Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe - Ruth Haas - E-Book

Bio-psycho-soziales betriebliches Gesundheitsmanagement für Sozial- und Gesundheitsberufe E-Book

Ruth Haas

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Beschreibung

Es ist nicht leicht, gesund zu bleiben. Besonders Arbeitnehmer*innen aus dem sozialen Sektor leiden oft unter körperlichen oder psychosozialen Beschwerden. Nicht nur ihnen kommt betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) zugute, sondern auch den Unternehmen selbst, weil BGM das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen erhöhen und die Produktivität und Attraktivität des Arbeitgebers steigern kann. Dieses Buch zeigt anhand von Unternehmensbeispielen Schritt für Schritt den Aufbau eines systematischen BGM auf. Dabei verknüpfen die Autor*innen Fachwissen über Gesundheit, Stress, Suchtprävention, bewegungs- und gesundheitsförderlicher Arbeit und Führung interdisziplinär mit wirtschaftlichen Grundlagen.

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Seitenzahl: 295

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Prof. Dr. Ruth Haas, Professorin für prozessorientierte Körper- und Bewegungstherapie an der Hochschule Emden / Leer, Leitung des Bachelorstudienganges Interdisziplinäre Physiotherapie – Motologie – Ergotherapie.

Silke Reblin ist Lehrkraft für besondere Aufgaben im Studiengang Sozial- und Gesundheitsmanagement im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit an der Hochschule Emden/Leer und war viele Jahre Leiterin des Zentrums für Weiterbildung der Hochschule.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-8252-5579-4 (Print)

ISBN 978-3-8385-5579-9 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-8463-5579-4 (EPUB)

© 2021 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Cover unter Verwendung eines Fotos von iStock.com / PIKSEL

Satz: JÖRG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Auf ein (Vor-)Wort – Hintergründe zur Entstehung dieses Lehrbuches

Einführung in das Thema

Aufbau des Lehrbuchs

1 Bio-psycho-soziale Gesundheit

1.1 Das bio-psycho-soziale Modell von Gesundheit und Krankheit

1.2 Modelle der Gesundheit

1.2.1 Das Salutogenese-Modell von Aaron Antonovsky

1.2.2 Das Konstrukt der gesundheitlichen Schutzfaktoren

1.2.3 Das Systemische Anforderungs- und Ressourcen (SAR)-Modell

1.3 Auf dem Weg zu einem integrativen und interdisziplinären Gesundheitsverständnis

2 Begriffe, Entwicklung und Gesetze zu Prävention, BGM und BGF

2.1 Prävention vs. Gesundheitsförderung

2.2 Betriebliches Gesundheitsmanagement und Betriebliche Gesundheitsförderung

2.3 Entwicklungslinien

2.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen

2.5 Einführung der Unternehmensbeispiele zum BGM

3 Bio-psycho-soziales Gesundheitsmanagement – ein Handlungsfeld für Sozial- und Gesundheitsberufe

3.1 Erfordernisse für ein bio-psycho-soziales Gesundheitsmanagement

3.2 Gesundheit und Arbeit – ein komplexes Interaktionsfeld

3.2.1 Spezifische Modelle zu Gesundheit und Arbeit

3.2.2 Körperliche Belastungen

3.2.3 Psychische Belastungen

4 BGM-Strategie in Unternehmen

4.1 Begriffsklärungen

4.2 Non-Profit-Unternehmen – eine häufige Unternehmensform im Sozial- und Gesundheitsbereich

4.3 Die Organisation eines Unternehmens

4.4 Stakeholder im BGM-Prozess

4.5 Unternehmenskennzahlen im BGM-Prozess

4.6 Kennzahlensysteme als Instrument zur gesundheitsbezogenen Analyse

4.7 Präsentismus und Absentismus

4.8 BGM in kleinen und mittleren Unternehmen

5 Präventionsprinzipien und Handlungsfelder des bio-psycho-sozialen betrieblichen Gesundheitsmanagements

5.1 Das Präventionsprinzip Stressbewältigung und Ressourcenstärkung

5.1.1 Stress – was ist das?

5.1.2 Stress aus biologischer Perspektive

5.1.3 Gesundheitliche Auswirkungen von Stress

5.1.4 Stressbewältigung

5.2 Das Präventionsprinzip Gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeitstätigkeit und Arbeitsbedingungen

5.3 Das Präventionsprinzip Bewegungsförderliche Umgebung und Arbeiten

5.4 Das Handlungsfeld Verhältnis- und verhaltensbezogene Suchtprävention (Knut Tielking)

5.4.1 Sucht und Arbeit – eine Einführung

5.4.2 Suchtprävention im betrieblichen Setting

5.4.3 Betriebliche Suchtprävention als Baustein des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

6 Gesund Führen im Betrieb – eine Herausforderung

6.1 Führung und Führungsaufgaben

6.2 Der Einfluss von Führungsstilen auf die Gesundheit

6.3 Kommunikation und Führung

6.4 Die Dilemmata der Führungskraft

7 Auf dem Weg zu einem erfolgreichen bio-psycho-sozialen betrieblichen Gesundheitsmanagement

7.1 Vorbereitung und Aufbau

7.1.1 Vorbereitungsphase

7.1.2 Aufbau von Strukturen und Prozessen

7.2 Gesundheitsbezogene Analyse eines Betriebes auf bio-psycho-sozialer Grundlage

7.2.1 Betriebliche Gesundheitsberichterstattung

7.2.2 MitarbeiterInnenbefragung

7.2.3 Leitfadengestützte Interviews

7.2.4 Gesundheitszirkel – ein partizipatives Instrument zur Erhebung und Maßnahmenplanung

7.2.5 Analyse bio-psycho-sozialer gesundheitlicher Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz

7.3 Umsetzung und Evaluation von Maßnahmen der bio-psycho-sozialen Gesundheitsförderung

Literatur

Sachregister

Auf ein (Vor-)Wort – Hintergründe zur Entstehung dieses Lehrbuches

In diesem Lehrbuch werden Erkenntnisse aus Praxisforschung und Lehre verknüpft. Eine weitere Besonderheit stellt seine Entstehung im interprofessionellen Diskurs zwischen GesundheitswissenschaftlerInnen, SoziologInnen, Physio- und ErgotherapeutInnen, MotologInnen, SozialarbeiterInnen und BetriebswirtschaftlerInnen dar. Interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit, die sich kooperativ Themen mit gemeinsamen Zielsetzungen, aber sich unterscheidenden Sprachen bzw. methodischen Zugängen vornimmt – eine Herausforderung. Die ersten Schritte in diese Richtung wurden im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Entwicklung von Modellen und Standards der integrativen Versorgung im Bereich der Rehabilitation von Menschen mit motorischen Störungen geleistet und in das Transferprojekt Implementierung von bio-psycho-sozialen Gesundheitsmanagementkonzepten in klein- und mittelständischen Betrieben in die Anwendung überführt.

Eine weitere Übertragung in die betriebliche Praxis stellte die daraus entwickelte Konzeption einer Weiterbildung zur Bio-psycho-sozialen betrieblichen GesundheitsmanagerIn dar, die an der Hochschule Emden/ Leer erfolgreich angeboten wird.

Mein Dank gilt deshalb in besonderer Weise Harro Ohlenburg, Helmut Tiemann, Andre Schneke, Silke Jakobs, Sven Krügerke, die ihre Fachkompetenz den o.g. Projekten zur Verfügung gestellt haben.

Dieses Buch unterliegt einer kooperativen AutorInnenschaft. Dennoch sind einzelne Kapitel schwerpunktmäßig aus der Feder der jeweiligen AutorIn entstanden.

Die Kapitel 1,3,5.1–5.2 und 7 wurden von Ruth Haas verfasst. Silke Reblin widmete sich Kapitel 4 und 6, während das Kapitel 2 die Handschrift beider Autorinnen trägt. Das Kapitel 5.3 unterliegt der Autorenschaft von Knut Tielking.

Emden, im Juli 2020

Ruth Haas

Einführung in das Thema

Die zunehmende Bedeutung von Gesundheit im betriebswirtschaftlichen Kontext lässt Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit dem Personal umdenken. Es finden sich eine stetig wachsende Anzahl an Studien zum Thema Gesundheit und Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) (Uhle / Treier 2019) wie auch das Bestreben ein BGM zu implementieren.

Die lohnende Investition in die Gesundheit scheint Katalysator für die Entscheidung zu sein, für die MitarbeiterInnen über den Arbeitsschutz hinaus zu denken.

Gemäß Luxemburger Deklaration (Kap. 2.3) ist die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) eine

„[…] moderne Unternehmensstrategie und zielt darauf ab, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen (einschließlich arbeitsbedingter Erkrankungen, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Stress), Gesundheitspotentiale zu stärken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu stärken.“ (Europäisches Netzwerk ENWHP, 2011, 3)

BGM wird als Steuerungsmodell der Gesundheitsförderung in Betrieben (Uhle / Treier 2019) verstanden. Diese müssen sich den Veränderungen in der Arbeitswelt der Zukunft stellen. Die digitale Transformation mit Arbeit 4.0, Industrie 4.0 und New Work werden Unternehmen zukünftig prägen und sich auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auswirken (Abb. 1).

Abb. 1: Trends der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert (nach Bruckner et al. 2018, Hasselmann et al. 2017, Europäisches Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung ENWHP 2011)

Es stellt sich die Frage, wie Unternehmen mit diesen weitreichenden Einflüssen auf die Arbeits- und Lebenswelt umgehen werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels mit einer stetig alternden Gesellschaft (Gößwald et al. 2015, Statistisches Bundesamt Destatis 2019b, Troger 2019) und somit auch einer Steigerung des Durchschnittsalters (Kap. 4.) (Statistisches Bundesamt Destatis 2019b) in der Belegschaft gewinnt die Gesundheit der Arbeitskräfte an Bedeutung. Bis zum Jahr 2060 werden sich sowohl die Bevölkerung Deutschlands als auch die Personen im erwerbsfähigen Alter deutlich reduzieren (Statistisches Bundesamt Destatis 2019b). Diesem Rückgang soll durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Arbeitsquote weiblicher erwerbstätiger Personen entgegengewirkt werden. Der Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft und damit der Entstehung der Wissensgesellschaft stellt eine Herausforderung für unsere Arbeitswelt dar.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Work-Life-Balance wurden zu wichtigen Themen, die von Unternehmen mit Leben gefüllt werden. Die Grenzen von Arbeit und Freizeit, u. a. durch die Unterstützung von Mobile Devices wie Smartphones oder Tablets verschwimmen. Kompetenzen im Selbst-, Zeit- und (agiles) Projektmanagement als Basis einer guten Work-Life-Balance, spielen in Bezug auf die zunehmende Digitalisierung und damit verbundenen Homeoffice (Teleheimarbeit) eine gesundheitsrelevante Rolle.

Dem Fachkräftemangel soll durch Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung sowie der Zuwanderung gut ausgebildeter Personen entgegengewirkt werden. Die Unternehmen stehen untereinander im Wettbewerb um MitarbeiterInnen (Junker / Griebsch 2017). Die Variabilität von Familienmodellen, wie Patchworkfamilien, Alleinerziehende, aber auch eine Zunahme von Single-Haushalten haben Auswirkungen auf das Arbeitsleben (Hesse et al. 2015).

Bio-psycho-soziales Gesundheitsmanagement liefert für diese Problemlagen keine Standardlösungen. Auf der Basis einer diffenzierten, individualisierten Anlayse können Betriebe ihre spezifischen Ressourcen und Schwachstellen erkennen und partizipativ mit ihrer Belegschaft Antworten finden.

Aufbau des Lehrbuchs

Dieses Lehrbuch verknüpft Basiswissen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) auf bio-psycho-sozialer (bps) Grundlage mit deren praktischer Anwendung bzw. Umsetzung anhand von betrieblichen Fallbeispielen.

Zu Beginn wird das bio-psycho-soziale Gesundheitsverständnis in Abgrenzung zur Krankheit geklärt (Kap. 1.1, Kap. 1.2).

Bio-psycho-soziale Gesundheit

Ressourcenorientierte Betrachtungsweisen von Gesundheit, wie das Salutogenese-Modell, das Konstrukt der gesundheitlichen Schutzfaktoren und das Systemische Anforderungs- und Ressourcenmodell (SAR-Modell), legen die Basis für gesundheitsorientiertes Denken und Handeln, welches in ein integratives und interdisziplinär anerkanntes Gesundheitsverständnis (Kap. 1.3) mündet.

Grundbegriffe

Der Blick wird im 2. Kapitel auf zentrale Begrifflichkeiten zum BGM, betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF), Prävention und deren historischen Hintergrund gerichtet (Kap. 2.1–2.3), zudem werden gesetzliche Vorgaben erläutert (Kap. 2.4). Drei Beispiele unterschiedlicher Betriebsformen werden vorgestellt, um anhand dieser die Implementierung eines bps BGM in der Umsetzung zu erproben (Kap. 2.5).

Gesundheit und Arbeit

Dem komplexen Interaktionsfeld von Gesundheit und Arbeit und dessen Bedeutung für Sozial- und Gesundheitsberufe widmet sich Kapitel 3. Auf Grundlage von spezifischen Modellen sowie dem Blick auf körperliche und psychische Belastungen in der Arbeit wird diese Wechselbeziehung beschrieben (Kap. 3).

Unternehmen/Betriebe

Im Mittelpunkt des 4. Kapitels stehen wichtige betriebswirtschaftliche Grundlagen, die erforderlich sind, um ein Grundverständnis für Unternehmen zu entwickeln und professionell agieren zu können. Es werden zentrale Unternehmensformen mit ihren organisatorischen Besonderheiten vorgestellt (Kap. 4.1–4.3).

Stakeholder, Kennzahlen, KMU

Relevante Akteure und Daten (Kennzahlen) im BGM-Prozess werden benannt und aktuelle Phänomen wie Präsentismus versus Absentimus diskutiert (Kap. 4.4–4.7). Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) bergen besondere Förder- und Barrierefaktoren beim Aufbau eines BGM (Kap. 4.8).

Präventionsprinzipien und Handlungsfelder

Im 5. Kapitel geht es um Präventionsprinzipien, Handlungsfelder und Anwendungsperspektiven der (betrieblichen) Gesundheitsförderung: Stressbewältigung und Ressourcenstärkung, bewegungsförderliche Umgebung und Arbeiten, gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeitstätigkeit und Arbeitsbedingungen sowie Suchtprävention (Kap. 5).

Gesunde Führung

Der Rolle von Führung bei der Einsetzung eines BGM wird ein eigenes Kapitel gewidmet, da Führungskräfte, Führungstile, Kommunikation und das in der Rolle der Führung innewohnende Konfliktpotential sich als gesundheitsrelevant erweisen (Kap. 6).

Auf dem Weg zu bps BGM

Eine handlungsleitende Vorgehensweise für die Implementierung eines bps BGM steht im Mittelpunkt des Abschlusskapitels (Kap. 7). Vorbereitung, Aufbau relevanter Strukturen und Prozesse, gesundheitsbezogene Analyse und Maßnahmenentwicklung werden beschrieben sowie deren Evaluation.

Methodisch-didaktische Mittel

Dieses Lehrbuch nutzt folgende methodisch-didaktische Mittel:

■Transferaufgaben regen dazu an, die dargestellten Wissensbestände auf Beispielbetriebe zu übertragen, die in Kapitel 2.5 eingeführt wurden.

■Selbstlernaufgaben dienen der Reflexion und Wiederholung der theoretischen Erkenntnisse.

Dieser methodische Mix wird durch Literaturtipps ergänzt, die einen niedrigschwelligen Zugang zur Fachliteratur geben.

Die Konkretion bezogen auf BGM wird in Tipps geleistet.

Da im Feld der Fachliteratur zum Thema BGM viel Bewegung herrscht, sind die LeserInnen dazu angehalten, selbst mittels Recherche Aktualisierungen vorzunehmen.

1 Bio-psycho-soziale Gesundheit

Im folgenden Kapitel werden grundsätzliche Aspekte des Gesundheits–Krankheitsdiskurses benannt, der Begriff bio-psycho-soziale Gesundheit definiert und ressourcenorientierte Gesundheitsmodelle vorgestellt. Die Begriffe „Gesundheit“ und „Krankheit“ werden im alltagssprachlichen Gebrauch als Gegenpole und zur gegenseitigen Abgrenzung gebraucht. In medizinischer Sicht dienen sie ursprünglich der Einordnung in die Kategorien behandlungsbedürftig / nicht behandlungsbedürftig oder PatientIn versus (vs.) Nicht-PatientIn und damit der Indikationsstellung. Krankheit wird z. T. als negativer Pol des positiv bewerteten Zustandes der Gesundheit, als eine Art Normabweichung angesehen. Die Betrachtungsweisen von Gesundheit und Krankheit wandeln sich in Abhängigkeit vom zeitgeschichtlichen Kontext, dem subjektiven Befinden, der sozial und gesellschaftlich vorherrschenden Definition dieser Begriffe sowie der Professionalisierung und Dominanz der ExpertInnen.

Selbstlernaufgabe: Setzen Sie folgenden Satz für sich fort: „Ich bin gesund, wenn…“. Welche Merkmale Ihres persönlichen Gesundheitsverständnisses können Sie für sich festhalten?

Abb. 2: Spannungsfeld zum Begriff Gesundheit

Es sind Spannungsfelder bei der Betrachtung des Gesundheitsbegriffes festzuhalten (Abb. 2). Die erste Spannungslinie besteht zwischen der objektiven Betrachtung von ExpertenInnen und dem subjektiven Befinden des Individuums. Fühlt sich eine Person gesund oder wird sie als gesund in der Außenperspektive eingeschätzt? Die zweite Spannungslinie entsteht zwischen der Betrachtung von Gesundheit als Status, d. h. Zustand, und einer prozessorientierten Betrachtung von Gesundheit, bei der davon ausgegangen wird, dass sich Gesundheit über die gesamte Lebensspanne täglich verändert.

Gesundheit im Spannungsfeld

Ein drittes Spannungsfeld entsteht zwischen der körperlichen sowie der psychischen und sozialen Perspektive. Diese sind durch die jeweiligen wissenschaftlichen Fachdisziplinen geprägt, z. B. durch Medizin, Psychologie, Soziologie, Rechtswissenschaft oder Gesundheitswissenschaften. Die vierte Spannungslinie ist mit der Frage verknüpft, ob die Entstehung von Gesundheit oder Krankheit in den Blick genommen wird.

Selbstlernaufgabe: Setzen Sie folgenden Satz für sich fort: „Ich bin krank, wenn…“. Welche Merkmale Ihres persönlichen Krankheitsverständnisses können Sie für sich festhalten?

1.1 Das bio-psycho-soziale Modell von Gesundheit und Krankheit

Ein bio-psycho-soziales Modell von Gesundheit und Krankheit etabliert sich im Fachdiskurs. In der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung aus dem Jahr 1946 (World Health Organisation [WHO] Europa 1986) wurde Gesundheit definiert als “a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity”.

Darin ist eine deutliche Abkehr von einem rein biomedizinisch orientierten Gesundheitsverständnis zu erkennen. Kritisch kann an dieser begrifflichen Festlegung die darin enthaltene Statusannahme (state) sowie der Anspruch auf Vollständigkeit, wie er im Wort complete enthalten ist, gesehen werden.

Mit dem bio-psycho-sozialen Modell von Gesundheit und Krankheit wurde eine Abkehr vom ausschließlich biomedizinischen Modell mit seinem reduktionistischen Erklärungsmodell eingeleitet (Engel 1976, Wesiack 1988, Franke 2012). Das bio-psycho-soziale Modell geht davon aus, dass Biologisches, Psychisches und Soziales in einer dynamischen Beziehung verbunden sind. Es kann mittlerweile als sehr verbreitet angesehen werden. Die Betrachtung von medizinischen Publikationen zeigt jedoch noch immer eine Dominanz der biologisch-medizinischen Wissenschaft (Hurrelmann / Richter 2016).

Der Mensch als System

Die Wurzeln des bio-psycho-sozialen Modells liegen in der systemtheoretischen Betrachtung des Menschen (Egger 2005). Diese Sichtweise wurde von Engel (1976) begründet, der das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell entwickelt hat. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Natur in hierarchisch aufeinander aufbauenden Systemen geordnet ist. Auf jeder Hierarchieebene existiert ein dynamisch organisiertes System mit spezifischen Qualitäten und Beziehungen. Nichts existiert isoliert. Alle Organisationsebenen reagieren vernetzt, und Veränderungen auf einer Systemebene haben immer Auswirkungen auf alle anderen Teilsysteme. Die Person als System mit ihrer Körperlichkeit, ihren organischen Strukturen sowie ihrem Erleben und Verhalten wird als Ganzheit verstanden, die sich aus Subsystemen zusammensetzt, die wiederum hierarchisch aufgebaut sind (Egger 2005). Sowohl mentale als auch körperliche Phänomene werden durch physiologische und physikalisch-chemische Ereignissen erzeugt, sind jedoch nicht auf diese reduzierbar.

Hierarchie im System

Phänomene, die auf der höheren Hierarchieebene existieren, sind auf einer niedrigeren Ebene noch nicht vorhanden. Auf neurobiologischem Niveau können komplexe Erlebens- und Verhaltensweisen nicht erklärt werden. Beispielsweise lässt sich Empathie nicht durch vielfältige nervale, biochemische Erregungsmuster verstehen. Es werden keine adäquaten Erklärungen für die Komplexität der seelischen Phänomene gegeben (Egger 2005). Das bedeutet, dass die Entstehung von Symptomen, die Ätiologie von Erkrankungen sowie die Behandlung von gesundheitlichen Störungen immer sowohl biologisch als auch psychologisch (Egger 2005) zu betrachten sind. Egger definiert Gesundheit wie folgt:

„Im bio-psycho-sozialen Modell bedeutet Gesundheit die ausreichende Kompetenz des Systems „Mensch“, beliebige Störungen auf beliebigen Systemebenen autoregulativ zu bewältigen. Nicht das Fehlen von pathogenen Keimen (Viren, Bakterien etc.) oder das Nichtvorhandensein von Störungen / Auffälligkeiten auf der psycho-sozialen Ebene bedeuten demnach Gesundheit, sondern die Fähigkeit, diese pathogenen Faktoren ausreichend wirksam zu kontrollieren“ (Egger 2005, 5).

In der Erweiterung des Modells von Engel schlägt Egger (2005) bei der Betrachtung von gesundheitlichen Fragestellungen in Diagnostik und Therapie die Untersuchung der biomedizinischen, psychologischen und ökosozialen Ebene vor. Auf der biologischen Ebene werden biomedizinische Daten erhoben und physikalische, medikamentöse oder chirurgische Interventionen eingesetzt.

Diagnostik und Therapie

Bei der psychologischen Betrachtung werden individuelles Erleben und Verhalten sowie der subjektive Lebensstil untersucht. Therapeutisch erfolgen psychologische bzw. ärztliche Beratung, psychophysische Regulationsverfahren oder Psychotherapie. Die ökosoziale Diagnostik nimmt familiäre, beruflich-gesellschaftliche und umweltbezogene Lebensbedingungen in den Blick. Als Behandlungsformen werden PatientInneninformation, die Vermittlung von Hilfe in der Familie, am Arbeitsplatz, bei den zuständigen Behörden und psycho-soziale Beratung und Vereinsangebote vorgeschlagen (Egger 2005).

Selbstlernaufgabe: Übertragen Sie das bio-psycho-soziale Modell nach Egger (2005) auf Ihre eigene gesundheitliche Situation.

In der ICF (International Classification of Function, Disability and Health) hat die WHO (World Health Organization) das bio-psycho-soziale Verständnis erweitert und spezifiziert. Die ICF wurde in Ergänzung der ICD (International Classification of Diseases) entwickelt. Die ICF gehört zu den von der Weltgesundheitsorganisation entwickelten Instrumenten der Klassifikationen von unterschiedlichen Aspekten der Gesundheit.

Funktionelle Gesundheit (ICF)

Die ICD stellt ein Klassifikationssystem für die Einordnung von Störungen der Gesundheit dar. Funktionsfähigkeit und Behinderung, verbunden mit einem Gesundheitsproblem, sind Thema der ICF. Die WHO beschreibt Gesundheit als Wechselwirkung zwischen den Komponenten Aktivitäten, Teilhabe, Umweltfaktoren (gleichbedeutend mit Kontextfaktoren) und personalen Faktoren. Es besteht eine dynamische Wechselbeziehung und durchgängig vielschichtige Interaktion zwischen diesen Komponenten der funktionalen Gesundheit (Abb. 3).

Abb. 3: Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF (DIMDI 2005, 23)

Die ICF versteht unter dem Begriff Körperstrukturen die anatomische Basis des menschlichen Körpers, wie z. B. Organe, Muskelskelettsystem. Unter Körperfunktionen werden die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich der mentalen Funktionen) verstanden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).

Körperstrukturen und -funktionen können beeinträchtigt werden, so dass diese von der Norm abweichen oder sogar verloren gehen (Begriff der Schädigung) (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Mit der Komponente Aktivität wird die Durchführung einer Aufgabe oder Handlung (Aktion) durch einen Menschen beschrieben (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Partizipation (Teilhabe) beschreibt das Einbezogensein des Menschen in eine Lebenssituation. Sind Aktivitäten beeinträchtigt, kann eine Person Einschränkungen bei der Durchführung einer Handlung haben.

Förder- / Barrierefaktoren

Eingeschränkte Handlungsfähigkeit kann ein Barierrefaktor beim Einbezogensein in eine Lebenssituation darstellen (Beeinträchtigung der Partizipation / Teilhabe). Die Komponente der Umweltfaktoren oder auch Kontextfaktoren beschreibt die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der Menschen ihr Dasein führen. Umweltfaktoren können gesundheitsförderlich sein (Förderfaktoren) oder als gesundheitliche Barrieren (Barrierefaktoren) eingeschätzt werden (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005).

Personenbezogene Faktoren werden den Kontextfaktoren zugeordnet. Sie beinhalten Faktoren, die sich auf die betrachtete Person beziehen, wie beispielsweise Alter, Geschlecht, sozialer Status, Lebenserfahrung usw. Diese werden in der ICF nicht klassifiziert (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI). Kontextfaktoren können Förderfaktoren oder Barrieren darstellen. Als Förderfaktoren werden Faktoren in der Umwelt einer Person klassifiziert, welche die Funktionsfähigkeit eines Menschen unterstützen (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005). Zu den Förderfaktoren gehören z. B. die

„Verfügbarkeit relevanter Hilfstechnologie, positive Einstellungen der Menschen zu Behinderung, sowie Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze, die darauf abzielen, alle Menschen mit Gesundheitsproblemen in alle Lebensbereiche einzubeziehen“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI 2005, 147).

Als Barrieren bezeichnet die ICF Faktoren in der Umwelt einer Person, welche die Funktionsfähigkeit einschränken, wie zum Beispiel eine unzugängliche materielle Umwelt oder negative Einstellungen zu Menschen mit Gesundheitsproblemen. Barrieren und Förderfaktoren können vorhanden sein oder fehlen.

Sind in einem Betrieb Aufzüge vorhanden, können Menschen mit Schmerzen in den unteren Extremitäten (Körperfunktion) mit oder / ohne Schädigung einer Körperstruktur (wie z. B. des Kniegelenkes) die Aktivität Gehen ausführen und somit ihre Arbeit behalten (Teilhabe).

Die Erfassung von Gesundheitsproblemen unter Bezug auf die ICF wird im Folgenden an Beispielen erläutert.

Herr X. hat heftige Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und kann deshalb nicht mehr alltagsrelevant heben und tragen (Aktivität). Eine differenzierte Untersuchung durch den Arzt (Kontextfaktor) zeigt, dass er eine Schädigung der Bandscheibe hat (Körperstruktur), die jedoch durch physiotherapeutische Maßnahmen zu kompensieren ist. Die Physiotherapie wird von seiner Krankenkasse in ausreichendem Umfang bezahlt (Kontextfaktor). Herr X kann bereits nach kurzer Zeit seine beruflichen und privaten Aufgaben wieder bewältigen. Hinzu kommt, dass er. eine aktive Person ist und auch zu Hause die physiotherapeutischen Aufgaben übt (personale Faktoren).

Selbstlernaufgabe: Wie kann das ICF-Modell der Gesundheit zur Erfassung von gesundheitlichen Problemlagen im betrieblichen Kontext eingesetzt werden? Beleuchten Sie ein selbst gewähltes Fallbeispiel mit der ICF.

1.2 Modelle der Gesundheit

Im folgenden Kapitel werden Modellvorstellungen über die Entstehung und Veränderung von Gesundheit dargelegt. Pathogenetisch ausgerichtete Modelle werden nicht vorgestellt, da im Zentrum dieses Buches die Förderung von Gesundheit steht und nicht die Vermeidung von Krankheit (Prävention) (Kap. 2.1).

Saluto- vs. Pathogenese

Aus pathogenetischer Perspektive wird Gesundheit als Normalzustand betrachtet und Krankheit hingegen als Abweichung von dieser Norm. Es wird nach objektivierbaren Faktoren gesucht, die zu dieser Abweichung beitragen und die es zu vermindern gilt. Die salutogenetische Betrachtungsebene sieht Gesundheit und Krankheit als Pole eines Kontinuums, auf dem sich ein Mensch sein Leben lang und jeden Tag bewegt. Es wird nach Faktoren gesucht, die objektiv und subjektiv dazu beitragen, dass ein Mensch gesund bleibt und sich subjektiv betrachtet wohl fühlt. Um den jeweiligen gesundheitlichen Ist-Stand zu erfassen, werden aus pathogenetischer Sicht Krankheitssymptome erfasst, zu Diagnosen summiert und nach der ICD klassifiziert.

Ein salutogenetischer Blick analysiert gemeinsam mit dem betroffenen Menschen seine Lebensgeschichte, die Einflüsse der eigenen Person und der Lebenswelt auf den Prozess seiner Gesundheit.

1.2.1 Das Salutogenese-Modell von Aaron Antonovsky

Die Frage, wie Gesundheit entsteht, anstatt allein nach den Ursachen von Erkrankungen zu fragen, entspricht der Denkrichtung von Antonovsky / Franke (1997) in seinem Ansatz der Salutogenese. Er ist der Frage nachgegangen, warum manche Menschen trotz großer Belastungen und einschneidender Lebensereignisse gesund bleiben. Für Antonovsky (1979) besitzen Patho- und Salutogenese eine komplementäre Beziehung. Er fordert, dass nicht nur nach den Krankheitsursachen geforscht wird, sondern die gesamte Lebensgeschichte eines Menschen untersucht werden sollte.

Die zentrale Frage des Autors lautet, welche Faktoren dazu führen, dass eine Person auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum in Richtung Gesundheit einzuordnen ist. Die Erforschung und Behandlung pathogener Faktoren sollte durch die Suche nach den Ursachenzusammenhängen von Gesundheit ergänzt werden.

Kohärenzsinn

Antonovsky definiert das Kohärenzgefühl als

„a global orientation that expresses the extent to which one has a pervasive endouring dynamic, feeling of confidence that one’s internal and external environments are predictible and that there is a high probability that things will work out as well as can reasonably be expected“ (Antonovsky 1979, 10).

Der SOC umschreibt eine globale Orientierung, die ausdrückt, inwieweit jemand ein überdauerndes, allgegenwärtiges Vertrauen darauf empfindet, dass die Ereignisse der äußeren und inneren Umwelt vorhersagbar und bewältigbar sind. Zudem bedeutet es, dass die Ressourcen als ausreichend für die Erfüllung der aus den Ereignissen erwachsenden Anforderungen empfunden werden. Dazu gehört auch, dass die Anforderungen als positive Herausforderungen wahrgenommen werden, welche die Investition und das Engagement wert sind (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997). Demnach enthält der Kohärenzsinn kognitive, pragmatische und emotionale Bestimmungsgrößen, nämlich die Verstehbarkeit, die Handhabbarkeit und die Sinnhaftigkeit (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997).

Verstehbarkeit

Comprehensibility beschreibt die Fähigkeit, die aus der internalen und externalen Umgebung wahrgenommenen Reize als Information einordnen und strukturieren zu können. Comprehensibility beinhaltet ein stabiles Urteilsvermögen bezüglich der Realität. Die zweite Komponente, die Fähigkeit zur Handhabung und Bewältigung (manageability), beinhaltet die Überzeugung, dass die eigenen verfügbaren Ressourcen den zukünftigen Erfordernissen gerecht werden können. Eine Person mit einem hohen Maß an manageability wird sich nicht als Opfer der Ereignisse fühlen.

Handhabbarkeit

Das motivationale Element wird mit dem Teilaspekt der Sinnhaftigkeit eingeführt. Es ist wichtig, dass Lebensbereiche und -ereignisse als sinnhaft erlebt werden, d. h. eine emotionale und kognitive Bedeutung besitzen.

Sinnhaftigkeit

Herausforderungen werden als das Engagement und die Investition wert und somit als sinnvoll betrachtet. Der SOC ist die zentrale koordinierende Kraft im Konzept von Antonovsky (1979, Antonovsky / Franke 1997), die die Wirkung von Stressoren, von Widerstandsquellen und die Verarbeitung der Lebenserfahrung maßgeblich beeinflusst. Ein Mensch ist nicht abhängig von externalen und internalen Widerstandsquellen und der Einwirkung von Stressoren (Abb. 4). Vielmehr beteiligt er sich mittels des Kohärenzsinnes aktiv an der Gewichtung und Bewältigung der Stressoreneinflüsse.

Stressoren

Einwirkungen bzw. Stimuli, deren Ursachen in der externalen und internalen Umwelt liegen, werden durch ihren Grad an Intensität oder die Zeitdauer ihrer Einwirkung zu Stressoren. Auf sie kann ein Mensch nur durch verstärkte Energieaufwendung und nicht automatisiert reagieren. Der Autor unterscheidet endogene und exogene Stressoren von körperlichen und biochemischen Stressoren.

Abb. 4: Das Salutogenese-Modell (nach Antonovsky 1979)

Als exogene Stressoren werden ein Unfall, historische Katastrophen, Gewalterfahrungen, innerpsychische Konflikte, Angst vor Aggression, normative und non-normative Krisen, plötzliche Umweltveränderungen, Konflikte im Sozialgefüge sowie eine Diskrepanz zwischen Zielen und Möglichkeiten genannt. Diese Stressoren führen zu Spannungszuständen, die bei nicht erfolgreicher Bewältigung zu Stress werden können (Kap. 5.1). Biochemische und körperliche Stressoren interagieren mit den individuellen pathogenen Schwachstellen und erhöhen möglicherweise den Stresszustand.

Widerstandsquellen

Erfolgreiches Stressmanagement hat unmittelbar Auswirkungen auf die Positionierung im Kontinuum und stärkt den Kohärenzsinn. Innerhalb des soziokulturellen und historischen Kontextes entwickelt ein Mensch generalisierte Widerstandsquellen gegen Stressoren. Diese sorgen dafür, dass ein Mensch sich als bedeutungsvoll und kohärent erfährt. Zusätzlich bewahren sie den Organismus vor der Einwirkung von Stressoren oder helfen, erzeugte Spannung zu lösen. Als wichtige generalisierte Widerstandsquellen werden u. a. genetische und konstitutionelle Widerstandsquellen, wie z. B. immunologische Abwehrkräfte und das große Anpassungsvermögen des Menschen genannt (Antonovsky 1979, Antonovsky / Franke 1997). Den psycho-sozialen Widerstandsquellen werden materieller Wohlstand, Wissen und Intelligenz, eine stabile Ich-Identität, die Verfügbarkeit flexibler und steuerbarer Bewältigungsstrategien sowie eine präventive Gesundheitseinstellung zugeordnet. Besondere Bedeutung als Widerstandsquellen erhalten soziale Unterstützung, dauerhafte Bindungen und kulturelle Stabilität. Stabile religiöse, philosophische oder magische Weltanschauungen helfen Antworten auf die Sinnfragen des Lebens zu finden.

Spezifische Widerstandsquellen entsprechen den persönlichen Bewältigungsstrategien im Alltag, wie z. B. eine Kopfschmerztablette bei Bedarf, ein Telefongespräch mit einer guten Freundin oder Entspannungstechniken.

Lebenserfahrung

Von Geburt an erleben Menschen Situationen der Herausforderung, der Anspannung, des Stresses und der Entscheidung. Je mehr diese Erfahrungen als konsistent erlebt werden, desto mehr beginnt das Individuum die Welt als kohärent und vorhersagbar zu erleben. Dabei muss es sich um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Überbelastung und Unterbelastung handeln. Ein starker Kohärenzsinn mobilisiert die verfügbaren generalisierten und spezifischen Widerstandsquellen in der Auseinandersetzung mit Stressoren. Erfolgreiche Bewältigung von Stressoren und Spannung stärkt wiederum den Kohärenzsinn.

1.2.2 Das Konstrukt der gesundheitlichen Schutzfaktoren

Das Salutogenese-Modell hat den gesundheitswissenschaftlichen Diskurs stark beeinflusst und erweitert. In der Weiterentwicklung der salutogenetischen Perspektive sind gesundheitliche Schutzfaktoren für unterschiedliche Altersgruppen herausgearbeitet und überprüft worden.

Schutzfaktoren

Schutzfaktoren sind den Kategorien soziale, wirtschaftliche, psychologische, behaviorale sowie gesellschaftliche Faktoren zuzuordnen (Hurrelmann et al. 2009). Das Konstrukt der gesundheitlichen Protektivfaktoren (Viehhauser 2000) ist ein Begriff, der interne personenbezogene Betrachtungsweisen mit externen auf die Umwelt und Lebensgestaltung bezogenen Aspekten verknüpft (Abb. 5).

Risikofaktoren

Als Risikofaktoren werden alle empirisch gesicherten Faktoren, die die Vorhersage von Krankheiten ermöglichen, bezeichnet:

„Ein Risikofaktor gibt Auskunft über eine potenzielle, sich direkt oder indirekt und in der Regel erst mit zeitlicher Verzögerung manifestierende Gefährdung der Gesundheit, der Entwicklung oder der sozialen und kulturellen Integration bzw. Inklusion“ (Franzkowiak 2018c, 846)).

Risikofaktoren werden in genetische, physiologische und psychische Dispositionen, (z. B. Verengungen der Blutgefäße) behaviorale (z. B. Zigarettenrauchen, Bewegungsmangel) und regionale umweltbezogene Dispositionen (z. B. erhöhte Strahlenbelastung) eingeteilt (Hurrelmann et al. 2009). Risikofaktoren bezeichnen keine linearen Kausalitäten. In der öffentlichen Diskussion werden sie z. T. mit Krankheitsursachen gleichgesetzt. Risikofaktoren werden nicht einzelfallbezogen ermittelt, sondern beschreiben ein Gruppenrisiko. Das bedeutet, dass sie für das Individuum nicht linaer kausal zu sehen sind.

Im Folgenden werden psychologische, behaviorale und gesellschaftliche Schutzfaktoren vorgestellt. Zum Teil wird ein Transfer auf Fragen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der betrieblichen Gesundheitsförderung geleistet.

Hoffnung

In der Schutzfaktorenforschung wurde das Konstrukt Hoffnung bei der Bewältigung lang andauernder Belastungen als bedeutsam beschrieben. Hoffnungsvolle Menschen zeigen eher primär- und tertiärpräventives Gesundheitsverhalten, d. h. sie nehmen an Vorsorgeuntersuchungen teil und halten sich an die medizinischen Empfehlungen (Folkman 2010).

Selbstwert

Personen mit einem hohen Selbstwertgefühl tendieren dazu negative Ereignisse weniger als Bedrohung wahrzunehmen (Bengel / Lyssenko 2012), während ein niedriges Selbstwertgefühl das Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen erhöht. Für die Gesundheitsförderung bedeutet dies, dass bei Personen mit niedrigem Selbstwertgefühl Interventionen zu dessen Stärkung von Bedeutung sind (Bengel / Lyssenko 2012).

Unter dem Begriff „Resilienz“ wurde untersucht, welche Schutzfaktoren die Bewältigung altersspezifisch anstehender Entwicklungsaufgaben im Kindesalter unterstützen oder gegen risikoreiche Einflüsse widerstandsfähiger machen (Resch et.al. 1999, Scheithauer / Petermann 1999, Wustmann 2005). „Allgemein versteht man unter Resilienz die Fähigkeit, erlernte Mechanismen zur Bewältigung alterstypischer Aufgaben trotz schwieriger Umstände zu aktivieren“ (Petermann / Schmidt 2006, 119).

Coping

Der Begriff Coping wird als Bewältigung von Stress und kritischen Lebensereignissen definiert (Bengel / Lyssenko 2012). Dabei werden problemorientierte und emotionsbezogene Copingstrategien unterschieden. Erstere umschreibt aktive Lösungsversuche und die Suche nach praktischen Hilfen. Zweitere bezieht sich auf die Bewältigung der durch das Ereignis ausgelösten Emotionen. Dieses Copingverhalten erscheint hilfreich, wenn es sich um subjektiv als unkontrollierbar erlebte Ereignisse handelt (Bengel / Lyssenko 2012). Dazu gehört beispielsweise die Akzeptanz einer Situation, die Wertschätzung der eigenen Kompetenz oder Humor.

Abb. 5: Gesundheitliche Schutzfaktoren (nach Bengel / Lyssenko 2012, Haas 2014, Viehhauser 2000)

Optimismus

Der Schutzfaktor Optimismus bezeichnet ein psychologisches Konstrukt, welches das Verhalten von Menschen beeinflusst. Optimistische Menschen weisen eine Neigung dazu auf, eher positive Ergebnisse zu erwarten. Dies kann zu größerer Handlungsbereitschaft führen. Handlungen werden von positiven Emotionen begleitet. Der Zusammenhang von psychischer und physischer Gesundheit sowie Optimismus gilt in der gesundheitspsychologischen Forschung als evident (Grote et al. 2007, Hoyer 2000). Es besteht die Annahme, dass Optimismus positive Auswirkungen auf das Immunsystem und das Gesundheitsverhalten hat. Optimismus stärkt aktives Bewältigungsverhalten und soziale Unterstützung (Grote et al. 2007). Die Trennschärfe zu den psychologischen Konstrukten Selbstwirksamkeitserwartung und Kontrollüberzeugung ist nicht eindeutig.

Selbstwirksamkeitserwartung

Die sozial-kognitive Theorie der Selbstwirksamkeit von Bandura (1977) besagt, dass Handlungsintentionen von Individuen sich auf Ergebniserwartung und Wirksamkeitserwartungen stützen. Wirksamkeitserwartung, insbesondere Selbstwirksamkeitserwartung, impliziert, dass ein Individuum davon ausgeht, selbst bestimmte Wirkungen zu erzielen. Studien belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeitserwartungen und der positiven Bewältigung von belastenden Lebensereignissen gibt (Benight / Bandura 2004). Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung empfinden sich als weniger verletzlich und ihre Umwelt als weniger bedrohlich. Sie initiieren bei der Konfrontation mit schwierigen Ereignissen lösungsorientierte Strategien. Damit geht ein höheres Maß an Zutrauen zur eigenen Selbstregulationsfähigkeit sowie der kognitiven und emotionalen Kontrolle einher. Der Schutzfaktor Selbstwirksamkeitserwartung ist neben der sozialen Unterstützung am besten empirisch belegt (Bengel / Lyssenko 2012).

Positive Emotionen

Menschen, die häufig positive Stimmungen und Gefühle erleben, wie z. B. Freude, Stolz, Neugier, Lust und Zufriedenheit, werden als glücklich bezeichnet. Positive Emotionen weisen einen hohen Zusammenhang mit beruflichem Erfolg, erfüllenden Sozialbeziehungen und Gesundheit auf. Dabei zeigt sich deren Regelmäßigkeit und die Relation zu negativem Emotionserleben bedeutsam (Lyubomirsky et al. 2005). Das Erleben positiver Emotionen konnte in empirischen Studien als protektiv nachgewiesen werden (Benge / Lyssenko 2012). Euthyme Tätigkeiten tragen zu mehr Wohlbefinden bei. Genießen wird dabei gleichsam als euthymes Erleben in Reinform bezeichnet (Viehauser 2000). Genuss wird definiert als sinnliche, lustvolle und reflexive Art des positiven Erlebens. Genuss grenzt sich von Sucht durch eine Fähigkeit zur Kontrolle des eigenen Verhaltens ab. Genießen erfordert eine Aufmerksamkeitsfokussierung auf eine sinnliche Erfahrung.

Im betrieblichen Kontext kann mit kleinen Auszeiten und Erinnerungen an emotional positiv besetzte Situationen die Stimmungslage verbessert werden.

Sinn und Bedeutsamkeit

Für eine Erhöhung des Wohlbefindens ist es elementar, dass Menschen den Ereignissen ihres Lebens Sinn zuschreiben können. Menschen benötigen Aktivitäten, Beziehungen und Aspekte in ihrem Alltag, die es wert sind, sich dafür zu engagieren, um ihre Lebensgestaltung danach auszurichten.

Die berufliche Tätigkeit sollte sinnhafte Aspekte beinhalten, die über den rein ökonomischen Aspekt hinausgehen. Mangelnde Sinnhaftigkeit der beruflichen Tätigkeit kann in der Freizeit teilweise durch subjektiv bedeutsame Betätigungen ausgeglichen werden.

Somato-psychische Regulationskompetenz

Das Bild vom eigenen Leib und der Umgang mit ihm ist geprägt durch sitzende Tätigkeiten und Dominanz elektronischer Kommunikation, die Instrumentalisierung des Körpers und die scheinbar umfassende Kontrollierbarkeit des Körpers durch kosmetische Eingriffe sowie durch sportliche Aktivitäten. Die Fähigkeit, psychisches Befinden über körperliche Aktivität sowie körperliches Befinden durch psychische Prozesse zu beeinflussen, ist eine wesentliche Lernaufgabe zur Stärkung gesundheitsförderlicher Ressourcen.

Betriebliche Rahmenbedingungen erschweren die Wahrnehmung des eigenen Körpers teilweise. Das Bewusstsein für die leiblichen Erfahrungen in der Arbeit bietet Ansatzpunkte für Veränderungen der Arbeitsverhältnisse. Dazu gehören ergonomische Optimierungen(z. B. an den Bildschirmarbeitsplätzen), die Verbesserung der Arbeitsumgebung (z. B. Lärm, Temperatur, Raumklima, Gestaltung der Arbeits- und Pausenräume) oder Veränderungen der Arbeitsorganisation (z. B. Arbeitsabläufe, Wechsel von Tätigkeiten, Pausengestaltung) sowie die Wahrnehmung von psycho-sozialen Bedürfnislagen (z. B. Kommunikation).

Aufmerksamkeitsfokussierung

Csikszentmihalyi (2017) beschreibt die Erfahrung, sich ganz auf Tätigkeiten und Situationen zu konzentrieren, mit dem Begriff Flow-Erleben. Die Person weiß jederzeit und ohne nachzudenken, was zu tun ist. Die Beanspruchung der Person ist passend. Das Geschehen wird von einem sicheren Gefühl der Kontrolle begleitet. Die Konzentration auf die Sache erfolgt selbstverständlich. Die Zeit wird vergessen und die Personen gehen ganz in ihrer Tätigkeit auf. Flow-Erleben eröffnet die Möglichkeit des genussvollen Erlebens und kann das Selbstwertgefühl positiv unterstützen.

In Arbeitszusammenhängen kann Flow-Erleben gestärkt werden, wenn Anforderungen und Fähigkeiten im Einklang sind. Unter- und Überforderungen quantitativer und qualitativer Art sind zu vermeiden.

Erholungsfähigkeit

Die Fähigkeit, sich nach Belastungen ausreichend erholen zu können, stellt eine wichtige Ressource dar. Erholung unterstützt die Wiederherstellung von Handlungsvoraussetzungen. In Abhängigkeit von der Art der Belastungen unterscheiden sich die erforderlichen Erholungsmaßnahmen. Dies kann z. B. bedeuten, nach monotonen Tätigkeiten etwas Anregendes zu tun, nach psychischem Stress zur Ruhe zu kommen oder Spannung motorisch abzubauen. Die Sensibilität für Erholungsbedarfe kann aufgrund einer Senkung der Wahrnehmungsschwelle für körperliche Signale bei Stress vermindert sein (Kap. 5.1).

Erholungsmaßnahmen im Arbeitskontext können institutionalisierte Bewegungsmöglichkeiten, erholungsgerechte Pausengestaltung oder Stärken des sozialen Miteinanders darstellen. Tätigkeiten können umgestaltet werden (z. B. Aufgabenwechsel oder die Festlegung eines individuell angemessenen Ausgangsniveaus). Personenbezogene Erholungsmaßnahmen werden dann bedeutsamer, wenn die Tätigkeiten oder Umweltbedingungen sich als nicht veränderbar erweisen. Eine Erholungsbereitschaft muss geschaffen und adäquate Beanspruchungs- und Belastungszyklen hergestellt werden. Eine individualisierte Vorgehensweise ist geboten, um individuell erholsame Aktivitäten herauszufinden.

Körperliche Aktivität

Die Datenlage zeigt, dass körperliche Aktivität die Gesundheit stärkt (Schlicht / Brand 2007, Schlicht et al. 2013). Das Risiko einer koronaren Herzkrankheit sowie an Diabetes zu erkranken wird vermindert. Die Gefahr der Fettleibigkeit wird durch regelmäßige moderate körperliche Aktivität um 50% und das Risiko des Bluthochdruckes um 30% reduziert. Für den Prozess des Älterwerdens ist die Stärkung der Knochenmasse und der Erhalt der motorischen Grundeigenschaften bedeutsam, um den funktionellen Abbau der Organe und des Halte- und Bewegungsapparates zu vermindern. Somit kann die Selbständigkeit von älteren Menschen länger bewahrt werden. Körperliche Aktivität wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit aus. Das Erkrankungsrisiko für affektive Störungen wird reduziert. Selbstachtung und psychisches Wohlbefinden werden gefördert (Schlicht / Brand 2007, Schlicht et al. 2013).

Soziale Unterstützung

Sozial isolierte Menschen weisen ein höheres Erkrankungsrisiko auf als Personen mit einem stabilen sozialen Netzwerk. Studien auf psychophysischer Ebene zeigen, dass soziale Unterstützung auch das körperliche Stressniveau senkt (Ditzen / Heinrichs 2007). Dies zeigt sich beispielsweise in einer Senkung des Blutdruckes und der Herzsequenz. Sowohl die tatsächlich erhaltene Hilfe als auch ein soziales Netzwerk im Hintergrund (wahrgenommene Unterstützung) erweisen sich als gesundheitsrelevant. Soziale Unterstützung verringert das Mortalitätsrisiko und stärkt insbesondere die psychische Gesundheit und ein positives Gesundheitsverhalten. Soziale Unterstützung beinhaltet strukturelle Aspekte und eigene Verhaltensanteile (Franzkowiak 2018a). Die Ebene der sozialen Organisationen, in die ein Mensch integriert ist, sowie die quantitative und qualitative Ausprägung von sozialem Beistand und sozialer Anerkennung erweisen sich als Teilaspekte dieses Schutzfaktors. Art, Qualität und Umfang der Sozialbeziehungen sind für die Gesundheit eines Menschen von zentraler Bedeutung. Soziale Bindungen und Netzwerke können einen Menschen vor dem Auftreten von Belastungen schützen, zu positiver Verarbeitung und Toleranzsteigerung beitragen (Franzkowiak 2018a).

Selbstlernaufgabe: Welche gesundheitlichen Schutzfaktoren können im betrieblichen Kontext gestärkt werden?

Bengel, J., Lyssenko, L. (2012):Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter: Stand der Forschung zu psychologischen Schutzfaktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter. BZgA, Köln

1.2.3 Das Systemische Anforderungs- und Ressourcen (SAR)-Modell

Becker (2006) gelingt mit seinem Systemischen Anforderungs-Ressourcenmodell (SAR-Modell) der Gesundheit eine Verknüpfung der Person-Umwelt-Interaktionen. Die Grundannahme dieses Modells besagt, dass die Gesundheit eines Menschen davon beeinflusst wird, wie es ihm gelingt interne und externe Anforderungen mit Hilfe interner und externer Ressourcen zu bewältigen (Abb. 6).

Abb. 6: