Bin ich zu nett? - François Lelord - E-Book

Bin ich zu nett? E-Book

François Lelord

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Beschreibung

Wie Sie sich als freundlicher Mensch mehr Respekt verschaffen - Mit vielen konkreten Verhaltenstipps und Selbsttests

Wie lernt man, auch mal Nein zu sagen? Wie schafft man es, nicht immer die Wünsche der anderen vor die eigenen zu stellen? Wie dosiert man Freundlichkeit?

In einer nicht immer wohlwollenden Welt wird übergroße Freundlichkeit manchmal ausgenutzt. Man kann jedoch lernen, sich als netter Mensch zu behaupten. Allen, die schnell Vertrauen fassen, die bescheiden sind und sich nicht in den Vordergrund drängen, zeigt François Lelord Wege auf, wie sie glücklicher und erfolgreicher sein können. Mit großer Empathie weist er den hilfsbereiten, aufrichtigen und zuvorkommenden Menschen, die ihm bei seiner Arbeit als Psychotherapeut über die Jahre ans Herz gewachsen sind, den Weg zu mehr Respekt – ohne ihr freundliches Wesen zu verbiegen. Dieses charmante Buch hilft dabei, die eigene Persönlichkeit zu verstehen, und lehrt eine wichtige Fähigkeit: nett zu sein, aber nicht zu nett.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 198

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Wie lernt man, auch mal Nein zu sagen? Wie schafft man es, nicht immer die Wünsche der anderen vor die eigenen zu stellen? Wie dosiert man Freundlichkeit?

In einer nicht immer wohlwollenden Welt wird übergroße Freundlichkeit manchmal ausgenutzt. Man kann jedoch lernen, sich als netter Mensch zu behaupten. Allen, die schnell Vertrauen fassen, die bescheiden sind und sich nicht in den Vordergrund drängen, zeigt François Lelord Wege auf, wie sie glücklicher und erfolgreicher sein können. Mit großer Empathie weist er den hilfsbereiten, aufrichtigen und zuvorkommenden Menschen, die ihm bei seiner Arbeit als Psychotherapeut über die Jahre ans Herz gewachsen sind, den Weg zu mehr Respekt – ohne ihr freundliches Wesen zu verbiegen. Dieses charmante Buch hilft dabei, die eigene Persönlichkeit zu verstehen, und lehrt eine wichtige Fähigkeit: nett zu sein, aber nicht zu nett.

François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie in Frankreich und Kalifornien. Seine Weltkarriere als Autor begann er mit Büchern zur Selbsthilfe, die auch in Deutschland zu großen Verkaufserfolgen und Longsellern wurden, u. a. »Der ganz normale Wahnsinn« und »Die Kunst der Selbstachtung«. Eines Tages schloss er seine Praxis in Paris, um zu reisen und für sich und seine Leserinnen und Leser Antworten auf die wirklich großen Fragen des Lebens zu finden. »Hectors Reise« und die folgenden sieben Romane um den Psychiater Hector und seine Suche nach dem Glück eroberten ein Millionenpublikum. Zuletzt erschienen bei Penguin der Roman »Es war einmal ein blauer Planet« (2021) und der Erzählband »Zwei Schwalben in Paris« (2022). François Lelord lebt inzwischen wieder mit seiner Familie in Paris und arbeitet in seiner eigenen Praxis.

»Wenn man dieses Buch gelesen hat – ich schwöre es Ihnen –, ist man glücklich.« Elke Heidenreich über »Hectors Reise«

www.penguin-verlag.de

François Lelord

Bin ich zu nett?

Ein Glücksratgeber für freundliche Menschen in einer unfreundlichen Welt

Aus dem Französischen von Ralf Pannowitsch

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel Soyez gentil, mais pas trop bei Odile Jacob, Paris.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe Odile Jacob, 2024

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2025

Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Lektorat: Ulla Mothes

Umschlaggestaltung: zero-media.net

Umschlagabbildungen: © FinePic®, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-33456-7V001

www.penguin-verlag.de

Für die freundlichen Menschen, die mich zu diesem Buch inspiriert haben.

Inhalt

Einführung

KAPITEL 1 Allzu bescheiden

Bescheidenheit, Demut, Zurückhaltung, dezentes Auftreten – wovon ist hier die Rede?

Woher kommt dieses Übermaß an Bescheidenheit?

Ein Streifzug durch die Gefilde der Unbescheidenen

Welche Nachteile es bringt, bescheiden zu sein

Wie Sie Ihre Bescheidenheit im Alltag kontrollieren können

KAPITEL 2 Allzu aufrichtig

Aufrichtigkeit, Spontaneität, Ehrlichkeit – wovon ist hier die Rede?

Woher kommt Ihre Neigung, zu viel zu sagen?

Ein kleiner Abstecher zu den Unehrlichen, den Heimlichtuern und den Verschlagenen

Risiken und Nebenwirkungen von Offenheit und Aufrichtigkeit

Wie Sie Ihre Offenheit und Aufrichtigkeit im Alltag kontrollieren können

KAPITEL 3 Allzu vertrauensselig

Vertrauen, Wohlwollen, Arglosigkeit, Naivität – wovon ist hier die Rede?

Woher kommt Ihr Hang, anderen zu sehr zu vertrauen?

Ein kleiner Ausflug zu den Misstrauischen, Argwöhnischen und Zynikern

Wie Sie Ihre Vertrauensseligkeit im Alltag kontrollieren können

KAPITEL 4 Allzu nachgiebig

Zuvorkommender, konzilianter, nachgiebiger Charakter – wovon ist hier die Rede?

Woher kommt Ihre Neigung, allzu nachgiebig zu sein?

Welche Nachteile es hat, wenn man zu nachgiebig ist

Wie man es schafft, im Alltag weniger nachgiebig zu sein

KAPITEL 5 Allzu mitfühlend

Sympathie, Mitleid – wovon ist hier die Rede?

Woher haben Sie Ihr weiches Herz?

Von den Nachteilen der Weichherzigkeit

Ein Besuch bei denen, die von Natur aus oder durch Erziehung ein hartes Herz haben

Wie Sie den Überschwang an Mitleid und Empfindsamkeit unter Kontrolle bekommen

KAPITEL 6 Allzu altruistisch?

Altruismus, Großzügigkeit, Hingabe, Nächstenliebe – wovon ist hier die Rede?

Altruismus, gutes Gewissen und Schuldgefühle

Woher kommt Ihr Altruismus?

Die Grenzen des exzessiven Altruismus

Ein paar abschließende Bemerkungen zum Thema Altruismus

Postskriptum

Wie zu viel Freundlichkeit dazu führen kann, dass Sie in einer Beziehung bleiben, die Sie nicht glücklich macht

Freundlichkeit und Persönlichkeit

Zum Abschluss ein filmisches Fallbeispiel

Das Erwachen eines allzu freundlichen Helden

Anmerkungen

Einführung

Über meine ganze berufliche und private Laufbahn hinweg habe ich immer wieder freundlichen Männern und Frauen zugehört. Dabei ist mir die Idee zu diesem Buch gekommen.

Ich bin ihnen in verschiedenen Weltgegenden begegnet, in unterschiedlichen Milieus, und es gab sie in fast jedem Lebensalter. Und oft musste ich mir anhören, wie sie mir ihre Enttäuschungen schilderten.

Sie sprachen von Situationen, in denen sie jemandem zu schnell Vertrauen geschenkt hatten, in denen sie zu bescheiden gewesen waren, während andere sich in den Vordergrund gedrängt hatten, in denen sie allzu rasch Ja gesagt und es danach bereut hatten oder in denen sie sich von ihrer Sensibilität und ihrer Neigung zu Mitgefühl hatten verwirren lassen und sich selbst und die eigenen Interessen unterwegs aus den Augen verloren hatten.

Ich wollte dieses Buch schreiben, um diesen netten Menschen dabei zu helfen, ihre Freundlichkeit besser in den Griff zu bekommen, statt sich von ihr zu schnell fortreißen zu lassen.

Denn wir alle wissen, dass Freundlichkeit längst nicht immer belohnt wird. Sie kann ausgenutzt und sogar gering geschätzt werden; man wird sie womöglich als eine Schwäche betrachten, eine Art Naivität, die an Dummheit grenzt und einen der Gefahr aussetzt, vom Leben bestraft zu werden.

Aber ist sie nicht eigentlich eine Tugend – nahe verwandt mit ihren Schwestern Wohlwollen, Großzügigkeit und Sanftheit?

»Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen«, verkündet Jesus Christus in der Bergpredigt. Er findet also, dass freundliche Menschen einen riesengroßen Ausgleich für das verdienen, was ihnen in dieser Welt widerfahren kann …

In der Psychologie ist Freundlichkeit unter der Bezeichnung Verträglichkeit eine der fünf Persönlichkeitsdimensionen, die im Fünf-Faktoren-Modell der Big Five[1] beschrieben werden. Sie enthält selbst noch mehrere Komponenten, die wir in den folgenden Kapiteln näher erkunden werden und die man bei jedem freundlichen Menschen mehr oder minder stark ausgeprägt findet – wenn er sich zu bescheiden zeigt, zu aufrichtig, zu vertrauensselig, zu nachgiebig, zu sensibel oder auch zu uneigennützig, wobei dieser letzte Punkt diskussionswürdig ist.

Freundliche Frauen und Männer lassen sich nicht über einen Kamm scheren; jede hat ihre und jeder hat seine eigene Art, nett zu sein, manchmal auch zu nett.

Es kann hilfreich sein, wenn Sie Ihre persönliche Ausprägung von Freundlichkeit entdecken, ehe Sie versuchen, Fortschritte zu machen – ein bisschen wie im Sport, wenn der Trainer Sie dazu anhält, bestimmte Muskeln mehr zu betätigen als andere, ganz nach Ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Und dies ist auch das Ziel meines Buches: Es soll Ihnen dabei helfen, Ihr persönliches Freundlichkeitsprofil zu erkennen und Ihre Nettigkeit immer dann zu zügeln, wenn sie Ihnen zu schaden droht. Es geht gar nicht darum, »bösartig« zu werden – das würde Ihrem Naturell und sicher auch Ihren Werten zu sehr widersprechen; Sie sollen sich bloß nicht mehr allzu nett zeigen.

Also niemals mehr zu nett sein? Nun, jedenfalls immer seltener – und immer häufiger zufrieden mit dem eigenen Handeln.

Freundlich sein ist in Ordnung, aber nur, wenn Sie es selbst so beschlossen haben, und nicht aus einem schlecht kontrollierten Nettigkeitsreflex heraus, der regelmäßig dazu führt, dass andere die Oberhand über Sie gewinnen.

Denn Sie haben auch Grund zur Freude: Nette Männer und Frauen knüpfen dauerhafte Beziehungen, haben eine längere Lebenserwartung,[2] lassen sich seltener scheiden, erfahren oft das Glück der Harmonie mit anderen freundlichen Menschen und erleben bisweilen sogar, wie süß es ist, Freudentränen zu vergießen.

Aber nun ist es Zeit, dass Sie die richtige Handhabung Ihrer Freundlichkeit erlernen, statt sich zu schnell von ihr fortreißen zu lassen!

KAPITEL 1 Allzu bescheiden

Lelord, wenn man ernst genommen werden will, muss man zunächst mal den Eindruck erwecken, dass man sich selber ernst nimmt.

Ein alter Vorgesetzter zu meinem Vater, der damals Assistenzarzt war.

Haben auch Sie manchmal das Gefühl, dass Personen, die weniger Verdienste oder weniger Sachverstand haben als Sie, sich trotzdem besser zu verkaufen wissen?

Hören wir, was Léa, Grafikerin in einem großen Verlag, dazu erzählt.

Zu den Aufgaben unseres Teams gehört es, die Cover für Neuerscheinungen oder für die Taschenbuchausgaben zu gestalten. Jeder Grafiker kümmert sich um die Titel, die ihm zugewiesen wurden, aber wenn kein Entwurf zufriedenstellend ist, können alle der Abteilungsleiterin Vorschläge machen. Das ist manchmal ein ganz schönes Gerangel, denn jeder verteidigt »seine« Covergestaltung. Bei dieser Gelegenheit sage ich meistens nicht viel, weil ich finde, dass die Ideen der anderen besser sind als meine eigenen. Die Chefin trifft ihren Entschluss nicht während der Beratung; sie behält zwei oder drei Entwürfe zur Vorauswahl und gibt ihre Entscheidung später dem Grafiker bekannt, der die Vorlage eingereicht hat. Als wir uns kürzlich die Neuerscheinungen des aktuellen Programms anschauten, machte mich eine Kollegin darauf aufmerksam, dass ich zu den zwei oder drei Grafikern zähle, deren Coverentwürfe am häufigsten ausgewählt werden. Das überraschte mich; es war mir noch gar nicht aufgefallen.

Léa hat also exzellente Ideen für die Covergestaltung, verteidigt sie aber nicht entschlossen genug. Zum Glück vertraut ihre Chefin mehr auf das, was sie mit eigenen Augen sieht, als auf die Argumente von Léas Kollegen.

Angeberei kann sehr nervig sein, aber Bescheidenheit hindert Sie manchmal daran, das einzufordern, was Sie eigentlich verdient hätten.

Bilal ist IT-Berater.

Für ein Unternehmen hatte ich einen mehrmonatigen Auftrag übernommen, und am Ende bot man mir an, mich einzustellen. Ich war überrascht und gleichzeitig erfreut, denn ich hatte genug vom instabilen freiberuflichen Beraterdasein. Vor dem Gespräch mit der Geschäftsführerin hatte ich mir gut überlegt, welches Gehalt ich verlangen wollte. Ich war auf schwierige Verhandlungen eingestellt – eine Situation, in der ich mich immer unbehaglich fühle. Überraschung: Sie hat meine Gehaltsforderung sofort akzeptiert! Zum Abschluss des Gesprächs lobte sie lang und breit die Arbeit, die ich für diese Firma schon geleistet hatte; sie sagte mir, dass mein Beitrag sehr wichtig gewesen sei und dass sie sich freue, mich bald als Mitarbeiter zu haben. Ich merkte, dass sie bereit gewesen wäre, mir mehr zu zahlen! Außerdem wurde mir klar, dass ich wirklich einen wichtigen Beitrag für sie geleistet hatte und besser gewesen war als die Berater, die mir vorausgegangen waren. Ich hatte mich im Grunde genommen unterschätzt, und das passierte mir nicht zum ersten Mal …

Wenn sich ein bescheidener Mensch mit anderen vergleicht, wird er entweder gar nicht finden, dass er besondere Verdienste hat, oder er muss sich – bisweilen von anderen unterstützt – erst dazu durchringen, sich seine Leistungen und sein Talent ins Gedächtnis zu rufen. Das erklärt vielleicht, weshalb Bilal als freiberuflicher Berater keinen so großen Erfolg hatte: Er verstand sich gegenüber neuen Kunden einfach nicht richtig zu verkaufen.

Hier sei darauf aufmerksam gemacht, dass die Geschäftsführerin, die ihn einstellte, ein aufrichtiger Mensch war. Jemand, der seine Eindrücke geschickter zu verbergen weiß, hätte sich vor Komplimenten aller Art gehütet, um Bilal nicht auf die Idee zu bringen, später vielleicht eine Gehaltserhöhung zu fordern … Manchmal trifft ein freundlicher Mann auf eine freundliche Frau, und gleich dreht sich die Welt ein bisschen runder.

Dennoch muss man sich in der Arbeitswelt auch innerhalb einer Firma zu verkaufen wissen, wie uns Chloé, eine junge Rechtsanwältin, erklärt.

Ich bin in diese Anwaltskanzlei als Angestellte eingetreten, was bedeutet, dass ich für ein schmales Gehalt viel arbeite – immer in der Hoffnung, eines Tages Teilhaberin zu werden. Ich habe eine Kollegin, die in der gleichen Situation ist, aber unsere Herangehensweise ist ganz unterschiedlich. Während ich jede Menge Akten wälze, merke ich, dass sie es so einrichtet, viel Zeit mit den Kanzleichefs zu verbringen. Manchmal sitzen wir zusammen in der gleichen Beratung, und dann fällt mir auf, dass sie häufiger als ich das Wort ergreift und ihre Leistungen in den Vordergrund rückt. Ich spüre, dass ich das gar nicht könnte. Dafür geht sie früher nach Hause als ich, und bisweilen musste ich mir Akten noch einmal vornehmen, die sie zu schnell bearbeitet hatte. Übrigens bedankt sie sich bei mir dafür, aber wenn die Chefs dabei sind, erwähnt sie meinen Beitrag nie. Und ich stelle mit einer Spur von Bitterkeit fest, dass die Teilhaber sie häufiger zu Klientengesprächen mitnehmen als mich.

Chloé konstatiert, dass sich ihre naturgegebene Bescheidenheit nicht auszahlt – eine Erfahrung, die gewissenhafte, hart arbeitende und allzu bescheidene Menschen oft machen.

In seiner soziologischen Studie über Distinktion und Unterwerfung in Unternehmensberatungen[3] beschreibt Sébastien Stenger ein ähnliches Phänomen (die Big Five sind hier zu Big Four geworden oder, wie böse Zungen es nennen, zu Fat Four): Es gibt auf der einen Seite die »grauen Berater«, die viel arbeiten und bestrebt sind, ihren Job gut zu machen, auf der anderen die »rosa Berater«, die auch mal schludern und lieber den direkten Kontakt zu ihren Chefs und den Kunden suchen.

Was glauben Sie, wer von beiden nach einigen Jahren auf der Karriereleiter höher steht?

Bescheidenheit, Demut, Zurückhaltung, dezentes Auftreten – wovon ist hier die Rede?

In vielen Sprachen geht das Wort für Bescheidenheit auf das lateinische Adjektiv modestus zurück (engl. modesty, frz. modestie, ital. modestia). Modestus hat die allgemeine Bedeutung »maßvoll«, »zurückhaltend«, »ohne Übertreibung«. Das deutsche Wort bescheiden bezeichnete ursprünglich eine Person, die sich mit dem begnügt, was jemand ihr »beschieden« hat. Eine Bedeutungsvariante ist »einfach«, »gering« – wir finden sie zum Beispiel in den Ausdrücken »in bescheidenen Verhältnissen leben« oder »einen bescheidenen Beitrag leisten«. Wer bescheiden ist, lenkt die Aufmerksamkeit nicht auf seinen Reichtum; so wird er keine fette Goldkette um den Hals tragen (auch ich habe darauf verzichtet). Ein bescheidener Mensch wird auch nicht seine körperlichen Vorzüge zur Schau stellen, etwa durch einen goldglänzenden Minirock mit den Initialen einer Luxusmarke (na, das mache ich vielleicht in einem anderen Leben).

Unter den Komponenten der Freundlichkeit bezeichnet die Bescheidenheit den sichtbaren Ausdruck unserer Demut (humilitas), also des Gefühls, den anderen nicht überlegen zu sein, sondern vielleicht gar unter ihnen zu stehen.

In allen Religionen wird Demut als eine Tugend betrachtet, als Fortschreibung der Haltung, die Gläubige Gott gegenüber annehmen sollen. Das lateinische humilitas (engl. humility, frz. humilité, ital. umiltà) kommt von humus, dem Boden – sich auf ihm niederzuknien, drückt die Demut des frommen Menschen aus. Das deutsche Wort Demut geht ins 9. Jahrhundert zurück und bezeichnet die »Gesinnung eines Dienenden«; wer demütig ist, ist also »innerlich dienstwillig«.

Das Gegenteil von Demut ist Hochmut, eine der sieben Todsünden, die uns vergessen lassen kann, dass wir nur Staub sind und zum Staub zurückkehren werden.

Wir vergessen die Bescheidenheit, wenn wir uns ostentativen Ausgaben hingeben (vom lateinischen ostendere, »zeigen«), die nur dazu gedacht sind, unseren Status durch unsere Käufe zur Schau zu stellen oder – bei gewissen diskreteren und manchmal sogar noch teureren Luxusmarken – von den Eingeweihten, die ebenfalls zu diesen Marken greifen, erkannt und anerkannt zu werden. (Um auf diesen Seiten kein product placement zu betreiben, verzichten wir auf Beispiele.)

Eine demütige Person ist zwangsläufig auch bescheiden, aber eine bescheidene Person, die nicht demütig ist, würde so etwas wie falsche Bescheidenheit praktizieren. Das ist eine Haltung, bei der man von den anderen nicht nur für seine Verdienste bewundert werden möchte, sondern auch für seine angebliche Bescheidenheit. Man will also doppelt absahnen.

Woher kommt dieses Übermaß an Bescheidenheit?

Es ist wie bei allen Facetten der Freundlichkeit – Ihre Bescheidenheit kann unterschiedliche Zuflüsse haben, die das Flussbett in verschiedenen Phasen Ihres Lebens ausgehöhlt und sich manchmal miteinander vereinigt haben.

Hohe Anforderungen an sich selbst

Hier hängt natürlich alles von der Person ab, mit der Sie sich oder Ihre Leistungen vergleichen.

Wenn man sich Interviews mit Schriftstellerinnen oder Künstlern anschaut, entdeckt man dabei manchmal äußerst bescheidene Menschen: Nachdem ich all diese Meisterwerke der Vergangenheit kennengelernt hatte – warum sollte ich da noch etwas hinzutun? Man sieht, dass sie sich vor der Kamera unbehaglich fühlen, und errät sofort, dass sie von ihren Agenten oder Verlagsleuten zum Interview gedrängt worden sind; der Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano ist ein berühmtes Beispiel dafür. Und dann gibt es die weniger Bescheidenen, die entzückt darüber sind, im Rampenlicht zu stehen: In meinem Werk wollte ich unbedingt …

Zwischen Bescheidenheit und Talent gibt es übrigens keine Korrelation; wir haben Genies erlebt, die sich ihrer erdrückenden Überlegenheit sehr wohl bewusst waren (Hugo, Balzac, Flaubert …), während andere an ihrer Begabung zweifelten, meist Lyriker oder Malerinnen. Und dann gab es stets unendlich viele mittelmäßig Begabte, die vor Selbstzufriedenheit nur so strotzten.

Hören wir einmal, was Gilbert dazu sagt, ein bedeutender Forscher, der jetzt an der Schwelle zum Rentenalter steht. Er ist in Fachkreisen hoch angesehen und hatte bei Dutzenden Publikationen in internationalen Fachzeitschriften den Hut auf. Man kann sagen, dass er sein Wissenschaftsgebiet vorangebracht hat. Gilbert blickt so auf sein Werk: »Na ja, ich habe meine Arbeit gemacht, aber wir sind nicht so weit vorangekommen, wie wir anfangs gehofft hatten. Immerhin sind wir einer Entdeckung, die wirklich neue Lösungen bringen wird, einen Schritt näher gekommen …«

Um seine Bescheidenheit zu unterstreichen, ist hier noch anzumerken, dass Gilbert im Unterschied zu vielen gleichrangigen Berufskollegen nicht aktiv nach Ehrungen gestrebt hat. Es waren vielmehr seine Mitarbeiterinnen und Freunde, die fanden, dass seine Verdienste nicht genug gewürdigt wurden; sie drängten ihn dazu, die üblichen Prozeduren zu durchlaufen, um ausgezeichnet oder in eine Akademie gewählt zu werden.

Eine solche Bescheidenheit findet man in allen Berufen und Funktionen. Hören wir, was Charles dazu sagt, ein Antiquitätenhändler, der häufig mit Kunsthandwerkern zu tun hat, wenn es um die Restaurierung von Gemälden oder kostbaren Möbeln geht.

Ich arbeite mit mehreren Restauratoren zusammen und suche mir dabei natürlich die besten auf ihrem Gebiet aus, und zwar im In- und Ausland. Es gibt einen, der sich ganz eindeutig über den Durchschnitt erhebt. Das ist nicht unbedingt eine Frage der Technik – klar, die seine ist perfekt, aber dazu kommt noch, dass er das ihm anvertraute Werk »versteht«. Und doch verlangt er weniger Geld als manche seiner Kollegen. Wenn ich ihn für seine Arbeit lobe, macht ihn das ein bisschen verlegen; er begnügt sich damit, lächelnd zu erwidern: »Ja, es ist nicht schlecht geworden.« Ich weiß, dass er von einem berühmten Restaurator ausgebildet wurde, einem tyrannischen Star der Branche, dessen Anforderungen sehr hoch waren.

In Marcel Prousts unerschöpflichem Romanzyklus Auf der Suche nach der verlorenen Zeit lernen die Leserinnen und Leser Françoise kennen, die Köchin der Familie. Ihre Gerichte rufen die Bewunderung der erlesenen Gäste hervor, die von den Eltern des Erzählers empfangen werden. Als man Françoise die Komplimente des Marquis de Norpois überbringt, eines großen Diplomaten, nimmt sie diese »mit bescheidener Miene« auf, aber auch, »um der Wahrheit die Ehre zu geben«, was nicht gerade bescheiden klingt.[4] Hier zeigt sich, dass Françoise sehr wohl um ihre Kochkünste weiß.

Eine Erziehung, die Bescheidenheit als Pflicht betrachtet

»Angeberei ziemt sich nicht.« Diesen Satz bekamen Kinder in allen Milieus immer wieder zu hören; er war sowohl Bestandteil der »guten Erziehung« in höheren Gesellschaftsschichten als auch der »ganz normalen Anständigkeit« in der Arbeiterklasse, wie George Orwell, ein weiteres bescheidenes Genie, sie beschrieben hat.[5]

Ergänzt man das noch durch eine ordentliche Dosis »Das kannst du besser!«, selbst nach guten Schulnoten, und »Für wen hältst du dich eigentlich?!«, wenn Kinder von ihren Ambitionen sprechen – durch abwertende Kommentare also –, dann hat man die nötigen Zutaten zusammen, um Individuen zu formen, die zwar tatsächlich unfähig zur Aufschneiderei sind, es aber auch nicht verstehen, ihre Leistungen ins rechte Licht zu rücken.

Élisabeth erinnert sich, wie es früher bei ihr am Familientisch zuging:

In meiner Jugend war ich eine ziemlich begabte Zeichnerin. (Später habe ich natürlich einen »ernsthaften« Beruf gewählt, um meine Eltern nicht zu verärgern.) Eines Tages hatten wir Gäste am Essenstisch, und ich begann, voll Stolz von den lobenden Worten meines Zeichenlehrers zu sprechen, der sogar wollte, dass ich an einer Ausstellung teilnahm. Ich erinnere mich an den Blick meines Vaters, der mich auf der Stelle erstarren ließ. Es war der gleiche vernichtende Blick, den er mir zuwarf, wenn ich die Ellenbogen auf dem Tisch hatte oder meinen Teller mit einem Stück Brot auswischte – andere schwere Delikte bei uns zu Hause. Ich habe nicht mehr alle Situationen im Gedächtnis, in denen ich mich »anständig benehmen« sollte, aber ich weiß, dass ich davon die Unfähigkeit zurückbehalten habe, mich »ins rechte Licht zu rücken«, was mir in meiner beruflichen Laufbahn nicht gerade geholfen hat.

Diese Art von Erziehung findet sich in allen Milieus. Hier schildert David die Ursprünge seiner Bescheidenheit:

Ich komme schon aus »bescheidenen« Verhältnissen; meine Eltern waren kleine Händler, die schwierige Phasen durchgemacht hatten, und die triste Atmosphäre in der Familie trug zur charakterlichen Bescheidenheit noch bei. Sobald ich ein bisschen zu prahlen begann – ich war ein guter Fußballer und recht beliebt – und meine Eltern durch die Nachbarn davon erfuhren, bekam ich so etwas zu hören wie »Glaub bloß nicht, du wärst der Nabel der Welt« oder »Lenk nicht die Aufmerksamkeit anderer auf dich«. Ich hatte mich eigentlich für ein schnelles und kurzes Studium entschieden, aber mein Mathelehrer wollte, dass ich noch ein zweijähriges Vorstudium machte, um an einer Elitehochschule zugelassen zu werden. Meine Eltern hat das sehr beunruhigt, und mein Vater sprach immer wieder wie zu sich selbst: »Man soll auf dem Platz bleiben, der einem zugewiesen ist.« Zum Glück hat sich meine Mutter durchgesetzt, als es um die Zukunft ihres angebeteten Sohnes ging. Nachdem ich die Vorbereitungskurse an einer bescheidenen Provinzschule absolviert hatte, wagte ich es nicht, zu den Aufnahmeprüfungen der renommiertesten Hochschulen anzutreten, sondern suchte mir die aus der zweiten Reihe aus. Als ich an der einen Schule den Spitzenplatz belegte und an einer anderen Dritter wurde, sagte ich mir, dass mir meine Bescheidenheit einen Streich gespielt hatte. Ich begann mein Studium an der erstgenannten Hochschule und bewarb mich im Folgejahr als freier Kandidat an einer der »ganz großen«. Sie haben mich genommen. Aber das Gefühl, stets »am mir zugewiesenen Platz bleiben zu müssen«, bin ich nie wirklich losgeworden, und ich habe eine Therapie begonnen, um mich davon zu befreien.

Der große britische Schauspieler Michael Caine, dessen Vater Transportarbeiter auf dem Londoner Fischmarkt und dessen Mutter Putzfrau war, erzählt, dass ihm die Frage »Für wen hältst du dich eigentlich?!« oft ins Gesicht geschleudert wurde, wenn er in seiner Jugend von seinem Traum sprach, Schauspieler zu werden. Bei allzu großer Bescheidenheit wäre er gewiss nicht der Kinostar geworden, der in mehr als 140 Filmen mitgespielt hat. Nach ein paar Nebenrollen, bei denen sein Name nicht einmal im Abspann auftauchte, wurde er in seiner Rolle als aristokratischer und unbescheidener junger Offizier in Zulu berühmt. Für die Jüngeren unter unseren Leserinnen und Lesern: Michael Caine spielt den Butler in der Batman-Reihe, und in Der stille Amerikaner verkörpert er den englischen Journalisten Thomas Fowler, einen alternden Loser.

Eine schwache Selbstachtung

»Selbstachtung – das ist, wie man sich sieht, wie man über sich urteilt, aber auch und vor allem, wie man mit sich umgeht«, resümiert Christophe André im letzten Buch[6] seiner der Selbstachtung gewidmeten Trilogie. (Ach, nur keine falsche Bescheidenheit: Am ersten Band dieser Reihe habe ich selbst mitgewirkt.)

Im Falle einer schwachen Selbstachtung werden Sie zweifellos nicht dazu neigen, sich in den Vordergrund zu schieben oder von Ihren Erfolgen zu sprechen. Diese reichen in Ihren Augen meist nicht aus, um Ihnen Selbstvertrauen zu spenden (das berühmte Hochstaplersyndrom). Sie werden bescheiden im Auftreten und zurückhaltend in Ihren Ambitionen sein.

Es ist kein Zufall, dass der englische Begriff self-esteem vor mehr als einem Jahrhundert zuerst bei einem amerikanischen Autor aufgetaucht ist, nämlich bei William James, einem der Begründer der Wissenschaftsdis