Bianca Arztroman Band 65 - Margaret Barker - E-Book

Bianca Arztroman Band 65 E-Book

Margaret Barker

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Beschreibung

Liebe in der Inselklinik von Barker, Margaret
Als die Londoner Ärztin Charlotte Manners nach Griechenland geht und einen Job in der Inselklinik von Lirakis annimmt, begegnet sie Dr. Jannis Kimolakis. Beide fühlen sich sehr zueinander hingezogen, und es entwickelt sich eine zärtliche Romanze. Bis die Exfrau von Jannis wieder auftaucht...

Ein neuer Mann für Schwester Rachel von Marinelli, Carol
Schwester Rachael hat nach ihrer Scheidung eigentlich erst einmal genug von den Männern - bis sie Dr. Hugh Connell näher kennen lernt. Ehe sie sich versieht, hat sie ihr Herz an den warmherzigen plastischen Chirurgen verloren. Aber warum nur verhält er sich plötzlich so kühl ihr gegenüber?

Was haben Sie zu verbergen, Dr. Fulford? von Campbell, Judy
Vom ersten Moment an hat es geprickelt zwischen Dr. Sean Casey und der neuen Oberärztin Emma Fulford. Während die beiden Seite an Seite in der Notaufnahme arbeiten, wächst die Spannung zwischen ihnen immer mehr. Doch Emma scheint etwas vor Sean zu verbergen ...

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Seitenzahl: 546

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Margaret Barker, Carol Marinelli, Judy Campbell

Bianca Arztroman Band 65

IMPRESSUM

Bianca Arztroman Band 65 erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

©

2003 by Carol Marinelli Originaltitel: „The Surgeon’s Gift“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London, in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Charlotte Braun

©

2004 by Judy Campbell Originaltitel: „The Registrar’s Secret“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London, in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sünje Redies

©

2004 by Margaret Barker Originaltitel: „The Greek Doctor’s Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London, in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Rabe

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA ARZTROMAN Band 0065 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Fotos: RJB Photo Library/getty images

Veröffentlicht im ePub Format im 08/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: readbox, Dortmund

ISBN 978-3-86494-435-2

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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Carol Marinelli

Ein neuer Mann für Schwester Rachael

1. KAPITEL

Nach dem heutigen Tag würde alles leichter werden.

Rachael sagte sich das zum wiederholten Mal, während sie sich zu einem Lächeln zwang, tief Luft holte und die Tür zum Büro öffnete.

„Sag bloß, du bist die R. Holroyd, die heute Nachmittag ihren Dienst bei uns antritt?“ Das strahlende Gesicht von Helen Wells war ihr nur allzu vertraut.

„Doch, genau die.“ Rachael räusperte sich. „Hat dich die Verwaltung nicht informiert, dass ich heute wieder anfange?“

„Wann hat uns die Verwaltung jemals etwas mitgeteilt?“ seufzte Helen. „Bei mir hat es wegen der Namensänderung überhaupt nicht Klick gemacht. Hätte mir jemand verraten, dass eine gewisse Rachael Carlton wieder bei uns anfängt, hätten wir vermutlich eine kleine Willkommensparty vorbereitet!“ Schnell lief Helen um den Schreibtisch herum und umarmte Rachael herzlich. „Es tut gut, dich wiederzusehen, Rachael.“

„Mir gehts genauso“, antwortete Rachael aufrichtig. Helen Wells war nicht nur eine tüchtige Oberschwester, die ihre Abteilung absolut im Griff hatte. Sie war auch eine herzliche Frau, die sich sehr um ihr Team kümmerte und eine gute Freundin sein konnte.

Und es für sie gewesen wäre, wenn Rachael es zugelassen hätte.

„Arbeitest du auch in der Spätschicht?“

Helen nickte. „Ich fahre heute eine Doppelschicht. Wir sind wie immer knapp dran mit dem Personal, daher freue ich mich besonders, dass wir dich als Verstärkung bekommen. Aber nicht nur deswegen“, korrigierte sie sich schnell. „Wir haben dich alle sehr vermisst. Wie geht es dir?“

Rachael ließ den Blick durch den Raum wandern und lächelte den Kolleginnen zu, die etwas hilflos wirkten. Einige Krankenschwestern erwiderten ihr Lächeln, bevor sie sich schnell auf ihre Notizen konzentrierten, andere musterten sie unverhohlen neugierig. „Gut“, erwiderte sie fast ein wenig zu laut und zu betont fröhlich. „Obwohl sich das bis zur Übergabe der Frühschicht durchaus geändert haben könnte. Sieht ganz so aus, als gehe es hier noch immer so wild zu wie früher.“

„Da muss ich dir leider Recht geben. Und wenn Hugh endlich aufhören würde, auf meinem Computer herumzuklimpern, könnte ich vielleicht an meinen Schreibtisch, damit wir die Übergabe über die Bühne bringen.“

Erst jetzt nahm Rachael den Arzt wahr, der am Schreibtisch saß. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, diese erste Begegnung möglichst unbeschadet zu überstehen, um ihn zu bemerken. Dennoch war er kein Mann, der für gewöhnlich unbeachtet blieb, es sei denn in Schweden. Da gab es sicher mehrere Männer, die fast einen Meter neunzig groß waren, ebenso blondes Haar, grüne Augen und eine helle Haut besaßen. Aber hier in einem Krankenhaus mitten in Melbourne, Australien, war das sicher die Ausnahme.

Nicht, dass Rachael Interesse an einem so gut aussehenden Mann gehabt hätte – es war nur eine Feststellung.

Sonst nichts.

„Warten die Damen auf mich? Das habe ich nicht bemerkt.“

„Du bist wohl daran gewöhnt, die Damen warten zu lassen, was?“ meinte Helen scherzhaft.

„Ich behandele meine Damen stets vorbildlich“, erwiderte er mit einem verschmitzten Lächeln und mit einer erstaunlich tiefen, wohlklingenden Stimme, die keinerlei schwedischen Akzent aufwies. „Zumindest habe ich bisher noch keine Klagen gehört.“

„Wer würde das auch wagen?“ erwiderte Helen. „Mit dem Lächeln wird einem alles vergeben.“ Sie wandte sich an Rachael. „Darf ich vorstellen, Hugh Connell, Chefarzt für Plastische Chirurgie und Schwarm aller Schwestern und Patientinnen“, frotzelte sie.

Rachael fühlte sich unter seinem intensiven Blick unwohl. Vermutlich überlegt er, ob ich nicht eine neue Nase brauche, sagte sich Rachael verstimmt, während er ihr die Hand entgegenstreckte.

„Und das ist Rachael Holroyd, ehemals Carlton, eine unserer Krankenschwestern“, beendete Helen ihre Vorstellung. „Sie kommt nach einem Jahr Pause zu uns zurück.“

„Freut mich, Sie kennen zu lernen.” Rachael lächelte und ergriff seine ausgestreckte Hand.

„Frisch verheiratet?“ Er lächelte sie an. Vermutlich hatte er einiges über sie mitbekommen. Plötzlich wurde es ganz still im Raum. Nur einige Krankenschwestern räusperten sich nervös. Rachael wünschte sich, die Erde würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen.

„Nein, frisch geschieden.“ Es sollte beiläufig klingen, misslang aber gründlich. Irgendwie klangen ihre Worte zu gewollt witzig, und sie bemerkte Hughs verlegene Miene. „Und ich genieße jeden Augenblick meiner neuen Freiheit“, fügte sie hinzu, doch ihre gespielte Fröhlichkeit schien die Situation nur noch zu verschlimmern.

„Freut mich, das zu hören.“ Hugh räusperte sich hörbar, ohne dass das Lächeln auf seinem Mund seine Augen erreichte. Nach einem kurzen Nicken in die Runde ergriff er sein Stethoskop und seinen Piepser, während Rachael Platz nahm und sich auf die Papiere vor sich konzentrierte. Schon wieder hatte sie eine Närrin aus sich gemacht. Wie so oft in letzter Zeit.

Das wird geradezu zur Gewohnheit, gestand sie sich insgeheim ein. Irgendwie schien sie nicht mehr unbefangen mit anderen Menschen umgehen zu können. Zum x-ten Mal überlegte Rachael, ob es richtig gewesen war, wieder in ihrem alten Krankenhaus anzufangen. Wenn sie schon mit ihren früheren Kolleginnen Probleme hatte, wie sollte sie dann erst mit ihren Patienten zurechtkommen?

Aber grübelnd zu Hause herumzusitzen war auch keine Lösung gewesen, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Und irgendwie mussten die Rechnungen ja auch bezahlt werden. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als wieder in den Job zurückzugehen. Und diesem neunmalklugen Hugh Connell würde sie glücklicherweise nicht allzu häufig über den Weg laufen. Die allgemeine Chirurgie-Abteilung hatte selten Patienten aus der Plastischen Chirurgie.

„Die schlechte Nachricht ist, dass alle Betten voll sind“, begann Helen. „Aber sehen wir es positiv – so müssen wir zumindest keine weiteren Patienten mehr aufnehmen. Oh, Rachael, wahrscheinlich weißt du noch gar nicht, dass wir nicht länger eine rein allgemeine chirurgische Abteilung sind. Ab jetzt versorgen wir auch zwölf Betten der Plastischen Chirurgie.“

„Oh nein“, seufzte Rachael entnervt, während sie einen ersten Blick auf ihre Patientenliste warf. Sie würde Hugh also nicht aus dem Weg gehen können.

„Oh doch!“ Helen schien Rachaels Ausruf richtig zu deuten. „Mir ging es genauso.“

„Seit wann denn?“

„Seit vorigem Monat. Die Renovierung des Privattrakts des Krankenhauses, wo sie normalerweise untergebracht sind, dauert länger als erwartet. Und statt diese Patienten an andere Krankenhäuser zu verlieren, hat man beschlossen, sie auf die Allgemeinmedizin aufzuteilen. Das war die Idee der Verwaltung, nicht meine. Eigentlich sollten wir chirurgischen Abteilungen nur je acht Patienten bei uns aufnehmen, aber weil wir am Besten ausgestattet sind, haben wir mehr als unseren Anteil bekommen.“

„Es sind also alles Privatpatienten?“

Helen rollte mit den Augen. „Ich weiß, Privatpatienten auf einer allgemeinen Station, das ist nicht einfach. Ständig klingeln sie nach den Schwestern, wollen den Wasserkrug um zwei Zentimeter verrückt haben. Aber ist das ein Wunder, wenn sie einen Arzt wie Hugh haben?“

„Was meinst du damit?“

„Er behandelt sie wie kostbares Porzellan. Nichts, rein gar nichts ist ihm zu viel.“

„Er wird ja dafür bezahlt, nett zu sein“, murrte Rachael, aber Helen schüttelte den Kopf.

„Nein, er ist wirklich nett, Punktum. Und er ist auch ein sehr guter Arzt. Es ist nicht leicht, ihm klar zu machen, wie schwierig die Situation manchmal für uns werden kann. Er würde den Krug verstellen, bildlich gesprochen, und zwar so lange, bis seine Patienten glücklich sind. Lass dir das nur als Warnung gesagt sein. Es ist egal, ob es Mitternacht ist oder Neujahrsabend, falls es einem seiner Patienten oder einer Patientin nicht gut geht, will er informiert werden. Andere Ärzte werden nicht gern wegen jeder Kleinigkeit gestört. Hugh dagegen will immer auf dem Laufenden sein.“

Die anderen Krankenschwestern kicherten. Helen warf einen Blick auf die Uhr. „Los, meine Damen, Schichtwechsel! Lasst es uns schnell hinter uns bringen.“

Rachael wusste, dass Helens Neugierde noch nicht befriedigt war und sie ihr nach der Übergabe noch einiges über ihre Auszeit vom Krankenhaus würde erzählen müssen. Deshalb wunderte sie sich nicht, als Helen sie nach der Besprechung zurückhielt.

„Hier ist dein Piepser.“ Sie händigte Rachael einen kleinen orangefarbenen Apparat aus.

„Wofür ist der?“

„Du arbeitest in der Orange Bay. Wir haben die Station nach Farben in Gruppen eingeteilt.“ Sie lachte, als sie Rachaels verwirrtes Gesicht sah. „Das neue System ist endlich installiert. Wenn ein Patient die Klingel drückt, wird die zuständige Schwester direkt über den Piepser informiert.“

„Das ist doch nicht dein Ernst?“ Rachael spielte mit dem Gerät in ihrer Hand.

„Oh doch. Von jetzt an stehst du unter permanenter Kontrolle. Nicht einmal auf der Toilette bist du ungestört.“ Sie klopfte mit der Hand auf ihren Computer. „Und dieses Teil überwacht, wie lange es dauert, bis du auf den Piepser reagierst. Fast ein wenig wie bei Big Brother, nicht wahr? Aber du gewöhnst dich schnell daran.“

„Und ich habe geglaubt, es sei einfach, wieder da anzufangen, wo ich aufgehört habe. Ein Jahr ist heute eine lange Zeit im Pflegeberuf.“

„Wir haben dich alle sehr vermisst“, erwiderte Helen mit sanfter Stimme.

„Ich weiß.“

„Du siehst gut aus.“

Rachael lachte kurz auf. „Du meinst, ich bin etwas dünner geworden?“

„Nicht nur das, du siehst blendend aus.“

„Erstaunlich, was ein Jahr voller Stress bewirken kann“, antwortete Rachael trocken. „Ich bin sicher, Richard würde auch jetzt noch etwas an mir auszusetzen haben.“ Sie deutete auf eine Stelle an ihrer Wange.

„Schau nur, ich habe noch immer ein Grübchen.“

Helen rollte mit den Augen. „So etwas haben selbst Top-Models. Aber dein Exmann würde selbst an denen etwas zum Aussetzen finden.“

„Helen, es tut mir Leid, dass ich mich nie bei dir gemeldet und auch deine Briefe nicht beantwortet habe …“

„Du hattest genug mir dir zu tun“, wehrte Helen ab. „Du solltest nur wissen, dass es jemanden gibt, der an dich denkt. Wie geht es dir inzwischen?“

„Es geht schon.“ Rachael zuckte abwehrend mit den Schultern. „Helen, ich weiß, du meinst es gut, und ich will auch nicht unhöflich erscheinen, es ist nur …“

„Es geht mich nichts an?“

„Nein, nein“, antwortete Rachael schnell. „Ich kann nur nicht darüber sprechen. Ich weiß zwar, dass es angeblich hilft, sein Herz auszuschütten, aber ich kann das einfach nicht. Vor allem heute nicht. Es fiel mir schwer genug zurückzukommen, ohne dass alles wieder in mir aufbricht.“

„In Ordnung. Aber du weißt, dass ich immer für dich da bin, ja?“

Rachael nickte und wandte sich zum Gehen, doch Helen hielt sie zurück. „Ich hoffe, dass wir uns gelegentlich abends mal auf ein Glas Wein treffen. Oder uns einen Film ansehen?“

„Ja, wenn du nicht insgeheim erwartest, dass ich dir bei dieser Gelegenheit mein Herz ausschütte.“

Helen nickte. „Ich habe dich und unsere Gespräche vermisst.“

Helen war zwanzig Jahre älter. Sie war eine kräftig gebaute Frau, glücklich verheiratet, und sie managte den Job prächtig, ohne ihre vier Söhne zu vernachlässigen. Ihr Leben war so ganz anders als das von Rachael, die nach den Erlebnissen des vergangenen Jahres noch immer seelisch labil war und manchmal Probleme hatte, am Morgen aufzustehen.

„Ich bringe die Videos, du kannst für den Wein sorgen. Du hast hoffentlich von deiner Scheidung profitiert?“

Rachael lächelte verschmitzt. „Ein paar Flaschen habe ich schon.“

„Darauf freue ich mich schon.“ Helen schaute auf ihre Unterlagen und war wieder ganz professionell. „Ich habe dir heute die Betten eins bis vier gegeben. Alles einfache Fälle. Zwei von der allgemeinen Station und zwei von Hughs Patientinnen. Außer Sheila Cosgrove haben sie ihre OPs bereits hinter sich. Ich hoffe, du gewöhnst dich langsam wieder ein.“

Als Rachaels Pieper ging, musste Helen lachen. „Wenn man vom Teufel spricht! Hailey Watkins kann dich ganz schön auf Trab bringen.“

Aber es war nicht Hailey, sondern Sheila Cosgrove, die geläutet hatte – eine achtzigjährige Dame, die wegen eines Darmtumors operiert werden sollte. Weil ihr Allgemeinzustand schlecht war und sie außerdem Herzprobleme hatte, war die Operation verschoben worden. Und die Spezialisten versuchten, sie soweit stabil zu bekommen, damit der Eingriff kein allzu großes Risiko darstellen würde.

„Guten Tag, Mrs. Cosgrove. Ich bin Rachael Holroyd; ich kümmere mich heute um Sie. Was gibt es für ein Problem?“

„Ich habe Schmerzen.“

Rachael schloss den Vorhang zwischen den Betten, um für ein wenig Privatsphäre zu sorgen. „Mit dem Magen?“ Rachael trat näher und zog die Bettdecke weg.

„Nein, hier.“ Sheila griff sich an die Brust, während Rachael sich das Krankenblatt anschaute.

„Sie haben eine Angina, nicht wahr?“ Sheila nickte, während Rachael die Medikamentenliste überprüfte. „Ich hole Ihnen ein Spray, Sheila. Und dann werde ich einige Tests machen.“

Als Rachael den Raum verlassen wollte, hielt die Patientin in Bett drei sie zurück. „Schwester?“

„Ja, Mrs. Watkins?“

„Hailey, bitte. Sie sind Rachael, nicht wahr? Ich erinnere mich noch an Sie vom letzten Jahr, als ich auf der Station war. Man hat mir den Blinddarm entfernt.“

„Ja.“ Rachael lächelte. „Mir kam Ihr Name auch gleich bekannt vor.“

„Ich sagte Ihnen damals, dass ich mir vor meinem vierzigsten Geburtstag meine Brüste vergrößern lassen würde. Erinnern Sie sich?“

Rachael wusste das zwar nicht mehr, lächelte aber freundlich, als Hailey weiterredete. „Dr. Connell hat gesagt, dass ich mehr trinken soll. Können Sie meinen Wasserkrug nachfüllen?“

Sheilas Brustschmerzen gingen zwar vor, aber Rachael lächelte ihre Patientin an. „Ich bin gerade noch beschäftigt, werde das aber anschließend gleich erledigen.“

„Vielen Dank.“ Hailey schaute wieder in ihre Zeitschrift und blickte dann noch einmal kurz hoch. „Ach, was ich noch fragen wollte, was haben Sie bekommen?“

Bei dieser Frage erstarrte Rachael förmlich.

„Sie sind doch in Mutterschaftsurlaub gegangen, als ich hier war.“

„Das stimmt.“ Rachael zupfte an der Bettdecke herum, obwohl das völlig unnötig war, aber es fiel ihr schwer, über ihr Privatleben zu sprechen.

„Und – ist es ein Mädchen oder ein Junge?“

„Ein Mädchen“, antwortete Rachael mit einem gezwungenen Lächeln, während sie Haileys Nachttisch zurechtrückte und die Zeitschriften ordnete. „Ich muss jetzt gehen“, verabschiedete sie sich hastig. „Bis später.“

Sheilas Atem ging schwer, und ihre Hände zitterten, so dass sie das kleine Pumpspray nicht selbst bedienen konnte. Obwohl Rachael Sheilas Brustschmerzen ernst nahm, machte die Ängstlichkeit ihrer Patientin die Symptome nur noch schlimmer. Rachael half ihr mit dem Spray und redete beruhigend auf sie ein. Ihre tröstenden Worte schienen bald Wirkung zu zeigen, denn Sheilas Atem ging wieder regelmäßiger.

„Ich mag keine Krankenhäuser“, schimpfte Sheila und ließ sich in ihr Kissen fallen.

„Da geht es Ihnen wie vielen Menschen. Fühlen Sie sich denn besser?“

Sheila nickte. „Ein bisschen.“ Sie schaute Rachael ängstlich an. „Können Sie noch ein wenig hier bleiben?“

„Natürlich. Wir probieren es gleich noch einmal mit dem Spray, und wenn es nicht besser wird, lassen wir einen Arzt kommen.“ Als der Piepser erneut ging, brauchte Rachael einige Sekunden, um ihn abzustellen; schließlich hatte sie noch keine Erfahrung mit dem Gerät. Sie las die Nachricht und schob den Vorhang zum Nachbarbett weg. Die Kontrollleuchte über Haileys Bett brannte tatsächlich. „Ist alles in Ordnung, Hailey?“

„Ich hatte um mehr Wasser gebeten. Ich dachte, Sie hätten das vielleicht vergessen.“

Rachael bemühte sich um eine diplomatische Antwort. „Ganz und gar nicht. Ich bin nur gerade sehr beschäftigt. Ich kümmere mich so bald wie möglich darum.“

Noch während Rachael ihren Unmut unterdrückte, hörte sie Sheila schon wieder heftig nach Luft schnappen. Sie strich der alten Dame, die ihr schon richtig ans Herz gewachsen war, tröstend über die Hand. Besorgt stellte sie fest, dass sie sich kalt anfühlte. Sie drückte dreimal auf die Klingel und schloss das Sauerstoffgerät an.

„Ist alles in Ordnung?“ Helen steckte den Kopf durch die Tür.

„Sie hat Brustschmerzen“, erklärte Rachael, die sich am Durchflussmesser zu schaffen machte. „Vielleicht sollte ich doch besser ein EKG machen. Kannst du ihren Arzt rufen?“

„Hier …“ Helen reichte ihr ein schnurloses Telefon. „Wir sind schon ganz modern geworden, nicht wahr? Bleib du bei deiner Patientin und ruf den Arzt, ich hole das EKG-Gerät.“

Glücklicherweise kam der Arzt in dem Moment, als Rachael mit dem EKG fertig war. Obwohl es keine akuten Veränderungen gab, waren die Symptome und die Krankengeschichte der Patientin Grund genug, einen kompletten Herzcheck durchzuführen und ihr präventiv Aspirin zu verabreichen, sollte sie tatsächlich einen Herzinfarkt erleiden. Die ganze Zeit über hielt die alte Frau Rachaels Hand fest umklammert, während der Arzt die Brust abhörte und ihr Blut abnahm. Es dauerte fast fünfundvierzig Minuten, bis sie hinreichend versorgt war und Rachael wieder Zeit für ihre anderen Patienten hatte. Eine ziemlich missgelaunte Hailey erwartete sie.

„Es tut mir Leid, Hailey, dass ich Sie warten lassen musste. Aber jetzt hole ich Ihnen sofort Wasser.“

„Nicht nötig.“ Rachael glaubte einen etwas spitzen Unterton in Hughs Stimme herauszuhören, während er einen Krug Wasser auf Haileys Beistelltisch abstellte. Er hatte sogar Eiswürfel hineingegeben.

„Ich wollte mich gerade darum kümmern“, erklärte Rachael schnell. „Ich wurde leider aufgehalten …“

„Das ist keine große Sache. Hailey wollte etwas Wasser, ich habe das für sie erledigt.“ Lächelnd wandte er sich seiner Patientin zu. „Wie geht es Ihnen denn heute?“

„Ich habe ziemliche Schmerzen.“

Stirnrunzelnd kontrollierte Hugh ihren Medikamentenplan. „Sie haben ja schon ewig kein Schmerzmittel bekommen. Warum um alles in der Welt haben Sie nicht einer Schwester Bescheid gesagt?“

„Sie waren alle so beschäftigt. Ich wollte kein Theater machen.“

„Sie machen kein Theater. Wenn Sie Schmerzen haben, müssen Sie das dem Pflegepersonal sagen. Die Schwester wird Ihnen sofort etwas bringen. Haben Sie Ihre Atemübungen schon gemacht?“

„Das tut so weh“, stöhnte Hailey.

„Aber es ist absolut wichtig. Ich habe es Ihnen schon vor der Operation erklärt. Und Sie haben eine Infektion bekommen, weil Sie Ihre Übungen vernachlässigt haben.“

Er warf noch einen Blick auf die Liste und sah Rachael vorwurfsvoll an. „Die Antibiotika hätte sie um ein Uhr bekommen sollen, das ist hier nicht abgezeichnet.“

„Ich habe sie ihr noch nicht gegeben. Ich war gerade …“

„… dabei, das zu tun“, beendete Hugh den Satz für Rachael. „Würden Sie sich bitte umgehend darum kümmern?“

„Sicher.“ Leider war das schneller gesagt als getan. Den alten Medikamentenschrank gab es nach der Umgestaltung der Abteilung nicht mehr, sondern einen Medikamentenraum, den man jedoch nur mit einem Identitätspass, ähnlich einer EC-Karte, betreten konnte. Man hatte das geändert, weil man glaubte, dass weniger Fehler passierten, wenn man sich in dem Raum ganz auf eine Sache konzentrierte. Das einzige Problem dabei war, dass man zu zweit sein musste. Und genau jetzt, acht Minuten nach eins, war keine Krankenschwester frei.

Hugh nahm die Nachricht gelassen auf, zumindest schien es so. Er bot sogar an, die Medikamente gemeinsam mit ihr holen zu gehen, wenn seine Patientin schnellstmöglich versorgt werden konnte. Aber sein tiefer Seufzer und sein offensichtlicher Unmut ließen keinen Zweifel daran, dass er Rachael für ziemlich unorganisiert hielt. Das war unfair, denn Rachael wusste, dass sie eine zuverlässige und äußerst genaue Krankenschwester war. Nur fing sie praktisch wieder bei null an.

Während die Tür zum Medikamentenraum sich hinter ihr und Hugh schloss, stellte Rachael fest, dass die Nähe zu dem großen blonden Arzt nicht gerade dazu angetan war, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Sein Eau de Toilette war ein wenig aufdringlich, und außerdem musste Rachael sich in dem Raum mit den vielen Schubladen und Fächern erst einmal orientieren.

„Es tut mir Leid“, murmelte sie, „ich kenne mich noch nicht aus.“

Glücklicherweise waren alle Antibiotika alphabetisch einsortiert, und die Namen der Produkte hatten sich auch nicht geändert. Aber Rachaels Nervosität wurde nicht gerade geringer, als er mit seinen makellos gepflegten Fingernägeln auf den Tisch trommelte.

Sie zeigte dem Arzt die Ampulle mit dem Antibiotikum. Hugh überprüfte den Namen und das Ablaufdatum und nickte kurz. Rachael tat das Gleiche mit den Kochsalz-Ampullen. Sie zog die Schublade für die Medikamente auf, die unter Verschluss gehalten werden mussten. Dort entdeckte sie das Medikamentenbuch, bevor sie die Schachtel mit Pethidin öffnete.

„Sieben“, zählte sie und hielt Hugh die Packung hin.

„In Ordnung. Wo muss ich unterschreiben?“

„Bitte überzeugen Sie sich, dass noch sieben Ampullen übrig sind. Das verlangt das Gesetz.“

„Das habe ich“, erwiderte er etwas schroff. „Ich brauche nicht mehr meine Finger zum Zählen wie ein zweijähriges Kind. Also, wo unterschreibe ich?“

Rachael fiel es noch schwerer, seine sarkastische Bemerkung zu ertragen, als sie feststellte, dass sie keinen Stift in der Tasche hatte. Sie hatte ihren Kugelschreiber wohl an Sheilas Bett liegen lassen.

„Hier, Sie können meinen haben“, bot er ihr aufreizend ruhig an.

„Danke.“

„Haben Sie ein Problem mit Patienten der kosmetischen Chirurgie, Rachael?“ Auf diese Frage war Rachael nicht vorbereitet. Seine Unterstellung verletzte sie – nur weil sie Haileys Wunsch nicht umgehend hatte erfüllen können?

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie knapp und füllte die entsprechenden Zeilen im Medikamentenbuch aus.

„Sie wären nicht die erste Krankenschwester auf Ihrer Station.“

„Dann ist es ja gut, dass es auf mich nicht zutrifft.“

„Aber Sie verstehen schon, warum ich Sie frage, nicht wahr? Hailey musste Sie dreimal bitten, ihr Wasser zu bringen. Sie hat ihre Antibiotika nicht rechtzeitig bekommen, und sie hat ganz offensichtlich Schmerzen.“

„Meine andere Patientin hatte akute Brustschmerzen. Sie erwarten doch nicht, dass ich mich beim Verdacht auf einen lebensbedrohlichen Herzinfarkt stattdessen um das Wasser für Ihre Patientin kümmere, oder? Und Hailey hat mir nichts von Schmerzen erzählt. Ich hatte den Eindruck, dass sie außer Wasser nichts brauchte.“ Sie setzte eilig ihre Unterschrift unter die Liste. „Wenn Sie mir noch einen Augenblick Zeit geben, um ihr das Antibiotikum zu geben, dann bekommt sie die fällige Menge mit …“ Rachael schaute schnell auf ihre Armbanduhr und sah dann kämpferisch zu ihm auf. „… nur fünfzehnminütiger Verspätung. Das sollte wohl im Bereich des Normalen liegen.“ Man merkte ihr an, wie sehr sie sein Vorwurf getroffen hatte.

„Hören Sie, vielleicht war ich ein wenig zu heftig. Natürlich geht eine Patientin mit Brustschmerzen vor. Ich bin vielleicht ein bisschen empfindlich, weil es in den vergangenen Wochen zu einigen Problemen mit meinen Patienten kam. Einige der Krankenschwestern auf der Allgemeinstation scheinen zu denken, dass die Patientinnen der kosmetischen Chirurgie ruhig ein wenig leiden können, weil sie es sich selbst eingebrockt haben, sich verschönern zu lassen. Ich weiß, dass manche auch ziemlich schwierig und fordernd sein können, aber viele haben sich das Geld für den Eingriff hart erarbeitet oder lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Und natürlich haben sie wie alle anderen Patienten Angst.“

Er seufzte. „Hailey hat nicht nach einem Schmerzmittel gefragt, weil sie glaubt, dass sie schneller entlassen wird, wenn sie es ohne Medikamente durchsteht. Unglücklicherweise hat es sich in ihrem Fall gegen sie verkehrt. Sie hatte zu große Schmerzen, um ihre Übungen zu machen, und jetzt muss sie noch eine Woche länger hier bleiben und Antibiotika nehmen.“

Mit seinen Bemerkungen hat er wohl nicht ganz Unrecht, musste Rachael sich ehrlicherweise eingestehen. Sie hatte gesehen, wie einige Schwestern die Augen verdreht hatten, als man auf die Patientinnen der kosmetischen Chirurgie zu sprechen gekommen war. „Ich versichere Ihnen, dass ich Ihre Patientinnen genauso behandle wie die anderen.“ Sie spürte seinen Blick auf sich, schaute ihn aber nicht an.

„In diesem Fall möchte ich mich entschuldigen.“

Rachael hätte die Entschuldigung einfach mit einer kurzen Bemerkung annehmen können, aber sie war nicht sicher, ob sie ihre Stimme unter Kontrolle hatte. Daher schwieg sie. Er schien jedoch auf eine Reaktion zu warten.

„Gut“, fauchte er sie schließlich an, drehte sich abrupt auf dem Absatz um und marschierte hinaus. Rachael folgte ihm und versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Insgeheim verfluchte sie den Tag, an dem sie sich entschlossen hatte, ins Krankenhaus zurückzukehren. Sie war gerade seit einer Stunde auf der Station und hatte sich bereits einen Feind gemacht.

Welches Recht hatte dieser Hugh Connell, sie ohne handfesten Beweis zu beschuldigen? Wenn er glaubte, ihr nur deswegen Vorwürfe machen zu können, weil seine Patientin ihre Medikamente ein wenig später bekam – was nun wirklich keinen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hatte –, dann war das einfach ungerecht.

Sollte er doch mal durch die Hölle gehen, durch die sie gegangen war.

2. KAPITEL

„Tut mir leid, Hailey, dass es so lange gedauert hat. Es war leider so viel zu tun.“ Obwohl es in ihr brodelte, schaffte es Rachael, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern und möglichst unbefangen mit ihrer Patientin zu sprechen. „Wenn Sie mir kurz Ihren Arm herstrecken, kann ich Ihr Namensband überprüfen.“

Jeder wusste, dass die Patientin Hailey war, aber Krankenhausvorschriften erforderten, dass zwei unabhängige Personen bei der Verabreichung von Arzneimitteln die Identität der Patientin mit der Medikamentenliste überprüften. Alles war in bester Ordnung, und Rachael hätte eigentlich erwartet, dass Hugh sich dann zurückziehen würde, aber er blieb neben dem Bett stehen.

„Ich muss noch nach der Naht schauen“, erklärte er, während Rachael den Verschluss der Ampulle aufbrach.

„Es dauert fünf Minuten“, erklärte Rachael. Sie wollte Hugh damit die Möglichkeit geben, einen Kaffee trinken zu gehen oder einen Telefonanruf zu erledigen, wie das die meisten Ärzte in solchen Fällen taten. Aber Hugh, so lernte Rachael schnell, war nicht wie die anderen Ärzte, die sie bisher kennen gelernt hatte.

„Ich warte gern“, erwiderte er lässig. Das war an sich schon erstaunlich, aber als er sich gemütlich auf das Bett zu seiner Patientin setzte, kurz eine Zeitschrift durchblätterte und Small Talk mit Hailey machte, zeigte sich sein wahrer Charakter. Die meisten Chefärzte pflegten derlei lockeren Gesprächen mit ihren Patienten aus dem Weg zu gehen. Nicht aber Hugh. Er schien sich über den kleinen Plausch zu freuen.

„Ich habe Rachael gerade erzählt, dass ich mich an sie noch von meinem letzten Krankenhausaufenthalt erinnere“, erzählte Hailey.

„Als Sie sich den Blinddarm herausnehmen ließen?“

„Ja. Rachael war da kurz vor ihrem Mutterschaftsurlaub.“

Rachael fühlte seinen Blick auf sich ruhen, während sie sich auf das Aufziehen der Spritze konzentrierte und versuchte, die Unterhaltung einfach zu ignorieren.

„Wie haben Sie sie genannt?“ fragte Hailey.

„Das war die Erste.“ Rachael schaute nicht auf, während sie die Spritzen austauschte. „Ich gebe Ihnen dann gleich noch die zweite Ampulle.“

„Ich meine, wie haben Sie Ihre Tochter genannt?“ hakte Hailey noch einmal nach.

Rachael schaute kurz hoch und sah die Blicke der beiden neugierig auf sich gerichtet. So einfach kam sie wohl nicht davon. „Amy“, antwortete sie knapp und versuchte, sich erneut ihrer Arbeit zuzuwenden, auch wenn Hugh und Hailey wohl erwarteten, dass sie mehr preisgab.

„Was für ein hübscher Name.“ Hailey legte den Kopf in die Kissen zurück. „Sie ist bestimmt ein süßes Kind?“

„Sehr süß“, erwiderte Rachael sanft.

„Seit wann arbeiten Sie wieder?“

Rachael schaute nicht hoch. „Heute ist mein erster Tag.“

Hailey lachte kehlig auf. „Und da lassen wir Sie die ganze Zeit herumrennen. Sie haben sicher tausend Dinge zu erledigen, machen sich Sorgen, ob das mit der Krippe klappt und ob Sie einen Babysitter bekommen für die Spätschicht. Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass Sie sich nicht überarbeiten. Wie alt ist Amy jetzt? Fast ein Jahr, oder?“

Endlich war Rachael fertig und tätschelte kurz die Hand ihrer Patientin. „So, jetzt dürfen Sie sich entspannen. Das Schmerzmittel sollte bald wirken. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie nach mir läuten.“

Zielstrebig eilte sie in den Behandlungsraum und warf die leeren Ampullen und Spritzen in den Abfallbehälter. Die energischen Fußschritte hinter ihr klangen fast schon vertraut. Sie spürte Hughs unterdrückte Feindseligkeit, während er einen Verbandswagen belud.

„Ich kann den Verband für Sie anlegen“, bot sie an.

„Er ist noch okay. Ich wollte ihn nur etwas verstärken.“ Er schaute sie einen Augenblick lang intensiv an. „Sie waren nicht gerade freundlich zu meiner Patientin.“

„Finden Sie?“ wehrte Rachael ab. Sie wusste, wo die Unterhaltung hinführen würde. „Ich rede nicht gern über mein Privatleben, das ist alles.“

„Sie wollte doch nur nett sein.“

„Sehen Sie, Herr Doktor, vielleicht macht es Ihnen Spaß, sich gemütlich mit Ihren Patienten darüber auszutauschen, was Sie zum Frühstück gegessen haben. Ich bin da anders. Ich bewahre gern eine gewisse professionelle Distanz.“

„Das habe ich schon gemerkt.“ Er fuhr sich mit der Hand heftig durch das dichte Haar und wollte schon gehen, dann schien er es sich anders zu überlegen.

„Sie sind wie ein frischer Luftzug, Rachael, wissen Sie das? Es ist äußerst charmant, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.“ Das hatte er bestimmt nicht als Kompliment gemeint.

„Ich muss mein Herz nicht jedem ausschütten, um eine gute Krankenschwester zu sein“, erwiderte Rachael.

„Vielleicht nicht“, meinte Hugh scharf und wandte sich zum Gehen. „Aber ein paar freundliche Worte könnten nicht schaden.“

Der Tag ist zwar nicht gerade ein überwältigender Erfolg gewesen, aber auch keine völlige Katastrophe, überlegte Rachael, als sie gegen Schichtende im Schwesternzimmer saß und die Patientendaten eintrug. Es tat ihr richtig gut, wieder zu arbeiten. Ihr Verhältnis zu Hugh Connell war zwar etwas angespannt, aber ansonsten hatte alles bestens geklappt.

Sheila war vom Kardiologen untersucht worden, und obwohl ihre Blutwerte und das EKG unverändert gewesen waren, hatte der kleine Zwischenfall eine erneute Verschiebung ihres Operationstermins zur Folge. Hailey hatte auf Grund des Schmerzmittels fast den ganzen Nachmittag geschlafen und am Abend Besuch bekommen. Rachaels andere beiden Patienten waren unkompliziert gewesen. Sie musste nur ihre Verbände kontrollieren und ihnen die verschriebenen Medikamente verabreichen. Alles, was Rachael während ihrer Schicht getan hatte, musste noch genau niedergeschrieben werden. Sie genoss es, dass sich einmal nicht der ganze Tag um ihre traurigen Erinnerungen gedreht hatte und sie sich voll auf andere Menschen hatte konzentrieren können.

Sie hatte ihren ersten Tag überlebt.

„Die Ablösung erwartet dich schon.“ Helen lächelte Rachael aufmunternd zu, als sie ihr im Flur begegnete. Rachael öffnete die Tür zum Schwesternzimmer und fühlte sich viel souveräner als noch vor einigen Stunden, als sie mit flatternden Nerven ins Krankenhaus gekommen war.

„Macht es mir nicht so schwer, Mädels.“ Sie lächelte in die Runde. „Ich habe das schon seit ewigen Zeiten nicht mehr gemacht.“

Das zustimmende Pfeifen von mehreren Mitarbeitern bewies Rachael, dass es immer noch locker zuging im Krankenhaus. Und mit dem einen oder anderen aufmunterndem Nicken brachte sie die Übergabe ihrer Patienten ohne Probleme über die Bühne.

„Sie haben dich nicht lebend verspeist, oder?“ Helen kam hereingeschlendert, als Rachael ihre Haarschleife löste und ihre Jacke überzog.

„Sie waren ganz in Ordnung. Überhaupt ist jeder nett.“

„Wir sehen dich also morgen wieder hier?“

Rachael nickte. „Vielen Dank, Helen.“ Als sie sich anschickte zu gehen, hielt ihre Kollegin sie noch einmal zurück.

„Bring diese Unterlagen doch bitte noch im Ärztezimmer vorbei, ja? Hugh hat mich deswegen gerade angepiepst.“

Sie konnte diese kleine Gefälligkeit schlecht ablehnen. Zögernd blieb Rachael nun vor der Tür zum Ärztezimmer stehen, bevor sie anklopfte. Hugh saß vor dem Computer und tippte etwas in die Tasten. Schnell legte sie die Papiere auf den Schreibtisch. „Das soll ich Ihnen von Helen bringen. Sie sagte, Sie benötigen das.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, wollte sie gehen, doch er hielt sie zurück.

„Rachael, wegen heute Nachmittag …“

„Ist schon in Ordnung.“ Sie wollte den Tag nicht mit einem Streit beenden. Sie sehnte sich jetzt nur noch danach, endlich nach Hause zu kommen, ihre Uniform auszuziehen und ein schönes Bad zu nehmen. Auf eine Auseinandersetzung hatte sie überhaupt keine Lust. Aber da sie in Zukunft ständig miteinander zu tun haben würden und es zum Nachteil der Patienten wäre, wenn es Spannungen zwischen dem Arzt und der Krankenschwester gab, blieb sie stehen.

„Ich entschuldige mich, sollte ich Sie mit meinem heutigen Verhalten verletzt haben. Ich glaube, wir haben einfach einen schlechten Start erwischt“, ergriff sie die Initiative und verdrängte ihren Stolz. „Vielleicht können wir ja morgen noch einmal von vorn anfangen?“

„Das fände ich schön.“ Hugh drehte sich zu ihr um. „Es tut mir ebenso Leid. Einige meiner Kommentare waren etwas übertrieben. Das beruht sicher auf einem Missverständnis. Helen hat Sie in den höchsten Tönen gelobt, und sie täuscht sich eigentlich nie.“

„Von Ihnen hat sie auch in Superlativen gesprochen.“

Hugh lachte. „So, wir sind also beide Perfektionisten. Ist es da ein Wunder, dass wir aneinander geraten sind? Auf jeden Fall habe ich Sie jetzt schon lange genug aufgehalten. Sie möchten sicher so schnell wie möglich zurück nach Hause zu Ihrem Baby.“

Sie hatte die Hand schon fast auf dem Türgriff, beschloss aber, die Situation ein für allemal zu klären. Irgendwann würde er sowieso die Wahrheit erfahren. Und da sie länger zusammenarbeiten würden, war es besser, er wusste alles von Anfang an.

„Hugh …“

Er hörte auf, in die Tastatur zu hämmern, und schaute sie fragend an.

„Sehen Sie, ich will eigentlich keine negativen Stimmungen zwischen uns …“ Er kniff die Augenbrauen zusammen.

„Was ist los? Ich dachte, wir hätten vereinbart, alles zu vergessen, was heute passiert ist?“ fragte er.

Sie nickte und biss sich auf die Unterlippe. Sie brauchte einen Augenblick, ehe sie weiterreden konnte. „Ich habe Hailey nichts gesagt, weil sie ja nur ein paar Tage hier ist und ich sie nicht damit behelligen wollte. Aber Sie und ich werden ja wohl länger zusammenarbeiten …“

„Rachael, ich verstehe nicht ganz …“

„Ich weiß.“ Es entstand eine unangenehme Stille. „Ich hatte ein kleines Mädchen“, begann sie. „Sie hieß Amy.“ Betroffenheit machte sich auf seiner Miene breit, als ihm klar wurde, dass sie in der Vergangenheit sprach. „Und wie ich Hailey sagte, war sie wunderhübsch.“

„War?“ Hughs Stimme war ein bloßes Krächzen. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als sie nickte.

„Es war eine Totgeburt.“

Starke Hände umfassten sie und führten sie sanft zu einem Stuhl.

„Es tut mir Leid“, seufzte Rachael leise.

„Ihnen muss das doch nicht Leid tun. Ich hatte ja keine Ahnung.“ Seine Stimme zitterte leicht. „Ich sollte mich entschuldigen.“

„Woher sollten Sie es wissen? Keiner hat es mitbekommen. Man geht auf Mutterschaftsurlaub, und jeder erwartet natürlich, dass man ein wunderschönes, gesundes Baby hat, sich die Nächte um die Ohren schlagen und ständig Windeln wechseln muss.“

„Aber warum haben Sie nichts gesagt? Ich meine, als Hailey über Babysitter und solche Sachen sprach.“ Bei der Erinnerung zuckte er zusammen. „Ihre Worte müssen Ihnen richtig wehgetan haben.“

„Das stimmt.“ Rachael lachte kurz auf, doch es war kein fröhliches Lachen. „Aber wie hätte sie sich dann gefühlt?“

„Wieso?“

„Wie fühlen Sie sich denn jetzt?“

„Schrecklich“, gab er zu. Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie fest. „Ich fühle wirklich mit Ihnen.“

„Sehen Sie. Hailey wäre es nicht anders gegangen. Sie hätte sich Vorwürfe gemacht. Dabei hatte sie es nur gut gemeint.“

„Aber Sie können doch nicht alles für sich behalten, nur weil Sie anderen Menschen nicht wehtun möchten. Was ist mit Ihrem Schmerz?“

Rachael zuckte abwehrend mit den Schultern. Er hielt ihre Hand noch immer in seiner, und die Berührung war sogar richtig tröstlich. „Hoffentlich bin ich beim nächsten Mal etwas gefasster, wenn mich ein Patient darauf anspricht.“

Ihre Lippen bebten, als sie weitersprach. „Ich bin noch nicht so weit, das Ganze zu akzeptieren.“ Er blickte sie unverwandt an, während sie zögernd weitersprach. „Es gibt ganz offensichtlich fünf Stufen beim Bewältigen von Schmerz. Und Akzeptanz ist die letzte Stufe.“

„Und wo bist du jetzt?“ Unwillkürlich duzte er sie.

„Nun, ich habe wohl die Phase hinter mir, wo ich es nicht wahrhaben will. Vermutlich bin ich im Stadium, wo meine Stimmung in Wut umschlägt“, erwiderte Rachael mit unsicherer Stimme. „Vielleicht stimmt es ja wirklich, was in den Ratgebern steht. Ich empfinde eine so große Wut, dass ich es manchmal kaum noch aushalten kann. Bin wütend für mich und wütend für Amy. Wütend über all das, was sie nicht erleben durfte, und wütend, dass es Dinge gibt, die ich nie mit ihr erleben kann.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Das ist eine verdammt lange Zeit, um wütend zu sein.“ Aus Augen, die keine Tränen mehr kannten, schaute sie ihn an. „Ich habe das Gefühl, mich im Kreis zu drehen.“

„Es ist sicher nicht leicht, mit einem so tragischen Ereignis fertig zu werden.“

Ein leichtes Nicken war die einzige Antwort. Rachael musste sich extrem anstrengen, um nicht die Fassung zu verlieren. „Ich sollte besser gehen.“ Sie stand auf und hob ihre Handtasche vom Boden auf.

„Soll ich dich nach Hause bringen?“

„Es geht schon.“ Sie zwang ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. Sie fühlte sich ein wenig verlegen, weil sie ihm so viel über sich verraten hatte.

„Es tut mir wirklich schrecklich Leid.“

Rachael zuckte abwehrend mit den Schultern. „Du konntest es ja nicht wissen.“ Auch sie duzte ihn jetzt.

Als sie gehen wollte, hielt er sie kurz zurück. „Ich spreche nicht von diesem Nachmittag. Ich habe größtes Mitgefühl für dich, weil du Amy verloren hast.“

Gedankenverloren lief Rachael über den langen Flur zum Ausgang. Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte und kramte in ihrer Tasche nach ihrem Autoschlüssel.

Es war merkwürdig, es hatte nicht wehgetan, Hugh Amys Namen aussprechen zu hören. Es hatte ihr sogar geholfen, dass sie ihr Baby als wirklich empfand. Es bedeutete, dass es dieses Kind tatsächlich gegeben hatte.

3. KAPITEL

Den ganzen Vormittag über war Hailey eine vorbildliche Patientin gewesen. Nicht ein einziges Mal wanderte ihr Finger zur Klingel, und gleichgültig, wie oft Rachael bei ihr vorbeischaute oder ein Gespräch anzufangen versuchte, stets lächelte Hailey höflich und versicherte Rachael, dass alles in Ordnung sei. Rachael war für einige Tage der Violet Bay zugeteilt gewesen und war jetzt wieder zurück in der Orange Bay. Während sie vorsichtig die feine Narben um Haileys Brüste reinigte, kam sie auf den vermutlichen Grund für das Schweigen ihrer Patientin zu sprechen.

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