Bilder meiner besten Freundin - Silvia Avallone - E-Book

Bilder meiner besten Freundin E-Book

Silvia Avallone

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Beschreibung

Der große italienische Roman über eine unvergessliche Freundschaft Elisa und Beatrice begegnen sich in einer Sommernacht am Strand. Sie werden beste Freundinnen und doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein: Eli lebt versunken in einer Welt von Büchern, während Bea es genießt, sich öffentlich zu inszenieren und tägliche neue Bilder von sich ins Internet zu stellen. Sie wird zum Star, der davon träumt, über die sozialen Netzwerke mit tausenden von Bildern von Italien aus die Welt zu erobern. Bis sie eines Tages spurlos verschwindet und Eli vor der Frage steht, wer ihre Freundin, die jeder auf der Welt zu kennen glaubt, wirklich ist. Der Bestseller aus Italien erzählt die turbulente Geschichte einer Freundschaft im Zeitalter der sozialen Medien.

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Silvia Avallone

Bilder meiner besten Freundin

Roman

Aus dem Italienischen von Michael von Killisch-Horn

Hoffmann und Campe

Für meinen Vater

»Wozu leben wir?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich auch nicht. Aber ich bezweifle, dass es ums Gewinnen geht.«

 

Jonathan Franzen, Die Korrekturen

Die Tagebücher

Bologna, 18. Dezember 2019

2 Uhr

 

Die tiefe Dunkelheit war der Ort, der mir als kleines Mädchen am meisten Angst gemacht hatte. Ich brauchte nur in die Garage hinunterzugehen, ohne auf den Schalter zu drücken, die Kellertür anzulehnen, und schon war sie da, stumm und tief. Auf der Lauer.

In der tiefen Dunkelheit konnte sich jede Gefahr einnisten. Hexen, schreckliche Tiere, Ungeheuer ohne Gesicht, aber auch nichts: die Leere. Ich glaube, das war der Grund, der mich gezwungen hat, so unvernünftig lange bei meiner Mutter zu schlafen, dass ich mich schäme, davon zu sprechen.

Jetzt, mit dreiunddreißig, blicke ich in die tiefe Dunkelheit meines Zimmers, und mir ist, als hörte ich meine alten Tagebücher in dem Versteck ächzen, in dem ich sie begraben habe, nachdem ich dich verloren hatte. Fünf Jahre Gymnasium und eines an der Universität, nacherzählt in flatteriger Handschrift, Posca-Marker und Silberflitter, stumm geschaltet und ruhiggestellt wie in einem abgeschalteten Reaktor.

Seit wir keine Freundinnen mehr sind, habe ich aufgehört, Aufzeichnungen über das Leben zu machen.

*

Ich setze mich auf mein Bett. In einem Anfall von Reife begreife ich, dass der Moment gekommen ist, mich zu erinnern, mich dir zu stellen. Andernfalls werde ich keine kluge Entscheidung treffen, was dich betrifft.

Ich hole die Leiter aus der Abstellkammer, steige zwei Sprossen hinauf und halte inne, weil ich mich wie eine Diebin fühle. Wovon?, frage ich mich. Meiner eigenen Vergangenheit?

Oben angekommen, habe ich Herzrasen. Ich strecke die Hand in den Staub, der den Schrank bedeckt, und hole alle sechs Tagebücher aus der tiefen Dunkelheit hervor.

Ich trage sie zum Nachttisch ins Licht. Sie hier neben mir zu haben ist wie ein Schlag in die Magengrube. Angesichts der rosa, geblümten, goldenen Umschläge empfinde ich das Bedürfnis, die Dinge sofort klarzustellen: Zwischen mir und dir ist kein Frieden möglich, Beatrice.

Ich lege eine Hand auf den lila Umschlag des Notizbuchs 2000–2001, in Versuchung, aber noch unentschlossen, ob ich es öffnen soll oder nicht. Und während ich mit mir selbst kämpfe, entziehen sich meine Finger der Kontrolle und schieben sich von ganz allein zwischen die Seiten. Das Tagebuch klappt auf, und ein verblasstes Polaroid kommt zum Vorschein, eines von denen, die mein Vater aufgenommen hatte.

Ich nehme es und halte es in das Licht der Glühbirne. Ich erkenne mich als kleines Mädchen, mit kurzem Haar, einem Sweatshirt der Misfits und einem verängstigten Lächeln. Und ich erkenne dich, das genaue Gegenteil von mir. Mit der prächtigen Mähne, dem roten Lippenstift und den violetten Fingernägeln; du umarmst mich und lachst laut. Ich ertrage es nicht, dich zu sehen.

Ich drehe das Foto um. Auf der Rückseite steht: »Für immer Freundinnen«. Das Datum: »4. Juni 2001«.

Ich weiß nicht, wann mir das zuletzt passiert ist, aber ich breche in Tränen aus.

Teil EinsBevor alle sie kannten

(2000)

1Der Jeansdiebstahl

Wenn diese Geschichte einen Anfang haben muss, und sie muss zwangsläufig einen haben, dann will ich mit dem Jeansdiebstahl beginnen.

Es ist nicht so wichtig, dass er nicht mit dem chronologischen Beginn der Ereignisse zusammenfällt und dass wir uns an dem Nachmittag bereits kannten. Wir zwei sind dort bei der Flucht auf einem Motorroller geboren worden.

Allerdings muss ich vorher noch etwas Wichtiges klären. Das fällt mir schwer und macht mich nervös, aber es wäre nicht richtig, so zu tun, als wäre die Beatrice, um die es geht, irgendeine Beatrice. Der Leser würde ganz ruhig beginnen, und dann, sobald er entdeckt, dass es sich um dich handelt, zusammenzucken und rufen: »Aber das ist ja sie?!« Und er würde sich auf den Arm genommen fühlen. Daher kann ich leider nicht verschweigen, was aus dem jungen Mädchen meiner Tagebücher geworden ist: eine öffentliche Persönlichkeit, eine von den allgegenwärtigen. Ich würde sogar sagen, es gibt niemanden auf der Welt, der allgegenwärtiger ist als du.

*

Die Person, von der ich spreche, ist in der Tat Beatrice Rossetti.

Ja, sie.

Aber bevor alle auf dem gesamten Planeten sie kennenlernten und man zu jeder Tages- und Nachtzeit wusste, wo sie war und welche Kleidung sie trug, war Beatrice ein normales Mädchen, war sie meine Freundin.

Die beste, um genau zu sein, die einzige, die ich hatte. Auch wenn sich das niemand vorstellen kann, und ich habe stets darauf geachtet, es für mich zu behalten.

Ich spreche von einer Zeit, die lange zurückliegt, als die Welt noch nicht von ihren Fotos überschwemmt war und ihr Nachname bei seiner bloßen Erwähnung endlose Diskussionen, erbitterte Auseinandersetzungen auslöste. Die Erdpole, die Ozeane, die Landmassen erbebten nicht, sobald sie einen augenzwinkernden Blick, ein Kostüm, ein romantisches Abendessen in Begleitung eines hübschen jungen Mannes oben auf dem Burj Khalifa veröffentlichte. Denn für die überwältigende Mehrheit von uns existierte das Internet gar nicht.

Ich habe niemals die Kontrolle über das Geheimnis verloren, das ich über unsere Freundschaft gebreitet habe. Und wenn ich es heute lüfte, dann nur, um mit mir ins Reine zu kommen. Das Geständnis beginnt und endet im Übrigen hier in diesem privaten Raum mit verschlossener Tür, der für mich immer schon das Schreiben ist.

Es würde mir nie einfallen, es herumzuerzählen oder damit zu prahlen. Und wer würde mir schon glauben? Wenn ich es beispielsweise auch nur meinen Kollegen gegenüber erwähnen würde: »Ich kenne die Rossetti, wir waren zusammen in der Schule«, weiß ich schon, dass sie mich mit bohrenden Fragen bestürmen würden. Und für sie wäre abgemacht, dass es zwischen uns nur ein paar Ciao und ein paar zufällige Blicke gegeben hatte; nicht auszudenken, dass eine wie sie und eine wie ich Freundinnen werden könnten.

Sie würden pikante, besser noch peinliche Details aus mir herauslocken und ihre Göttlichkeit durch Fangfragen auf Sünde reduzieren: »Sag mal, hat sie sich operieren lassen?« – »Wem hat sie sich hingegeben, um so berühmt zu werden?«

Aber sie würden die falsche Person fragen, denn ich kannte nicht »die Rossetti«; ich weiß, wer Beatrice ist. Die Auslassungen in den Biographien, die Fragen, denen sie in den Interviews ausgewichen ist, die Lücken und Verluste, von denen sich nirgends eine Spur findet, ich habe sie bewahrt. Zusammen mit unseren Augenblicken kindlichen und himmelschreienden Glücks, die niemanden interessieren, die mir aber heute noch Gänsehaut verursachen.

Nach ihr habe ich andere Freundschaften gesucht, aber ohne mich zu engagieren. In meinem Inneren wusste ich, dass diese Magie aus Geheimnissen und Schlupfwinkeln, in denen wir uns verstecken konnten, zwischen mir, Elisa Cerruti, der vollkommen Unbekannten, und Beatrice Rossetti, der unvorstellbar Berühmten, nur in der neunten Klasse entstehen konnte. Und was kann es für mich, die ich sie verloren habe, schon ändern, wenn alle da draußen sie idealisieren, beweihräuchern, kreuzigen, hassen und so oder so zu kennen glauben?

Sie wissen gar nichts von ihr, denke ich.

Denn sie war meine beste Freundin in unverdächtigen Zeiten. Und ich habe die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen alle fünf Tagebücher aus dem Gymnasium und das aus dem ersten Universitätsjahr gelesen. Und dann habe ich lange den Schreibtisch vor dem Fenster betrachtet und den Computer, den ich bis heute nur für die Arbeit benutzt habe. Ich bin dagestanden und habe ihn ängstlich angestarrt. Denn als junges Mädchen war ich überzeugt, dass ich gut schreiben könnte, und glaubte, ich würde tatsächlich Schriftstellerin werden. Doch ich habe mein Ziel nicht erreicht. Während Beatrice ein Traum geworden ist.

Allerdings spüre ich, dass die Bea, die niemand kennt, darauf drängt, zum Vorschein zu kommen. Ich habe diese Leere so lange in mir getragen, dass es mir egal ist, ob ich ihr gewachsen bin oder nicht. Ich will nichts beweisen. Nur erzählen. Zugeben, dass ich das alles immer noch empfinde: Enttäuschung, Wut, Sehnsucht. Und ich weiß nicht, ob das zu sagen Kapitulation oder Befreiung ist; ich werde es am Ende herausfinden.

Was ich mir jetzt zurückerobern will, ist der Anfang.

*

Also, der Jeansdiebstahl.

Am 11. November 2000 – so steht es im Tagebuch der neunten Klasse –, ein bedrückender Samstag, an dem der Regen gegen die Fensterscheibe schlug und es mich wie alle Gleichaltrigen unausweichlich dazu drängte, rauszugehen, mich zu vergnügen und einen Haufen Freunde zu haben, saß ich deprimiert und untätig in meinem Zimmer. Auch Beatrice war damals, so absurd das heute klingen mag, nicht sehr beliebt. Sie hatte vermutlich sogar noch weniger Freunde als ich, als sie mich gegen halb drei, nach dem Essen, über das Festnetz anrief.

Und ich war tatsächlich der letzte Strohhalm. Ich lebte seit wenig mehr als vier Monaten in jener Stadt, und ich hatte mich nicht nur nicht integriert, ich hatte mich auch nicht damit abgefunden; ich wollte nur noch sterben.

Nach der Schule hatte ich wie üblich schweigend mit meinem Vater zu Mittag gegessen, dann hatte ich mich in mein Zimmer verkrochen, mir die Stöpsel des Walkmans in die Ohren gesteckt und an der Liste von Adjektiven – »einsam«, »rötlich«, »betagt« – für die Platane in der Mitte des Hinterhofs weitergearbeitet. Schließlich hatte ich die Lust dran verloren, nach Wörtern zu suchen, und das Tagebuch auf den Boden geworfen. Ich saß im Schneidersitz auf dem Bett, fertig mit der Welt, als Papa klopfte. Ich reagierte natürlich nicht. Ich schaltete die Musik aus. Er wartete. Klopfte erneut, und ich reagierte wieder nicht. Das war eine Art Wettstreit, wer sturer war. Bis er die Tür öffnete und mit Sicherheitsabstand hereinschaute. »Da ist eine Mitschülerin von dir am Telefon, sie heißt Beatrice.«

Mir blieb fast das Herz stehen.

»Na los, sie wartet auf dich«, drängte er, da ich mich nicht rührte.

Es war deutlich zu sehen, dass er sich freute; er glaubte, ich würde endlich anfangen, Freundschaften zu schließen, aber er irrte sich. Vor diesem Anruf waren Beatrice und ich alles andere als Freundinnen gewesen. Sie hatte mir zuerst etwas vorgemacht, und dann hatte sie mich nur noch ignoriert. In der Schule hatte sie so getan, als sähe sie mich nicht. Schlimmer als diejenigen, die sich über mich lustig machten: absolute Gleichgültigkeit.

»Gehst du mit mir in die Stadt?«, fragte sie, als ich den Hörer am Ohr hatte.

»Wann?«

»In einer halben bis einer Stunde?«

Mit ihr vor allen über den Corso Italia zu gehen, das hätte mir schon gefallen. Sei auf der Hut, ermahnte ich mich und umklammerte den Hörer fester. Überleg mal: Du würdest sie nur blamieren. Das muss zwangsläufig eine Falle sein. Und außerdem, entschuldige bitte: Woher nimmt sie das Recht, dich so anzumachen? Ich war wütend. Aber auch, gegen meinen Willen, gerührt.

»Und was machen wir in der Stadt?« Ich fühlte vor.

»Das kann ich dir am Telefon nicht sagen.«

»Warum nicht?«

»Weil es ein Geheimnis ist.«

»Sag es mir, oder ich komm nicht.«

»Nein, sonst machst du nicht mit …«

Ich schwieg, wartete in Ruhe ab. Sie zögerte, doch schließlich gab sie nach und flüsterte: »Ich will eine Jeans klauen. Ich weiß auch schon, welche.«

Ich hörte auf zu atmen.

»Alleine schaff ich es nicht, ich brauche jemanden, der Schmiere steht«, gab sie zu. »Und ich sag dir was: Das ist nicht irgendeine Jeans … Sie kostet vierhunderttausend Lire!«, rief sie leise. Ich stellte mir vor, wie sie die Hand vor den Mund hielt, um bei sich zu Hause nicht gehört zu werden. »Wenn du mitkommst, klau ich auch für dich ein Paar. Versprochen.«

Papa steckte den Kopf durch die Tür der Küche, wo er den Tisch abräumte, und warf einen Blick in den Flur, wo ich steif vor dem Telefontischchen stand. Er hätte wer weiß was dafür gegeben, dass ich ausging und mich in der Stadt eingewöhnte, die ich als feindselig empfand. Dabei hatte ich nur einen Wunsch, die Zeit zurückzudrehen, in das Leben davor zurückzukehren und ihn nie mehr zu sehen.

Ich hasste ihn, obwohl er mir nichts getan hatte. Aber das war gerade das Problem, das Nichts. Die nackten Wände des für meine Ankunft frisch geweißelten Zimmers. Das leere Bett, in dem ich jede Nacht die Augen aufriss und vergeblich nach ihrer Hand, nach ihrem Knie suchte. Die Wohnung, in der sie sich nicht mehr unterhielten, sich nicht mehr stritten, mich nicht mehr riefen und beharrlich nicht da waren.

»Ich bin dabei«, antwortete ich schließlich.

Ich stellte mir vor, dass Beatrice lächelte; intuitiv durchschaute sie mich. Klauen war das Letzte, wozu eine wie ich in den Augen aller, aber nicht den ihren, fähig gewesen wäre. Ich habe geschrieben, sie sei damals ein normales Mädchen gewesen, und das stimmt auch, aber sie hatte eine Gabe: Sie verstand zu lesen. Nicht an der Oberfläche, auch nicht im Innern, sondern im Herzen. Worte, Gesten, Gewohnheiten. Gerade sie, die mit ihrem Aussehen ihr Glück würde machen können, wusste, dass die Wahrheit einer Person wie diejenige eines Buchs in dem steckt, was stumm bleibt; und geheim.

»Um halb vier am Eisenstrand. Weißt du, wo er ist?«

»Ja.«

Sie legte auf. Und ich, das Telefonkabel in der Hand, kehrte, auch wenn ich es nicht wollte, auch wenn ich misstrauisch und seit vier Monaten tot war, ins Leben zurück.

*

Der Eisenstrand ist zu weit entfernt, dachte ich, als ich mich in aller Eile anzog, Papa ohne weitere Erklärung ein »Ciao« zumurmelte und das Haus verließ.

Er wurde so genannt wegen des dunkeln Sands, der Überreste einer alten Mine, und er lag mit Sicherheit nicht im Stadtzentrum. Ich hatte ihn zufällig im Juli gefunden, an einem der zahlreichen Nachmittage, an denen ich allein ziellos auf meinem Motorroller herumgefahren war. Er war mir aufgefallen, weil auch im Hochsommer niemand dort war. Es handelte sich um eine Felsbucht, in der das Wasser sofort tief wurde, und er lag trostlos in seiner Verlassenheit da, ein kümmerlicher kleiner Strand, den die Touristen links liegen ließen, zu dem ich mich jedoch sofort hingezogen gefühlt hatte. Aber während an jenem Novembersamstag der Regen meine Hose und meine Jacke völlig durchnässte, konnte ich beim besten Willen nicht begreifen, warum Beatrice sich dort mit mir verabredet hatte.

Weil sie sich meiner schämt, ist doch klar. Oder es ist ein Scherz, und sie wird nicht auftauchen.

An diesem Küstenabschnitt gab es weder Häuser noch Geschäfte, erst recht keine vierhunderttausend Lire teuren Jeans. An jeder Ampel bremste ich, drehte mich um und wurde von der logischen Versuchung gepackt, umzukehren. Doch ich fuhr, unwiderstehlich vorwärtsgetrieben, weiter.

Ich war »die Fremde«. So nannten sie mich in der Schule hinter meinem Rücken, laut genug allerdings, dass ich es hörte. Als käme ich aus Argentinien oder Kenia statt nur aus einer anderen Region. Kaum betrat ich das Klassenzimmer, umringten sie mich schon und kritisierten meine Schuhe, meinen Schulranzen oder mein Haar. Jedes Mal, wenn ich ein e oder ein z anders aussprach als sie, kicherten sie. Auch Beatrice kicherte. Sie hatte mich nie verteidigt, war nie in der Pause zu mir gekommen. Und was will sie jetzt von mir? Dass ich für sie Schmiere stehe?

Wie blöd ich doch bin.

Ich schlängelte mich die Kurven zum Aussichtspunkt hinauf und ließ in gedrückter Stimmung und mit trüben Gedanken die Ortschaft hinter mir. Es begann zu regnen, stellenweise brach fahles Licht zwischen dicken schwarzen Wolken hervor. Die Straßen, die Häuser, die Strände: alles nass. Unmöglich, dass eine wie sie meine Freundin werden wollte.

Sie schminkte sich und schien jeden Tag direkt vom Friseur zu kommen. Und ich? Vergessen wir es. Jemand hätte mir beibringen müssen, auch auf mein Äußeres Wert zu legen, aber das war nicht geschehen.

Als ich die Kreuzung am Ortsende erreicht hatte, blieb ich am Stoppschild stehen und fühlte mich derart unsichtbar, sogar für meine Verhältnisse, dass ich mich verstohlen im Rückspiegel betrachtete. Mein Gesicht war blass, sommersprossig. Ich hätte ein bisschen Makeup auflegen können, wenn es denn in diesem Haus Schminke geben würde, wenn noch irgendetwas Weibliches vorhanden wäre, aber da war nichts. Ich bog in die Straße, die zur windigen Spitze des Vorgebirges führte, und war mir sicher: Es handelte sich um einen Scherz. Ich würde mich allein dort wiederfinden, einsamer denn je, und würde mich von den Klippen stürzen. Ich war ein Fehler, ich konnte nur Fehler machen.

Doch sie war da.

Auf ihrem neuen SR Replica. Sie wartete auf mich unter dem schweren anthrazitfarbenen Himmel, den Helm zwischen den Händen und in einem dunklen Regenmantel, der sie bis zu den Füßen verbarg und aus dem nur ein Paar Stiefel mit so hohen Pfennigabsätzen hervorschaute, dass kein anderer Sterblicher, welchen Alters auch immer, in der Lage gewesen wäre, an einem Regentag einen Motorroller damit zu fahren. Der Wind ließ die langen Haare, die bis zum Po reichten und im Jahr 2000 weder üppig noch braun, sondern kastanienbraun waren, mit aufgehellten Spitzen, wie es damals Mode war, und mit einem Glätteisen geglättet, wild flattern. Sie hatte mich nicht angelogen, sie hatte mich nicht verraten; sie wollte tatsächlich mit mir ausgehen.

Ich verringerte die Geschwindigkeit und bremste ein paar Zentimeter vor ihrem SR meinen gebrauchten Quartz ab, der so ziemlich das Schlimmste war, was mein Vater hatte auftreiben können, und obendrein noch verunstaltet von peinlichen Aufklebern: ein erhobener Mittelfinger über dem hinteren Scheinwerfer, verschiedene Bulldoggen mit Irokesenschnitt und A für Anarchie, Punk-Überbleibsel, die nicht auf meinem Mist gewachsen waren.

Mit stockendem Atem, unregelmäßigem Herzschlag, weichen Armen und Knien nahm ich den Helm ab und hob den Blick, und bis jetzt, fast zwanzig Jahre später, hat sich ihr Gesicht meinem Gedächtnis eingeprägt. Es ist nicht wie das von heute, auf den Millionen Werbebildern an den Häuserwänden, den Titelbildern von Zeitschriften oder im Internet. Sondern wie es an jenem fernen Tag meiner Jugend war, dem einzigen, an dem ich sie außer Haus ungeschminkt gesehen habe. Auf dem nicht asphaltierten Parkplatz des Eisenstrands, niemand um uns herum, nur ich und sie von Angesicht zu Angesicht.

Die Haut ihres Gesichts war blass, gerötet und pickelig. Vor allem auf Kinn und Stirn waren die Versuche, sie auszudrücken, und Konstellationen schwarzer Pünktchen zu erkennen. Nicht dass dies ihre offensichtliche Schönheit geschmälert hätte, es waren ihre Gesichtszüge, die ohne die gewohnte Make-up-Maske unvollkommen und rund, ja sogar traurig wirkten. Der leichte Schmollmund mit den von der Kälte aufgesprungenen Lippen war ohne Lippenstift ziemlich nichtssagend. Aber die Augen waren schon damals außergewöhnlich, von einem Smaragdgrün, wie man es in der Natur nicht findet, mit langen Wimpern, die keiner Wimperntusche bedurften, und einem stummen, in ihrem Geheimnis versiegelten Blick; diese Augen, die der ganze Planet kennt oder zu kennen glaubt.

»Dein Motorroller ist scheiße, aber weißt du was, die Aufkleber gefallen mir.« Sie schenkte mir ein strahlend weißes Lächeln, das die Grübchen auf ihren Wangen betonte, ein entwaffnendes Lächeln, mit dem sie jeden um den Finger zu wickeln verstand.

»Ich habe sie nicht draufgeklebt«, erwiderte ich aufrichtig. »Das war mein Bruder.« Was letztlich der einzige Grund war, warum ich sie nicht abgekratzt hatte.

»Ich habe dich vorhin angelogen, aber nur, weil du sonst nicht gekommen wärst. Wir fahren nicht in die Stadt, wir fahren nach Marina di S, und dein Quartz ist zu auffällig. Du musst ihn hierlassen.«

»Hier?« Ich blickte mich um. Um uns herum war nur eine öde Heide mit Erika und Wacholder, die vom Mistral zu Boden gedrückt wurden. Es gab nur das abweisende Meer.

»Ich komm nicht mit. Das sind mindestens zehn Kilometer.«

»Zwölf«, präzisierte sie.

»Das schaffen wir nicht mit einem zweizylindrigen Motorroller. Mein Vater ruft die Polizei, wenn ich vor dem Abendessen nicht zurück bin.«

Das stimmte nicht; wenn ich um Mitternacht nach Hause käme, würde Papa denken, ich sei eine normale Vierzehnjährige, und sich freuen.

»Mein SR schafft achtzig in der Stunde, was denkst du denn? Ich komme schließlich nicht aus Biella wie du. Wenn wir uns beeilen, sind wir um sieben wieder hier. Seit Tagen plane ich das schon. Warum vertraust du mir nicht?«

Weil du mit diesen Absätzen nicht zwölf Kilometer mit achtzig Stundenkilometern fahren kannst. Und weil du mir einmal die Hand auf die Schulter gelegt hast und dann verschwunden bist. Und als du wieder aufgetaucht bist, hast du mich ignoriert und über die Sticheleien der anderen gelacht.

Aber das Schlimmste war, dass ich ihr bereits verziehen hatte.

»Na los, steig auf«, befahl sie mir und rutschte an die Spitze des Sattels, um mir Platz zu machen.

Ich stieg zögerlich von meinem Quartz; er war zwar Schrott, aber auch der einzige Motorroller, den ich hatte, und Papa, so sehr legte er Wert auf Äußerlichkeiten, hätte mir mit Sicherheit keinen schöneren gekauft.

»Was ist, hast du Angst, dass er dir geklaut wird?«, sagte sie lachend. »Von wem, den Möwen?«

Ich stieg hinter ihr auf, Beatrice gab Vollgas, sie hatte nicht gelogen, ihr SR war getunt. Sie fuhr den Pfad hinunter, der voller Schlaglöcher war, an der Sternwarte und dem Leuchtturm vorbei und im Slalom durch die Macchia, die nach Salz, feuchter Erde und wilden, zwischen den Steineichen versteckten Tieren roch.

Ich überwand meine Verlegenheit, klammerte mich an ihr fest und drückte meinen Oberkörper an ihren Rücken. Bea ließ mich gewähren, weil sie spürte, dass ich Angst hatte. Eine solche Geschwindigkeit war neu für mich. Die Räder rutschten auf dem nassen Asphalt, aber sie beschleunigte. Es fühlte sich an, als wären wir immer kurz davor, hinzustürzen.

Wir kamen auf die Landstraße: eine gerade zweispurige Linie voller Lastwagen und Autos, aber nicht ein Motorroller. Wir brausten mit siebzig Stundenkilometern dahin und überholten alle, so wie der Regionalzug mit den erleuchteten Fenstern dort oben im Norden, wo mein Leben geblieben war.

Im Westen zerriss die Sonne jenseits des Pinienwaldes die Wolken und senkte sich glühend aufs Meer. Im Osten waren die von den Minen ausgehöhlten Hügel bereits dunkel. Wir fuhren im Gleichgewicht auf der ununterbrochenen Linie, die die Fahrbahnen trennt, und die Autofahrer blinkten und hupten, um uns darauf hinzuweisen, dass diese Geschwindigkeit sehr gefährlich und es verboten sei, zu zweit auf einem Motorroller zu fahren. Ich schloss die Augen, ich bereute bereits, ausgegangen zu sein, auf sie gehört zu haben. Da löste Bea eine Hand vom Lenker.

Mit ihrer Hand, die in einem Wollhandschuh steckte, nahm sie meine nackte. Drückte sie.

Wir wussten so gut wie nichts voneinander, ich kannte ihren Schmerz nicht, und sie kannte meinen nicht, aber irgendetwas musste sie geahnt haben, denn ihre Finger schoben sich in meine und streichelten sie, und ich streichelte ihre. Und vielleicht deswegen, oder wegen der Kälte, begannen meine Augen verstohlen zu tränen.

*

Die Boutique hieß Scarlet Rose. Ich bin sicher, dass sie mittlerweile seit Jahren geschlossen ist, aber in jenem Winter in Marina di S war sie unübersehbar, mit sieben leuchtenden Schaufenstern an der Hauptstraße, und alle waren sie bereits gefüllt mit Weihnachtsdekoration. Die Boutique wirkte wie ein Raumschiff, so sehr strahlte sie.

Beatrice und ich blieben eine Weile davor stehen, uns halb zu Tode frierend, und beobachteten die Touristen, die aus Florenz, ja sogar aus Rom gekommen waren, die Regenschirme ausschüttelten und mit Millionen Lire in der Tasche eintraten.

Um uns herum war Marina di S von Leuten überschwemmt wie sonst nur am Wochenende oder in der Hochsaison. Der Menschenstrom war so dicht, dass man nicht durchkam. Von überallher tauchten Popcornwagen, Luftballonverkäufer und Akkordeonspieler auf, denen die abgehetzten Leute, beladen mit ihren Einkäufen, ein paar Münzen in den Hut warfen.

Mich haben diese Badeorte immer deprimiert, die rein touristisch sind und sonst nichts, anziehend nur wegen ihrer Nähe zum Meer. Marina di S war genau das: eine Ansammlung von Häusern um eine Reihe von Geschäften, mit einem kleinen Hafen sowie einem großen Kaufhaus und ohne Geschichte; ein bedeutungsloser Ort, der sich von Zeit zu Zeit herausputzt und nach Brigidini, Krokant und Pizza riecht. Und doch kam es mir an jenem Nachmittag wunderschön vor.

Beatrice hatte mich fest im Griff und drückte sich an mich. Vielleicht fürchtete sie, ich könnte es mir im letzten Moment noch mal überlegen, aber wieso hätte ich das tun sollen. An einem Samstag hier mitten auf der Hauptstraße zu stehen versetzte mich in einen Rausch: Es war das erste Mal, ich Arm in Arm mit einer Gleichaltrigen, unter einer Decke mit ihr. Ich wusste, dass es nur hier möglich war, wo uns keiner kannte, und dass Beatrice vollkommen ungeschminkt war, verborgen unter einem langen schwarzen Umhang statt in eine Wolke aus Glitter gehüllt, denn das war ihr Ziel: inkognito bleiben, aus den Augen, aus dem Sinn. Sie hatte die Kapuze über ihren Kopf gezogen und den Regenmantel geschlossen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, war es wunderbar: Nur wir beide wussten, was dieser Augenblick bedeutete.

Als sie sich entschlossen hatte, zog sie mich vor das dritte Schaufenster; genau in dessen Mitte funkelte, überflutet von Licht, was, wie sogar ich begriff, die Jeans sein musste. Auf jedem Quadratzentimeter mit Swarovski-Schmucksteinen besetzt, schmal und eng anliegend wie der Schwanz einer Meerjungfrau. Der Rest der Schaufensterpuppe war nackt, zwangsläufig: Was könnte man einer solchen Hose auch schon hinzufügen?

»Meine Mutter hat gesagt, dass sie sie mir nicht kauft«, erklärte sie, den Blick unverwandt auf sie gerichtet, »auch nicht zu Weihnachten, nicht einmal wenn sie das Einzige wäre, was ich mir wünsche. Sie ist ein gemeines Miststück.« Sie drehte sich zu mir. »Du hast keine Ahnung, was für ein gemeines Miststück meine Mutter ist, niemand weiß das.«

Ich schwieg, dieses Thema war tabu für mich. Ich begriff, dass es das auch für sie sein musste, denn sie fügte nichts mehr hinzu. Nachdem sie kurz überlegt hatte, blickte sie mir direkt in die Augen, mit einer Entschlossenheit, die ich nie vergessen habe.

»Eines Tages werde ich hineingehen und den ganzen Laden kaufen. Mit meinem Geld, das ich mir ganz allein verdient haben werde. Alles werde ich mir nehmen, den Laden plündern, leeren. Das schwör ich dir. Ich habe nie geklaut, und ich werde nie mehr klauen. Aber heute muss ich es tun, als Verteidigung. Verstehst du?«

»Ja«, erwiderte ich. Denn ich hatte tatsächlich das Gefühl, zu verstehen, dass der Jeansdiebstahl eine Frage von Leben und Tod war. Ich nahm mir fest vor, ihr zu helfen, die Jeans zu stehlen, auch auf die Gefahr hin, erwischt, identifiziert und aufs Polizeipräsidium gebracht zu werden. Dann würde mein Vater mich abholen, endlich einmal mich statt meines Bruders, und ich könnte ihn anschreien: »Hast du gesehen, wozu ich fähig bin? Wie schlecht es mir geht? Wie unglücklich ich hier bin? Bitte bring mich zurück nach Biella.«

Beatrice zog den Mantel aus, faltete ihn zusammen, steckte ihn in die Tasche und brachte ihr Haar in Ordnung. Und wie durch ein Wunder veränderte sich vollkommen ihr Aussehen.

Wir traten ein. Die Verkäuferinnen waren alle beschäftigt, was eine von ihnen aber nicht daran hinderte, uns zu bemerken, sich auf Beatrice zuzubewegen und einen überraschten und dann missmutigen Blick auf mich zu richten. Ich kann nicht mehr sagen, wie ich in diesem adrenalingeladenen Augenblick angezogen war. Nicht nur an dem Tag, sondern an jedem einzelnen versenkte ich meine Hände im Schrank und holte heraus, was da war, mit dem einzigen Ziel, mir was überzuziehen und unsichtbar zu werden. Nur dass in einem solchen Laden die Wirkung genau gegensätzlich war. Beatrice betrachtete mich ebenfalls und stellte mit Verspätung fest, dass auch ich, wie mein Quartz, eine Anomalie war.

Aber es gab jetzt kein Zurück mehr. Und niemand auf der Welt, niemand, kann eine Sache durchziehen wie Beatrice. Sie drückte ihre Lippen auf mein Ohr und flüsterte mir zu: »Tu so, als wärst du taubstumm.«

*

Als Erstes muss ich erzählen, wie Beatrice gekleidet war. Nicht nur weil ihre ganze Zukunft, ihr Ruhm und ihr Reichtum von ihrer hexenhaften Fähigkeit abhängen sollten, spurlos hinter ihrer Kleidung zu verschwinden. Sondern weil die Diebstahlsgeschichte und ihre Realisierbarkeit auf ebendieser Verkleidung beruhten.

Sie trug einen hellbeigen Mantel ihrer Mutter, der um die Taille mit einem prächtigen Elfenbeingürtel zusammengebunden war und ihr ein so vornehmes Aussehen verlieh, dass sie mindestens fünf Jahre älter wirkte.

Dazu die bereits erwähnten Stiefel aus weichem, schwarz glänzendem Leder.

Und zu guter Letzt einen bodenlangen Samtrock, ebenfalls schwarz, mit Rüschen und schillernden Einsätzen aus Organza; den Modedesigner weiß ich nicht mehr, aber die Verkäuferin, die uns erspäht hatte, wusste es, und sie ging uns in die Falle. Sie näherte sich Beatrice, sobald sie mit der anderen Kundin fertig war, um ihr zu sagen, der Rock sei wunderschön und wenn sie etwas suche, das sie damit kombinieren könne, sei sie am richtigen Ort. Beatrice schwindelte ihr sofort vor, sie habe ihn in Florenz gekauft, weil sie dort mit mir lebe, ihrer kleinen, bedauernswerten Schwester.

In Wahrheit waren wir damals beide vierzehn, nur dass sie wie zwanzig und ich wie zehn aussah. Von Anfang an stand ganz selbstverständlich fest, dass sie die Hauptperson sein würde, und dieses Gesetz bestimmte unsere ganze Zukunft. Auch den Ausgang unserer Geschichte, dem ich es zu verdanken habe, dass ich hier im Verborgenen schreibe, während sie dort im Mittelpunkt der Welt steht, in aller Munde.

Die Verkäuferin bahnte sich einen Weg zwischen den Ständern hindurch. Beatrice begann damit, dass sie eine Bluse brauchen könnte. Sie zog den Mantel aus und reichte ihn mir mit ihrer Tasche. Sie stützte die Hände auf den Tisch, auf dem Blusen, T-Shirts und Tops lagen. Ich bemerkte, dass ihre Augen ganz grün und begehrlich geworden waren, als wäre sie verzaubert.

»Ich probiere sie alle an«, sagte sie und ging in die Garderobe.

Ich folgte ihr gehorsam, blieb aber draußen. Ich sah undeutlich, wie sie sich entkleidete, einen Arm, eine Schulter. Die nach draußen gestreckte Hand: »Die nicht, die gefällt mir nicht!«, rief sie. »Jetzt die andere!« Gierig, gebieterisch. Dann kam sie heraus. Ging direkt zum Spiegel. Betrachtete sich. »Nein, die steht mir nicht.« Wütend.

Sie ließ sich andere Blusen, Pullover, Strickjacken bringen. »Ach!«, rief sie nach einer Weile hinter dem Vorhang. »Haben Sie auch etwas ausgefallenere Jeans, die ich anprobieren könnte?«

Die Verkäuferin war inzwischen wie benommen. Beatrice hatte vor und in der Garderobe Berge von Kleidungsstücken angehäuft und erzählte ohne Ende, dass ihr Vater ein berühmter Journalist sei, dass ihre Tante in Paris in einem Modeatelier arbeite und dass ich, nun ja, diese seltene Krankheit hätte, die dafür verantwortlich sei, dass ich nicht wachse und nicht spreche, und dass unsere Mutter beinahe depressiv geworden sei. Bea erfand, schmückte aus, sie war eine begnadete Erzählerin. Bis ihr aus dem Schaufenster die Jeans gebracht wurde.

»Das ist die letzte, die wir noch in Größe 38 haben.«

Beatrice schwieg und richtete den Blick auf die Arme der Verkäuferin, auf denen die Jeans lag, als wäre sie ein lebendiges Wesen. Ihr Blick war dunkel geworden wie die nächtliche Tiefe eines Waldes.

»Nein, die ist zu auffällig«, entschied sie.

»Glauben Sie mir, die wird Ihnen großartig stehen. Sie können sie an Neujahr anziehen, sogar mit einem einfachen T-Shirt machen Sie Eindruck.«

Ich war verblüfft, dass diese Frau sie siezte und sie als ebenbürtig behandelte. Mir war das in noch keinem einzigen Geschäft passiert.

Nach einer Weile sagte Beatrice, als müsste sie sich überwinden: »Na ja, wenn Sie wirklich drauf bestehen …«

Sie nahm sie und schloss den Vorhang hinter sich. Kaum war die Verkäuferin gegangen, streckte sie ihr Gesicht halb heraus, um mir zu bedeuten, zu ihr reinzukommen.

Sie war nackt. Sie trug nur einen BH und einen Tanga. Mich überkam ein starkes, verwirrendes Gefühl, eine Mischung aus Unbehagen und Anziehung. Doch sie bemerkte es nicht. Sie nahm das Preisschild, klemmte es zwischen Zeigefinger und Daumen und zeigte mir den Preis: vierhundertzweiunddreißigtausend Lire.

»Hast du gesehen?«, fragte sie, und ihre Augen waren vor Erregung geweitet. »Begreifst du?«

Ich war sprachlos, und das war nicht gespielt. Nicht weil der Gegenstand kostete, was er kostete, sondern weil Beatrices unbekleideter Körper ein so krasser, überwältigender Anblick war. Wie die Nike von Samothrake, die Daphne von Bernini, aber auch die Lava, die Erde, etwas Schmutziges. Ich hätte nie gedacht, dass Schönheit wehtun könnte.

Sie zog mit gesenktem Blick langsam die Jeans an und wartete. Wie mein Vater, bevor er die Polaroids umdrehte; er wartete ab, dass sie sich erschufen, dass aus dem Nichts eine Form erblühte und ihre Wahrheit enthüllte oder ihre Lüge. Sie schaffte es, zwanzig Sekunden mit geschlossenen Augen vor dem Spiegel zu stehen. Dann riss sie sie auf. Und ich las sie in ihrem Gesicht: die Freude.

Taghell erleuchtet vom weißen Spot, in der Heimlichkeit der Garderobe, war das gerade entstandene Bild, in Jeans und BH, ein Magnet.

Ich konnte den Blick nicht abwenden, als stünde ich unter Hypnose.

Eine wie sie konnte keine Ablehnung erfahren. Sie konnte weder verlassen noch ignoriert werden. Nur geliebt und vom Universum beneidet.

Als hätte Beatrice meine Gedanken erraten, sagte sie: »Ich gehe allen auf die Eier, hast du das bemerkt? Sie sind alle freundlich zu mir, aber sie hassen mich, fragen mich nie, ob ich mit ihnen ausgehen will. Aber stell dir vor, ich komme eines Morgens so in die Schule, wie das an ihnen nagen würde. Kannst du dir das vorstellen? Selbst meine Mutter würde schlucken, weil ich jung bin und sie nicht, weil ich schöner als sie bin. Verstehst du, warum ich es tun muss?«

In Wirklichkeit verstand ich es nach wie vor nicht, aber ich wollte ihre Freundin sein.

Beatrice nahm meine Hände, als wäre ich ihre Braut.

»Bist du bereit?«

»Ich bin bereit.«

Sie lächelte mir zu und blickte mir in die Augen.

»Dann muss es dir jetzt schlecht gehen.«

Ohne die Jeans auszuziehen, schlüpfte sie in den langen Rock, zog sich in aller Eile an und rief meinen Namen: »O Gott, Elisa!«

Was wusste sie von meiner Vergangenheit? Nichts. Und doch hatte sie mich gerade gebeten, das zu tun, was ich am besten konnte: die Luft nicht mehr in der Lunge und den Boden nicht mehr unter den Füßen spüren; das Herz, das wie verrückt schlägt, als würde es jeden Augenblick zerspringen. Man nennt es Panikattacken, aber für mich waren es immer Einsamkeitsattacken; sie begannen an einem bestimmten Morgen meiner Kindheit, von dem ich sogar erzählen könnte, wenn die Erinnerung daran mich nicht quälen würde.

Ich verließ nach Luft schnappend die Garderobe. Beatrice begann zu schreien und verbreitete Panik im Scarlet Rose. Ich zitterte. Alle umringten mich. Jemand eilte mit einem Glas Wasser herbei.

»Luft, Luft!«, flehte Beatrice und zog mich zum Ausgang. Sie weinte. Eine Stimme schlug vor, einen Krankenwagen zu rufen, und sie erwiderte verzweifelt: »Ja, sofort! Mama, Papa!« Sie rief nach unseren imaginären Eltern. Ich war blau durch das Luftanhalten. Sie zog heimlich die Schuhe aus und steckte sie in ihre Tasche. Sie riss die Tür auf. Dann weiß ich nur noch, dass wir losrannten.

Mit einem Affenzahn über den Corso rannten, wo kein Durchkommen war, aber wir drängelten uns voran, und dann hinunter durch die schlecht erleuchteten Gassen, hinter den eng geparkten Autos, dicht an den Mauern entlang. Kurz vor dem Herzinfarkt erreichten wir den Motorroller, den wir an der Auffahrt zur Aurelia stehen gelassen hatten.

Beatrice setzte ihren Helm auf, reichte mir meinen, klappte den Kippständer nach unten und lachte laut los.

»Du bist großartig gewesen, Eli, großartig!«

Eli hatte sie mich genannt. Es kam mir vor, als wären wir Töchter derselben Geschichte, eng vertraut wie siamesische Zwillinge. Ich war stolz auf mich, auf uns. Nicht einmal als ich die Grundschule mit lauter »Sehr gut« und später mit »Sehr gut und ehrenvolle Erwähnung« die Mittelschule beendet hatte, hatte ich mich so gut gefühlt.

Wir sausten durch die von den Scheinwerfern der Autos erhellte Dunkelheit, an diesem Samstagabend, der wie im Film zum exakten Mittelpunkt des Lebens geworden war. Ein kurzer Halt, um zu tanken, und dann weiter mit siebzig Stundenkilometern, wenn möglich noch schneller. Wir erreichten den Eisenstrand, als nur noch der Mond Küste und Meer beleuchtete. Der Himmel war so klar, dass man die Sternbilder des Stiers und der Zwillinge erkennen konnte.

Ich stieg von ihrem SR und setzte mich auf meinen Quartz.

»Es tut mir leid, dass ich nicht auch eine für dich klauen konnte«, sagte sie und schaltete den Motor aus. »Ich werde dir meine leihen.«

Sie hob den Rock, um sie mich sehen zu lassen. Im kalten Licht des Mondes flammten die Swarovski-Schmucksteine auf.

»Bea«, sagte ich – und nannte sie zum ersten Mal so –, »die kann ich nicht anziehen.«

»Warum?«

»Hast du mich mal angeschaut?« Ich lächelte, als wollte ich mich entschuldigen.

»Du hast keine Ahnung«, erwiderte sie ernst. »Komm am Montag nach dem Mittagessen zu mir, Via dei Lecci 17, und ich zeige dir was, das noch niemand gesehen hat.«

»Ich weiß nicht, ob ich kann …«

»Du kannst.«

Es war spät. Wir brausten den Abhang hinunter, ohne noch etwas hinzuzufügen, sie vorn und ich hinterher. So wie es für lange Zeit sein sollte: vor und hinter dem Spiegel, dem Fotoapparat, dem Computer, sie im Licht und ich im Schatten, sie, die redet, und ich, die ihr zuhöre, sie, die sich entfaltet, und ich, die sie anschaue.

Aber an jenem Abend verfolgten wir uns und spielten nur, uns zu überholen. Sie auf ihrem funkelnden SR, ich auf meiner Schrottkarre. Holpernd inmitten der Schlaglöcher, den Wurzeln der Pinien ausweichend, die die Straße aufbrachen, schreiend und kreischend. Wie zwei Verrückte.

Als wir wieder in der Stadt waren, war es nach neun. Am Kreisverkehr der Via degli Orti bog sie nach rechts, ich nach links. Wir verabschiedeten uns mit einem Hupen und dem Versprechen, uns wiederzusehen: am Montag, nach der Schule.

Dann endete der Traum. Ich spürte, wie der Kummer wieder meinen Magen füllte, während ich vor dem Haus parkte. Licht brannte in der Küche im Hochparterre, wo nur mein Vater auf mich wartete.

2Zwei Fremde

Der Eingang des Mehrfamilienhauses war verschlossen, die Wohnungstür offen, als hätte er das Motorengeräusch des Quartz erkannt oder, schlimmer, die ganze Zeit am Fenster auf meine Rückkehr gewartet.

Hätte ich einen anderen Ort gehabt, wohin ich hätte gehen können, hätte ich es getan. Diese dunkle Wohnung mit den der Stille überlassenen Zimmern – alle mit Ausnahme von einem – bestätigte mir, wie allein wir waren.

Ich ging durch den Flur mit abgewogenen Schritten, wie es Gäste in den Wohnungen anderer machen. In der Luft lag ein verlockender Geruch von Fischsauce, und ich hatte Hunger. Mit schlammigen Sohlen und der abgelegten Winterjacke meines Bruders blieb ich am Türpfosten der Küche stehen.

Der Tisch war sorgfältig gedeckt, nicht so schlampig, wie Mama es immer gemacht hatte. Die Tischdecke war sauber und gebügelt, die tiefen Teller standen auf den flachen, die Servietten waren aus Stoff, keine hingeworfenen Toilettenpapierblätter. Auf kleinster Flamme kochte Wasser, die Spaghetti lagen bereits abgewogen auf der Waage. Im Fernsehen lief eine Folge von Superquark, der Papa aufmerksam folgte.

Es war zwanzig vor zehn.

Er wandte sich in aller Ruhe zu mir und fragte: »Ich schmeiß die Nudeln ins Wasser?«

Ich nickte. Die Taubstumme war mir seit Monaten zur Gewohnheit geworden.

»Du kannst dir die Schuhe und die Jacke ausziehen, wenn du willst, und dir auch die Hände waschen.«

Seine guten Manieren irritierten mich, wir sprachen nie über Hygiene. In meinem früheren Leben hatte mir niemand gesagt, ich solle mir die Hände waschen. Mein Bruder zählte das Geld für das Haschisch, machte es zwischen Daumen und Zeigefinger über der Flamme des Feuerzeugs weich und steckte dann die Finger in die Chipstüte. Manchmal war diese Chipstüte sogar das Abendessen.

Ich ging zur Spüle, nahm ein bisschen Spülmittel und rieb mir hastig Finger und Handflächen. Ohne die Jacke auszuziehen allerdings, und auch nicht die Schuhe: ein Paar violette Springerstiefel mit Stahlkappen, das, wenn ich ging, an Charlot erinnerte. Die Schuhe hatten Größe 40, und meine Größe war 36, aber sie hatten Sebo gehört, dem besten Freund von Niccolò, und leisteten mir Gesellschaft.

»Hör mal.« Papa deutete auf den Bildschirm, über den Bilder von Planeten und Nebeln liefen. »Das ist interessant. Im humanistischen Gymnasium lehrt man Astronomie erst im dritten Jahr, und das ist schade.«

Ich hatte keine Ahnung, wann ich Astronomie haben würde, ich hatte gerade mal das Gymnasium begonnen. Seine Versuche, ein Gespräch anzufangen, noch dazu über wissenschaftliche Themen, nervte mich noch mehr als seine guten Manieren.

»Mich fasziniert die Vorstellung, dass wir nur zehn Prozent vom Universum kennen«, fuhr er fort, wobei er die Spaghetti umrührte, »während der Rest, die überwältigende Mehrheit dessen, was existiert, ein Geheimnis bleibt.«

Leider belauschte ich ihn. Ich spionierte ihm sogar hinterher, genauso wie er es mit mir machte. Ich ging an seinem Arbeitszimmer vorbei und warf einen schrägen Blick hinein. Wenn ich hörte, dass er mit einem Kollegen telefonierte, näherte ich mich und lauschte. In Wirklichkeit verstand ich wenig oder nichts. Aber ihm erging es noch schlechter, weil ich mit niemandem sprach, die Tür meines Zimmers immer geschlossen war und ich, wenn ich ins Badezimmer ging, nicht nur den Schlüssel zweimal umdrehte, sondern auch alle Hähne öffnete.

Wir waren Vater und Tochter, aber auch zwei vollkommen Unbekannte. Mit vierzehn Jahren Verspätung war es ein bisschen schwierig, eine Beziehung zu beginnen.

An diesem Novemberabend 2000 fühlte ich mich in die Ecke gedrängt, da auf meinem Stuhl neben dem glühend heißen Heizkörper in meiner Bomberjacke. Verschanzt in einer Blase aus Unduldsamkeit und Groll, von der ich nicht wollte, dass sie platzte. Im Hintergrund erklärte Piero Angela den Unterschied zwischen einer elliptischen Galaxie und einer Spirale. Mein Vater probierte einen Spaghetto.

»Das Internet ist auf die gleiche Weise organisiert«, bemerkte er, »der zugängliche Teil ist nicht mehr als ein Prozent.« Er probierte einen zweiten und beschloss, sie abzugießen. »Aber stell dir nur mal vor, wie sehr sich mit diesem einen Prozent das Leben auf dem Planeten ändern wird. Sie haben euch in der Schule doch erklärt, was das Internet ist, oder? Was für eine ungeheure Informationsquelle?«

Für mich war es in jenen Monaten vor allem eine Quelle von Ärger, denn wenn er sich mit dem Internet verband, konnte ich nicht telefonieren. Seine Chats, seine Websites waren mir scheißegal. Mich beeindruckte vielmehr, dass er mir um zehn Uhr abends Spaghetti mit Meeresfrüchten kochte. Das rührte mich. Und deswegen wurde ich nervös. Abendessen mit ihm waren eine Qual.

»In den nächsten Tagen würde ich gern ein E-Mail-Postfach für dich einrichten, Elisa«, sagte er, während er die Spaghetti in der Sauce schwenkte. Ich erstarrte, denn ich hatte keine Ahnung, was ein E-Mail-Postfach war, allein der Name gefiel mir schon nicht. »Das wäre schön. Ich denke, gerade jetzt brauchst du eine E-Mail-Adresse.« Er näherte sich dem Tisch, füllte die Teller und stellte die leere Pfanne auf den Herd zurück. »Ihr könntet euch den ganzen Tag schreiben, ohne warten zu müssen, euch näher fühlen, du und deine Mutter.«

»Das brauch ich nicht«, erklärte ich sofort mit harter und wackeliger Stimme.

»Warum nicht? Du wirst sehen, wie nützlich es für dich ist, und wie schnell.«

»Wir haben ja schon das Telefon«, erwiderte ich, darüber hinweggehend, dass es nur selten klingelte. Mein Vater rollte Spaghetti um seine Gabel. »Guten Appetit«, wünschte er mir. Ich probierte. Sie waren gut, aber ich sagte es ihm nicht. Ich starrte unverwandt auf den Tisch.

»Ich glaube, es könnte eine Möglichkeit sein zu versuchen, wieder miteinander zu kommunizieren, in Ruhe, alle miteinander. Was meinst du?«

Ich wäre am liebsten aufgestanden, hätte den Teller umgeworfen, alles zerschlagen, ihn erwürgt.

»Das Telefon ist für uns nicht das geeignetste Mittel. Beim Sprechen sind wir zwangsläufig befangen. Schreiben ist da ganz was anderes. Wir können uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, um die Worte zu wählen, zu arrangieren, wenn nötig auszutauschen.«

Was erlaubst du dir eigentlich?, dachte ich. Was weißt du schon vom Schreiben, scheiß Ingenieur, der du bist?

»Der Computer ist da«, fuhr er fort, »du kannst in mein Arbeitszimmer gehen, wann du willst, und dir die Privatsphäre und die Zeit nehmen, die du brauchst. Ich glaube, ich werde deiner Mutter einen zu Weihnachten schenken.«

Ich bekam einen Hustenanfall, erstickte fast an meiner Spucke und verspürte den Drang, mich zu übergeben. Das war nur eine Strategie, um ihn nicht merken zu lassen, dass mir die Tränen kamen. Mama und Weihnachten im selben Satz lösten einen Kurzschluss aus. Papa reichte mir ein Glas Wasser. Er stand auf und kam zu mir. Er zog mir Niccolòs Jacke aus und strich über mein schweißnasses Haar. Dann zog er die Hand zurück. Diese Geste war zu liebevoll.

»Ich verspreche dir, dass wir ein schönes Weihnachtsfest haben werden. Ich werde dafür sorgen, dass sie herkommen, und sie überreden, bis zum Dreikönigsfest hierzubleiben. Schlimmstenfalls fahren wir zu ihnen. Mach dir keine Sorgen.«

Schlimmstenfalls werde ich weglaufen, und du wirst mich nie mehr finden.

Ich werde mich zum Beispiel in der Palazzina Piacenza verstecken.

Sobald ich achtzehn bin.

Dieser Gedanke beruhigte mich. Auch meinen Bruder beruhigte immer der Gedanke an die Volljährigkeit. Sie war das Ziel, der Beweis, dass man durchhalten, Geduld haben musste, am Ende aber würden wir befreit sein von den unsinnigen Entscheidungen unserer Eltern.

Papa setzte sich wieder an seinen Platz, und ich hob den Kopf, um ihn anzusehen. Ich sah wohl verstört aus. Ich erkannte es an seinem bekümmerten Gesichtsausdruck.

Er gab sich große Mühe. Der siebenundvierzigjährige Mann, der mir da gegenübersaß, mit ergrautem Haar und Bart, der Brille mit dem dicken schwarzen Gestell, dem Gesicht des Ur-Nerds, strampelte sich ab für seine Tochter, kochte, putzte, räumte auf. Er hatte sich an der Universität für sechs Monate beurlauben lassen, um sich um mich zu kümmern und den Hausmann zu spielen.

Nur ich wollte sie nicht, die Liebe eines Fremden. Ich wollte Mama, die mich nicht anrief, Niccolò, der sich mit Joints zudröhnte. Nicht diesen gebildeten Vater mit vielfältigen Interessen, der ein Lächeln, ein Zeichen der Öffnung von mir erbettelte. Dieser arme Teufel, der plötzlich aus heiterem Himmel für eine halbwüchsige Tochter sorgen musste.

Noch dazu für eine wie mich.

Ich trug die Haare kurz geschnitten wie ein Junge, karottenrot wie meine Mutter. Auch die Sommersprossen hatte ich von ihr geerbt, wie die nussbraunen Augen. Ich war winzig und wog um die fünfundvierzig Kilo, also nicht viel. Ich hatte keine Hüften und keine Titten, weswegen ich problemlos die Kleidung tragen konnte, die meinem Bruder nicht mehr passte oder die übrig blieb, wenn die Töchter von Mamas Freundinnen ihre Schränke ausmisteten. Das Ergebnis war, dass ich in weiten Jeans herumlief, die ich absichtlich mit Bleichmittellösung fleckig gemacht hatte, dass ich Blusen mit rundem Kragen, die nach Grundschule aussahen, Sweatshirts der Sex Pistols, die zwei Nummern zu groß waren, und schottische Faltenröcke trug. Ich war ganz eindeutig eine Außenseiterin. Aber das waren wir in meiner Familie, in unterschiedlichen Schattierungen, alle.

Das Telefon läutete, und ich fuhr zusammen. In jener Zeit wurde mein Leben buchstäblich bestimmt und getaktet von diesem weiß-grauen Apparat mit der Aufschrift »Telecom Italia«.

Ein einziges Läuten, und ich sprang vom Stuhl auf und stürzte in den Flur. Ich wusste, dass sie es war; wer sonst hätte es um diese Uhrzeit an einem Samstag sein sollen? Wie ein Blitz stürzte ich mich auf den Hörer.

»Mama!«, rief ich.

Ich ließ mich auf den Boden fallen, und der Hörer klebte so sehr an meiner Ohrmuschel, dass er eins mit ihr geworden zu sein schien. Ich hielt ihn mit beiden Händen und presste die Lippen auf ihn. Ich umklammerte ihn. Ich war so glücklich, dass sie mich nicht vergessen hatte.

»Liebling, wie geht es dir?«

»Gut«, log ich und bombardierte sie sofort mit Fragen: »Was habt ihr heute gemacht? Hat es geschneit? Hast du Sonia und Carla von mir gegrüßt?« Ich wollte alles von Biella wissen, von dem Leben, das sie ohne mich führten. »Und ist Niccolò da?«

»Nein, mein Schatz, er ist im Babylonia.«

Das »Baby«, allein schon den Namen zu hören rührte mich und versetzte mich in eine der Nächte, die wir dort verbracht hatten, Niccolò, der in der Halle Pogo tanzte, und Mama und ich, die draußen im Wagen auf ihn warteten. Den Sitz nach hinten geneigt, eine Wolldecke über den Beinen und die Fenster selbst im Winter geöffnet. Wie schön war es, neben Mama einzuschlafen, die Bier aus der Flasche trank und rauchte; Gelächter um uns herum.

»Es hat geschneit, aber nur über Andorno«, sagte sie. »Die Berge sind ganz weiß.«

Ihre Stimme ließ mich sie sehen. Den Cresto, den Camino, den Mucrone. Sie waren wie Personen für mich. Und ich wurde verrückt vor Ungeduld.

»Bist du in der Bibliothek gewesen?«

»Wie hätte ich das tun sollen? Samstags arbeite ich auch nachmittags, wenn es Verspätungen bei den Lieferungen gibt. Das weißt du doch.«

In Wirklichkeit wusste ich nichts von ihrer neuen Stelle in der Hutfabrik Cervo. Es machte mich traurig, ausgeschlossen zu sein, ich, die ich früher stundenlang auf dem Parkplatz der Liabel gelesen und ihre Kollegen und ihre Arbeitszeiten gekannt hatte.

»Und was hast du gemacht?«

»Nichts.«

»Nichts ist unmöglich.«

»Ich war unterwegs«, gab ich zu.

»Das ist ja eine wunderbare Nachricht! Mit wem?«

Ihre Freude verletzte mich, das bedeutete, dass sie nicht eifersüchtig war.

»Mit einer Klassenkameradin. Beatrice.«

»Freundschaften sind wichtig, Eli, vergiss das nie. Kannst du mir kurz deinen Vater geben?«

Schon? Mein Herz verkrampfte sich. Es zersprang.

Warum hast du mich so wenig gern, Mama?

Ich rief Papa, gab ihn ihr. Er hatte recht: Das Telefon war für uns als Familie nicht geeignet. Denn wir waren überhaupt keine Familie.

Ich hatte keine Lust mehr, sie miteinander sprechen zu hören, als wäre ich gar nicht da, und schloss mich daher in mein Zimmer ein.

Ein paar Umzugskartons standen noch auf dem Boden an der Wand, mit Klebeband verschlossen. Sie nicht zu öffnen gab mir die Illusion, dass mein Aufenthalt hier nur vorübergehend wäre und mein Bruder und meine Mutter mich eines Tages wieder zu sich holen würden. Ich ließ mich aufs Bett fallen und griff nach dem Walkman. Er gehörte auch zu den abgelegten Sachen von Niccolò, wie die Jacken und Sweatshirts. Er hatte ihn mir nur geschenkt, weil er sich einen tragbaren CD-Player gekauft hatte, sonst hätte er ihn weggeworfen. Aber ich steckte die Finger in die Spulen der Musikkassette und zog zum Spaß das Magnetband heraus. Da ich ihn nicht streicheln konnte, streichelte ich Enema of the State von Blink-182.

Ich suchte im Schrank den Roman, den ich nicht in die Bibliothek zurückgebracht hatte, bevor ich fortgegangen war. Den Pyjama mit Herzen, den ich meiner Mutter aus dem Koffer geklaut hatte, bevor sie gegangen war. Ich legte alles auf einen Haufen, umarmte es und spürte die enorme Fähigkeit der Gegenstände, die Gerüche und Stimmen freizusetzen, die sie in sich aufgenommen haben. Die Erinnerungen präsent zu machen.

Ich hatte nichts mehr, nichts.

Ich nahm den Walkman, den Roman und den Pyjama mit ins Bett, wie es ein Schiffbrüchiger mit den letzten Dingen eines Lebens macht. Ich hatte nicht einmal ein Foto von uns dreien, einen Beweis dafür, dass wir glücklich gewesen waren. Ich besaß nur ein Tagebuch mit einem Vorhängeschloss, in dem ich mich darin übte, einen Eindruck, ein Gefühl festzuhalten, damit mir wenigstens in den Worten etwas blieb.

Ich holte den Schlüssel unter der Matratze hervor und öffnete es.

Bis wohin war ich gekommen? Ich blätterte die Seiten um. Bis »betagt«.

Aber konnte man das von einem Baum sagen? Ich hatte zweiundfünfzig Adjektive für die Platane vor dem Fenster aufgelistet, während ich ihn stunden- und tagelang angestarrt hatte, und doch wusste ich nicht, welches ich wählen sollte.

Wie ist diese Platane, Elisa?

Ich weiß es nicht.

Wenn du sie jemandem beschreiben müsstest, der sie nicht sehen kann, was würdest du sagen? Dass sie traurig ist, dachte ich. Sie ist ganz dürr, kahl, und steht dort im Hinterhof ganz allein wie angewurzelt im Beton.

Sie ist traurig, ja. Oder bist du es?

Ob Beatrice auch ein Tagebuch hatte, fragte ich mich. Was sah sie von ihrem Fenster aus, in was für einem Haus wohnte sie, in welchem Stock? Am Montag würde ich es erfahren. Mein Herz beruhigte sich und begann wieder zu schlagen. Ich stand auf, um den Stadtplan von T zu holen und in dem Gewirr die Via dei Lecci 17 zu suchen. Ich fand sie in einem entfernten Viertel, auf einem Hügel. Mit dem Kugelschreiber zeichnete ich den Weg von meinem Haus zu ihrem und musste unwillkürlich lächeln. Ich hatte jetzt eine Perspektive. Das linderte den Schmerz. Nicht sehr, aber es machte ihn erträglicher.

»Vergilbt«, machte ich weiter. »Halb nackt.« Sogar: »Allein.« Niemand in der Klasse hatte mich je gefragt: »Wo liegt Biella? Was gibt es da Besonderes?« Sie sagten, es sei la biella, die Treibstange des Motors, ich sei sbiellata, hätte eine Meise, blöde Bemerkungen von Leuten, die keine Ahnung haben. Ich blickte vom Tagebuch auf und hörte, wie die Stille aus den anderen Zimmern drang. Papa hatte plötzlich genervt aufgelegt. Das Telefongespräch war beendet. Mama hatte nicht noch einmal mit mir sprechen wollen. Ich betrachtete die nackten Wände im Licht des Lampenschirms: Sie sahen aus wie Gitterstäbe, das geschlossene Gebäude eines Waisenhauses.

Wie konntest du mich hierlassen?

Niccolò mitnehmen und mich im Stich lassen?

Mama, warum?

3Abschied vom Ausblick

Zunächst waren wir alle drei nach T umgezogen. Am 29. Juni 2000 waren wir im Alfasud mit drei Koffern und vier Gramm Haschisch losgefahren, weil Mama die Arbeit bei der Liabel verloren und im selben Augenblick beschlossen hatte, es noch einmal mit Papa zu versuchen.

Im Fall von Mama von Entscheidung zu sprechen ist nicht ganz richtig: Sie handelte eher impulsiv. Eines Nachmittags im April oder März kam sie nach Hause und ließ sich aufs Sofa im Wohnzimmer fallen, wo ich Hausaufgaben machte und Niccolò den Drachen zeichnete, den er sich tätowieren lassen wollte. Ich erinnere mich ganz genau an sie: die freche Mähne, die karottenrote Pagenfrisur ohne ein einziges weißes Haar, die Stupsnase, die Sommersprossen, die gelben, nach Art der jungen Mädchen violett geschminkten Augen. Man konnte sie für halb so alt halten, wie sie war, nicht zuletzt wegen ihrer kleinen Gestalt und ihres Körpers, der ständig in nervöser Bewegung war. Sie zündete sich eine Zigarette an und sagte: »Kinder, wir gehen fort.«

Ich ging in die achte Klasse, mein Bruder in die zwölfte.

Im ersten Augenblick konnten wir nicht im Entferntesten ahnen, was los war.

»Sie haben mich wegen eines Höschens entlassen«, informierte sie uns und stieß den Rauch aus. Sie lächelte verwundert. »Es scheint eine Katastrophe zu sein, aber wir werden eine Chance daraus machen.«

Und dann stand sie auf und ging schnurstracks in den Flur – mit uns beiden im Schlepptau, nichtsahnend, aber bereits alarmiert. Sie dagegen war euphorisch, als hätte sie den Schlüssel zum Glück gefunden. Sie nahm den Hörer und wählte die Nummer. Das alles spielte sich direkt vor uns ab.

»Ich hab nachgedacht«, begann sie. »Geben wir uns eine zweite Chance, Paolo. Wir sind noch jung, wir verdienen es. Unsere Kinder brauchen uns, ich brauche dich. Ich brauche einen Tapetenwechsel, ich muss mein Leben ändern. Ich bitte dich.«

Und sie reichte uns an Papa weiter, der immer nur eine Stimme am Telefon gewesen war, allerhöchstens eine wortkarge Erscheinung an Ostern und Weihnachten, indem sie den Hörer energisch vor unserer Nase schwenkte: »Los, sagt etwas zu ihm!« Zuerst Niccolò, dann ich. Und wir waren so verstört, dass wir nicht einmal die übliche Zusammenfassung herausbrachten: »Alles okay, Schule okay.«

Die Wahrheit ist, dass wir, als Mama diese Kurzschlusshandlung vollführte und uns plötzlich zwang, unsere Leben zu unterbrechen und die Stadt, in der wir geboren wurden, die Wohnung, in der wir aufgewachsen waren, zu verlassen, um mehr als fünfzig Kilometer wegzuziehen, keine Ahnung hatten, wer unser Vater war. Er war der Mann, der uns Geld schickte, der sonntagvormittags anrief, den wir theoretisch lieben sollten, aber sonst?

Er hatte uns nie gefehlt.

Auch von T kannten wir nicht viel: den Strand, an dem wir uns während der zweiwöchigen Ferragosto-Ferien langweilten, wenn Mama uns zu ihm schickte und jedes Mittag- und Abendessen eine Qual war; der Spaziergang mit den vertrockneten Palmen und Oleandern; die Altstadt mit der Festung, die seit einer Ewigkeit restauriert wurde. Die Adressen von Strandfreunden, denen wir nie geschrieben hatten und die sich innerhalb eines Jahres so sehr verändert hatten, dass wir sie im nächsten Sommer nicht mehr erkannten, beschränkten sich auf zwei oder drei. Aber das, was uns an jenem Nachmittag mehr als alles andere erschreckte, mit dem Hörer in der Hand, war die Vorstellung der beiden zusammen. Es war das totale Unverständnis dafür, wie ein derart verschlossener Mann, ein Universitätsprofessor, an unsere Mutter geraten, ihr zwei Kinder machen und ihr eine zweite Chance geben konnte, nicht als die Kinder klein gewesen waren und sich vielleicht einen Vater gewünscht hätten, der sie von der Schule abholte, sondern jetzt.

Wir widersetzten uns. Mit aller Kraft.

Niccolò, der immer viel direkter als ich war, schleuderte das Telefon gegen die Wand. »Du bist verrückt! Ich habe hier meine Freunde, ich habe mein Basketball, ich habe alles!«, schrie er. »Mir fehlt noch ein Jahr zum Abschluss, und ich soll die Schule wechseln? Hast du einen Knall? Leb du doch mit dem! Ich bin kein Kind mehr, das du rumschubsen kannst. Leck mich am Arsch, Mama!«

Er warf den Stuhl um, schloss sich in sein Zimmer ein, aß nicht mehr, ging nicht mehr in die Schule und wurde nicht versetzt. Ich beschränkte mich auf das Schweigespiel: Ich beantwortete keine Fragen, beteiligte mich an keinem Gespräch. Ich gewann immer.

Ein paar Tage später nahm ich mein Bett – Sprungrahmen, Matratze, Kopfkissen – und schleppte es allein aus Mamas Zimmer, in dem ich immer geschlafen hatte, in Niccolòs. Ich konnte nicht einschlafen ohne ihren Geruch, ihren Atem, ich weinte, so sehr fehlte sie mir. Aber ich hielt durch. Jede Nacht kam Niccolò später nach Hause, stank nach Rauch, stieß gegen die Möbel und weckte mich. Morgens stand ich auf, und er schnarchte. Unsere Wohnung verwandelte sich nach und nach in ein Lager für Kartons, und wir verbarrikadierten uns, traten in Putz-, Rede-, Glücksstreik. Mama wollte uns umarmen, und wir entzogen uns. Eifersüchtig, total eifersüchtig.

Ich erinnere mich an einen Samstagabend. Mein Bruder hatte sich geweigert mitzukommen, weswegen Mama und ich in der Pizzeria gegenüber dem Bahnhof saßen. Das kam häufig vor, wenn sie keine Lust hatte zu kochen. Einander gegenübersitzend an einem Tisch im Raucherraum unter einem Poster von Neapel aus der Zeit von Maradonna, schenkte Mama mir zwei Fingerbreit von ihrem Wein ein. Sie schob sich die Ponyfransen aus der Stirn und sagte: »Eli, wie immer es auch ausgehen mag, es ist nicht richtig, dass ihr nie bei eurem Vater lebt. Ich sage das nicht wegen der jetzigen Situation, aber wenn er euch fehlen wird, wird es zu spät sein. Ihr müsst eine Beziehung zu ihm aufbauen, eine echte, alltägliche. Auch wenn ihr es nicht wahrhaben wollt: Ihr habt es dringend nötig.«

Ich trank die zwei Fingerbreit Wein, und er stieg mir sofort zu Kopf. Du hast unrecht, du hast unrecht, du hast unrecht, protestierte ich innerlich.

»Bist du nicht neugierig, wie wir zurechtkommen? Zu viert?«

Ich blieb still, so still, wie man nur sein kann. Mit gesenktem Blick verschlang ich die Margherita, während meine Gedanken rasten. Wir brauchten keinen Eindringling. Sie zog ihn uns vor. Es ging uns hervorragend zu dritt. Und T war ein Badeort, der im Sommer voll war und im Winter leer, und dort wollte ich nicht hin.

Als ich mit dem Essen fertig war, holte ich Lüge und Zauberei aus der Tasche und zog mich zurück.

Ich hörte, wie meine Mutter amüsiert schnaubte, während ich so tat, als würde ich lesen. Sie suchte das Gespräch mit einem der Kellner: »Sie ist eine Intellektuelle, meine Tochter. Überall, wo ich mit ihr hingehe, öffnet sie ein Buch: in der Post, in der Standa. Die ideale Begleiterin!«

Wir waren in der Lucciola zu Hause. Jedes Silvester hatten wir dort gefeiert. Mama, Niccolò und ich: unzertrennlich. Ich konnte nicht glauben, dass ich diese Tische mit den rosa Tischdecken und die dazu passenden Stühle, die Salzstreuer mit den Reiskörnern darin, die Gemälde des Vesuvs und des Golfs von Neapel, die da oben, an den oberen Rändern des Piemont so exotisch wirkten, nie mehr wiedersehen würde. Das war eine solche Ungerechtigkeit, dass ich am liebsten laut losgeschrien hätte.

Stattdessen hielt ich mich an mein Schweigegelübde.

Das Schuljahr ging zu Ende, und die Prüfungen begannen. In unserer Wohnung herrschte tiefe Trostlosigkeit: Aufbewahrungsort für Pakete, die darauf warteten, verschickt zu werden, Spuren von Bildern, die von den Wänden genommen worden waren, alles verpackt, mit Ausnahme von meinem Zimmer und Niccolòs – nicht ein Koffer bereit, dieselben Laken seit zwei Monaten.

Wir waren uns nie so einig gewesen wie in jener Zeit, er und ich: eine Mauer, die Mama frohgemut durchquerte, in Höschen und BH