Bewusstsein: Die Suche nach dem Ursprung des Ich (GEO eBook Single) -  - E-Book

Bewusstsein: Die Suche nach dem Ursprung des Ich (GEO eBook Single) E-Book

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Beschreibung

Wie kommt es, dass wir beim Anblick einer roten Kirsche Rot empfinden? Dass sich Haut für uns weich und warm anfühlt? Viele Forscher glauben, sie müssten nur immer weiter ins Dickicht der Nervenzellen vordringen, um den Kern unseres Ich-Gefühls zu finden. Der Hirnforscher Giulio Tononi geht neue Wege. Vergesst die alten Ideen, sagt er. Und behauptet: Bewusstsein ist eine Grundeigenschaft der Materie und entsteht nicht nur im menschlichen Gehirn Die großen Themen der Zeit sind manchmal kompliziert. Aber oft genügt schon eine ausführliche und gut recherchierte GEO-Reportage, um sich wieder auf die Höhe der Diskussion zu bringen. Für die Reihe der GEO eBook-Singles hat die Redaktion solche Einzeltexte als pure Lesestücke ausgewählt. Sie waren vormals Titelgeschichten oder große Reportagen in GEO.

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Seitenzahl: 26

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Herausgeber:

GEO

Die Welt mit anderen Augen sehen

Gruner + Jahr AG & Co. KG, Druck- und Verlagshaus,

Am Baumwall 11, 20459 Hamburg

www.geo.de/ebooks

Inhalt

Wie das Ich in den Kopf kommt

Von Christian Schwägerl

Zusatzinfos

Forschungspolitik: Angriff auf die Zitadelle

Interview: Die Hirnforscher übertreiben

Literaturtipps

Mehr eBooks von GEO

WIE DAS ICH IN DEN KOPF KOMMT

Wie kommt es, dass wir beim Anblick einer roten Kirsche Rot empfinden? Dass sich Haut für uns weich und warm anfühlt? Viele Forscher glauben, sie müssten nur immer weiter ins Dickicht der Nervenzellen vordringen, um den Kern unseres Ich-Gefühls zu finden. Der Hirnforscher Giulio Tononi geht neue Wege. Vergesst die alten Ideen, sagt er. Und behauptet: Bewusstsein ist eine Grundeigenschaft der Materie und entsteht nicht nur im menschlichen Gehirn

Von Christian Schwägerl

Manchmal wacht Giulio Tononi auf und weiß nicht, wer er ist, wo er ist und wie er heißt, ob er Mann ist oder Frau. Meist erwischt es ihn auf Reisen, im Dunkel eines fremden Hotelzimmers. Dann sind da nur Schwärze und Stille. Für einen Augenblick ist alles verschwunden, was ihn ausmacht: seine Identität, das Wissen um den eigenen Platz in der Welt. Die meisten Menschen finden es schrecklich, wenn ihnen so etwas widerfährt. Weil sie glauben, es stimme etwas nicht mit ihnen. Tononi dagegen, ein international angesehener Hirnforscher, freut sich: „Das ist genau das, wonach ich suche“, sagt er. Momente einer besonders reinen Form des Seins. Reduziert auf die allereinfachste Empfindung: Ich bin. Ich bin hier. Und sonst nichts.

Diese Vorliebe ist nicht etwa nur ein Tick. Sie steht für einen neuen wissenschaftlichen Blick auf eines der grundlegendsten Phänomene unseres Daseins: das Bewusstsein. Für Tononi, der seit 2001 einen Lehrstuhl für Schlaf- und Bewusstseinsforschung an der Universität von Madison in Wisconsin leitet, ist Bewusstsein, und damit vor allem unsere ganz subjektive Erfahrung, nicht einfach nur irgendein interessanter Forschungsgegenstand. Es ist der Startpunkt von allem, der entscheidende Blickwinkel auf die Welt. Oder auf das, was wir für die Welt halten. Im Morgengrauen im Hotelzimmer, wenn er nichts empfindet als sich selbst in Dunkelheit und Stille, erfährt Tononi das besonders klar.

Der in Italien aufgewachsene Forscher sitzt in der Sonne am Tisch auf seiner Veranda, inmitten eines Eichenwalds. Ein prächtiges Haus aus Holz hat er sich außerhalb von Madison auf die Lichtung bauen lassen. Das warme Braun der Balken, den Sound seiner gigantischen Stereoanlage, den lichtdurchfluteten Wintergarten, das Singen der Waldsänger und Drosseln in den Bäumen, den herben Duft des Bodens nimmt er aber anders wahr als wohl die meisten Menschen: Giulio Tononi sieht das, was er wahrnimmt, nicht primär als äußere Umwelt, sondern als Produkt seines Bewusstseins. Entstanden in seinem eigenen Gehirn.

Tononi klopft mit den Knöcheln auf das Holz des Tisches: „Wir werden geboren mit der Überzeugung, dass es diese äußere Welt, diesen Tisch hier, gibt. Und es gibt sie ja wirklich. Wir haben mit der Naturwissenschaft phänomenale Erfolge erzielt, die Welt da draußen immer genauer zu beschreiben. Trotzdem sind wir Gefangene unseres Bewusstseins. Alles, was wir wissen, entsteht innen.“