Bigtime - Jennifer Estep - E-Book

Bigtime E-Book

Jennifer Estep

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Beschreibung

In der Welt von »Bigtime« hat jede Stadt mindestens einen Superhelden. Doch selbst der coolste Held kann nichts gegen die Irrungen und Wirrungen der Liebe ausrichten. Das wissen auch die Reporterin Carmen Cole und die Modedesignerinnen Fiona Fine und Bella Bulluci. Als Carmen herausfindet, dass ihr Verlobter nicht nur ein Superheld ist, sondern Carmen auch noch mit deren besten Freundin betrogen hat, schwört sie auf Rache. Währenddessen muss Fiona mit ihren feurigen Superkräften eine neue Bedrohung der Stadt abwenden. Und Bella scheint die einzige zu sein, die den fiesen Hangman davon abhalten kann, einen wertvollen Saphir zu stehlen – allerdings nur mithilfe des charmanten Debonairs ...

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© dieser Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2019

 

Karma Girl: © 2007, 2011, 2012, und 2013 Jennifer EstepPublished by Arrangement with Jennifer EstepDieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30287 Garbsen.Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Karma Girl«, Berkley Books, New York 2007 © der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2017Übersetzung aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch

 

Hot Mama: © 2007, 2011, 2012, und 2013 Jennifer EstepPublished by Arrangement with Jennifer EstepDieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30287 Garbsen.Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Hot Mama«, Berkley Books, New York 2007© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2017Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michaela Link

 

Jinx: © 2008, 2011, 2012, und 2013 by Jennifer EstepPublished by Arrangement with Jennifer EstepDieses Werk wurde im Auftrag der Jane Rotrosen Agency LLC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30287 Garbsen.Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Jinx«, Berkley Sensation, New York 2008© der deutschsprachigen Ausgabe: Piper Verlag GmbH, München 2018Übersetzung aus dem Amerikanischen von Vanessa Lamatsch

 

Covergestaltung: zero-media.net, MünchenCovermotiv: FinePic®, München

 

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Inhalt

Cover & Impressum

Karma Girl – Bigtime 1

Widmung

Teil 1: Anfänge

1

2

3

Sechs Monate später

4

5

6

7

8

9

10

11

12

Teil 2: Superhelden-Zentrale

13

14

15

16

17

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19

20

21

Teil 3: Bigtime

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26

27

28

29

30

31

Einen Monat später

32

Epilog

Zwei Wochen später

Hot Mama – Bigtime 2

Widmung

Teil 1: Hochzeitsglocken

1

2

3

4

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6

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13

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15

Teil 2: Die Flitterwochen sind vorbei

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19

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22

23

24

Teil 3: Trennungsblues

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27

28

29

30

31

32

Epilog

Drei Monate später

Jinx – Bigtime 3

Widmung

Teil 1: Ich hasse Superhelden

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Teil 2: Eine Ausnahme von der Regel

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

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Teil 3: Ich ♥ Debonair

29

30

31

32

33

34

35

Epilog

Sechs Wochen später

Karma Girl – Bigtime 1

Widmung

Für meine Mom.Danke, dass du an all diesen Samstagen mit mirin die Bibliothek gegangen bist.Du hast mir damit mehr gegeben, als du ahnen kannst.

 

Und für meine Grandma.Einfach dafür, dass du bist.Und das beste gebratene Hühnchen unddie besten Kekse der Welt machst.

 

Ich liebe euch beide mehr,als man mit Worten ausdrücken kann.

Teil 1: Anfänge

1

Mein Hochzeitstag.

Eigentlich sollte das der schönste Tag meines Lebens sein. Ein Tag der Freude, der Ausgelassenheit und des Neuanfangs. Schließlich war es der Hochzeitstag, von dem jedes Mädchen träumte, sobald es alt genug war, um im Kleiderschrank seiner Mutter Verkleiden zu spielen.

Aber so fühlte sich dieser Tag für mich unter keinen Umständen an.

Ich marschierte in dem schmalen Hotelzimmer auf und ab. Meine höllisch hohen Schuhe hinterließen Löcher im dicken Teppich und Blasen an meinen schmerzenden Füßen. Mein weißes Tüllkleid raschelte bei jedem Schritt.

Etwas stimmte nicht. Etwas stimmte absolut nicht.

Ich konnte schon seit Wochen das Gefühl nicht unterdrücken, dass irgendetwas zwischen mir und meinem Verlobten, Matt Marion, nicht in Ordnung war. In letzter Zeit hatte er oft abwesend gewirkt … abgelenkt. Wir waren inzwischen seit mehr als zwei Jahren zusammen und ich liebte Matt aus ganzem Herzen. Aber sein jüngstes Verhalten war seltsam genug, um selbst die vertrauensseligste Frau misstrauisch werden zu lassen. Ich hatte Matt unzählige Male gefragt, was los sei – ob er kalte Füße bekommen habe und die Hochzeit abblasen wolle. Aber er hatte mir wiederholt versichert, es sei alles okay.

Matt hatte in letzter Zeit in seiner Baufirma oft Überstunden gemacht und war mit verschiedensten unerklärbaren Prellungen und Kratzern nach Hause gekommen. Er hatte seine ständige geistige Abwesenheit und die merkwürdigen Verletzungen auf die Arbeit geschoben, aber ich hatte das seltsame, kalte Gefühl von Angst tief in meiner Magengrube einfach nicht ignorieren können. Bis jetzt. Zweifel nagten an mir. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, auf meine innere Stimme zu hören. Die Tatsache, dass ich immer auf meine Instinkte hörte, hatte mich zur besten Enthüllungsreporterin der Beginnings Post gemacht, der wichtigsten Zeitung unserer Stadt.

Ich hatte auch jetzt nicht vor, meine Instinkte zu ignorieren. Ich konnte einfach nicht heiraten, während diese Zweifel an mir nagten. Ich musste Matt noch einmal fragen, was ihn so beschäftigte.

Also schnappte ich mir mein Handy, glitt aus dem Hotelzimmer und ging zum Lift. Es war Matts Idee gewesen, im Forever Inn zu heiraten, dem romantischsten Hotel in ganz Beginnings, Tennessee. In dem Vier-Sterne-Ressort fanden täglich Hochzeiten statt, also kümmerte es niemanden, als ich mich in meinem weitschwingenden Kleid und der glitzernden Tiara auf dem Kopf in den Aufzug zwängte.

Ich fuhr einen Stock nach oben und ging zu Matts Zimmer. Es brachte angeblich Unglück – oder jede Menge schlechtes Karma –, wenn Braut und Bräutigam sich vor der Trauung sahen. Aber ich musste mit Matt reden. Meine innere Stimme würde sonst niemals schweigen.

Ich hob die Hand, um anzuklopfen. In diesem Moment drang gedämpftes Stöhnen durch die dicke Holztür. War Matt verletzt? Stirnrunzelnd zog ich die Schlüsselkarte, die ich für Notfälle bekommen hatte, durch den Leser. Die Tür öffnete sich und ich betrat den Raum.

»Ja, ja, JA!!!«, schrie eine Frau irgendwo tiefer in der kleinen Suite.

Oh. Das war unmissverständlich. Jemand gönnte sich eine kleine Auszeit am Nachmittag. Schön für sie. Ich wollte mich gerade umdrehen, um dem enthusiastischen Paar ein bisschen Privatsphäre zu gönnen, als sich mein Hirn einschaltete.

Wieso sollte jemand Sex in Matts Zimmer haben? Schließlich war er hier drin und bereitete sich auf die Hochzeit vor, die in weniger als einer halben Stunde stattfand. Seine Hochzeit mit mir.

Ich erstarrte. Plötzlich schien sich ein Klumpen aus Eis in meinem Bauch zu bilden. Ich wusste in diesem Moment, dass mir nicht gefallen würde, was ich gleich zu sehen bekäme, trotzdem konnte ich mich nicht davon abhalten: Ich schlich auf Zehenspitzen durch den Türrahmen, ging durch den kleinen Flur und spähte vorsichtig um die Ecke ins Zimmer.

Karen Crush, meine beste Freundin seit der vierten Klasse, saß rittlings auf Matt, meinem ach-so-treuen Verlobten, der wiederum auf der Bettkante hockte. Karens blassblaues Brautjungfernkleid war bis auf die Hüfte hochgeschoben, sodass ihre schlanken Beine freilagen. Matts Hose hing um seine Knöchel. Neben dem Bett auf dem Boden lag ein Spitzenhöschen, zusammen mit irgendwelchen anderen roten und blauen Stoffstücken.

Karen warf vor Lust den Kopf in den Nacken, sodass ihre schwarzen Locken über ihren Rücken glitten. Der Ausdruck der Ekstase auf Matts Gesicht verriet mir, dass auch er durchaus Spaß hatte. Dieser Mistkerl.

Die Welt drehte sich um mich. Ich spürte scharfe Stiche in der Brust, als hätte mich jemand mit einem Schlachtermesser attackiert. Zweimal. Heiße Tränen brannten in meinen Augen und rannen mir über die Wangen. Meine Knie zitterten. Meine Beine drohten, mir den Dienst zu versagen. Jetzt wusste ich, was nicht gestimmt hatte. Warum Matt so abwesend gewirkt hatte. Dieser kurze Moment, dieser schreckliche Anblick stellte alles klar. So unglaublich klar. Liebe, Freundschaft, die Menschheit als solches … Mein Vertrauen in all das verpuffte in diesem Moment. Zerstört von den zwei Menschen, die ich auf der ganzen Welt am meisten liebte.

Matt und Karen schrien verzückt auf, ohne sich meiner Anwesenheit bewusst zu sein. Ohne etwas von meiner Verzweiflung zu ahnen.

Ihre Lustschreie ließen mein Herz in Tausende scharfe, gezackte Scherben zerbrechen, von denen jede einzelne schmerzte wie der Schnitt mit einer Rasierklinge. Ich wollte aus dem Zimmer rennen und mir die Augen aus dem Kopf heulen – schluchzen und schreien, bis ich vollkommen heiser war. Doch dann erregte ein kurzes Aufblitzen unter Matts offenem Hemd meine Aufmerksamkeit. Ich blinzelte gegen meine Tränen an. Es war blau. Und es sah aus wie … glänzendes Elastan.

Elastan?

»Oh, ich liebe es, wenn du meinen Hals so küsst.« Ein Kichern drang aus Karens perfektem, herzförmigem Mund.

Ich liebte es auch, wenn Matt meinen Hals auf diese Weise küsste. Wut kochte in mir hoch, als würde jeden Moment ein Vulkan in mir ausbrechen. Ich wischte mir die heißen Tränen von den Wangen und richtete mich auf. Ich würde nicht weglaufen. Nicht vor diesen beiden. Nicht, bevor ich nicht ein paar Antworten bekommen hatte.

Karen ließ ihre Hände über Matts breite Brust gleiten. Ihre langen Fingernägel glitten wie Scheren über den Stoff. Sie riss sein Hemd vollständig auf und enthüllte damit einen blauen Body aus einem enganliegenden Stoff mit einem riesigen roten M auf der Brust.

Mir blieb der Mund offen stehen.

»Oh, Baby, du treibst mich in den Wahnsinn!« Matt zerrte Karens Oberteil nach unten und gab so den Blick frei auf ein enges rotes Bustier. Ein gelbes C prangte auf Karens bebender Brust. Sie hatte sich mit geschlossenen Augen so weit nach hinten gelehnt, dass ich es von meiner Position aus gut sehen konnte.

Ich traute meinen Augen nicht. Aber es war wahr – ich hätte diese Kostüme überall erkannt. Mein Blut kochte wie Lava, die jedes Gefühl außer meiner allumfassenden Wut unter sich begrub. Dann brach der Vulkan aus Zorn mit einem lauten Schrei aus.

»Ihr Dreckskerle!«

Matt und Karen erstarrten. Ihre Köpfe drehten sich zur Tür herum. Matt schluckte schwer, als er mich erblickte. Karen riss die Augen auf. Für einen Augenblick fragte ich mich, was die beiden wohl mehr aus der Fassung brachte: dass jemand sie beim verbotenen Sex erwischt hatte oder dass ihr anderes kleines Geheimnis aufgeflogen war. Mir war das allerdings egal. Sie hatten mich beide verraten.

Meine Wut kochte noch höher, als ich in den Raum trat. Ich ballte die Hände zu Fäusten. Mein Körper zitterte vor Zorn. Selbst mein Hochzeitskleid raschelte vor Rage.

»Carmen! Ich … ich kann alles erklären …«

Ich riss eine Hand hoch, um Matts jämmerliche Erklärungsversuche jäh zu unterbrechen. »Du bist The Machinator?«

Matt seufzte. Er fuhr sich mit einer Hand – derjenigen, die nicht auf dem nackten Hintern meiner besten Freundin lag – durch die blonden Haare. »Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise herausfindest, Carmen.«

»Ach nein? Wann wolltest du mir denn mitteilen, dass du der ansässige Superheld von Beginnings bist? Nachdem wir uns das Jawort gegeben haben? Vielleicht an unserem ersten Hochzeitstag? Oder möglicherweise dann, wenn die Kinder aufs College gehen? Oder eventuell auch, nachdem du mir mitgeteilt hast, dass du mit meiner besten Freundin schläfst?! An unserem Hochzeitstag!«

»Es ist nicht seine Schuld, Carmie«, mischte Karen sich ein. Sie musterte mich aus großen braunen Augen. »Er wollte es dir sagen. Das wollten wir beide. Alles.«

Carmie? Ich bedachte meine ehemals beste Freundin mit einem bösen Blick. Sie besaß tatsächlich die Frechheit, mich mit diesem lächerlichen Spitznamen aus der Kindheit anzusprechen, während sie die Beine um meinen Verlobten geschlungen hatte, als wäre er ein Rennpferd und sie der Jockey. Dieses Miststück. Ich hätte sie am liebsten in Stücke gerissen. Nachdem ich mit Matt fertig war.

»Und du bist seine ärgste Feindin, Crusher? Die Erzschurkin von Beginnings?«

Karen nickte.

Ich rieb mir die pulsierenden Schläfen. Es war einfach alles zu viel.

Sicher, jede Stadt der Welt hatte ihren persönlichen Superhelden – jemanden, der auftauchte, wann immer ein außer Kontrolle geratener Zug zu entgleisen drohte. Oder wenn Hunderte von Menschenleben durch eine Naturkatastrophe bedroht waren. Sogar dann, wenn der kleine Timmy aus einem tiefen Brunnen gerettet werden musste. Natürlich besaß jede Stadt auch ihren persönlichen Bösewicht – jemanden, der uneingeschränkt herrschen wollte.

Beginnings bildete da keine Ausnahme. Wir hatten den Machinator, einen Mann, der mechanische Gegenstände mit seinem Geist kontrollieren konnte. Die Superschurkin der Stadt war Crusher, eine unglaublich starke Frau, die Metallstangen mit den Zähnen durchbeißen und Diamanten in der Hand zerquetschen konnte. Die beiden lagen ständig im Clinch. Crusher verfolgte immer wieder wilde Pläne, um (a) die Herrschaft über Beginnings an sich zu reißen, (b) den Machinator zu töten oder (c) beides gleichzeitig. Gewöhnlich geriet der Machinator dabei in tödliche Gefahr, bevor es ihm auf wundersame Weise gelang, sich zu befreien und den raffinierten Plan von Crusher zu vereiteln. Doch Crusher entkam jedes Mal oder brach bald schon aus dem angeblich ausbruchsicheren Hochsicherheitsgefängnis aus, in das die Behörden sie gesteckt hatten. Dann kam sie zurück nach Beginnings und der ganze Kreislauf begann von vorn, wieder und wieder.

Und die ganze Zeit über hatte ich keinen Moment geahnt, dass es sich bei den beiden um meinen Verlobten und meine beste Freundin handelte. Ich hatte nie etwas vermutet. Ich hatte keinen blassen Schimmer gehabt.

Ich war so eine verdammte Idiotin!

Und eine tolle Reporterin. Alle klassischen Anzeichen waren da gewesen, sichtbar, direkt vor meinen Augen. Matts ständige Verletzungen, seine häufigen Überstunden und seltsamen Arbeitszeiten. Karens lange, merkwürdige Abwesenheiten (manchmal verließ sie wochenlang die Stadt, ohne sich bei mir abzumelden) und ihre unheimliche Fähigkeit, jedes Einmachglas zu öffnen, obwohl sie so klein und zierlich war. Plötzlich verbanden sich in meinem Kopf alle Puzzlestücke zu einem Gesamtbild. Die beiden mussten Stunden damit verbracht haben, über meine naive und vertrauensselige Art zu lachen. Wenn sie nicht gerade heißen Superhelden-Sex gehabt hatten, natürlich.

Mein Verlobter und meine beste Freundin schliefen miteinander und hatten ihre geheimen Identitäten vor mir versteckt. Ich wusste nicht, welcher Verrat mich tiefer traf. Oder was mich wütender machte.

»Wie lang läuft das schon? Ich hätte angenommen, dass es bei euren … heimlichen Aktivitäten unmöglich wäre, miteinander in die Kiste zu springen.« Ich spuckte ihnen die Worte förmlich entgegen. Sie hinterließen einen bitteren, unangenehmen Geschmack in meinem Mund.

»Na ja, eigentlich ist das eine ziemlich witzige Geschichte.« Matt lachte in dem vergeblichen Versuch, die Stimmung ein wenig aufzuheitern.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sein halbherziges Lachen erstarb. Zu dumm, dass mit ihm nicht das Gleiche passierte.

»Vor ein paar Monaten waren wir in der verlassenen Mühle, wie üblich in einen epischen Kampf verwickelt. Du weißt schon, Explosionen und Gefahr und alles … Und da hat Crusher, ähm, Karen, die Hand ausgestreckt und mich gepackt. Radioaktiver Müll floss überall um uns herum und wir fühlten uns beide wirklich seltsam. Und da haben wir uns irgendwie geküsst und …«

Seine Stimme verstummte unter meinem bohrenden Blick. Hätte ich die Fähigkeit besessen, Laserstrahlen aus meinen Augen zu schießen, wären die beiden inzwischen vollkommen pulverisiert gewesen. Wie dumm, dass ich keine Superkraft besaß.

Matt saß immer noch auf dem Bett, Karen rittlings auf ihm. Sie machten keine Anstalten, sich voneinander zu lösen oder ihre Kostüme vor mir zu verstecken. Mir wurde klar, dass die beiden tatsächlich froh waren, dass ich sie erwischt hatte – nicht nur beim Sex, sondern auch in Bezug auf ihre geheimen Identitäten. Die Erleichterung war ihnen förmlich anzusehen. Sie wirkten plötzlich entspannt, als wäre ihnen ein tonnenschweres Gewicht von den Schultern genommen worden. Sie waren tatsächlich glücklich, dass sie mein Leben mit ihren Lügen, ihrer Hinterlist und ihrem Verrat zerstört hatten. Mir wurde schlecht.

Ich trat einen Schritt zurück. Ich musste hier raus. Musste Abstand zwischen mich und diese beiden bringen. Mein armes Herz konnte einfach keinen weiteren Schlag vertragen. Ich wirbelte herum, um aus dem Raum zu rennen.

Doch meine High Heels verhakten sich im dicken Teppich und ich stolperte über einen Haufen von weißem Tüll und fiel auf die Knie. Die Tiara rutschte mir vom Kopf und rollte über den Boden, meine Haare lösten sich aus den perlenverzierten Haarklammern. Sofort bemühte ich mich, wieder auf die Beine zu kommen. Mein Blick fiel auf mein Handy, das ich zusammen mit der Schlüsselkarte hatte fallen lassen. Beim Aufprall auf den Boden hatte sich der Bildschirm eingeschaltet und zeigte mir das Hintergrundbild von Matt, der mich im Arm hielt, während wir beide lächelten … glücklich waren. Oder zumindest war ich glücklich gewesen – damals.

Der kochende Vulkan aus Wut in mir erlosch schlagartig und erstarrte zu einem großen schwarzen Klumpen Hass. Matt und Karen hatten auf meine Kosten ihren Spaß gehabt. Jetzt würde ich den Spieß umdrehen. Die Splitter meines zerbrochenen Herzens stachen in meiner Brust. Ich würde etwas tun, was sie so verletzte, wie sie mich verletzt hatten. Oder noch schlimmer.

Ich stand auf, strich mein Kleid glatt und lief zu meinem Handy, um es aufzuheben. Irgendetwas zerbrach knirschend unter den Absätzen meiner verfluchten Schuhe. Ich sah nach unten. Ich hatte gerade meine Tiara zertreten. Aber sie war sowieso ein billiges Imitat gewesen, eine Fälschung – wie alles andere in meinem Leben.

Ich schnappte mir das Handy und schaltete die Kamera-App an.

»Was tust du da?«, fragte Karen.

»Ich gebe euch nur das, was ihr verdient habt.« Ich musterte das verräterische ineinander verschlungene Paar auf dem Display meines Handys. Das M und das C auf den Elastan-Oberteilen waren hervorragend zu erkennen. »Und bitte recht freundlich!«

 

Am nächsten Tag schrien die Schlagzeilen der Beginnings Post: THE Machinator demaskiert! Crusher enttarnt! Identitäten offenbart!Erfahren Sie die Wahrheit über den Superhelden und die Erzschurkin der Stadt. Artikel und Bilder von Carmen Cole.

Meine Geschichte gab in ehrlichen, wenn auch schmerzhaften und peinlichen Details wieder, wie ich die wahre Identität der beiden aufgedeckt hatte. Die Titelseite wurde fast vollkommen von einem Bild von Karen und Matt eingenommen, auf dem ihre Elastan-Anzüge unter der verknitterten Kleidung zu sehen waren. Als sie tags zuvor begriffen hatten, dass ich Fotos von ihnen schoss, hatten sie versucht, mir meinen Plan auszureden. Narren. Die Mühe hätten sie sich sparen können. Ich würde nie wieder auf ein Wort hören, das sie sagten. Niemals wieder.

Da »nett bitten« nicht funktioniert hatte, versuchte Karen, mir das Handy aus der Hand zu reißen und zu zerquetschen. Aber Matt als kühner, nobler, ach-so-treuer Superheld verhinderte das. Während ich cool aus dem Hotelzimmer marschierte, rollten sie sich gerade über den Boden und schlugen aufeinander ein. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie wirklich kämpften oder ob es sich dabei eher um eine Form von perversem Vorspiel handelte. Vielleicht war das für diese kranken Bastarde ja dasselbe.

Ohne noch mal anzuhalten und mein Hochzeitskleid auszuziehen, lief ich schnurstracks zur Redaktion der Beginnings Post und berichtete den Herausgebern, was ich hatte. Das war eine der peinlichsten, demütigsten, entwürdigendsten Handlungen meines Lebens, aber ich nahm die Schultern zurück und ließ mich nicht beirren. Seite 1 wurde sofort für mich freigeräumt.

Den Rest des Tages verbrachte ich in der Redaktion damit, alle Informationen über Matt und Karen alias The Machinator und Crusher auszugraben, die ich finden konnte. Die Daten von Matts angeblichen Unfällen bei der Arbeit passten perfekt zu den Tagen, an denen der Machinator einen großen Kampf ausgetragen hatte. Karens lange Abwesenheiten und ihr plötzliches Wiederauftauchen korrespondierten zeitlich mit Crushers Gefängnisaufenthalten. Daten, Zeiten, Orte, Verletzungen. Alles war da. Wie dumm – wie blind! – ich doch gewesen war! Ich schämte mich fast, mich selbst Journalistin zu schimpfen.

Da ich nicht zur Hochzeitszeremonie aufgetaucht war, rief Matts Mutter bei der Zeitung an. Ich erzählte ihr alles. Bis ins kleinste Detail.

Sie schwieg einen Moment. Dann fragte sie: »Aber was ist mit den Blumen? Und dem ganzen Essen? Alles ist schon bezahlt. Ich kann doch nicht alleine hundert Hühnchen essen.«

»Hast du mich nicht gehört, Matilda? Ich habe dir gerade mitgeteilt, dass dein Sohn ein Superheld ist.«

»Oh, das weiß ich doch, Schätzchen. Was glaubst du, wer ihm seine Kostüme näht?«

»Und wusstest du auch von ihm und Karen?«

»Mein Junge ist etwas Besonderes. Er bekommt Tonnen von Fanpost. Du dachtest doch nicht wirklich, dass er mit nur einer Frau glücklich sein kann, oder?«

Ich legte einfach auf. Die alte Schrulle hatte mich sowieso nie gemocht.

Eine Stunde später trompeteten die TV-Nachrichten die Neuigkeiten in die Welt hinaus. Matt und Karen hatten im Forever Inn ein ziemliches Chaos angerichtet und ein Teil des historischen Gebäudes war eingestürzt. Manche Dinge waren einfach nicht dazu geschaffen, zu überdauern. Oder einem Superhelden-Erzschurken-Kampf standzuhalten. Ich schickte einen Fotografen los, um ein paar Bilder zu schießen.

Ein paar Freunde riefen an und redeten beruhigend auf mich ein, damit ich Matt eine Chance gab, alles zu erklären. Ich erklärte ihnen, sie sollten sich mit Matildas bereits bezahlten Hühnchen amüsieren, und machte mich wieder an die Arbeit.

Am nächsten Morgen war die Post in Minuten ausverkauft. Die Drucker kehrten an die Maschinen zurück, um noch mal zehntausend Exemplare nachzudrucken. Die Telefone liefen heiß, sobald die Nachrichtenagenturen und die nationalen Medien die Story aufgegriffen hatten. Und was Karen und Matt anging: Die beiden verschwanden, kaum dass die Story erschienen war. Niemand konnte sie finden, dasselbe galt für ihre Alter Egos.

Ich sammelte so viele Exemplare der Zeitung wie möglich und tapezierte meine kleine Bürowabe förmlich damit. Jede Menge Leute schauten bei mir vorbei, um mir zu meinem Sensationsbericht zu gratulieren. Selbst der Verleger verließ sein Büro, um sein Lob auszusprechen. Ein paar der Kerle vom Sport rissen Witze darüber, wie ich an die Story gekommen war, doch ein Blick von mir reichte aus, um sie Deckung suchen zu lassen. Ich war wirklich nicht in der Stimmung, mich verspotten zu lassen.

Nach fast vierundzwanzig Stunden in der Redaktion ging ich nach Hause. Ich öffnete die Tür zu meiner Wohnung, schmiss meine Schlüssel auf den Beistelltisch und schaltete das Licht an. Stapel von Umzugskisten begrüßten mich. Nach unserer Hochzeitsreise auf Hawaii hätte ich eigentlich bei Matt einziehen sollen. Die meisten meiner Sachen waren bereits eingepackt.

Meine Gedanken wanderten zu Matt. Wo war er? Hatte er die Story gelesen? Tat es ihm leid, dass er mich angelogen hatte? Oder war er mit Karen zusammen? Machten sie dort weiter, wo sie nach meinem Auftritt aufgehört hatten?

Hatte er mich je wirklich geliebt?

Mein Blick glitt über die Kisten. Herzen und alberne Cartoon-Figuren mit Spitzenschleiern und Diamantringen prangten auf den Kartonflächen. Die gezackten Scherben meines Herzens stachen mir ins Fleisch. Die Hochzeit, die Flitterwochen, das Happy End. Alles geplatzt. Ein paar Tränen rannen mir über die Wange, doch ich wischte sie wütend weg. Ich hatte auf dem Weg zur Redaktion genug geweint. Damit war jetzt Schluss.

Ich grub mich durch eine der Kisten, fand eine Jogginghose und ging ins Schlafzimmer, wo ich im Spiegel über der Kommode einen Blick auf mein Gesicht erhaschte. Mein kastanienbraunes Haar stand wirr von meinem Kopf ab. Dunkle Ringe lagen unter meinen Augen. Schmerz und Wut brannten in den blauen Tiefen. Ich wirkte mehr als nur ein wenig durchgeknallt. Und so fühlte ich mich auch.

Wie um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, trug ich immer noch mein Hochzeitskleid, auch wenn ich die unbequemen Schuhe schon vor Stunden in eine Ecke gekickt hatte. Ich strich das Kleid glatt, das definitiv schon bessere Momente gehabt hatte. Nach dem langen Tag hatte das Weiß eine bräunliche Färbung angenommen.

Der Diamant an meinem Verlobungsring glitzerte im dämmrigen Licht. Ich war so glücklich gewesen an dem Abend, als Matt ihn mir auf den Finger geschoben hatte. War mir meiner Liebe für ihn so sicher gewesen – und auch seiner Liebe für mich. Jetzt erinnerte mich der Ring nur an gebrochene Versprechungen, geplatzte Träume und meine eigene blinde Dummheit.

Ich riss mir den Ring vom Finger, stiefelte zur Kommode und öffnete eine Schublade an meinem Schmuckkästchen. Ich starrte den Diamanten noch einen Augenblick an, dann stopfte ich ihn in die hinterste Ecke und schloss die Schublade wieder. Danach drehte ich den Schlüssel an der Front der Lade einmal um, um den verdammten Ring ein für allemal wegzusperren.

Ich werde mich nicht noch mal zum Narren machen lassen, schwor ich mir. Von niemandem. Niemals wieder.

2

Von diesem Tag an wurde ich von einer Mission getrieben. Die Mission, jeden verfluchten Superhelden und jeden gottverdammten Superschurken auf der gesamten Welt zu enttarnen. Natürlich, letztendlich würde mir die Zeit für alle fehlen, aber ich war entschlossen, so viele wie möglich auffliegen zu lassen, und zwar in möglichst kurzer Zeit.

Niemand würde noch mal betrogen werden, wie ich betrogen worden war. Keine Frau würde nach Hause kommen und ihren Freund dabei ertappen, wie er sich in eine neonpinke Leggins zwängte. Kein Mann würde sich fragen, wieso seine Ehefrau eine eigenartige Sammlung von Peitschen und eine seltsame Schwäche für schwarzes Leder besaß. Keine Mutter würde sich wundern, wieso ihr Sohn niemals pünktlich zum Abendessen heimkam. Nicht, wenn ich etwas dagegen tun konnte.

Ich fing klein an. Nach der Arbeit und an Wochenenden fuhr ich auf meinem Kreuzzug in die benachbarten Städte und Großstädte und grub alles über die jeweiligen Superhelden und Bösewichte aus, was ich finden konnte. Ich studierte die Webseiten und Werbeflyer der Guten wie Bösen. Las ihre schlecht geschriebenen Autobiografien und weitschweifigen öffentlichen Pamphlete. Zu Recherchezwecken kaufte ich sogar ein paar Action-Figuren aus Plastik. Natürlich hatten alle Superhelden und ihre jeweiligen Widersacher schillernde Namen wie »Killer« oder »Slasher« oder »Halitosis Hal«. Das Einzige, was noch extravaganter war als Namen und Persönlichkeiten, waren die Kostüme dieser Gestalten. Sie schienen an einem hautengen, mit Strass besetzten Elastan-Outfit nicht vorbeigehen zu können, ohne sich in das Teil zu verlieben.

Allesamt besaßen sie seltsame, manchmal beängstigende Superkräfte wie die Fähigkeit, Gegenstände mit Gedankenkraft zu bewegen oder glühend heiße Flammen aus ihren Fingerspitzen abzuschießen. Da die Ziele von Superhelden und Erzschurken immer im Widerspruch zueinander standen, lieferten sie sich oft epische Kämpfe, bei welchen Brücken, Überführungen und städtische Gebäude zerstört wurden. Einige der größeren Städte hatten mehrere der Strumpfhosenträger, die um die Herrschaft kämpften, während sie ganz nebenbei Hochhäuser zum Einsturz brachten. Und alle Super-Persönlichkeiten trugen Masken, um ihre wahre Identität zu verbergen und so zu vermeiden, für das öffentliche Eigentum zahlen zu müssen, das sie wöchentlich dem Erdboden gleichmachten.

Ich hatte jede Menge Zeit für meine Mission. Mein Dad war bei einem Autounfall gestorben, als ich noch ein Kind gewesen war, während meine Mom vor ein paar Jahren ihrem Brustkrebs erlegen war. Sonst besaß ich keine Familie und Karen war meine einzige, echte Freundin gewesen. Alle anderen waren schon mit Matt befreundet gewesen, bevor ich dazustieß. Dieser Freundeskreis löste sich in nichts auf, sobald meine Story erschienen war. Innerhalb einer Woche verwandelte ich mich von der Ballkönigin in eine Ausgestoßene. Und das war mir sogar recht. So gab es niemanden mehr, der mich anlügen konnte; niemanden mehr, der mich verletzen konnte.

Bei meinen Recherchen las ich Polizeiberichte, besuchte die Austragungsorte von großen Kämpfen und untersuchte Teile zerrissener Masken und Kostüme. Ich legte Listen von Personen an, die von Bösewichten entführt und von Helden gerettet worden waren. Ich führte sogar ein Tagebuch mit einer genauen Tabelle, in der ich Superkräfte, Schwächen, Kostüme und Symbole der verschiedenen Superhelden und Erzschurken festhielt. Ich war schon immer ein Organisationstalent gewesen und hatte ein verdammt gutes Gedächtnis. Beides half mir nun dabei, mich durch die Berge von Informationen zu wühlen.

Letztendlich entpuppte es sich als lächerlich einfach, die Typen zu enttarnen. Es gab immer eine Person, die wieder und wieder von einem Superhelden gerettet wurde, ob es sich nun um die Möchtegern-Freundin oder um eine nette verwitwete Tante handelte. Man musste nur diese spezielle Person finden und sich anschauen, wer ihr am nächsten stand. Und dann, tada!, fand man auch den Superhelden.

Was die Oberfieslinge anging: Sie brachte ihr Hunger nach Luxus und Macht zu Fall. Die meisten von ihnen besaßen massenweise Geld, das sie selten legal und erstaunlich oft mit dubiosen Grundstücksdeals erwarben.

Unfälle mit radioaktivem Material waren immer ein heftiges Warnzeichen, weil radioaktiver Müll für die meisten Leute ein simpler Weg war, Superkräfte zu entwickeln. Dasselbe galt für magische Ringe sowie Bisse von tollwütigen oder genmanipulierten Tieren. Und dann gab es da natürlich noch die altmodische, natürliche genetische Mutation.

Ich stellte bald fest, dass ich eine echte Begabung dafür hatte, Geheimidentitäten auffliegen zu lassen. Man musste nur lang und tief genug graben, dann stieß man auf den einen Informationsfetzen, der das gesamte Rätsel löste. Ich fand irgendeinen Beweis, der auf den ersten Blick vollkommen nichtssagend wirkte, und alles wurde plötzlich klar. Die Punkte verbanden sich. Das Bild wurde deutlich. Ich hatte Rätsel schon immer geliebt, von Kreuzworträtseln bis zu Sudokus. Die Identitäten von Superhelden und Erzschurken herauszufinden, war wie ein riesiges Puzzle. Und ich wurde schnell eine Meisterin im richtigen Zusammenlegen der Teile.

Sechs Monate nach meiner geplatzten Hochzeit verließ ich die Beginnings Post für eine größere Zeitung, die wollte, dass ich ihren ansässigen Superhelden und den dazugehörigen Widersacher auffliegen ließ. Drei Monate später wachten der Kilted Scotsman und der Blue Berserker auf, nur um ihre Gesichter auf den Titelseiten aller lokalen Zeitungen zu entdecken. Die Öffentlichkeit fand heraus, was der Scotsman tatsächlich unter seinem Kilt trug, während der Berserker wegen der ganzen Sache, na ja, ziemlich zum Berserker wurde.

Ein paar Monate später zog ich zu einer anderen Zeitung weiter.

Und zur nächsten …

Und zur nächsten …

Und zur nächsten …

Ich ließ eine Spur aus demaskierten Superhelden und enttarnten Erzschurken hinter mir zurück. Natürlich waren nicht alle glücklich über meinen persönlichen Rachefeldzug und meine endlosen Enthüllungen. Die Superhelden flehten mich an, damit aufzuhören oder meine Storys zu widerrufen, während die Bösewichter mich wahlweise bedrohten oder Bestechungsversuche starteten. Doch nichts konnte meinen Zorn befrieden. Keine Drohungen, kein Geld und besonders keine tränenreichen Appelle.

Nichts machte mich so glücklich wie eine gute Demaskierung.

 

Drei Jahre nach meiner ersten Superhelden-Demaskierung zog ich das große Los. Die Herausgeber von The Exposé in Bigtime, New York, stellten mich an, um die Identitäten der sogenannten Fearless Five herauszufinden, einer Gruppe von Superhelden, genau wie die ihrer Feinde: der Terrible Trinity.

Die Fearless Five und die Terrible Trinity waren Legenden – nicht nur in Bigtime, sondern in der ganzen Welt. Sie besaßen die stärksten Kräfte. Sie führten die monumentalsten Kämpfe. Bei ihnen gab es die überraschendsten Fluchten und die ausgeklügeltsten Pläne. Sie waren die Crème de la Crème der Helden und Schurken.

Was dieses Rätsel so verlockend, so spannend machte, war die Tatsache, dass sehr wenig über die Mitglieder dieser zwei Teams bekannt war. Oh, es gab unzählige Geschichten über ihre Eskapaden, aber niemand hatte auch nur den Hauch einer Ahnung in Bezug auf ihre echten Identitäten. Die Aufgabe würde sicherlich knifflig werden, doch ich war bereit, mich der Herausforderung zu stellen. Schließlich war ich Carmen Cole, Reporterin der Superlative.

Doch die Sache entpuppte sich als schwerer, als ich erwartet hatte. Ich arbeitete drei Monate und hatte am Ende nichts vorzuweisen. Nada. Null. Nullinger. Zero. Gar nichts. Ich fing wie immer mit den Superhelden an, weil sie einfacher zu demaskieren waren. Bösewichter waren natürlicherweise verschlagener und eher bereit, Leute umzubringen, um ihr Schweigen zu garantieren. Doch die Fearless Five hatten ihre Spuren sehr gut verwischt. Ich vertiefte mich in Polizeiakten und notierte unzählige Fakten und Informationsschnipsel, doch die Superhelden waren mit niemandem verbunden. Sie waren wie Geister: tauchten auf, kämpften gegen das Böse, retteten vor dem Abendessen noch schnell die Welt und verschwanden wieder.

Dann, eines Tages, gelang mir ein Durchbruch. Ein Junge rief an und behauptete, er hätte gesehen, wie sich ein Mann im Smoking in Tornado verwandelt hätte, ein Mitglied der Fearless Five. Solche Tipps waren nicht selten und die meisten Reporter beim Exposé legten bei solchen Spinnern einfach auf. Aber ich nicht. Ich besuchte den Jungen, der mir eine ziemlich genaue Beschreibung des Mannes im Smoking lieferte. Ich setzte einen Phantombildzeichner darauf an, nahm danach das fertige Bild und verglich es mit den Männern, die meiner Meinung nach Tornado sein konnten. Ich reduzierte meine Liste auf drei Verdächtige, dann grub ich tiefer und tiefer und noch tiefer, bis ich auf Gold stieß.

Tornado war Travis Teague, ein wohlhabender Geschäftsmann in der Windenergie-Branche. Was für ein Klischee! Doch ich war mir sicher. Ich konnte tief in meiner Magengrube spüren, dass ich recht hatte.

Ein paar Wochen später bestätigten sich meine Vermutungen, als ich Teague mithilfe einer versteckten Kamera dabei erwischte, wie er sich in Tornado verwandelte. Meine innere Stimme krähte vor Stolz und Triumph. Ich hatte einen weiteren Superhelden auffliegen lassen.

Carmen 1, Fearless Five 0.

 

Am Tag, an dem die Story rauskam, versammelte sich die gesamte Redaktion, um mit Champagner und Pizza auf mich anzustoßen. Selbst die Besitzerin der Zeitung, Morgana Madison, schloss sich uns an. In gewisser Weise. Sie musterte die chaotische Versammlung durch das Fenster ihres Büros, das über dem Großraumbüro thronte. Sie war immer dort oben und beaufsichtigte ihr riesiges Medienunternehmen, während wir uns abrackerten, um noch mehr Millionen in ihren Geldbeutel zu schaufeln.

Ich entdeckte die Verlegerin und hob mein Glas. Morgana lächelte und prostete mir ihrerseits zu. Superhelden-Demaskierungen waren unglaublich gut für die Auflage und es gab nichts, was Morgana Madison wichtiger war als die. Sie war ins Nachrichtengeschäft eingestiegen, um Geld zu scheffeln, und hatte aus diesem Ziel nie ein Geheimnis gemacht.

Normalerweise hätte ich gewartet, bis ich die Identitäten von allen Helden und Schurken aufgedeckt hatte, um eine einzige große Story über die Fearless Five und die Terrible Trinity zu bringen. Aber meine Verleger hatten darauf bestanden, die Geschichte über Tornado alias Travis Teague sofort zu veröffentlichen. Und ich hatte mich dem Plan nicht widersetzt. Schließlich war ich das Goldmädchen. Ich würde die Identitäten der anderen schon bald genug herausfinden.

Jetzt strich ich die Belohnung für meine Cleverness ein und alle freuten sich mit mir. Alle außer Henry Harris, der Technik-Reporter der Zeitung. Er war der Einzige, der sich den Feierlichkeiten nicht angeschlossen hatte. Statt mit uns zu trinken, kauerte er hinter seinem Schreibtisch am anderen Ende der Redaktion und starrte auf seinen Bildschirm. Seine Finger hämmerten auf die Tastatur ein. Henry war ein wenig seltsam. Er hing immer vor dem Computer oder steckte seine Nase in ein Buch über allerlei technologische Entwicklungen. Ich mochte ihn trotzdem. Er war nett, höflich und half mir jedes Mal dabei, meinen Computer wieder zum Laufen zu bringen, wenn sich das blöde Teil aufhängte.

Ich schnappte mir ein zweites Glas Champagner, schlenderte zu ihm und stellte das Getränk auf seinen Schreibtisch.

Henry blinzelte wie eine Eule. »Oh, danke, Carmen. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ihr schon feiert. Anscheinend habe ich die Zeit vergessen.«

»Kein Problem, Henry. Komm doch zu uns rüber. Wir haben kostenlosen Schampus und Pizza, spendiert von der Firma.«

»Na ja, ich sollte wirklich diese Geschichte zu Ende …«

Ich zerrte Henry von seinem Stuhl hoch und in die Mitte des Raums. Ich hatte nicht vor, ein Nein als Antwort zu akzeptieren. Heute war einer der besten Tage meines Lebens und alle sollten mit mir feiern, ob sie nun wollten oder nicht.

»Eine Rede! Eine Rede!«, rief einer der Junior-Reporter.

»Genau, Carmen. Erzähl uns, warum du tust, was du tust«, meinte jemand anderes.

»Es ist wie … Karma«, sagte ich. Das war meine Demaskierungs-Philosophie, die die anderen schon unzählige Male gehört hatten. »Wir wissen, dass Schurken betrügen und stehlen und lügen. Aber Helden tun das ebenso. Sie lügen ihre Freunde und Familien an. Sie erfinden Ausreden und lassen diejenigen, die ihnen am nächsten stehen, wieder und wieder im Stich. Und das bedeutet schlechtes Karma. Eines Tages werden all diese Lügen sie einholen. Ich sorge nur dafür, dass das eher früher als später passiert. Man erntet, was man sät. Das ist Karma.«

»Bravo«, sagte Henry leise.

Ich stieß mit ihm und dem Rest meiner bereits angetrunkenen Kollegen an. Ich hatte mich noch nie in meinem Leben so beschwingt gefühlt. Ich schwebte förmlich. Ich war ganz oben. Jetzt, wo ich Tornado demaskiert hatte, würde der Rest der Fearless Five bald folgen. Und danach würde ich mich der Terrible Trinity zuwenden.

Mein Telefon klingelte und riss mich aus meiner selbstgefälligen Träumerei. »Carmen Cole.«

»Carmen, hier spricht Chief Newman«, rumpelte eine tiefe Stimme mit irischem Akzent in mein Ohr.

»Hey, Chief. Was ist los? Rufen Sie an, um mir zu gratulieren?«

Ich hatte viele Stunden damit verbracht, mit Bigtimes Polizeichef Akten durchzugehen. Dabei hatten wir ein gutes Arbeitsverhältnis entwickelt. Auch der Chief wollte die Identitäten der Fearless Five und der Terrible Trinity aufdecken. Beide Gruppen hatten schon eine Menge der Infrastruktur in Bigtime zerstört und Newman wollte ihnen die Kosten für die Aufräumarbeiten und Reparaturen in Rechnung stellen. Ganz zu schweigen von den ganzen unbezahlten Strafzetteln, die sie sich mit ihren aufgemotzten Superautos eingefangen hatten.

»Nicht ganz.« Er zögerte. »Ich habe schlechte Nachrichten, Carmen. Es geht um Travis Teague. Er ist tot, Carmen. Er hat sich umgebracht.«

Das Champagnerglas entglitt meinen Fingern und zerbrach klirrend auf dem Boden.

3

Sechs Monate später

Ich ließ den Champagner in meinem Kristallglas kreisen. Kleine Bläschen stiegen in der goldenen Flüssigkeit auf und zerplatzten.

Genau wie mein Leben.

Nachdem Travis Teague Selbstmord begangen hatte, indem er aus dem Fenster seines Büros im dreißigsten Stockwerk der Teague-Türme gesprungen war, war mein Stern nicht einfach gesunken, sondern abgestürzt wie ein brennender Meteorit. Demaskierungen waren gut fürs Geschäft. Aber dass Tornado, einer der beliebtesten Superhelden der Welt, meinetwegen aus dem Fenster gesprungen war, hatte nichts Gutes an sich. Ich bekam unzählige Todesdrohungen: nicht nur von Tornados Superhelden-Freunden, sondern auch aus der Öffentlichkeit. Leute wechselten die Straßenseite, nur um nicht an mir vorbeigehen zu müssen. Kellner in Restaurants weigerten sich, mich zu bedienen. Kinder versammelten sich vor meiner Wohnung und warfen mit Steinen, wann immer ich den Kopf herausstreckte. Die Leute hassten mich mit einer Leidenschaft, die bis jetzt Ketzern und Rechtsanwälten vorbehalten gewesen war.

Ich akzeptierte die Schmähungen. Ich hatte sie verdient. Meine Schuldgefühle wegen Tornados Tod kannten keine Grenzen. Ich aß kaum noch. Ich schlief kaum noch. Wann immer ich doch einmal wegdämmerte, wurde ich von fiebrigen Albträumen geplagt. Ich hatte nur die Wahrheit aufdecken und die Menschen hinter der Maske zeigen wollen. Aber alles war schrecklich schiefgelaufen. Mein eigenes schlechtes Karma hatte mich eingeholt und Travis Teague hatte den endgültigen Preis für meine selbstgefällige, dämliche Arroganz gezahlt.

Nach seinem Selbstmord hatte ich mir nichts anderes gewünscht, als mich in meiner Wohnung zu verkriechen und niemals wieder herauszukommen. Doch die Verantwortlichen in der Redaktion vom Exposé ließen mich nicht einfach leise verschwinden. Verdammt, sie feuerten mich nicht mal. O nein. Das hätte dem einzigen Konkurrenzblatt in Bigtime, dem Chronicle, zu sehr in die Hände gespielt. Statt mich rauszuwerfen, dachten sich die Verantwortlichen bei The Exposé ein Schicksal für mich aus, das schlimmer war als der Tod: Sie versetzten mich in die Gesellschaftssparte.

Und so schleppte ich mich zu einer Veranstaltung nach der anderen, um dort reiche, alte Damen und ihre pferdegesichtigen Töchter anzuquatschen. Ich hatte in den letzten sechs Monaten mehr über Schuhe, Designerkleider und Accessoires gelernt als in meinem gesamten vorherigen Leben. Ganz zu schweigen von Schönheitsoperationen, Fettabsaugungen und Eheverträgen.

Ich führte in der Zeitung eine Art Schattendasein. Ich tauchte auf, besuchte das aktuell anstehende Event, ob nun Debütantinnen-Ball oder Wohltätigkeitsveranstaltung, schlurfte zurück in die Redaktion, schrieb meinen Artikel, mailte ihn der zuständigen Redakteurin und verschwand wieder. Der Einzige, der meine Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis nahm, war Henry Harris – und das auch nur, wenn er nicht gerade vor dem Computerbildschirm klebte.

Heute Abend befand ich mich auf der Eröffnung einer Kunstgalerie. Ich war bereits seit einer Stunde hier und hatte all die üblichen Dinge getan, die von mir erwartet wurden: mit dem Künstler geredet, dessen Stücke ausgestellt wurden; ein paar Zitate vom Galeristen eingeholt; Notizen über die Klamotten der Anwesenden gemacht. Jetzt nippte ich an meinem schalen Champagner und versuchte, jemanden zu finden, der wenigstens etwas halbwegs Interessantes über die Eröffnung zu sagen haben könnte. Sandra, die andere Reporterin, die widerwillig für das Gesellschaftsressort arbeitete, war aufgetaucht, hatte ein paar Zitate eingesammelt und war nach zehn Minuten wieder verschwunden. Ich tat das nicht. Mir mochte ja vollkommen egal sein, wer was trug oder mit wem schlief, aber das hielt mich nicht davon ab, meinen Job so gut wie möglich zu machen. Mir war immer noch ein wenig Stolz geblieben. Eigentlich das Einzige, wenn ich ehrlich war.

Aus dem Augenwinkel entdeckte ich Sam Sloane, einen der reichsten Männer und begehrtesten Junggesellen in ganz Bigtime.

»Mr Sloane! Mr Sloane!« Ich winkte.

Sam Sloane schenkte mir einen Blick, der sogar Eis hätte gefrieren lassen. Dann ging er direkt an mir vorbei, die Augen unverwandt nach vorn gerichtet. Ich seufzte. Vor zwei Wochen hatte mir mein Chefredakteur aufgetragen, ein Exklusivinterview mit Sloane, dem Besitzer des Chronicle, anzuleiern. Ich verstand nicht, wieso mein Chefredakteur eine Story über Sloane wollte, wenn man bedachte, welche epischen Geschäftsschlachten selbiger sich mit Morgana Madison lieferte, der Inhaberin unserer Zeitung. Die beiden hassten einander leidenschaftlich, und dasselbe galt für die Angestellten ihrer jeweiligen Zeitungen. Reporter und Chefredakteure bei TheChronicle und TheExposé versuchten immer, sich gegenseitig auszustechen, genauso wie Sloane und Morgana. Morgana konnte es kaum ertragen, wenn Sloanes Name auch nur beiläufig im Klatschteil erwähnt wurde. Sie würde vor Wut platzen, wenn wir eine ganze Story über ihn brachten. Vielleicht versuchte mein Chefredakteur einfach, mich feuern zu lassen.

Nicht, dass das wirklich eine Rolle gespielt hätte. Der Auftrag war unmöglich zu erfüllen. Sloane sprach niemals mit den Medien, nicht einmal mit Reportern seiner eigenen Zeitung. Er unterhielt sich eigentlich nur mit dem aktuellsten Supermodel, das an seinem Arm hing. Wenn ich mich nicht in eine ein Meter achtzig große blonde Amazone mit Wespentaille, künstlichen Titten und fragwürdigen Moralvorstellungen verwandelte, würde ich nicht mal in Sam Sloanes Nähe kommen.

Und selbst dann hätte ich noch Probleme damit, mich durch die Menge von Frauen zu drängen, die auf den Milliardär Jagd machten. Abgesehen davon, dass er Reichtümer besaß wie ein Sultan, war Sam Sloane auch noch auf eine finstere Art gut aussehend und mit einem echten Killer-Lächeln gesegnet. Selbst ich musste zugeben, dass nur selten ein Mann in einem Smoking besser ausgesehen hatte. Außerdem war Sloane ein ziemlicher Charmeur. Zumindest hatte man mir das berichtet. Und ich war nichts. Wenn er meine Existenz also überhaupt jemals wahrgenommen hatte, hatte er mich einfach nur eisig angestarrt.

Nach einer weiteren Stunde mit abgestandenem Champagner, altem Brie und trockenen Crackern verließ ich die Galerie und fuhr mit dem Taxi in die Innenstadt zu dem riesigen Hochhaus, in dem The Exposé residierte. Das Gebäude aus Glas und Chrom raubte mir jedes Mal wieder den Atem. Mit den blinkenden blauen Lichtern und der glitzernden Fassade wirkte es nachts sogar noch eindrucksvoller als am Tag. Nur das Gebäude des Chronicle, ein glänzender Wolkenkratzer ein paar Blocks weiter, konnte es mit dem Exposé-Turm in Bezug auf Höhe und Schönheit aufnehmen.

Ich fuhr mit dem Lift ins hundertste Stockwerk, wo die Reporter und Redakteure arbeiteten. Dann wanderte ich durch den gesamten Redaktionsraum bis zur hintersten Wand. Früher hatte ich einmal einen Schreibtisch in der Mitte der Redaktion gehabt, wo die Goldjungen und -mädchen in ihren Ressorts Hof hielten wie Könige und Königinnen. Nach dem Tornado-Fiasko allerdings hatte man mich in die hinterste Ecke verfrachtet, zusammen mit den anderen Ausgestoßenen, die sich an ihre Jobs klammerten wie Spinat, der an Zähnen klebt.

Ich erreichte meinen Tisch, ein winziges Metallteil mit wackeligen Beinen, ließ mich auf den unbequemen Stuhl sinken und schaltete den Computer ein.

»Wie läuft’s, Carmen?«, fragte Henry Harris von seinem eigenen Schreibtisch ein paar Meter entfernt.

»Gut. Das Übliche eben. Ein weiterer Abend, eine weitere Galerieeröffnung, ein weiteres Glas abgestandener Champagner.«

Henry lächelte und wandte sich wieder seinem Computer zu. Er schob die Ärmel seines weißen Hemdes unter den karierten Pullover, rückte die gepunktete Krawatte zurecht und fing an zu tippen. Das schwache Licht des Monitors verlieh seiner mokkafarbenen Haut eine leicht bläuliche Färbung. Außerdem brachte es seine Brillengläser zum Leuchten und betonte seine glatten Gesichtszüge. Henry war Ende zwanzig, aber er wirkte viel jünger trotz der altmodischen Klamotten, die er immer trug.

Für die nächste Stunde blendete ich die Welt aus, inklusive des Kicherns und Flüsterns der Goldjungen und -mädchen. Ich verfasste eine begeisterte Story über die Galerieeröffnung, beschrieb alles detailliert und fügte Zitate der anwesenden Prominenz hinzu. Dann flocht ich noch kleine Infos über die einheimischen Modefreaks und ihre Outfits, Schuhe und Accessoires ein, bevor ich meine Story an die verantwortliche Redakteurin schickte. Ich schnappte mir einen der Zauberwürfel, die überall auf meinem Schreibtisch verteilt lagen, und spielte daran herum, drehte die farbigen Vierecke hin und her. Ein paar Minuten später ploppte eine Mail von meiner Redakteurin auf.

Gut. Sie können jetzt gehen.

Kurz und knapp wie immer. Ich sammelte meine Sachen ein und wanderte Richtung Aufzug.

»Bis später, Henry.«

Er winkte mir geistesabwesend zu, ohne dass seine dunklen Augen sich für einen Moment vom Bildschirm lösten. Ich fragte mich regelmäßig, ob Henry ab und an aß oder ausschließlich von Bits und Bytes lebte. Ich hätte auf die Bytes gewettet.

Ich fuhr ins Erdgeschoss, schob mich durch die schwere Drehtür und trat auf die Straße. Es hatte geregnet, während ich in der Redaktion gewesen war. Der Bürgersteig glänzte feucht. Schwere Wolken hingen am nächtlichen Himmel und der metallische Geruch von noch mehr Regen lag in der Luft. Es kamen keine Taxis vorbei, also entschloss ich mich, zu Fuß zu gehen. Es war nicht weit bis zu meiner Wohnung.

»Hey, Baby! Wie wäre es heute Abend mit ein wenig Spaß?«, rief eine tiefe Stimme aus einem dunklen Türrahmen.

»Verpiss dich, Widerling«, blaffte ich und ging weiter.

Meine Hand glitt in die Handtasche, wo ich mein Pfefferspray aufbewahrte. Seit Tornados Selbstmord und den zahlreichen Todesdrohungen hatte ich angefangen, Selbstverteidigungskurse zu belegen. Oh, die Superhelden würden ihren Drohungen, mir Schaden zuzufügen, natürlich niemals Taten folgen lassen. Ihre Moral erlaubte es ihnen einfach nicht, normale Menschen zu verletzen; nicht einmal abgewrackte, nichtsnutzige Reporterschweine wie mich. Nein, es waren die normalen Menschen – diejenigen, die mich mit Schimpfwörtern bedachten und tote Fische vor meiner Wohnung ablegten –, die mir Sorgen bereiteten.

Schuhe quietschten auf dem nassen Gehweg und ich warf einen Blick über die Schulter. Zwei Männer in Nadelstreifenanzügen schlenderten hinter mir her, obwohl es nach Mitternacht war und die ganzen Bürogebäude still und dunkel dalagen. Das war nicht allzu ungewöhnlich, da viele Geschäftsleute in Bigtime lang und hart arbeiteten. Aber die harten Mienen der Männer sorgten trotzdem dafür, dass ich ein wenig schneller ging. Eisige Angst flutete meinen Körper. Mit der Faust umklammerte ich das Pfefferspray.

Ich kniff die Augen zusammen, um die Hausnummern in der Dunkelheit zu entziffern. Die U-Bahn war nur noch zwei Blocks entfernt. In den Stationen patrouillierten rund um die Uhr Polizisten, um nach Taschendieben und Räubern Ausschau zu halten. Dort unten wäre ich in Sicherheit. Ich beschleunigte meine Schritte, bis meine Füße in regelmäßigem Rhythmus auf das Pflaster klatschten. Auch die Schritte hinter mir wurden schneller. Ich sprang auf die Straße. Eine schwarze Limousine stellte sich vor mir quer, sodass ich auf den Gehweg zurückspringen musste.

»Hey!« Ich ließ meine Handtasche auf die Motorhaube niedersausen. »Passen Sie doch auf, wo Sie hinfahren!«

Etwas stach mich. Ich jaulte auf. Einer der zwei Männer in Anzügen schob die Nadel einer Spritze tief in meinen Arm. Ich riss das Pfefferspray aus meiner Tasche und jagte ihm eine volle Ladung ins Gesicht.

»Du Miststück!«, schrie er, als er nach hinten stolperte.

Ich wirbelte herum und ließ dem zweiten Drecksack dieselbe Behandlung angedeihen. Auch er fluchte und stolperte davon. Die schwarze Limousine stand einfach nur da. Anscheinend genossen die Insassen die Show. Ich zog mir die halbleere Spritze aus dem Arm und schmiss sie auf den Boden. Der Glaskörper zersprang. Blaue Flüssigkeit zischte auf dem Beton und weißer Rauch stieg von der seltsamen Substanz auf.

Meine innere Stimme kreischte vor Angst. Ich steckte in ernsthaften Schwierigkeiten. Ich musste weg von diesen Leuten … aber alles wirkte plötzlich so seltsam. Die Welt wollte einfach nicht stillhalten. Sie drehte und drehte und drehte sich um mich wie ein Karussell. Ich trat einen Schritt vor. Noch zwei Blocks. Zwei Blocks konnte ich schaffen.

Ich tat einen weiteren Schritt. Benommenheit schlug über mir zusammen wie eine Welle. Ich fiel zu Boden und die Dunkelheit verschlang mich.

4

Ich verlor jeden Sinn für Raum und Zeit. Das Einzige, was ich verstand: Ich befand mich in einem Auto. Einem Auto, in dem ich nicht sein wollte, mit irgendwelchen gefährlichen Männern. Ich wusste nicht mal ansatzweise, was sie von mir wollten und wo sie mich hinbrachten, aber ich hatte auch keine Angst. Meine Angst lag hinter blauem Nebel verborgen und wurde davon gedämpft. Stimmen und Gesprächsfetzen waberten durch mein betäubtes Gehirn.

»… kann nicht glauben, dass sie euch zwei Idioten mit Pfefferspray erwischt hat …«

»… nicht unsere Schuld …«

»… wussten nicht …«

»… dachte, sie würde schneller umfallen …«

Dann versank ich wieder in der Dunkelheit.

 

Etwas Hartes, Kaltes drückte sich gegen meine Wange – so kalt, dass es brannte. Ich riss den Kopf hoch. Millionen Nadeln schienen mein Hirn zu malträtieren. Das heiße Kribbeln glitt von meinem Kopf tiefer über die Wirbelsäule in meine Gliedmaßen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen drang über meine tauben, aufgesprungenen Lippen.

»Na hallo. Schaut mal, wer da aufwacht. Guten Morgen!«

Kalte, raue Hände rissen mich nach oben. Der Raum drehte sich, während ich versuchte, mich zu konzentrieren. Das Gesicht eines meiner Kidnapper löste sich aus dem Chaos, wurde klarer. Seine Knopfaugen waren blutunterlaufen und seine gerötete Nase lief. Danke, Pfefferspray … Ich musterte ihn, prägte mir jedes Detail seines flachen Gesichtes ein – seine Kleidung, sein Auftreten. Ich wollte der Polizei eine gute Beschreibung meines Entführers liefern können, falls ich irgendwie lebend aus dieser Sache rauskommen sollte.

Wir befanden uns in einem kleinen, leeren Raum aus Beton mit nur einer Tür. Ich dachte über Entfernungen, Beschleunigung und Flucht nach.

»Jimmy!«, schrie der Mann. »Sie ist wieder wach.«

Der zweite Mann betrat den Raum und ergriff meinen Arm. Ich prägte mir auch sein Aussehen ein. Sie zerrten mich hoch und die plötzliche Bewegung sorgte dafür, dass mir schlecht wurde. Ich atmete tief durch und kämpfte darum, mich nicht zu übergeben. Konzentration, Konzentration! Ich musste gerissen sein, stark bleiben. Nur so würde ich entkommen können.

Ich zwang mich dazu, mein Kopfweh und das schmerzhafte Kribbeln zu verdrängen und mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Wir befanden uns jetzt in einer riesigen Fabrik oder Werksanlage. Eine lange Fertigungsstraße schlängelte sich zwischen Rohren und unter Laufstegen hindurch und um riesige Bottiche herum. Nebelschwaden schwebten über silbernen Tanks. Doch was meine Aufmerksamkeit am meisten erregte, war das Eis – es bedeckte alles, vom Betonboden bis zu den Metallrohren unter der Decke. Die Temperatur im Raum lag um den Gefrierpunkt. Mein Atem bildete Wolken in der Luft.

Halb trugen, halb zerrten mich die zwei Männer eine Treppe hinauf. Ich versuchte, meine Fersen in den Boden zu stemmen, aber sie rutschten über den gefrorenen Boden wie Schlittschuhe.

»Ich wünschte, Frost hätte sich einen anderen Ort für seine Experimente gesucht«, grummelte der Mann, als er fast auf einer vereisten Stufe ausrutschte.

»Ruhig!«, zischte der erste Mann. »Oder er schockgefriert dich.«

Eisige Angst sorgte dafür, dass ich unwillkürlich zu zittern anfing. Ich wusste, wer Frost war: ein Mitglied der Terrible Trinity, zusammen mit Scorpion und Malefica. Hätte mein Kopf nicht pulsiert, als hätte sich dort eine wildgewordene Marschkapelle eingefunden, wäre ich vielleicht fähig gewesen, den zwei Kerlen zu entkommen, die mich gerade durch die Halle schleppten. Doch gegen Frost und die anderen Mitglieder der Terrible Trinity konnte ich nicht bestehen, nicht einmal an ihrem schlechtesten, unfähigsten Tag. Eine Stimme in meinem Inneren stieß ein jämmerliches Wimmern aus. Das hier konnte nicht gut ausgehen.

Die Schlägertypen zerrten mich über einen metallenen Steg. Wir traten auf eine Plattform, die über das Innere der Fabrik ragte, wo Eis, Raureif und Metall sich ausbreiteten, so weit ich sehen konnte. Die zwei Typen hielten an. Ich hing schlaff zwischen ihnen wie eine Stoffpuppe.

Ich hob den Kopf. Ein leises Geräusch erklang aus der Ferne. Ich konzentrierte mich. Wieder hörte ich das Geräusch, dann noch einmal. Ich brauchte einen Moment, aber dann erkannte ich es. Es war das charakteristische Klack-Klick-Klack von hochhackigen Schuhen, das durch die Fabrik hallte und mit jedem Schritt lauter wurde. Mein Untergang rückte näher.

Malefica, die Anführerin der Terrible Trinity, kam in mein Blickfeld. Hautenges blutrotes Leder umschloss ihre perfekte Figur von Kopf bis Fuß. Eine schwarze Lederpeitsche schlang sich um ihre unglaublich schmale Taille, während ein schwarzes M auf ihrer eindrucksvollen Brust prangte. Ihre Augen wurden von einer schwarzen Maske verdeckt, während eine rote Kappe ihr Haar verbarg. Ein scharlachrotes Cape und Riemchensandalen vollendeten das bösartige Superschurken-Outfit.

»Ah. Ich sehe, dass unser Gast angekommen ist. Wir haben auf dich gewartet, nicht wahr, Jungs?«

Frost und Scorpion traten aus den Schatten. Ich keuchte auf. Frost war ein großer, dürrer Mann in einem eisblauen Anzug. Sein weißblondes Haar stand senkrecht in die Luft und seine Augen brannten wie blaues Feuer. Mit seinen überquellenden Muskeln, den breiten Schultern und dem rasierten Schädel war Scorpion das absolute Gegenteil von Frost. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und wirkte so widerstandsfähig wie Zement.

Und so fand ich mich Auge in Auge mit dem schlimmsten Albtraum jedes Superhelden – der Terrible Trinity. Ich schluckte schwer.

»Geht!«, blaffte Malefica die zwei Schlägertypen an.

Die Männer ließen mich los und huschten davon wie Ratten. Schwankend kämpfte ich darum, mich auf den Beinen zu halten.

Maleficas rubinrote Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Carmen Cole. Es ist mir eine Ehre. Ich bin schon eine Weile Fan Ihrer Arbeit.«

Ich murmelte etwas. Dann gelang es mir tatsächlich zu sprechen. »Tut mir leid. Kann nicht dasselbe behaupten.«

Malefica schlug mich mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Schlag hallte durch den Raum und riss mich von den Füßen. Die Frau trainierte, das war mal sicher. Ich knallte wie ein nasser Sack auf den Boden. Die Nadeln kehrten zurück, schlimmer als bisher. Mein Kopf fühlte sich an, als müsste er jeden Moment in tausend Stücke zerspringen, und ich unterdrückte ein schmerzerfülltes Stöhnen. Für die Trinity war ich nichts, sogar weniger als nichts. Wahrscheinlich wäre ich schon in fünf Minuten tot. Trotzdem schwor ich mir, vor den dreien keine Schwäche zu zeigen. Auf keinen Fall! Die letzten kümmerlichen Reste meines Stolzes ließen das einfach nicht zu.

Ich starrte die scharlachrote Sandale an, die sich ungeduldig vor meinem schmerzenden Gesicht bewegte. Nur so schaffte ich es, mich von der brennenden Pein in meinem Körper abzulenken. Außerdem fand ich es irgendwie seltsam und fast schon ein bisschen lustig, wie riesig und clownesk Maleficas Füße im Verhältnis zum Rest ihres Körpers wirkten. Zumindest aus dieser Perspektive. Oder hatte sie wirklich solche Quadratlatschen?

»Nette Sandalen«, krächzte ich. »Bullucis Herbstkollektion?«

»Da kennt sich jemand aus«, meinte Malefica. »Und jetzt stehen Sie auf. Wir haben einiges zu besprechen.«

Langsam kämpfte ich mich auf die Beine. Dann presste ich mir die Hände gegen die Schläfen und versuchte, die Welt davon abzuhalten, sich weiterhin so wild um mich herum zu drehen. Unbeeindruckt stöckelte Malefica davon. Ihre Schuhe klack-klick-klackerten über den gefrorenen Boden. Jeder Schritt sorgte dafür, dass mein Kopf noch mehr schmerzte. Ich humpelte hinter ihr her. Frost und Scorpion bildeten die Nachhut, sodass ich die Mitte des Erzschurken-Sandwichs bildete. Super.

Malefica mäanderte durch die Fabrik, bis wir ein Büro erreichten. Ich trat über die Türschwelle und blinzelte. Dieser Raum war einer Königin würdig. Ohrensessel und ein riesiges Sofa standen auf einer Seite des Zimmers, während sich auf der anderen ein großes Himmelbett erhob. Ein Mahagoni-Schreibtisch voller Papiere thronte neben einer Hausbar. Im marmornen Kamin brannte ein Feuer und auf dem Boden lag ein sündhaft dicker Teppich. Es war der exklusivste Superschurken-Schlupfwinkel, den man mit Geld nur kaufen konnte. Trotz der Furcht vor meinem drohenden und sicher schmerzhaften Tod machte ich mir innerlich Notizen – nicht nur über das Zimmer allgemein, sondern auch über die darin vertretenen Gegenstände. Nicht, dass die Polizei mir glauben würde, dass ich von Bösewichten entführt worden und entkommen war. Aber ich musste es zumindest versuchen.

»Setzen Sie sich.«

Ich tat, wie mir befohlen worden war. Ich sah keinen Sinn darin, mich stur zu stellen. Außerdem war ich mir nicht sicher, wie lang ich noch stehen konnte. Es war wirklich keine leichte Sache, sich auf den Beinen zu halten, wenn die Knie zitterten wie Blätter in einem Sturm.

Malefica schlenderte hüftschwingend zur Hausbar und zog ein paar Kristallgläser und eine Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit darin aus den Tiefen. »Möchten Sie etwas trinken?«

»Nein«, antwortete ich, obwohl mein Mund so trocken war wie ein Sandkasten.

»Sind Sie sich sicher? Es ist Brighton’s Best.«

Dank der letzten Monate im Gesellschaftsressort kannte ich den Namen. Malefica hielt eine Fünfzehntausend-Dollar-Flasche Scotch in der Hand. »Nein. Ich trinke kaum.«

»Wie schade.«

Sie goss sich zwei Fingerbreit Whiskey in ein Glas. Frost und Scorpion setzten sich auf das Sofa.

Meine innere Stimme flüsterte mir etwas zu. Plötzlich wusste ich einfach, dass Malefica und ihre Komplizen mich nicht umbringen würden. Nicht heute Nacht. Sie hatten sich zu viel Mühe damit gemacht, mich hierherzubringen, obwohl sie mich auch direkt auf dem Gehweg hätten töten können. Sie wollten etwas von mir. Die eisige Furcht in meiner Magengrube brannte noch kälter. Was konnte das sein?

Malefica ließ sich in dem Ledersessel hinter ihrem Schreibtisch nieder, nahm einen Schluck aus ihrem Glas und stellte es beiseite. Wenn ich nicht ganz falschlag, war das ein Hilustar-Kristallglas. Diese Dinger wurden für fünftausend Euro das Stück verkauft und waren damit ein ziemlich teures Behältnis zum Stillen von Durst. Allerdings hätte es natürlich auch schrecklich unkultiviert ausgesehen, Fünfzehntausend-Dollar-Scotch aus einem Plastikbecher zu trinken.

»Der Grund, dass Sie noch nicht tot sind, ist einzig und allein, dass meine Kollegen und ich einen Auftrag für Sie haben.« Maleficas Stimme erinnerte mich an das Schnurren einer zufriedenen Katze.

Ich hasste Katzen.

Meine Instinkte hatten mich wieder einmal nicht getrogen. Vielleicht würde ich diese Nacht doch überleben.

»Einen Auftrag? Was für einen Auftrag?«

»Einen ganz besonderen Auftrag, den nur Sie erfüllen können.«

Ich zog eine Augenbraue hoch.

Malefica ließ ihre langen scharlachroten Fingernägel gegeneinanderklappern. »Wir wollen, dass Sie die Identität von Striker aufdecken, dem Anführer der Fearless Five.«

Ein Lachen schäumte in mir hoch wie prickelnder Champagner im Hals einer soeben geöffneten Flasche. Ich versuchte, es zu unterdrücken, da es meiner Gesundheit nicht besonders zuträglich sein konnte, eine Superschurkin auszulachen, die gerade versuchte, mich mit Drohungen nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Doch ich schaffte es nicht. Ich lachte.

Und lachte …

Und lachte …

Und lachte noch ein wenig länger.

Maleficas rote Lippen bildeten inzwischen eine schmale Linie. Sie kniff die grünen Augen zusammen.

»Tut mir leid. Sie machen Witze, richtig?« Ich wischte mir hysterische Lachtränen aus den Augen.

»Sie meint es durchaus ernst«, erklärte Frost mit, na ja … frostiger Stimme.

»Sie haben Tornado demaskiert. Was kann an Striker so schwer sein?«, grollte Scorpion. Er ließ seine schweren Knöchel knacken. Die Geräusche hallten durch den Raum wie Schüsse. »Sobald man ihn mal ein wenig weichgeprügelt hat, ist er gar nicht mehr so zäh.«

Ich starrte den Berg von Mann an. »Tornado war nachlässig. Er hat einen Fehler gemacht. Striker macht keine Fehler. Der Kerl ist ein Geist. Ich habe monatelang recherchiert und nichts gefunden. Keine Gewohnheiten, keine Hobbys, keine Freundinnen oder Freunde, keine verwitweten Tanten, die ständig gerettet werden müssen. Er ist ein Phantom.«

»Nun, ich fürchte, Sie werden einen Weg finden müssen, ihn aufzuspüren«, meinte Malefica. »Weil sonst …«

Ich verdrehte die Augen. Superschurken. Immer so dramatisch. Meine innere Stimme kicherte bösartig und ein Teil meines Mutes kehrte zurück. »Weil sonst was? Töten Sie mich, bis ich tot, tot, tot bin? Tut mir leid, da müssen Sie sich schon etwas Kreativeres einfallen lassen. Das habe ich alles schon mal gehört.«