweihten. Die Öffnung des deutschen Universitätssystems seit den 1960er-Jahren und die Reformen in der Nachwuchsförderung seit den 1990er-Jahren veränderten diese bewährte Methode: NachwuchswissenschaftlerInnen profitieren heute von einer größeren wissenschaftlichen Unabhängigkeit, gleichzeitig ist durch die gewachsene Anzahl an Studierenden und Promovierenden in vielen Fächern kaum noch die intensive Betreuung der vorigen Jahrhunderte möglich.

Mehr NachwuchswissenschaftlerInnen als früher bleiben an Hochschulen und Forschungsinstituten, mit ihren wissenschaftlichen Ideen und der Hoffnung, einmal ProfessorIn zu werden oder zumindest ein Leben lang forschen zu können. Jedoch steht in Deutschland nach Daten des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 zehn Promovierten nur eine Neuberufung gegenüber.4 Selbst auf drei Habilitationen kommt aktuell nur eine freiwerdende Professur.5 Zusammen mit der drastischen Verringerung von Dauerstellen unterhalb der Professur birgt dies ein großes Karriererisiko: Im Spiel um die Wissenschaftskarriere gibt es mehr Verlierer als Gewinner. Die Notwendigkeit zum Ausstieg wird für manche Postdocs erst im Alter zwischen 35 und 45 Jahren offensichtlich.

Trotz dieser hart umkämpften Karrierechancen ist Wissenschaft für viele ein Traumberuf,6 für den sie auch Nachteile in Kauf nehmen. Die geforderte berufliche Mobilität und der Druck, Ergebnisse zu produzieren, zu veröffentlichen, Drittmittel einzuwerben und zu lehren, stellen hohe Ansprüche an junge Forschende. Auch befristete Arbeitsverträge gehören zu den Schattenseiten des Berufs. Die Beschäftigungsunsicherheit kann gerade in der Lebensphase, in der Partnerschaft und Familie Kontinuität benötigen, eine große Belastung darstellen. Dies ist für viele WissenschaftlerInnen mit Familie ein Grund, der Wissenschaft den Rücken zu kehren.7 Auch deshalb sinkt in Deutschland der Frauenanteil in der Wissenschaft auf jeder Qualifizierungsstufe weiter ab. Während ihr Anteil unter den Promotionsabschlüssen 2012 bei 45,4 Prozent lag, ist bei den Habilitationen ein Frauenanteil von nur 27 Prozent zu verzeichnen. Bei den Professuren sind lediglich 20,4 Prozent mit Frauen besetzt.8

Für Frauen und Männer, die diese Herausforderungen meistern wollen, stellen sich angesichts der skizzierten Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems zahlreiche Fragen zur Karriereplanung: Wie publiziere ich am besten? Wann gehe ich ins Ausland und wohin? Bin ich ausreichend vernetzt? Ist eine Juniorprofessur für mich sinnvoller oder ein Habilitationsstipendium, um mein zweites Buch in Ruhe fertigstellen zu können? Weitere Fragen ergeben sich mit Blick auf Lehrerfahrung, eigene Drittmittel und ein gelungenes Zeitmanagement.

Die Antwort auf diese Fragen kann in den wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich ausfallen. Allen Fächern der deutschen Wissenschaftslandschaft ist jedoch gemein, dass das Expertenwissen zur Beantwortung dieser Fragen meist nicht leicht zugänglich ist. ProfessorInnen einer Disziplin sind sich – etwa in einer Berufungskommission – oft einig, was die Indikatoren für wissenschaftliche Qualität sind und wie diese nachgewiesen werden sollte. Offengelegt werden diese impliziten Spielregeln des Systems in der Regel nicht.

Als Wissenschaftscoach erlebe ich in meiner Arbeitspraxis, dass es jungen WissenschaftlerInnen oft an Orientierung fehlt bei der Entscheidung, welchen der verschiedenen Karrierewege sie nach der Promotion einschlagen sollen und ob eine Karriere in der Wissenschaft das Richtige für sie ist. Häufig mangelt es dabei meiner Erfahrung nach an Feldwissen über wichtige Faktoren einer Wissenschaftskarriere, um persönliche Richtungsfragen kompetent entscheiden zu können.

Weitverbreitet ist die Annahme, dass wissenschaftliche Karrieren nicht planbar sind. Selbst viele ProfessorInnen halten den Erfolg dieses Berufswegs für abhängig von Glück oder Unwägbarkeiten.9 In der Tat gibt es kein Rezept, das hundertprozentig zu einer Berufung führt. Es sind dennoch Muster zu beobachten, die über die Fächer hinweg oder innerhalb einzelner Disziplinen regelmäßig zu Berufungen auf Professuren führen.

Diese Muster lassen sich meiner Erfahrung nach als Spielregeln begreifen und für eine aussichtsreiche wissenschaftliche Karriere anwenden. So kann dem Glück zumindest auf die Sprünge geholfen werden. Mithilfe der Spielregeln kann eine konkrete Vorstellung entstehen, welche Faktoren für eine wissenschaftliche Karriere notwendig sind. Es können hilfreiche Strategien entwickelt, wissenschaftliche Leistung fokussiert und Energie sinnvoll eingesetzt werden. Dadurch wird es möglich, diejenigen Faktoren einer Wissenschaftskarriere zu gestalten, die in Ihrem Einflussbereich liegen. Und es kann eine bewusste Entscheidung für oder gegen das Karriereziel Wissenschaft getroffen werden.

Als Karriereratgeber für die Wissenschaft möchte dieses Buch die systemimmanenten Spielregeln einer akademischen Karriere erklären. Als Arbeitsbuch kann der Ratgeber Sie dabei unterstützen, bisher Erreichtes zu bilanzieren, die nächsten Karriereschritte konkret zu planen und Schritt für Schritt das persönliche Karriereportfolio schlüssig nach außen zu präsentieren. Im Mittelpunkt steht das Karriereziel einer Universitätsprofessur, auch wenn viele der vorgestellten Karriereschritte ebenso für Fachhochschulprofessuren oder die wenigen Lebenszeitstellen unterhalb einer Professur gelten beziehungsweise die Postdoc-Phase an einer Universität oder einem außeruniversitären Forschungsinstitut durchlaufen werden kann. Dargestellt sind Hintergründe und Prinzipien, die für die Mehrzahl der Fächer gelten. An einigen Stellen werden Besonderheiten einzelner Fächer oder Fächergruppen erklärt. Auf die Fülle aller fachlichen Unterschiede im Detail kann verständlicherweise nicht eingegangen werden. Der Fokus der Ausführungen liegt auf Deutschland, die grundlegenden Prinzipien sind jedoch auf den gesamten deutschsprachigen Raum übertragbar.

Kapitel 2 stellt die Postdoc-Phase in einem kurzen Überblick vor. Es wird gezeigt, welche Qualifizierungsziele jeweils in der frühen und in der späten Postdoc-Phase anstehen und nach welchen Kriterien Sie die Institutionen wählen sollten, an denen Sie wissenschaftlich tätig sind.

In Kapitel 3 wird die Perspektive vom Karriereziel Professur her eingenommen, von den Erwartungen, die eine Berufungskommission an erfolgreiche BewerberInnen stellt. In den Unterkapiteln werden die Qualifikationen eines akademischen Karriereportfolios vorgestellt, also die 13 wissenschaftlichen Qualifikationen, die für eine erfolgreiche Bewerbung auf eine Professur nachgewiesen werden müssen (Forschung, Lehre, Drittmitteleinwerbung, internationale Kooperationen etc.). Für jede dieser Qualifikationen wird erläutert, welche Erwartungen damit innerhalb des Wissenschaftssystems verbunden sind und welche Anforderungen zum Zeitpunkt der Bewerbung auf eine Professur gestellt werden. Im nächsten Schritt wird jeweils gezeigt, wie die Qualifikationen innerhalb der Postdoc-Phase erworben werden können, und Methoden beschrieben, die Sie in Ihrem Wissenschaftsalltag anwenden können.

Am Ende jedes dieser Unterkapitel finden Sie folgende drei Rubriken, mit denen Sie konkret an Ihren Qualifikationen und deren Darstellung nach außen arbeiten können:

DARSTELLUNG IM WISSENSCHAFTLICHEN LEBENSLAUF

Für Bewerbungen in der Wissenschaft spielt Ihr Lebenslauf eine zentrale Rolle. Im Verlauf der Postdoc-Phase sollten Sie dort immer mehr derjenigen Qualifikationen aufführen können, die für eine Professur relevant sind. Hier gebe ich Hinweise, wie die Qualifikationen in einem wissenschaftlichen Lebenslauf am besten dargestellt werden können, was Sie betonen und was Sie vermeiden sollten.

POSITIONSBESTIMMUNG

Hier haben Sie Gelegenheit, Ihre bisherige Leistung auf dem im Unterkapitel vorgestellten Gebiet zu bilanzieren. Die Positionsbestimmung hilft Ihnen, den eigenen Wissens- und Qualifikationsstand zu reflektieren und eine Planungsgrundlage für nächste Schritte zu schaffen.

SCHRITTE FÜR DIE NÄCHSTEN DREI JAHRE

Nach der Bilanz des Erreichten kann der Blick nach vorn gerichtet werden. Planen Sie hier, wie Sie Ihre Qualifikationen vervollständigen können. In die Planungsboxen können Sie konkrete nächste Schritte für die kommenden drei Jahre eintragen und festlegen, wann Sie diese umsetzen wollen.

Kapitel 4 widmet sich den Rahmenbedingungen einer Wissenschaftskarriere. In Unterkapiteln wird erklärt, welche Qualifizierungsmodelle es gibt und wie die eigene Stelle finanziert werden kann. Auch Themen wie berufliche Sicherheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Zeitmanagement und alternative Karriereszenarien werden vorgestellt. Diese Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems beeinflussen die Strategien und Wege, das akademische Karriereportfolio zu gestalten. Die Erfahrung aus der Beratung zeigt, dass sie für NachwuchswissenschaftlerInnen zusätzlich zu den formalen Qualifikationsanforderungen eine wichtige Grundlage für die Karriereentscheidung sind.

REFLEXIONSFRAGEN

Den Abschluss jedes Unterkapitels bilden Reflexionsfragen, die Ihnen helfen, Ihre bisherige Erfahrung zu bilanzieren, Möglichkeiten zu identifizieren und Ihre Prioritäten zu klären. Dies kann Sie dabei unterstützen, wichtige Karriereentscheidungen fundiert zu treffen.

PRAXISBEISPIELE

In Kapitel 3 und 4 stelle ich an einigen Stellen Beispiele aus meiner Erfahrung als Coach vor. Sie beschreiben typische Herausforderungen für Postdocs und zeigen, wie verschiedene NachwuchswissenschaftlerInnen sie in ihrer individuellen Situation gelöst haben. Alle persönlichen Angaben sind selbstverständlich anonymisiert worden und lassen keine Rückschlüsse auf die reellen Personen zu.

Kapitel 5 stellt die Entscheidungsfindung für oder gegen eine wissenschaftliche Karriere in den Mittelpunkt. Es führt das akademische Karriereportfolio und die Rahmenbedingungen zusammen. Sie können die Ergebnisse Ihrer persönlichen Bilanz aus Kapitel 3 und 4 analysieren und auf dieser Basis eine Entscheidung für Ihre Karriere treffen.

Im Anhang sind für Sie weiterführende Informationen zu allen im Buch vorgestellten Aspekten zusammengestellt, wie beispielsweise Adressen von Forschungsförderern, Stellenbörsen, Hinweise zum rechtlichen Rahmen, Programme zur Frauenförderung sowie ein Verzeichnis von zertifizierten Wissenschaftscoaches. Neben Hinweisen zum deutschen Wissenschaftssystem finden Sie hier auch die entsprechenden Informationen für Österreich und die Schweiz. Für die vertiefte Lektüre zu einzelnen Aspekten der Wissenschaftskarriere werden Literaturempfehlungen gegeben.

Sie können die Kapitel in der vorgestellten Reihenfolge lesen oder bei den Themen starten, die Sie besonders interessieren. Querverweise in den Kapiteln stellen Bezüge zwischen den einzelnen Teilbereichen des akademischen Karriereportfolios her sowie zwischen dem Karriereportfolio und den in Kapitel 4 vorgestellten Rahmenbedingungen des Wissenschaftssystems, wo dies zum Verständnis oder zur Vertiefung des jeweiligen Themas beiträgt.

Nehmen Sie Ihre berufliche Zukunft in die Hand, lernen Sie Ihre Erfolgschancen realistisch einzuschätzen und treffen Sie eine fundierte Entscheidung über eine Karriere in der Wissenschaft!

2. Zwischen Promotion und Professur: Die Postdoc-Phase im Überblick

Die Postdoc-Phase dient im engeren Sinne der Qualifizierung10 für eine Professur oder eine vergleichbare wissenschaftliche Dauerposition. Idealtypisch liegen zwischen Promotion und Lebenszeit-Professur etwa sechs Jahre, abhängig vom jeweiligen Fach und vom Verlauf des Karrierewegs dauert diese Phase jedoch oft länger. Die Bezeichnung als Postdoc-Phase ist umstritten, da der Begriff »Postdoc« nicht in allen Fächern das Gleiche bedeutet: In den Naturwissenschaften steht er für ein etwa zweijähriges Forschungsprojekt nach der Promotion, danach wird die Bezeichnung »Gruppenleiter« verwendet mit Blick auf das verantwortlichere Aufgabenspektrum in dieser Qualifizierungsphase. Die Differenzierung innerhalb der Postdoc-Phase weist darauf hin, dass in diesem Karriereabschnitt ein Zuwachs an Aufgaben, Verantwortlichkeiten und auch Freiheitsgraden als unabhängige Forschende oder unabhängiger Forschender stattfindet. Für die Betrachtung und Planung der Postdoc-Phase kann deshalb eine Einteilung in eine frühere und eine spätere Phase hilfreich sein (siehe Abbildung 1).

Forschende in der frühen Postdoc-Phase werden von der Europäischen Kommission als recognised researchers (Promovierte, die noch nicht volle Unabhängigkeit erlangt haben) bezeichnet.11 In dieser Phase geht es darum, eigenständig zu forschen und dabei an Unabhängigkeit von den BetreuerInnen der Promotion zu gewinnen. Die Wahl des Forschungsthemas ist stark von fachlichen Gepflogenheiten abhängig. In einigen Fächern kann sich das Thema aus der Promotion ergeben. Für eine Wissenschaftskarriere im deutschsprachigen Raum sollte es erkennbar von der Doktorarbeit abgegrenzt sein, durch neue Ansätze erweitert werden oder sich um ein neues Forschungsthema handeln. Insgesamt sollte das Thema dazu dienen, dass Sie eine ausreichende Breite innerhalb Ihres Faches gewinnen, und bereits auf das Habilitationsthema oder die habilitationsäquivalenten Leistungen hinzielen. (☞3.1 Forschung) Es ist empfehlenswert, für die frühe Postdoc-Phase die Forschungsinstitution innerhalb Deutschlands zu wechseln oder ins Ausland zu gehen. (☞3.6 Internationale Kooperationen)

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Abbildung 1: Die Postdoc-Phase in Deutschland. Phasen und Qualifizierungsschritte

Forschende in der späten Postdoc-Phase bezeichnet die Europäische Kommission als established researchers (Forschende, die bereits einen Grad an Unabhängigkeit erlangt haben).12 In dieser Phase steht die Erlangung der Berufbarkeit durch Arbeit am Habilitationsprojekt oder an der habilitationsäquivalenten Leistung im Mittelpunkt. Zusätzlich geht es darum, immer mehr derjenigen Qualifikationen zu erwerben, die für eine Professur erforderlich sind, also Studierende und Promovierende zu betreuen, Drittmittel einzuwerben, Projekte zu leiten und eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen. Sie erwerben in diesem Karriereabschnitt eine höhere Verantwortlichkeit im Wissenschaftsmanagement und Selbstständigkeit in der Wissenschaft. Ziel ist es, ein individuelles Profil als WissenschaftlerIn zu entwickeln und mit diesem in der scientific community sichtbar zu sein. (☞3.14 Das eigene Karriereportfolio)

Für jede dieser beiden Karriereabschnitte der Postdoc-Phase gibt es verschiedene Qualifizierungsmodelle, die ausführlicher im Abschnitt Rahmenbedingungen beschrieben werden. (☞4.1 Postdoc-Qualifizierungsmodelle) Die Modelle unterscheiden sich hinsichtlich des zeitlichen Freiraums für die eigene Forschung, im Umfang der Lehrverpflichtung und der Menge an administrativen Aufgaben, die übernommen werden müssen. Ein weiterer Unterschied besteht in Höhe und Art der Vergütung sowie in unterschiedlichen Vertragslaufzeiten. (☞4.2 Finanzierung, ☞4.6 Berufliche Sicherheit) Auch hinsichtlich ihrer Anbindung an eine Professur beziehungsweise ihrem Grad an Unabhängigkeit als NachwuchswissenschaftlerIn sind die Qualifizierungsmodelle verschieden.

Unabhängig vom Modell ist das wissenschaftliche Umfeld in der jeweiligen Forschungsinstitution zu beachten. Zum einen sollten Sie die Institution und die konkrete Arbeitsgruppe nach der Qualität der Forschung, die dort betrieben wird, auswählen, nach der Aktualität der Forschungsmethoden und dem Ansehen in der scientific community. Diese Indikatoren lassen sich in der Regel leicht über einen Blick auf Publikationen oder Drittmitteleinwerbungen in Erfahrung bringen. Nicht weniger wichtig ist es jedoch, auf die Vorgesetzten zu schauen. Sind sie dafür bekannt, ihre NachwuchswissenschaftlerInnen zu fördern? Werden Sie dort Gelegenheit zur Entwicklung haben und möglicherweise eine Mentorin oder einen Mentor gewinnen, die Ihnen weitere Karriereoptionen eröffnen? Dies können Sie einschätzen, indem Sie sich die Erfolge früherer oder derzeitiger SchülerInnen ansehen, zum Beispiel hinsichtlich deren Präsenz auf Konferenzen, erfolgreicher Promotions- und Habilitationsabschlüsse oder dem Erlangen von Professuren.

Ein konstruktives Arbeitsklima in der Arbeitsgruppe trägt maßgeblich zur wissenschaftlichen Produktivität bei,13 in interessanten Diskussionen wird Ihre Forschung sich qualitativ weiter verbessern. Eine Einbindung in die nationalen und internationalen fachlichen Netzwerke und in den Fachbereich einer Universität oder eines Forschungsinstituts sollte in der gesamten Postdoc-Phase gegeben sein. Vor allem durch eine Mitgliedschaft in einer größeren Forschungsinstitution steigen die Vernetzung und damit auch Ihr Publikationserfolg.14 (☞3.6 Internationale Kooperationen, ☞4.3 Wissenschaftliche Netzwerke)

3. Das akademische Karriereportfolio

Stellen wir uns vor: Sie haben sich für eine Karriere in der Wissenschaft entschieden. Ihre Postdoc-Zeit konnten Sie nach den Kriterien Ihres Faches erfolgreich gestalten. Nun bewerben Sie sich auf eine Professur. Sie wollen der Berufungskommission zeigen, dass Sie eine exzellente Forscherin beziehungsweise ein exzellenter Forscher sind und dass Sie das Zeug zu einer Professur haben. Sie stellen die Ergebnisse zusammen, die Sie in den vergangenen Jahren erzielt haben. Welches akademische Karriereportfolio können Sie vorweisen? Und welche Erwartungen wird die Berufungskommission an Sie stellen?

Berufungskommissionen beurteilen in ihrem Findungsprozess KandidatInnen anhand derjenigen Kompetenzen, die HochschullehrerInnen für die Erledigung ihrer täglichen Aufgaben in Forschung, Lehre und Management benötigen. Anders als bei Bewerbungen auf wissenschaftliche Stellen für Promovierende oder Postdocs, bei denen oft ein Schwerpunkt auf die Forschungstätigkeit gelegt werden kann, sollten Sie bei Berufungsverfahren möglichst das gesamte Aufgabenspektrum einer Professur abdecken können. Nachweis Ihrer Qualifikation ist, dass Sie die entsprechenden Aufgaben bereits zuvor übernommen haben, möglichst in einem hochrangigen, durch die scientific community geprüften Rahmen.15

Vom Zeitpunkt der Bewerbung auf eine Professur aus betrachtet ist es also das Ziel der Postdoc-Phase, Erfahrungen in den 13 verschiedenen Teilbereichen zu sammeln, aus denen sich Ihr akademisches Karriereportfolio zusammensetzt. Wie beim Pilzesammeln füllen Sie nach und nach Ihren Korb mit Qualifikationen, während Sie die Postdoc-Phase durchlaufen. Müssen zu Beginn der Postdoc-Zeit noch viele der Teilbereiche offen bleiben, so sollten Sie gegen Ende möglichst alle Aspekte abgedeckt haben, um sich einer Berufungskommission erfolgreich präsentieren zu können. Für einige Fächer, wie Medizin, Psychologie oder Ingenieurwissenschaften, gehört zum akademischen Karriereportfolio auch einschlägige berufspraktische Erfahrung, wie klinische Praxis mit Führungserfahrung, eine therapeutische Ausbildung oder praktische Arbeit in einem Unternehmen. Aufgrund ihrer ausschließlich fachspezifischen Relevanz wird im Rahmen dieses Buches nicht näher darauf eingegangen.

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Abbildung 2: Das akademische Karriereportfolio

Welche Qualifikationen Sie erwerben und nachweisen können, ist abhängig vom Fach und vom Qualifizierungsmodell, das Sie für die Postdoc-Phase wählen.16 (☞4.1 Postdoc-Qualifizierungsmodelle) Wenn Sie beispielsweise in den Geisteswissenschaften oder an einem außeruniversitären Forschungsinstitut tätig sind beziehungsweise Ihre Habilitationsschrift auf einem Stipendium verfassen, wird es kaum möglich sein, die Prüfungsberechtigung für Promotionen zu erlangen und die Betreuung eigener Promovierender vorzuweisen. Diese Rahmenbedingungen des Systems wird eine Berufungskommission in die Bewertung Ihrer Leistung einbeziehen. Da aber ein breites Kompetenzprofil oft einen komparativen Vorteil bringt, sollten Sie bei der Wahl von Qualifizierungsmodellen auch in Betracht ziehen, welche Qualifikationen Sie dort jeweils erwerben können.

In den folgenden Unterkapiteln werden die einzelnen Teilbereiche eines akademischen Karriereportfolios für das Berufsziel Professur vorgestellt. Nicht alle Bereiche sind dabei gleich wichtig. In jedem Kapitel wird daher zu Beginn erklärt, welche Bedeutung der jeweiligen Qualifikation im Allgemeinen für eine wissenschaftliche Karriere zukommt. Die Wichtigkeit der einzelnen Teilbereiche wird auch durch die Reihenfolge der Unterkapitel deutlich. In einzelnen Fächern kann es andere Priorisierungen geben. So spielen Drittmittel in den Geisteswissenschaften eine wachsende, aber im Vergleich zu naturwissenschaftlichen Fächern weniger ausgeprägte Rolle. Auch steht es Berufungskommissionen frei, die Kriterien anders zu gewichten, um eine gute Passung zur zu besetzenden Professur zu erzielen. Nicht zuletzt können auch persönliche Netzwerke im Auswahlprozess eine Rolle spielen. (☞3.7 MentorInnen)

Am Ende der Unterkapitel können Sie Ihre bisherigen Leistungen in den Teilaspekten des Karriereportfolios bilanzieren und nächste Schritte planen. Im letzten Unterkapitel finden Sie das Karriereportfolio nochmals im Überblick (☞3.14 Das eigene Karriereportfolio). Viele NachwuchswissenschaftlerInnen finden es hilfreich, sich ihre Kompetenzen in der Zusammenschau zu vergegenwärtigen. Ihr akademisches Karriereportfolio stellt nicht erst bei der Bewerbung auf eine Professur Ihr persönliches Profil dar, das Sie in der scientific community einzigartig macht. Die Zusammenschau kann Sie auch zu einem früheren Zeitpunkt unterstützen, sich individuell und erfolgreich mit diesem Profil zu präsentieren.

Zugleich ist die ehrliche Bilanz des eigenen Erfolgs in der Wissenschaft eine Basis für die Entscheidung, ob Sie eine Karriere als WissenschaftlerIn weiterverfolgen sollten. In diesem Sinne legt der folgende Abschnitt die Grundlage für die Entscheidung über eine Karriere in der Wissenschaft, die am Schluss des Buches thematisiert wird.

3.1 Forschung

Für die meisten Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten oder mit dem Gedanken an eine Wissenschaftskarriere spielen, steht die Forschungstätigkeit im Mittelpunkt des Interesses. Forschung bedeutet eine fachliche Expertise, die weltweit nur wenige Menschen teilen. Forschung heißt Begeisterung für ein Thema, das einem am wesentlichsten erscheint und dessen Bearbeitung über Jahre nicht ermüdet. Forschung steht für ein kreatives Arbeiten nach eigenen Ideen, Vorstellungen und Methoden. Und Forschung bedeutet, dass weder der Zeitpunkt, wann eine gute Idee entsteht, noch das Ergebnis eines Experiments vorhersehbar sind.

Obwohl zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit auch Lehre, Nachwuchsförderung und Management gehören, stellt die Forschungsleistung das wichtigste Kriterium für eine Bewertung durch die internationale scientific community dar. Gemessen werden die Innovativität von Thema und Methoden sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse in Publikationen, Vorträgen oder Patenten.

In der Postdoc-Phase geht es darum, ein individuelles Forschungsprofil zu entwickeln und sich mit diesem Profil in der scientific community zu etablieren. War die Promotion die erste eigenständige Forschungsleistung, so gilt es nun, diese Eigenständigkeit in weiteren Arbeiten fortzusetzen und wissenschaftliche Unabhängigkeit von den BetreuerInnen der Promotion zu gewinnen.

Bei der Wahl des längerfristigen Forschungsthemas für die Postdoc-Phase ist darauf zu achten, dass Sie Ihr Forschungsgebiet gegenüber der Dissertation erweitern. Es ist durchaus üblich, in den ersten ein bis zwei Jahren nach der Promotion zunächst noch Fragestellungen zu bearbeiten, die aus dem Dissertationsprojekt entstanden sind. Das Thema des zweiten Buches, der Habilitationsschrift oder der habilitationsäquivalenten Leistungen sollte danach jedoch strategisch gut gewählt sein.

Da auf einer Professur das jeweilige Fach in seiner Breite vertreten wird, sollte das Postdoc-Thema für eine Wissenschaftskarriere im deutschsprachigen Raum komplementär zum Promotionsthema angelegt sein. Dies kann in jedem Fach Unterschiedliches bedeuten: Ist die Promotion auf einem empirischen Ansatz begründet, sollte das zweite große Forschungsthema theoretisch fundiert werden. Behandelt die Promotion ein literarisches Genre in der einen Sprache, sollte das Habilitationsprojekt sich meist auf Literatur einer anderen Sprache der Sprachfamilie stützen. Ist die Promotion in der einen Epoche verankert, sollte das zweite Buch einen Fokus auf eine weitere Epoche legen oder aber ein deutlich anderes Quellenkorpus untersuchen. War der Doktorarbeit eine bestimmte Technik oder Methodik zugrunde gelegt, sollten für habilitationsäquivalente Leistungen andere Methoden genutzt oder die bisherige Technik erweitert und auf einen anderen Themenbereich angewandt werden.

Neben der fachlichen Breite soll die Forschungsarbeit eine inhaltliche Tiefe aufweisen. Dies bedeutet, dass Sie in der Regel kein völlig neues Forschungsfeld betreten können, mit dem fachlich bisher kaum Berührung bestand. Es ist empfehlenswert, mit erfahrenen KollegInnen Ihres Faches zu diskutieren, welches komplementäre Forschungsthema für Sie eine ausreichende fachliche Breite dokumentiert. (☞3.7 MentorInnen) Frauen und Männer haben bei der Wahl ihrer Forschungsthemen oft unterschiedliche Herangehensweisen. Während Frauen vielfältigeren Interessen nachgehen und sich hier eher breit qualifizieren, spezialisieren sich Männer stärker und wählen Forschungsthemen strategischer.17

Als nächstes sollte sich die Wahl Ihres Forschungsthemas für die Postdoc-Phase an aktuellen Fragestellungen orientieren. In einigen Fächern ist die Tendenz zu beobachten, dass Forschung zu bestimmten gut erschlossenen Themen lieber gesehen wird als die Erforschung neuer oder weniger bekannter Quellen. Ein Thema, zu dem seit mehreren Jahren nichts Substanzielles mehr publiziert wurde, scheidet in der Regel als ein Forschungsgegenstand, mit dem Sie in der scientific community Anerkennung finden können, aus. Es sei denn, Sie sind in der Lage, durch einen innovativen Blick auf das alte Thema oder eine neuartige Verknüpfung mit einem aktuellen Ansatz relevantes Neues zu schaffen. Sichern Sie sich in diesem Fall durch Diskussionen mit Fachleuten ab, auf deren Urteil Sie vertrauen.

Für das Ziel, eine Professur in Deutschland zu erlangen, sollte Ihr Forschungsthema einschlägig für die Denomination von Lehrstühlen in Ihrem Fach sein. Die fachliche Festlegung von Professuren erfolgt in der Regel für mehrere Jahre oder Jahrzehnte durch Universitäten und Wissenschaftsministerien. In vielen Fächern gibt es hier einen Kanon, der sich nur selten ändert. In den Sozial- und Geisteswissenschaften können auch Forschungsschwerpunkte auf bestimmte Länder oder Regionen, die sich außerhalb des deutschen Forschungskanons befinden, für die Bewerbung auf eine Professur eine karrieretechnische Sackgasse sein.

Orientieren Sie sich, an welchen Forschungsinstitutionen Ihr Forschungsgebiet in Deutschland und international führend vertreten ist. Einen Überblick können Sie durch Ihnen bekannte Publikationen, auf Konferenzen, in Gesprächen mit Ihren MentorInnen oder mit dem »Research Explorer« von Deutscher Forschungsgemeinschaft, Deutschem Akademischen Austauschdienst und Hochschulrektorenkonferenz erhalten. Finden Sie heraus, welche Schulen oder fachlichen Ansätze in Ihrer scientific community existieren und ob diese in einem inhaltlichen Disput stehen. Machen Sie sich bewusst, wie sich Ihr geplanter Forschungsansatz zu diesen Schulen oder Ansätzen stellt und wo Sie Ihre wissenschaftliche Heimat sehen. Vermutlich ist es innerhalb Ihrer Forschung nicht möglich, gegensätzliche Schulen gleichermaßen zu bedienen. Die Resonanz der scientific community auf Ihre Arbeit wird unterschiedlich ausfallen, jeweils abhängig vom wissenschaftlichen Ansatz der GutachterInnen. Auch spätere Erfolgschancen bei der Bewerbung auf eine Professur können gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften vom Kräfteverhältnis der an der jeweiligen Universität vertretenen Schulen abhängen.

Interdisziplinäre Forschungserfahrung gilt bei der Besetzung von Professuren als Pluspunkt und wird zunehmend in Stellenausschreibungen explizit gefordert. Viele ExpertInnen sind der Auffassung, dass sich die großen Forschungsfragen unserer Zeit nur durch eine fächerübergreifende Zusammenarbeit beantworten lassen und sich gerade die innovativsten Forschungsansätze an den Grenzen der Disziplinen befinden. Dennoch gilt für die Qualifizierungsphase bis zur Professur, dass es möglich sein sollte, Sie klar einem Fach zuzuordnen. Dies ist zum einen deshalb erforderlich, weil Sie in dem Fach, in dem Sie sich auf eine Professur bewerben, die schon genannte inhaltliche Breite und Tiefe vorweisen sollten. Zum anderen wird die Bewertung Ihrer Forschungsleistung durch FachexpertInnen schwierig, wenn diese sich jeweils nur in einem Teil der von Ihnen genutzten Methodik oder Inhalte auskennen. Auch werden Drittmittel vielfach disziplinär vergeben. In Ausnahmefällen kann es gelingen, sich in zwei Fächern gleichzeitig zu qualifizieren, beispielsweise durch eine zweite Promotion.

Sie können interdisziplinär forschen, indem Sie sich entweder klar in einem Fach verorten und von diesem Ausgangspunkt aus mit Forschenden anderer Disziplinen kooperieren. Oder indem Sie teilweise Methoden anderer Disziplinen anwenden und deren Ergebnisse auf Ihre Herkunftsdisziplin zurückbeziehen. Wenn Sie Ihr Fach zwischen Studium und Habilitation wechseln, ist es wichtig, dass Sie sich in der neuen scientific community vernetzen und Ihre Ergebnisse in den Zeitschriften und auf den Konferenzen dieses Faches präsentieren. In der Regel wird ein Wechsel des Faches leichter anerkannt als ein interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt, der sich auf kein Fach festlegen lässt.

Es ist wichtig, dass Ihr Postdoc-Forschungsthema durch die Relevanz der Fragestellung, die methodische Fundierung Ihrer Herangehensweise und seinen innovativen Charakter überzeugt. Idealerweise sollte es nicht nur neue Erkenntnisse liefern, sondern auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung Ihres Forschungsgebietes leisten. Hoch anerkannt ist es, wenn es Ihnen gelingt, mit Ihrer Forschung ein Thema zu setzen, das von der scientific community aufgegriffen wird.

Bewertet wird Ihre Forschungsleistung aufgrund ihrer Bedeutung im internationalen Vergleich. Als Indikatoren gelten üblicherweise Publikationen, Drittmittel und Vorträge. Darüber hinaus zeugen Ihre wissenschaftlichen Kooperationen für die Qualität Ihrer Forschung. In den angewandten Fächern, wie beispielsweise den Ingenieurswissenschaften, ist auch der Praxisbezug Ihrer Forschung entscheidend.

Diese Ratschläge zur Wahl des Forschungsthemas für die Postdoc-Phase sollen kein Plädoyer für einen wissenschaftlichen Mainstream sein. Sie sollen Sie vielmehr zu einer klugen Reflexion der Forschungsszene Ihres Faches ermutigen und vor deren Hintergrund zu einer realistischen Einschätzung Ihrer eigenen Forschung. Auf dem Weg zu Ihrer ersten Professur und darüber hinaus braucht Ihre Wissenschaft UnterstützerInnen in Ihrem Fach, die Ihre Ergebnisse schätzen und für wissenschaftlich relevant halten. (☞3.7 MentorInnen) Haben Sie keine BefürworterInnen in der scientific community, ist fraglich, ob es sich angesichts der zu investierenden Zeit und Ihrer künftigen Berufschancen lohnt, das Thema weiter zu verfolgen. (☞4.6 Berufliche Sicherheit, ☞5. Entscheidungsfindung)

Nutzen Sie die scientific community für einen produktiven Austausch: Vernetzen Sie sich ausreichend, um das Know-how von ExpertInnen Ihres Faches oder anderer Disziplinen in Ihr Forschungsprojekt einfließen zu lassen. (☞3.6 Internationale Kooperationen, ☞4.3 Wissenschaftliche Netzwerke) Vergessen Sie dabei gerade in der Postdoc-Phase nicht, auch leitende Aufgaben zu übernehmen und Ihren Beitrag zu Forschungsprojekten erkennbar werden zu lassen. (☞3.13 Wissenschaftsmanagement)

Auf diese Weise entwickeln Sie im Laufe der Postdoc-Phase ein eigenes Profil als ForscherIn. Es ist auch vor der Bewerbung auf eine Professur empfehlenswert, sich Zeit zu nehmen, um das eigene Forschungsprofil zu verschriftlichen. Dabei stellen Sie die drei wichtigsten Themen, an denen Sie gearbeitet haben, auf jeweils etwa einer halben Seite dar. Die Darstellung der Themen sollte anschlussfähig an aktuelle Forschungsfelder beziehungsweise Hauptströmungen in der Forschung sein. Insgesamt sollte Ihr Forschungsprofil Sie prägnant und unverwechselbar in der scientific community repräsentieren. Die Erstellung eines schriftlichen Forschungsprofils erfordert Zeit und Muße, hilft Ihnen jedoch, sich gut mit Ihrem individuellen Profil zu präsentieren oder gegebenenfalls Teile des Profils strategisch zu erweitern. In manchen Fällen kann es hilfreich sein, eine mittelfristige Marktanalyse Ihres Faches im Hinblick auf frei werdende Professuren zu unternehmen und diese bei der Gestaltung Ihres Forschungsprofils einzubeziehen.18

Ulrich ist Physiker und hat seine frühe Postdoc-Phase an einer namhaften internationalen Forschungseinrichtung verbracht. Danach ist er als Nachwuchsgruppenleiter an die Universität zurückgekehrt, an der er promoviert hat, da diese führend in seinem Fach ist und über die nötige technische Ausstattung verfügt. Er ist dankbar für die Unterstützung seines Promotionsbetreuers und zeigt dies auch auf seiner Homepage. Im Coaching berichtet er, dass ihm fehlende Unabhängigkeit von seinem Betreuer nachgesagt wird. Er beschließt, seinen Lebenslauf und den Internetauftritt so zu gestalten, dass seine tatsächliche Eigenständigkeit und sein neuer Forschungsschwerpunkt deutlich werden. Auch in seiner Publikationsstrategie setzt er im Einvernehmen mit seinem ehemaligen Betreuer auf Veröffentlichungen mit anderen AutorInnen.

Trotz dieser strategischen Überlegungen sollten Sie bei der Wahl Ihres Forschungsthemas auch Ihrem Herzen und Ihren Interessen folgen. Sie werden sechs Jahre und länger täglich mit diesem Thema verbringen, und vermutlich werden Sie nur das nötige Durchhaltevermögen aufbringen, die Unwägbarkeiten ertragen und die zeitlichen Opfer bringen, wenn das Thema Sie wirklich fasziniert. Aller Erfahrung nach werden Sie auch andere nur dann für die eigenen Forschungsergebnisse begeistern können und die scientific community für sich gewinnen, wenn Sie selbst Begeisterung für das verspüren, was Sie tun. Es lohnt sich, hier dem inneren Weg von Spaß, Interesse und Faszination gepaart mit strategischer Klugheit zu folgen.

Während Ihrer Forschungstätigkeit sollte es selbstverständlich sein, dass Sie die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis befolgen. Diese beinhalten allgemein, dass Sie die wissenschaftlichen Standards Ihres Faches für die Gewinnung, Auswahl und Bearbeitung von Daten beachten, Forschungsresultate dokumentieren und Primärdaten sichern sowie die Ergebnisse Ihrer Forschung überprüfen und reproduzierbar belegen. Im Rahmen von Kollegialität und Kooperation sollten Sie darauf achten, dass Sie die wissenschaftliche Arbeit anderer nicht behindern, offen gegenüber Kritik und Zweifel von KollegInnen und Mitarbeitenden sind und die wissenschaftliche Qualifikation von NachwuchsforscherInnen fördern. Bei der Veröffentlichung von Ergebnissen sollten Sie die verwendete Literatur angemessen kennzeichnen, strikte Redlichkeit im Hinblick auf die Beiträge von Vorgesetzten oder Untergebenen, KooperationspartnerInnen, KonkurrentInnen oder VorgängerInnen wahren sowie nach Möglichkeit mit öffentlichen Mitteln erzielte Forschungsergebnisse frei verfügbar machen. In Begutachtungsprozessen sollten Sie die vorgelegte Arbeit von KollegInnen sorgfältig, uneigennützig und unvoreingenommen begutachten, Gutachten nicht verzögern, keine Gefälligkeitsgutachten verfassen und auf Ihre Gutachtertätigkeit verzichten, wenn Anlass zu Befangenheit besteht.19

Sollten Sie selbst bei Ihrer Forschungstätigkeit in Situationen geraten, in denen Ihre wissenschaftliche Arbeit von anderen unredlich behandelt wird, können Sie die Ombudsperson Ihrer Forschungsinstitution kontaktieren. Sie ist für eine unparteiische Vermittlung in Konfliktfällen eingesetzt und zu strengster Vertraulichkeit verpflichtet.20

DARSTELLUNG IM WISSENSCHAFTLICHEN LEBENSLAUF

Bei der Bewerbung auf eine Professur wird Ihr Forschungsprofil im Lebenslauf in der Auflistung Ihrer wissenschaftlichen Qualifikationen und Stationen, der eingeworbenen Drittmittelprojekte sowie in Ihrer Publikationsliste erkennbar.

Im Anschreiben und im zunehmend geforderten Forschungsprofil haben Sie die Gelegenheit, die einzelnen Facetten Ihrer bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit zu einem Ganzen abzurunden.

Für das Forschungsprofil fassen Sie Ihre bisherigen Forschungsprojekte in etwa drei Schwerpunkte zusammen. Achten Sie darauf, dass die Schwerpunkte klar voneinander abgrenzbar sind und sich möglichst komplementär ergänzen. Wählen Sie prägnante Überschriften für die Schwerpunkte, die ihre Unterschiedlichkeit sichtbar machen und sich klar in Forschungsfelder Ihres Faches einordnen lassen.