Binge Eating - Kathrin Schag - E-Book

Binge Eating E-Book

Kathrin Schag

0,0
29,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Impulskontrolle: ein neuer Weg aus der Binge-Eating-Störung  Anerkannt: Binge-Eating-Störung als neue Diagnose in DSM-5® und ICD-11 Fundiert: Wirksamkeit des Manuals bereits wissenschaftlich erprobt Zusätzlich: Wertvolles Patient:innenmanual mit Arbeitsblättern zum Ausdrucken und Expositionsübung als Audiodatei "Ich habe mich darin wiedergefunden, dass die Essanfälle ein Ausdruck impulsiven Verhaltens sind." - "Ich esse (seit der Teilnahme an IMPULS) viel bewusster und wähle genau aus, was ich wann esse. Seitdem kaufe ich auch viel überlegter und kontrollierter ein." Die Binge-Eating-Störung (BES) wurde erst 2013 offiziell anerkannt, ist aber die Essstörung mit der größten Prävalenz. Die S3-Leitinien zur Behandlung von Essstörungen empfehlen bei der BES als oberstes Therapieziel die Reduktion der Essanfälle. IMPULS ist ein kognitiv verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm, das den Fokus auf Impulsivität als zu Grunde liegenden Faktor für Essanfälle legt. Die Hauptmethoden im Kern: 1. Entwicklung und Stärkung von Selbstkontrolle, 2. Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung. Bisherige Programme berücksichtigen Impulsivität bislang kaum. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass IMPULS Essanfälle reduzieren kann. Das Manual besteht aus 8 Sitzungen à 90 Min. für 4 bis 8 Teilnehmende und kann im Gruppen- oder Einzelsetting verwendet werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 121

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dies ist der Umschlag des Buches »Binge Eating« von Kathrin Schag, Katrin Giel

Kathrin Schag | Katrin Giel

Binge Eating

Das impulsivitätsbezogene Programm zur Reduktion von Essanfällen (IMPULS)

Unter Mitarbeit von

Elisabeth Leehr

Anne Herschbach

Tabea Bauer

Sandra Becker

Stephan Zipfel

Schattauer

Die digitalen Zusatzmaterialien haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de

bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM40173

Impressum

Kathrin Schag

[email protected]

Katrin Giel

[email protected]

Besonderer Hinweis:

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten bitte im allgemeinen Interesse dem Verlag mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In diesem Buch sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

© 2024 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Bettina Herrmann, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung von shutterstock/beats1

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Gedruckt und gebunden von Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

Lektorat: Ruth Becker, Tübingen

Projektmanagement: Ulrike Albrecht

ISBN 978-3-608-40173-8

E-Book ISBN 978-3-608-12264-0

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20658-6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Danksagung

TEIL 1

Allgemeine Hintergründe und Informationen zu IMPULS

1 Rationale von IMPULS und Behandlungsfokus

2 Essanfälle und Impulsivität bei Binge-Eating-Störung

2.1 Essanfälle und andere impulsive Verhaltensweisen

2.2 Evidenzlage und angenommene Wirkfaktoren

2.3 Essstörungsdiagnostik, Erfassung von Essanfällen und anderen impulsiven Verhaltensweisen

3 Behandlungsziele und Behandlungsrahmen

3.1 Primäre und sekundäre Behandlungsziele

Festlegung individueller Behandlungsziele

3.2 Zielgruppe, Setting und Gesamtbehandlungsplan

4 Überblick über das IMPULS-Programm

4.1 Struktur des IMPULS-Programms in der Gruppe

4.2 Therapeut-Patient-Beziehung

4.3 Ablauf einzelner Therapiesitzungen

4.4 Aufgaben zwischen den Sitzungen

4.5 Behandlungsmanual für Patient:innen

4.6 Krisen

4.7 Modifikation der IMPULS-Gruppe in niederschwelligem Format

4.8 IMPULS im Einzelsetting

TEIL 2

Module des Trainingsprogramms

5 Anfängliche Therapiephase (Sitzung 1–2)

5.1 Sitzung 1: Psychoedukation zu BES und Impulsivität – Vermittlung eines impulsivitätsbezogenen Störungsmodells

1. Einführung zu IMPULS

2. Psychoedukation zu BES und Impulsivität

3. Hausaufgabe: Selbstbeobachtung über Impulsivitätsprotokolle zum Essverhalten und Verhaltensanalysen

5.2 Sitzung 2: Analyse von individuellen Risikofaktoren, Entwicklung von Kontrollstrategien und individuelle Ausgestaltung von Behandlungszielen

1. Besprechung des Impulsivitätsprotokolls zum Essverhalten und der Verhaltensanalysen: Identifikation von Risikosituationen und Konsequenzen

2. Kontrollstrategien für Essanfälle: Stimuluskontrolle und Reaktionskontrolle

3. Ausarbeitung und Konkretisierung der Behandlungsziele

4. Hausaufgabe: Impulsivitätsprotokoll zum Essverhalten, Verhaltensanalyse, Verlaufskurve

6 Hauptphase (Sitzung 3–7)

6.1 Sitzung 3: Impulsivitätsrunde und Psychoedukation zu Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung

1. Impulsivitätsrunde

2. Psychoedukation zur Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung

3. Planung der Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung in der nächsten Sitzung

4. Hausaufgabe

6.2 Sitzung 4–7: Impulsivitätsrunde und Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung

1. Konkreter Ablauf der Expositionsübung in der Sitzung

2. Planung der nächsten Expositionsübung in der Sitzung

3. Expositionsübungen im Alltag als Hausaufgabe

4. Besprechung der Hausaufgabe Expositionsübung im Alltag

5.  Durchführung der Expositionsübungen in der Einzelbehandlung

7 Abschlussphase (Sitzung 8): Aufrechterhaltung, Transfer und weitere Planung

1. Impulsivitätsrunde

2. Besprechung der Expositionsübung im Alltag

3. Reflexion des bisherigen Verlaufs, Planung und Transfer des Erlernten

4. Abschlussrunde

8 Weiterentwicklungen des IMPULS-Programms

8.1 Zusätzliche Sitzung zu Emotionen in der modifizierten IMPULS-Gruppe

8.2 Zusätzliche Sitzung zu Selbstwert und Körperbild in der modifizierten IMPULS-Gruppe

9 Evaluation und Abschlussdiagnostik

Appendix

Prozessuntersuchungen von Essanfällen und anderen impulsiven Verhaltensweisen

Befragung zu Beginn des IMPULS-Gruppenprogramms

Befragung bei Abschluss des IMPULS-Gruppenprogramms

Literatur

Vorwort

Die Binge-Eating-Störung (BES) ist eine Essstörung, die 2013 erstmalig in der neuen Ausgabe des »Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders« (DSM-5©; APA, 2013) als eigenständige Diagnose anerkannt worden ist. Seit Kurzem wird BES auch in der »International Classification of Diseases« (ICD-11; WHO, 2019) der Weltgesundheitsorganisation aufgeführt. Häufig geht die BES mit komorbidem Übergewicht oder Adipositas einher. Die S3-Leitlinien zur Behandlung von Essstörungen (Hilbert et al., 2018) empfehlen als oberstes Therapieziel bei der Behandlung der BES die Reduktion der Essanfälle. Psychotherapie gilt dabei als Therapie der ersten Wahl (Hilbert et al., 2018), wobei die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) die sichersten Wirksamkeitsnachweise und hohe Effektstärken in Bezug auf die Reduktion der Essanfälle aufweist (systematischer Überblick z. B. Hilbert et al., 2019; Linardon et al., 2018; Monteleone et al., 2022). Nach wie vor erreichen aber nur rund 50 % der betroffenen Patient:innen eine Remission (Hilbert et al., 2019; Linardon et al., 2018). Psychotherapeutische Interventionen führen außerdem zu keiner klinisch relevanten Gewichtsreduktion, und es ist bislang unklar, welche der einzelnen Interventionen, die im Rahmen einer KVT eingesetzt werden, bezüglich der Essanfälle wirksam sind (Vocks et al., 2010).

Der aktuellen Studienlage zufolge könnte die Behandlung von Impulsivität einen spezifischen Wirkfaktor darstellen. So sprechen einige Studien dafür, dass eine generell erhöhte Impulsivität sowie eine speziell gegenüber Nahrungsreizen erhöhte Impulsivität einen Risikofaktor für die BES darstellen (systematischer Überblick: Giel et al., 2022; Giel et al., 2017; Schag et al., 2013). Strukturierte Therapieprogramme bei BES (z. B. Fairburn, 2008; Hilbert & Tuschen-Caffier, 2010) beziehen sich bisher allerdings kaum auf das Impulsivitätskonzept und beinhalten nur wenige Interventionen, die sich auf Impulsivität und impulsives Essverhalten beziehen. Daher soll mit dem vorliegenden Manual IMPULS eine Grundlage geschaffen werden, die die Behandlung der nahrungsbezogenen Impulsivität bei Patienten mit BES ermöglicht. Eine randomisiert-kontrollierte Studie (Schag et al., 2019) spricht dafür, dass IMPULS im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zu einer stärkeren und länger anhaltenden Reduktion der Essanfälle und der Essstörungspathologie führen kann. Auch Daten zum Therapieverlauf (Rennhak et al., 2023), zur Informationsverarbeitung (Schag et al., 2021) und zur Aktivität beteiligter Hirnareale (Veit et al., 2021) unterstützen diese Ergebnisse. Das impulsivitätsbezogene Programm IMPULS kann diesen Daten zufolge zu einer Reduktion der Essstörungspathologie sowie impulsiver Verhaltensweisen führen. Im Langzeitverlauf zeigte sich in einer 3-Jahres-Katamnese eine anhaltende Reduktion der Essanfälle und der Impulsivität in beiden Untersuchungsgruppen (Schag et al., 2022).

IMPULS ist im Gruppensetting konzipiert, zum einen, um gruppenspezifische Wirkeffekte nutzbar zu machen, die sich aus der Bildung von Gruppenkohärenz und sozialen Interaktionen ergeben, und zum anderen aus ökonomischen Gesichtspunkten. IMPULS kann aber auch im Rahmen einer Einzeltherapie eingesetzt werden. Es ist als ein spezifisches Trainingsprogramm zu verstehen, das in einen Gesamtbehandlungskontext eingebettet werden sollte. Einzelpsychotherapie, die über die Behandlung der Impulsivität hinausgeht und beispielsweise soziale und emotionale Probleme fokussiert, Ernährungsberatung oder die Behandlung der Adipositas können sinnvoll und hilfreich zur Genesung einer Patientin oder eines Patienten mit BES beitragen.

Das Manual IMPULS wurde als wöchentlich stattfindendes Gruppenprogramm konzipiert, das dem/der Therapeut:in eine Struktur und einzelne Interventionsmodule zur impulsivitätsbezogenen Verhaltensmodifikation an die Hand geben soll. Des Weiteren sind Arbeitsblätter enthalten, die mit den Patient:innen durchgearbeitet werden. Die Manualstruktur orientiert sich an dem Stufenmodell zur Entwicklung psychotherapeutischer Behandlungsmanuale von Carroll und Nuro (2002). Zentrale Konzepte und Interventionen wurden hauptsächlich aus der Suchttherapie (Batra & Bilke-Hentsch, 2012; Wölfling et al., 2013) und der klassischen BES-Behandlung (Hilbert & Tuschen-Caffier, 2010) abgeleitet und an das Impulsivitätskonzept adaptiert. Dabei handelt es sich vor allem um nahrungsbezogene Expositionsübungen und die Vermittlung von Selbstkontrollstrategien.

Zugang zu den Arbeitsmaterialien im Download-Bereich

Auf der Website des Verlages erhalten Sie Zugang zu den Arbeitsmaterialien, die für die Durchführung des Behandlungs-Programms essenziell sind.

Im Einzelnen handelt es sich dabei um:

das Behandlungsmanual für Patient:innen mit allen Arbeitsblättern und Informationsmaterialien im DIN A4-Format zum Ausdrucken

eine Audiodatei mit einer angeleiteten Expositionsübung zur Nahrungskonfrontation mit Reaktionsverhinderung

Um die Materialien zu erhalten, gehen Sie auf www.klett-cotta.de und geben Sie dort folgenden Suchcode ein: OM40173

Danksagung

Wir möchten uns herzlich für die Mitarbeit an der Konzeptionalisierung und Erstellung dieses Manuals bei Elisabeth Leehr, Anne Herschbach, Tabea Bauer, Sandra Becker und Stephan Zipfel bedanken, die durch ihre klinische und wissenschaftliche Expertise maßgeblich zu der Entwicklung von IMPULS beigetragen haben. Des Weiteren möchten wir uns bei allen Studienteilnehmer:innen, Studien-Therapeut:innen, insbesondere Eva-Maria Skoda, Nina Gani und Judith Kittel und Studien-Mitarbeiter:innen, insbesondere Tabea Richter, Lea Biermann, Carlotta Görsch, Johanna Schlatter und Sina Kristin Rennhak bedanken, durch die eine wissenschaftliche Überprüfung des Manuals möglich geworden ist. Wir bedanken uns außerdem für die Förderung durch die Medizinische Fakultät des Universitätsklinikums Tübingen im Rahmen der Förderlinie »Angewandte Klinische Forschung« (ID 323-0-1). Speziell möchten wir den beiden Patient:innen danken, die uns ermöglicht haben, das Manual durch ihre persönliche Sichtweise und ihre Erfahrungen in Form von Fallberichten zu veranschaulichen und zu bereichern.

Tübingen, im Frühjahr 2024

Kathrin Schag

Katrin Elisabeth Giel

TEIL 1

Allgemeine Hintergründe und Informationen zu IMPULS

1 Rationale von IMPULS und Behandlungsfokus

Das »impulsivitätsbezogene Programm zur Reduktion von Essanfällen bei Patient:innen mit Binge-Eating-Störung« (IMPULS) basiert primär auf verschiedenen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen, die für die Behandlung von Menschen mit Suchterkrankungen entwickelt wurden, da diese ebenfalls an gesteigerter Impulsivität und fehlenden Kontrollstrategien beim Konsum von Alkohol und Drogen leiden. Impulsivität ist eine multidimensionale Persönlichkeitseigenschaft mit starker biologischer Verankerung (z. B. Gray, 1970). Dabei werden die Belohnungssensitivität, d. h. ein zielgerichteter Antrieb auf belohnende Reize, und impulsives Handeln, d. h. rasches, spontanes und enthemmtes Handeln, als die beiden Hauptfaktoren der Impulsivität verstanden (Dawe & Loxton, 2004; Gullo et al., 2014). Als neurobiologische Grundlage wird bei beiden Störungsbildern, den Suchterkrankungen und der Binge-Eating-Störung (BES), von einer gesteigerten Aktivität des mesolimbischen Belohnungssystems bei Konfrontation mit störungsbezogenen Umweltreizen und einer gesenkten Aktivität des dorsolateralen präfrontalen Kortex ausgegangen, was zu mangelnden Kontrollfähigkeiten führt (Giel et al., 2022; Kessler et al., 2016; Smith & Robbins, 2013).

Die BES ist laut DSM-5® durch das Vorliegen von mindestens einem Essanfall in der Woche in den vergangenen 3 Monaten definiert. Essanfälle stellen somit das zentrale Kriterium für die Diagnose einer BES dar. Daher wird bei IMPULS insbesondere auf die Behandlung von Essanfällen fokussiert, da diese als Impulskontrollstörung gegenüber Nahrungsreizen verstanden werden können. Da allerdings auch Evidenz besteht, dass Personen mit BES eine allgemein erhöhte Impulsivität aufweisen (z. B. Schag et al., 2013) und gehäufte Komorbiditäten mit Impulskontrollstörungen und Substanzmissbrauch bestehen (z. B. Schmidt et al., 2012; Schreiber et al., 2013), werden bei IMPULS auch weitere impulsive Verhaltensweisen adressiert.

Bei IMPULS wird also daran gearbeitet, impulsives Verhalten zu reduzieren, insbesondere sollen dadurch Essanfälle verringert sowie Kontrollfähigkeiten bei der Nahrungsaufnahme gesteigert werden. Die bei der Suchttherapie schon weitgehend anerkannten Interventionen zur Steigerung der Selbstkontrollfähigkeiten wurden an das Störungsbild der BES adaptiert, wie Gearhardt und Kollegen (2011) es im Sinne der Behandlung der BES als »Esssucht« (engl. food addiction) vorschlagen. Dazu gehören Techniken zur Stimulus- und Reaktionskontrolle sowie die Exposition gegenüber Nahrungsreizen mit Reaktionsverhinderung. Dabei wurden das »Praxisbuch Sucht« von Batra und Bilke-Hentsch (2012) sowie das Manual zur »Behandlung von Computerspiel- und Internetsucht« von Wölfling und Kollegen (2013) herangezogen. Bezüglich der Expositionsübungen haben wir uns an den Manualen »Konfrontationstherapie bei psychischen Störungen« von Neudeck und Wittchen (2005) und »Essanfälle und Adipositas« von Hilbert und Tuschen-Caffier (2010) orientiert, um störungsspezifische Aspekte bei der Exposition gegenüber Nahrungsreizen zu beachten.

2 Essanfälle und Impulsivität bei Binge-Eating-Störung

2.1 Essanfälle und andere impulsive Verhaltensweisen

Bei IMPULS wird aufgrund der vorliegenden empirischen Evidenz davon ausgegangen, dass Essanfälle und andere impulsive Verhaltensweisen bei Personen mit BES durch eine erhöhte dispositionale Impulsivität und bestimmte Lernerfahrungen entstehen, durch die speziell Nahrung als hedonischer Reiz empfunden wird. Dabei wird von dem in → Abbildung 2-1 dargestellten Erklärungsmodell ausgegangen.

Abb. 2-1: Erklärungsmodell zu Essanfällen und impulsiven Verhaltensweisen bei BES (Schag et al., 2016).

Essanfälle sind definiert als eine erhöhte Nahrungsaufnahme innerhalb eines begrenzten Zeitraums mit einem dabei erlebten Kontrollverlust. Die Diagnosekriterien nach DSM-5® (APA, 2013) wie bspw. besonders schnelles Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl über den Hunger hinaus spiegeln dabei ein stark impulsives Essverhalten wider. Wir gehen davon aus, dass Essanfälle aufgrund der zwei Hauptkomponenten von Impulsivität entstehen, die miteinander interagieren (Dawe & Loxton, 2004; Schag et al., 2013):

Erhöhte Belohnungssensitivität: Patient:innen mit BES empfinden Nahrung als besonders belohnend und erleben dadurch ein erhöhtes Verlangen (sog. Craving) gegenüber Nahrungsreizen.

Impulsives Handeln: Aufgrund einer mangelnden Fähigkeit, Essverhalten zu kontrollieren und der erhöhten Belohnungssensitivität setzt die Nahrungsaufnahme unkontrolliert, d. h. oft rasch, teilweise automatisch oder aus Gewohnheit und ohne Berücksichtigung möglicher negativer Konsequenzen (z. B. einer Gewichtszunahme) ein. Die Patient:innen haben Schwierigkeiten, die Nahrungsaufnahme zu verhindern oder zu stoppen, was auch als mangelnde inhibitorische Kontrolle bezeichnet wird.

In → Fallbeispiel 1 berichtet eine remittierte Patientin rückblickend über das subjektive Erleben bei Essanfällen, dabei wird der Bezug zur Impulsivität herausgearbeitet (modifiziert nach Daugelat et al., 2023).

FALLBEISPIEL 1: Eine remittierte Patientin berichtet über das subjektive Erleben von Essanfällen

Können Sie einen typischen Essanfall beschreiben?

Typischerweise sah das bei mir so aus, dass ich irgendwelche Süßigkeiten da hatte, also Nussstollen oder irgendwie Süßgebäck, und dann wirklich einfach gegessen hab, den ganzen Nussstollen leergeräumt hab, und dann auf einmal war der Nussstollen weg. Und ich hab mich total – ich hab das gar nicht gemerkt, weil ich völlig den Überblick verloren hab.

Kurzfristig ging es mir dann besser, weil ich beschäftigt war, konnte mich auf etwas anderes konzentrieren, war abgelenkt. Aber danach ging’s mir dann wieder deutlich schlechter, weil ich erst mal körperlich natürlich total überessen war und auch ein schlechtes Gewissen hatte und mich geschämt habe, weil ich zu viel gegessen hab.

Wie hat sich das angefühlt? Können Sie das noch etwas näher beschreiben?

Es war am Anfang schon gewollt, dass ich was zum Essen gesucht hab, aber dann nach den ersten paar Bissen ging es so in dieses Automatische über. Das war ein Kontrollverlust, also wo ich dann auch nicht mehr gemerkt hab »ich bin jetzt satt« oder »ich brauch jetzt auch nix mehr«.

Können Sie Ihre Auslöser für Essanfälle beschreiben?

Also bei mir werden die Essanfälle ausgelöst durch irgendwelche negativen Gedanken, also wenn ich mich schlecht fühle. Der Trigger für mich ist v. a. Einsamkeit und auch Langeweile. Das heißt, sobald ich kontinuierlich beschäftigt bin oder auch was anderes tu, was mir Spaß macht, dann hab ich das nicht.