Biologischer Weinbau - Uwe Hofmann - E-Book

Biologischer Weinbau E-Book

Uwe Hofmann

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Beschreibung

Bioweinbau im Vormarsch! - Anleitung für die Umstellung auf Bio-Weinbau - Wissenschaftliche und praktische Grundlagen - Schwerpunktthemen: Boden, Bodenmanagement, Pflanzenpflege Das Buch vermittelt die wissenschaftlichen und praktischen Grundlagen des ökologischen Weinbaus. Schwerpunktthemen sind einerseits der Boden und das Bodenmanagement, andererseits die Pflanzenpflege. Die ökologischen Grundsätze der Artenvielfalt und der natürlichen Regulationsmechanismen werden mit Beispielen und für die Praxis dargestellt. Winzer, Berater und Wissenschaftler erhalten mit diesem Buch eine umfangreiche Zusammenstellung der Möglichkeiten des ökologischen Weinbaus, nicht zuletzt auch einen unentbehrlichen Ratgeber bei allen Fragen zur Umstellung der Wirtschaftsweise.

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Uwe Hofmann

Biologischer Weinbau

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort1 Weinbau als Ökosystem1.1 Das Ökosystem und die Auswirkungen der Monokultur1.2 Die Bodenveränderung im Weinberg1.3 Von der Monokultur zur Artenvielfalt2 Der Boden des Weinbergs2.1 Die Bodenstruktur als Träger der Bodengare2.2 Das Bodenleben2.3 Die Nährstoffversorgung der Rebe3 Die Bodenbeurteilung im ökologischen Weinbau3.1 Die Spatendiagnose3.2 Die chemische Bodenuntersuchung4 Bodenpflege im ökologischen Weinbau4.1 Mechanische Bodenbearbeitung4.2 Bodenbearbeitungsgeräte4.3 Begrünungsmanagement5 Bodenbewirtschaftungssysteme5.1 Die Bodenpflege als ganzheitliches System5.2 Bodenpflege im Steillagenweinbau5.3 Unterstockpflege im ökologischen Weinbau5.4 Die Brache: Vom Roden bis zur Bodenpflege im Jungfeld6 Düngung und Bodenverbesserung6.1 Organische Düngung6.2 Mineralische Ausgleichsdüngung und Bodenstabilisierung7 Weinbergmanagement7.1 Pflanzenbauliche Maßnahmen7.2 Klassische Ertragsrebsorten7.3 Pilztolerante, widerstandsfähige Rebsorten7.4 Unterlagsreben8 Ökologische Pflanzenpflege8.1 Hege – Pflege – Heilung9 Abiotische und biotische Schädigungen der Rebe9.1 Abiotische Schädigungen9.2 Biotische Krankheiten9.3 Virosen und virusähnliche Krankheiten9.4 Bakteriosen und Mycoplasmosen (Vergilbungskrankheiten)9.5 Pilzkrankheiten9.6 Einsetzbare Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmittel zur Pilzregulierung9.7 Die Schädlinge der Rebe9.8 Pflegeplan für den ökologischen Weinbau9.9 Applikationstechnik10 Die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise10.1 Überblick über den Inhalt des „Landwirtschaftlichen Kurses“10.2 Zur Wirkung der biologisch-dynamischen Präparate10.3 Bio-dynamische Verfahren in der weinbaulichen Praxis10.4 Die Rhythmen und der Biologisch-dynamische Landbau11 Die Umstellung auf ökologischen WeinbauRechtliche Regelungen zur Umstellung auf ökologischen Weinbau11.1 Umstellungsplanung11.2 Voraussetzungen für die Umstellung11.3 Praktische Aspekte der UmstellungServiceWichtige Adressen und BezugsquellenLiteraturverzeichnisBildquellen
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Vorwort

Mit der Neufassung des Buches „Ökologischer Weinbau“ wird der weltweiten Entwicklung des biologischen Weinbaus in der Praxis wie auch in der Wissenschaft Rechnung getragen. Die erste Auflage basierte im Wesentlichen auf den Erfahrungen aus der Praxis. In der aktuellen vollständig überarbeiteten Auflage fließt nun nicht nur neues Praxiswissen ein. Vielmehr haben in den letzten 15 Jahren viele wissenschaftliche Studien in den Bereichen Pflanzenschutz, der Optimierung der Bodenpflege, des Begrünungsmanagements und der aktiven Nährstoffmobilisierung neue Erkenntnisse geliefert. Darüber hinaus ist in diesen Jahren die Bedeutung des biologischen Weinbaues weit aus der Nische herausgewachsen. In der Verbraucherwahrnehmung der öffentlichen Diskussion als auch in der Politik wird der ökologische Weinbau mehr und mehr als das „Normale“ angesehen. Dabei werden z. B. in Deutschland, ähnlich wie in anderen Ländern, weniger als 10 % der Gesamtrebfläche tatsächlich ökologisch bewirtschaftet. So gehört der ökologische Weinbau heute wie selbstverständlich zur weinbaulichen Praxis und findet seinen Niederschlag in der Beratung, Ausbildung (Berufsschulen, Studium) sowie in wissenschaftlichen Kongressen und Seminaren.

Viele Verfahren des biologischen Weinbaues haben in der Zwischenzeit Eingang in die „gute weinbauliche Praxis“ gefunden. So wird mehr und mehr eine sorgsame biologische Bodenpflege als Grundlage für beste Traubenqualitäten und Förderung der Standorteigenschaften erkannt. Dennoch unterscheiden sich die Bewirtschaftungssysteme vor allem im Bereich des Pflanzenschutzes und der Düngung bzw. Nährstoffversorgung noch deutlich.

In dem Buch werden die Begriffe ökologischer, biologischer oder organischer Weinbau synonym gebraucht. Dies entspricht sowohl dem internationalen Sprachgebrauch als auch den gesetzlichen Regelungen für diese Wirtschaftsweise in Europa wie auch weltweit. In den letzten Jahren haben zunehmend biologisch-dynamische Verfahren in der weinbaulichen Praxis Eingang gefunden. Diese Entwicklung wird durch ein eigenes Kapitel in diesem Buch berücksichtigt. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum biologisch-dynamischen Weinbau sind eher noch sehr begrenzt. Die praktischen Erfahrungen sind jedoch so weit fortgeschritten, dass weltweit viele Betriebe heute direkt auf diese Wirtschaftsweise umstellen, weil sie die Optimierung der Qualität im Blickfeld haben.

Den Autoren ist es wichtig, dass es beim biologischen Anbau nicht nur um den ökologischen und kulturellen Gesamtnutzen, sondern auch um die gesellschaftliche Verantwortung des Berufsstandes geht. Die Weinbauunternehmen sollen nach erfolgreicher Umstellung ökonomisch besser dastehen als zuvor, d. h., die ökologische Wirtschaftsweise soll die sichere Existenz der Weinbaubetriebe einschließlich der zukünftigen Generationen gewährleisten.

War es 1985 mit der Gründung des ECOVIN/Bundesverbandes Ökologischer Weinbau und den damit verbundenen ersten Richtlinien in Deutschland noch eine Pionierleistung weniger engagierter Biowinzer, so wurde mit der EU-Bioverordnung 2092/92, ersetzt durch die VO (EU) 834/2007 und ergänzt durch die Durchführungsverordnung 889/2008, der Anbau von ökologisch erzeugten Trauben europaweit einheitlich geregelt. Auch im außereuropäischen Weinbau erfolgten einheitliche Regelungen. In vielen Ländern haben sich die Biowinzer zu eigenständigen Organisationen zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Mit der VO (EU) 203/2012 ist mittlerweile auch die Verarbeitung der Trauben zu Biowein geregelt. In dem vorliegenden Buch wird, wie schon in der ersten Fassung, auf ein spezielles Kapitel zur Kellerwirtschaft verzichtet.

Wir möchten den unzähligen Praktikern, Beratern und Wissenschaftlern danken, die sich für die Weiterentwicklung des biologischen Weinbaues eingesetzt und damit auch die Inhalte des Buches mitgeprägt haben. Die Liste derer, die genannt werden müssten, wäre an dieser Stelle zu umfangreich. Danken möchten wir jedoch ausdrücklich Gabriel Köpfer für die unermüdliche Durchsicht des Manuskripts sowie dem Eugen Ulmer Verlag für den Auftrag, diese aktualisierte Fassung zu erstellen.

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1Weinbau als Ökosystem

Die vielfältigen Zusammenhänge des Naturhaushaltes eines Weinbergs bilden ein regionaltypisches Agrarökosystem in welches der Bewirtschafter regulierend und stabilisierend eingreifen kann.

1.1Das Ökosystem und die Auswirkungen der Monokultur

Beschäftigt man sich mit der Ökologie einer Intensivkultur wie dem Weinbau, dann stellt sich die Frage, inwieweit in einer dermaßen „unnatürlich“ gestalteten Landschaft überhaupt ein funktionierendes Ökosystem existieren kann.

Würde man die Flächen, auf denen heute in Mitteleuropa Weinbau betrieben wird, sich selbst überlassen, so würde nach vielen Jahrzehnten über die Zwischenstufen Grasland und Bebuschung eine in der Hauptsache aus Eichen und Buchen bestehende Waldvegetation entstehen. Ökologisch gesehen stellt diese Endstufe ein relativ artenarmes System dar, ein sogenanntes Klimax-Stadium als ökologisch stabiles Endstadium eines Standorts.

Eine solche Lebensgemeinschaft (Biozönose) ist in einem komplexen System organisiert, in welchem viele Untersysteme miteinander verknüpft und dadurch sehr stabil sind. Der Standort einer Lebensgemeinschaft ist verschieden und nicht voraussehbaren Einflüssen ausgesetzt, die diese Systeme und damit auch das natürliche Pflanzenwachstum beeinflussen. Ein funktionierendes, stabiles Ökosystem ist in seiner Gesamtheit sehr komplex.

Betrachtet man beispielsweise einen natürlichen Waldstandort, dann fällt auf, dass Bäume und andere Pflanzen als Hauptverbraucher im Ökosystem immer genügend Nahrung zur Verfügung haben, obwohl der Mensch irgendwann in das System eingriff, den Wald wirtschaftlich nutzte und einen Teil des produzierten pflanzlichen Materials (Holz) in bestimmten Abständen dem Standort entzog. Trotzdem hatte der Boden immer wieder genug Reserven, neue Bäume wachsen zu lassen. Durch chemische und physikalische Verwitterung der Gesteine und Mineralkomplexe des Bodens wird immer wieder neuer Mineral-Nachschub geliefert, der durch die Tätigkeit der Bodenlebewesen und natürlicher Kreisläufe in pflanzenaufnehmbare Form gebracht wird. Die organischen Stoffe aus absterbendem Pflanzenmaterial bilden einen Bodenhorizont, in dem sie über verschiedene Abbaustufen, Rohhumus, Moder und Mull bis zur Vererdung, im System gehalten werden. Die enthaltenen Nährstoffe werden schrittweise freigesetzt und wandern mit dem Niederschlagswasser aus den biologisch aktiveren oberen Bodenschichten nach unten zu den Wurzeln.

Als große Teile des Waldes einer agrarischen Nutzung weichen mussten, trat eine ökosystemare Änderung ein. Durch das neu entstandene Agrarökosystem entstanden Nischen für Pflanzen anderer Standorte und damit eine teilweise größere Artenvielfalt. Neben Kulturpflanzen wuchsen, auch in den späteren Weinbaugebieten, Wildkräuter, Wegrandvegetationen, Vegetation typischer Mikrostandorte (Hohlwege, Stütz- und Terrassenmauern und Randbereiche) und als Brachevegetationen sogenannte Ruderalpflanzen. Ein eigenes Ökosystem Weinberg mit typischer Flora entstand und der Mensch wurde Teil dieses Ökosystems.

Durch Zwischenfutteranbau, arbeitsbedingte Toleranz von Wildkräutern, Aufbringen von Mist aus der Viehhaltung und eine mäßige Bodenbearbeitung (Handarbeit, Pferd) konnte sich ein eigener Rigolboden als neues Bodenprofil entwickeln, welcher die Fruchtbarkeit bewahrte. Über Jahrhunderte blieb dieses System, ohne nennenswerte negative Einflüsse auf die Umwelt, erhalten.

Die scheinbare Monokultur Weinbau, die dadurch zustande kam, dass Weinbau in unseren Breiten eben nur an begünstigten Standorten (Flusstäler, Hangbereiche, mit Expositionsvorteilen) möglich ist, war in Wirklichkeit ein artenreiches Agrarökosystem. Innerhalb dieses Systems konnte die Rebe ausgewogen ernährt werden. Ein negativer Einfluss auf die Stabilität war vor allem durch neue Pflanzenkrankheiten, eingeschleppten Parasiten oder Fehler der Menschen möglich. Die heutige Form des Weinbaus unterscheidet sich in vielen Bereichen von diesem Typ des stabilen Weinberg-Ökosystems. Durch den wirtschaftlichen Zwang zur Technisierung entstand die eigentliche Monokultur. Flurbereinigungen brachten Veränderungen oder den Austausch des gewachsen Bodens mit sich. Planungsfehler oder fehlendes ökologisches Bewusstsein führten zur Beseitigung von Rückzugs- und Randgebieten und der unvermeidliche Einsatz der Technik hatte maßgeblichen Einfluss auf die Bodenfruchtbarkeit. Diese Veränderung wurde oftmals gar nicht bemerkt, weil durch die Düngung mit leicht löslichen Nährsalzen Fruchtbarkeit vorgetäuscht wurde. Durch den Einsatz von Herbiziden gegen Wildkräuter und von Pestiziden gegen Schädlinge und Krankheiten wurde das Ökosystem so beeinträchtigt, dass zur Stabilisierung ein hoher, ökologisch bedenklicher Aufwand notwendig wurde.

Der konventionelle Weinbau als besonders intensive Form der Landwirtschaft gilt als extrem starker Eingriff in das ursprüngliche Ökosystem eines Standortes. Diese Tatsache macht den Weinbau zu einer Sonderform des durch den Menschen beeinflussten Agrarökosystems.

Der ökologische Weinbau will die Abhängigkeit von außerbetrieblichen Mitteln zur Erreichung eines standortgemäßen Ertragspotenzials gering halten und anbaubedingte Umweltschädigungen möglichst ausschalten:

Degenerierung des Bodens und des Bodenlebens,

Reduzierung der Artenvielfalt an Flora und Fauna im Weinbaugebiet,

die Auswaschung von Schadstoffen ins Grundwasser,

das Ausbringen synthetischer Komplexverbindungen der Chemie,

die Belastung von Mensch und Umwelt durch nicht kalkulierbare Summenwirkung der Agrarchemikalien,

die Belastung der Flüsse und Meere durch Düngemittel und Erosionsmaterialien,

die Produktion umweltschädlicher Abfallprodukte,

den weiteren Rückgang der Familienbetriebe im Weinbau verhindern.

Die Selbstregelfaktoren eines funktionierenden, landwirtschaftlichen Ökosystems sollen nicht geschädigt, unterbrochen und gemindert, sondern zur Ertragsleistung und Fruchtbarkeitserhaltung ausgenutzt werden.

Standort- und Umweltfaktoren mit ihren Wirkungen auf die Pflanze im Ökosystem (nach Ellenberg 1973). © Ellenberg, 1973

1.2Die Bodenveränderung im Weinberg

Seit Mitte der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Bodenpflege mit Pferd und Pflug auch im Weinbau zunehmend durch die Mechanisierung verdrängt. Bei einigen biologisch-dynamischen Weinbaubetrieben kommt es heute wieder zur Renaissance der Arbeit mit dem Pferd – einerseits zur Schonung des Bodens, andererseits zur Wiedereingliederung von Tieren in den Betriebskreislauf.

Dem Weinbergsschlepper, dem auch die Breite der Rebzeilen angepasst ist, verdankt der Winzer, dass mittlerweile in vielen Weinbauregionen nahezu alle Weinbergsarbeiten mechanisch durchgeführt werden können.

Dadurch ist der Weinbergsboden einem bis zu 20-maligem Befahren mit schweren Maschinen innerhalb einer Vegetationsperiode ausgesetzt. Dieser Druck der Schlepperreifen führt zu einer erheblichen Verdichtung des Weinbergsbodens. Durch diese Bodenverdichtung kommt es zur Hemmung des Luft- und Nährstoffaustausches zwischen Bodenoberfläche und Unterboden. Stärkere Bodenverdichtungen bewirken vor allem bei fein strukturierten, schweren Böden ein Absterben lebenswichtiger Rebwurzeln als Folge von Luftmangel. Selbst in sandigen Böden werden starke Bodenverdichtungen festgestellt.

Der Bearbeitungshorizont liegt oberhalb der verdichteten Horizonte bei etwa 10 cm Tiefe. Hier spielt heute die Frühjahrs- und Sommerbodenbearbeitung die wesentliche Rolle, während eine früher übliche Winterbodenbearbeitung in den Hintergrund tritt. Man weiß heute, dass die Winterbodenbearbeitung mit der alten Form des Zupflügens eher zur Bodenverdichtung sowie zum Nährstoffaustrag führte. Die Bodenbearbeitung im Frühjahr soll die Winterfeuchte im Boden dadurch erhalten, dass vorhandener Bewuchs entfernt wird und durch Zerschlagen und Lockern des Oberbodens die Kapillaren zur Bodenoberfläche unterbrochen und damit die Verdunstung verhindert wird. Hierbei wird zweimal, und oftmals mit Grubber oder Fräse, gearbeitet. Bei der Sommerbearbeitung wird weiterhin das Unkraut entfernt und die oberste Bodenschicht gelockert sowie Verkrustungen und Verschlämmungen der Bodenoberfläche beseitigt.

Die Fräse mit großer Arbeitstiefe gilt als umstritten, weil durch die schnelle Rotation der Metallkörper die Krümelstruktur zerstört wird, dadurch die Aggregatstabilität der Bodenteilchen verloren geht und der Boden letztendlich zu Verschlämmungen neigt, nachdem sich eine harte Kruste gebildet hat. Der Einsatz der Fräse ist z. B. auch ein Grund für den Rückgang der Regenwürmer in den heutigen Weinbergen.

Der Grubber, der den früher eingesetzten Pflug weitgehend verdrängte, wirkt zwar nicht negativ auf die Krümelstruktur, bildet jedoch oftmals an der Grenze der Bearbeitungstiefe einen typischen Bearbeitungshorizont.

Bei der Vorbereitung eines Jungfeldes ist meist der Einsatz des Rigolpflugs, der den Boden bis zu 1 m tief wendet, der einzige Eingriff in den Unterboden. Die tiefe Wendung bringt nach ökologischen Maßstäben jedoch das Problem mit sich, dass hierbei verschiedene Bodenhorizonte untypisch verlagert werden. Jeder Horizont besitzt – während bestimmter Zeitspannen entstandene – typische Bodenökosysteme mit bestimmten Organismenarten, welche beim tiefen Rigolen verändert und zerstört werden.

Bodenprofil eines Agrarstandortes.

Konsequenzen einer falschen Bodenbearbeitung

Seit Jahrzehnten wird ein zu starker Eingriff in den Boden der Weinberge betrieben und muss negativ betrachtet werden. Die ansteigende Intensität der Bearbeitung ging mit dem Strukturzerfall des Bodens einher. Nahezu an allen bisher genannten Problemen ist die Bodenbearbeitung nicht unwesentlich als Beeinflusser beteiligt.

Die Bodenstruktur wird durch häufiges Befahren geschädigt. Vor allem bei nassen oder feuchten Böden ist der Verdichtungsgrad deutlich erhöht.

Verdichtungen zeigen sich durch eine Verringerung des Porenvolumens sowie eine dadurch eintretende schlechtere Bodendurchlüftung und geringere Wasseraufnahmefähigkeit. Gleichzeitig ist der Nährstofftransport nach unten gehemmt, es kommt zur verstärkten Erosion durch Zerschlagen (Fräse, Regentropfen) des Oberbodens. Da auch der Gasaustausch gehemmt wird, ist die Aktivität der Mikroorganismen geringer. Durch die Bearbeitung des Oberbodens und dessen Durchlüftung erfolgt ein beschleunigter Humusabbau, der zur Humusverarmung mit allen Folgen für Bodenstruktur, Bodenphysik, Bodenchemie und Bodenbiologie führt. Die Entstehung von Bodenverdichtungen sowie die Bearbeitung der Böden mit der Fräse wirken zusätzlich negativ auf den Regenwurmbesatz.

Noch gravierender muss jedoch ein offen gehaltener Boden bewertet werden – ein durch die Bodenbearbeitung erreichter Zustand –, den es an natürlichen Standorten nicht gibt. Der Boden wird trotz vielfacher Propagierung einer Weinbergsbegrünung noch oftmals aus Gründen von falsch angenommener Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zur Rebe von jedem Bewuchs frei gehalten. Alternativ wird oft jede zweite Zeile mit einer kurz gemulchten Grasdecke (Begrasung) eingesät, deren Wurzeln jedoch kaum bodenökologische Verbesserungen ermöglichen.

Spatenprofil eines stark verdichteten und verschlämmten Bodens. © Hofmann, Uwe

„Unkraut – Beikraut“ – Regulierung

Heutzutage wird Unkraut üblicherweise mithilfe chemischer Mittel (Herbizide) vernichtet, die auf dem Bewuchs wirken. Vor allem die Zeitersparnis bedeutet bei dieser Methode einen Vorzug gegenüber dem früheren Hacken des Unkrauts unter den Reben oder der alternativen mechanischen Unterstockbearbeitung. Beim früheren Hacken diente das Kraut als Nährhumus und die sanfte Lockerung des Oberbodens unterstützte die Strukturstabilisierung.

Die Beseitigung der Beikräuter aufgrund drohender negativer Beeinflussung der Rebe mindert aber gleichzeitig die positiven Aspekte der Wildkräuter wie die Humuslieferung, die Förderung der Bodengare, die Erhöhung des Regenwurmbesatzes, die Schaffung eines breiten Mikroorganismenspektrums und die Erosionsminderung.

Die Wirkung der Herbizide auf Pflanzen beruht auf den Eingriffen in Atmung, Assimilation, Zellteilung oder Wuchsstoffhaushalt. Die unterschiedliche Wirkung der Herbizide auf Jungreben sowie die Dauerwirkung muss bei Einsatz der Mittel genau berücksichtigt werden. Da nicht alle Herbizide aus einfachen organischen Verbindungen aufgebaut sind, die im günstigsten Fall durch die Bodenorganismen zu N, S, C, Cl etc. abgebaut werden, können Rückstände zum Problem für einen Boden, der abbaupassiv ist, also nur geringe Mengen an Humus und Mikroorganismen besitzt, werden. Schockreaktionen oder Stagnation im Bodenleben können die Folge sein ebenso wie die Akkumulation der herbiziden Abbauprodukte an den Ton-Humus-Komplex oder die direkte Auswaschung in Oberflächengewässer.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Ziel die Bodengare zu fördern und zu erhalten, mit intensiver mechanischer Bodenbearbeitung in Kombination mit der chemischen Unkrautbekämpfung, nicht erreicht wird. Stattdessen kommt es durch die Dezimierung von Wildkräutern durch Herbizide zu weiteren Sekundärproblemen. Spezifische Massenkräuter vermehren sich besonders auf verdichteten, porenarmen Böden, nicht zuletzt deshalb, weil sich durch Zerstörung der Artenvielfalt bestimmte „störende“ und unerwünschte Kräuter durchsetzten können wie beispielsweise Ackerkratzdistel (Cirsium arvense), Brennnessel (Urtica dioica), Amarant (Amaranthus spp), Gänsefuß, Melde (Chenopodium album), Winde (Convolvulus arvensis) oder die Quecke (Agrophyron repens). Hinzu kommt, dass herbizidresistente Pflanzen sich von Beikräutern zu konkurrenzstarken Unkräutern entwickeln können, z. B. Schwarzer Nachtschatten (Solanum niger), Kanadisches Berufskraut (Conzya canadensis). Ein wichtiger Kritikpunkt gegenüber dem Herbizideinsatz sind auch die starken Umweltbelastungen, die schon bei der Produktion dieser Mittel entstehen, wie beispielsweise der Anfall großer Mengen an Sondermüll.

1.3Von der Monokultur zur Artenvielfalt

Die moderne Agrarplanung führte in der Vergangenheit zu einer Verringerung standorttypischer Vegetation und zu heute nicht mehr vorstellbaren gewaltigen Flurbereinigungen und Bodenneuordnungen. Die Industrialisierung der Landwirtschaft mit allen ihren Faktoren – vom Offenhalten der Böden über mehrere Monate im Jahr bis zum Entstehen von Monokulturen – ließen den Begriff Agrarsteppe entstehen.

Auch der Weinbau gilt als typische Monokultur, weil in den Arealen, die für den Rebanbau geeignet sind, seit Jahrzehnten oder gar seit Jahrhunderten der Boden der Produktion von Weintrauben diente. Trotz dieser scheinbaren Monokultur hatten standortgemäße Pflanzen als Unterwuchs eine Chance, da mit den vorhandenen Möglichkeiten vor der Technisierung die Arbeitskraft nicht ausreichte, einen natürlichen Wildwuchs zu unterdrücken. Auch der Anbau von Viehfutter innerhalb der Rebzeile wurde in der vorherrschenden Mischwirtschaft (Vieh, Äcker, Weinbau) praktiziert und bereicherte das Ökosystem. Klein parzellierte Rebflächen, Terrassenmauern, Hohlwege, bebuschte Weg- und Parzellenräder und eine typische Weinbergsvegetation schufen so die Möglichkeiten für eine unbedrohte Artenvielfalt.

Diese Form eines Agrarökosystems änderte sich mit der notwendigen Einführung neuer Technologien, um die Landwirtschaft rationeller zu strukturieren. Erst jetzt wurde im Weinberg durch die Möglichkeiten, den Boden nahezu völlig „sauber“, d. h., ohne konkurrierenden pflanzlichen Bewuchs zu halten, die eigentliche Monokultur gebildet. Die Furcht vor Kräutern und Gräsern, als Wasser- und Nährstoffkonkurrenten der Rebe, leitete die Dezimierung von „Unkräutern“ ein, damit aber gleichzeitig auch eine Verringerung der Artenvielfalt. Heute wird die Landwirtschaft für einen Großteil des Rückgangs von Pflanzen- und Tierarten verantwortlich gemacht.

Das Offenhalten des Bodens ist eigentlich als naturfremde Maßnahme zu betrachten, denn in der Natur gibt es keinen unbedeckten Boden in unseren Breiten. Das Fehlen einer Pflanzendecke trug stark zu dem Problem der Bodenverschlechterung in unseren Weinbergen bei. Eine artenreiche Gründüngung bringt eine Bereicherung der Monokultur Weinbau und die Möglichkeit zur Ansiedlung von tierischen Lebewesen. Schädlinge, die aufgrund fehlender Vegetation die Rebe befielen, finden in der Gründüngung eine Basis zur Stabilisierung des ökologischen Gleichgewichts.

Die Praxis des konventionellen und integrierten Weinbaus zeigte nur langsam die Bereitschaft, eine Pflanzeneinsaat im Weinberg zur Verbesserung des Bodens und zum Abdämpfen des Befahrdrucks einzusetzen. Begrünungen mit Mischungen unterschiedlicher Pflanzenarten zur Bodenverbesserung im Weinberg sind inzwischen jedoch weit verbreitet. Verschiedene Methoden und Denkmodelle von Begrünungsvarianten stehen zur Diskussion. Die Begrünung im Weinbau wird heute als wichtiger Beitrag zur Bodenpflege angesehen und ist Bestandteil der guten fachlichen Praxis. Vielfach findet man heute bei integrierter Arbeitsweise im Weinbau die Teilzeitbegrünung. Eine Mischung, bei der meist Gräser, Getreidearten und Pfahlwurzler überwiegen, wird für wenige Monate im Jahr, oft jede zweite Rebzeile, eingesät und regelmäßig gemulcht. Mulchen bedeutet, dass die Begrünung in bestimmter Höhe abgeschlagen und zerkleinert wird. Das Material bleibt als Mulchschicht zur Bodenbedeckung im Weinberg und wird beim Umbruch mit der Fräse oder der Kreiselegge eingearbeitet. Der so erreichte Nutzen dieser Teilzeitbegrünungsvariante liegt jedoch meist deutlich unterhalb der ökologischen Wirkung einer artenreichen Begrünung, wie sie im ökologischen Weinbau eingesetzt wird.

Die Rebe allein besitzt nicht die Fähigkeit einer selbstständigen Bodenverbesserung durch die Wurzeln, weil das Wurzelsystem durch unverzweigte Hauptwurzeln von großer Länge geprägt ist. Damit erreicht die Hauptmasse der Rebwurzel oft größere Tiefen und kann sich so auf Bodenstruktur und Bodengare kaum fördernd auswirken.

Der Wandel von einer Monokultur zu einem funktionierenden Weinberg- und Bodenökosystem kann durch eine artenreichen Begrünung der Weinberge, blühende Randbepflanzungen, biologische Korridore und zusätzlich durch die Erhaltung von Trockenmauern, Terrassen, Hohlwegen, Randbebuschungen sowie durch die Integration von Bäumen und Nistmöglichkeiten und die Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten für Wildpflanzen erreicht werden.

Eine auf den Standort abgestimmte ökologische Begrünung kann viel leisten:

tief gehende Lockerung des Bodens mithilfe der Wurzeln,

starke Durchwurzelung in allen Horizonten zur Pufferung des Befahrdrucks,

Schaffung einer Schattengare durch Blattmasse und vollständige Bodenbedeckung,

Ausnutzung der Sonnenenergie zur Schaffung organischer Substanz,

Bodenkrümelung- und Strukturverbesserung,

Erosionsminderung oder -verhinderung,

Produktive Verwertung des Niederschlagwassers und Erhöhung des Wasseraufnahme- und Haltevermögens,

Verminderung einer Mineralstoffauswaschung in tiefere Bodenhorizonte,

Humusnachlieferung,

Stickstoffakkumulation,

Nährstoffausschließung,

Erhöhung der Pufferwirkung des Bodens,

Unkrautbekämpfung (antagonistische Verdrängung von Problemunkräutern),

Positive Schädlingsbeeinflussung durch Stabilisierung des Ökosystems,

Krankheitsbekämpfung.

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2Der Boden des Weinbergs

Die Grundlage der Ernährung der Weinrebe ist der gewachsene Boden; gerade im ökologischen Weinbau gilt die Aufmerksamkeit dem Substrat so stark wie kein anderer Teil des Ökosystems.

2.1Die Bodenstruktur als Träger der Bodengare

Die Bodenstruktur – oft synonym mit dem Begriff Bodengefüge benutzt – beschreibt eine bestimmte räumliche Anordnung der festen Bestandteile in Wechselwirkung mit anderen physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren. So wirken innerhalb des Charakters einer bestimmten Bodenstruktur die Korngrößenverteilung, die Körnung und das Porenvolumen, Gefügeart und -stabilität und die Bodenchemie als die Struktur bildenden Faktoren. Besonders wichtig und oftmals in ihrer Wirkung unterschätzt, zeigt sich der Einfluss der organischen Bestandteile des Bodens und des Edaphons (Bodenlebens) auf die Bodenstruktur.

Betrachten wir die weinbaulich genutzten Böden, so fällt schon bei der Bodenvorbereitung einer Neuanlage zunächst die tiefe Bodenbearbeitung, das sogenannte Rigolen auf, eine starke Umlagerung der Bodenhorizonte bis zu einer Tiefe von 1 m. So entsteht das eher unnatürliche Profil eines Rigolbodens. Durch weitreichende Untersuchungen konnte sehr deutlich aufgezeigt werden, dass sich die Bodenstruktur der Weinbergsböden seit Jahrzehnten durchweg negativ veränderte. Die selbstständige Versorgung der Rebe ist heute nicht mehr gewährleistet. Eine Veränderung der Bodenstruktur zeigt somit Fehler der Bodenpflege auf, durch die die strukturbestimmenden Faktoren negativ beeinflusst werden. Um eine Verschlechterung der Bodenstruktur zu erkennen, sei zunächst der optimale Zustand erklärt.

Ein garerAckerboden besteht aus anorganischen, mineralischen und aus absterbenden sowie schon abgestorbenen und umgewandelten Bestandteilen, aus Bodenlebewesen sowie der Bodenluft und dem Bodenwasser.

Zusammensetzung eines Bodens – vom Mineralboden zum Edaphon.

All diese Vorgänge und Kompartimente sind für die Bildung sogenannter stabiler Bodenkrümel unentbehrlich. Die Fruchtbarkeit eines Bodens ist abhängig von einer fortwährend entstehenden und vergehenden Krümeligkeit des Bodens. In den wasserstabilen Krümeln – sogenannt, weil die Einwirkung von Regen oder von Wasser allgemein kein Zerfallen zur Folge hat –, garantiert das Vorhandensein von groben, mittleren und feinen Poren zu etwa gleichen Anteilen ein Optimum an Durchlüftung, Wasserinfiltration und Feuchtigkeitsspeicherung.

Diese Krümel sind meist rundliche, 1 bis 10 mm große Bodenaggregate. Ihre Einzelpartikel entstehen durch Verkittung von aus Verwitterungsvorgängen der Minerale neu gebildeten Stoffen, die sich mit frisch gebildeten Humusstoffen zu den sogenannten Ton-Humus-Komplexen verbinden. Die weitere Formung zum Krümel übernimmt das Edaphon. Mithilfe eines ständig wachsenden Wurzelwerks – vor allem in dem Wurzelspitzenmeristem – bilden in erster Linie fädige Formen von Boden-Mikroorganismen (Strahlenpilze und mikroskopische Pilze, Algenformen) eine Verkittung der winzigen mineralischen Aggregate.

Auch Kolonie bildende Bakterien und Mikroalgen mit ihren gallertartigen Zellwandauflagen sind für das lockere Zusammenfügen der einzelnen Bodenpartikel und winzigen Bodenkrümel mitverantwortlich.

Bodenkrümel; Aggregate 1. und 2. Ordnung (nach Sekera 1954). © Sekera, 1954

Der Vorgang der bisher kaum beachteten biologischen Verwitterung geht eng einher mit dem Begriff der Lebendverbauung. Die in Böden mit ausreichendem Humusgehalt existierenden Blau- und Grünalgen lassen ihre Zellwandauflagen bei Wasserzufuhr stark anschwellen, umschließen mineralische Bodenteilchen und reißen beim späteren Schrumpfen ihrer viskosen Gallertmasse winzige Splitter durch Verklebung heraus.

Neben der Bedeutung des Aggregatgefüges und der Aggregatstabilität sind die lebendigen Faktoren einer Bodengare (Lebendverbauung) für den Strukturerhalt von größter Wichtigkeit.

Die Veränderung der Bodenstruktur im Weinbau ist, wie zahlreiche Untersuchungen beweisen, kein regionales Problem. Der für die Versorgung der Rebe optimale Zustand eines Krümelgefüges mit einem Porenvolumen, welches eine ausgeglichene Bodenatmung zulässt und Bodenwasser pflanzenverfügbar hält, ist oft nicht mehr gegeben. Ein solches Krümelgefüge wird im garen Boden zumindest in der obersten Schicht von 0 bis 30 cm gefordert. Als Richtwert wird ein ungefähres Verhältnis von 60 % Bodensubstanz zu 25 % Wasser und 15 % Luft genannt.

Ein solcher ungeschichteter, garer Boden wird von Preuschen (1981) folgendermaßen beschrieben: „Die Grundlage der Gare ist die Krümelbildung. Echte Krümel sind nicht kantig, sondern vielfach gezackt, im Kern jedoch rund, mit allen möglichen Ein- und Ausbuchtungen versehen. Echte Krümel liegen meist bei 2 bis 4 mm Durchmesser. Durch die unregelmäßige Oberfläche liegen sie nicht dicht, sondern locker nebeneinander. In diesen Zwischenräumen befinden sich gröbere und feinere Wurzeln, gelegentlich kann man auch mit dem bloßen Auge kleine Tiere beobachten. Schließlich finden sich organische Teile im Übergang zum Humus.“

Die genannte Krümelstruktur wird in den heutigen Rebarealen weitgehend von einer Bröckelstruktur, von unechten Krümeln oder einem Plattengefüge verdrängt. Die sogenannten Bröckel sind kantig, eine Fläche ruht plattenartig auf der anderen. Zwischenräume sind für die Wurzeldurchdringung zu gering, jedoch so geschaffen, dass auch bei nur geringem Wassergehalt Feuchtigkeitsfilme entstehen können und so Verschmierungen und Verschlämmungen verursachen. Die Bruchflächen, sowohl bei groben Blöcken bis hin zu kleinsten Scheinkrümeln, passen spiegelbildlich ineinander, nachdem sie auseinandergebrochen wurden. Böden mit solch einer Bröckelstruktur, oft durch dicke Schollen nach einer Bodenbearbeitung zu erkennen, zeigen sich als verdichtete, porenarme Flächen, deren Möglichkeiten zum Stoff- und Gasaustausch nicht mehr der bodenökologischen Funktionsweise entsprechen. Man erkennt hierbei oftmals ein horizontal paralleles, plattenartiges Gefüge, Schlämmungsflächen, Trockenrisse und Primärwurzelteile ohne Seitenwurzeln sind immer wiederkehrende Merkmale.

2.2Das Bodenleben

Nicht nur die makroskopisch wahrnehmbaren Organismen im Boden, sondern gerade auch der für das bloße Auge unsichtbare Teil des Bodens üben einen beträchtlichen Einfluss auf den Stoffkreislauf des Weinbergsökosystems aus.

2.2.2Symbiose

Das Zusammenleben zweier verschiedener Organismen, die beide wenigstens zeitweise einen Nutzen hieraus ziehen, wird als Symbiose bezeichnet. Im ökologischen Weinbau sind hierbei die Knöllchenbakterien der Leguminosen und die Mykorrhizen der Weinrebenwurzeln von großer Wichtigkeit.

Knöllchenbakterien

Die stickstoffbindenden Wurzelknöllchen der Leguminosen dringen durch die Wurzelhaare über einen »Infektionsschlauch«, der seitens der Wirtspflanze durch Zellulose abgekapselt wird, in das Rindengewebe ein. Die eigentlichen Knöllchen werden von der Wirtspflanze gebildet. Das sogenannte Trifoliin, ein bestimmtes Protein, bringt die »gewünschte« Verbindung zwischen den Wurzelhaaren der Leguminosen (z. B. Klee, Wicken, Erbsen, Bohnen) und den Bakterien zustande.

Die Bakterien geben die Produkte ihrer Stickstofffixierung ab. Schließlich werden die Protoplasten der Knöllchenzellen aufgelöst und die Produkte resorbiert. Da in der Regel nach dem Absterben oder Mulchen der Leguminosen dem Boden mehr Stickstoff zugeführt wird, ist das System auch für andere Pflanzen (z. B. Weinrebe) von Nutzen. Bei ausdauernden, mehrjährigen Leguminosen bleiben die Knöllchen mehrere Jahre erhalten, wobei eine regelmäßige Neubildung im Laufe der Vegetation erfolgt. Aktive Knöllchenbakterien sind an ihrer weißlich-rosanen Farbe sowie der Feuchtigkeit beim Zerdrücken erkennbar, absterbende, resorbierte Knöllchen färben sich olivgrün bis braun. Je nach Leguminosenart und Wachstumsbedingungen können sich mehrmals im Jahr neue Knöllchen bilden.

Knöllchenbakterien an Leguminosenwurzeln. © Graff, 1983

Eine Hemmung des Knöllchenbesatzes und des Wachstums einer mit leicht löslichem Stickstoff gedüngten Leguminoseneinsaat beruht auf der sogenannten Katabolit-Depression. Der leicht lösliche, mineralische N-Dünger unterdrückt hierbei Enzyme (Phosphatasen) der Leguminosen, die für die Ausbildung der Symbiose mit den Bakterien verantwortlich sind.

Aktive Knöllchenbakterien. © Hofmann, Uwe

Aktive Knöllchenbakterien an den Wurzeln einer Esparsette (Onobrychis viciifolia). © Hofmann, Uwe

Mykorrhizapilze

Unter Mykorrhizapilzen (Pilzwurzel) versteht man Wurzelpilze, die in Verbindung mit Wurzelteilen der höheren Pflanzen stehen und durch deren Assimilate ernährt werden.

Gleichzeitig stellen diese der Wirtspflanze aktiv Nährstoffe aus der Bodensubstanz zur Verfügung. Die arbuskuläre Mykorrhiza ist der häufigste Typ und kommt bei 80 % der Landpflanzen vor. Auch Rebwurzeln können stark mit Mykorrhizen besetzt sein, dabei wächst der Pilz zunächst auf der Oberfläche junger noch nicht verkorkter Rebwurzeln und dringt von dort aus über Appressorien in die Rindenzellen ein. In den Zellen verzweigen sich die Hyphen zu Bäumchen (lat. arbusculum) und fördern über eine enorme Oberflächenvergrößerung den Stoffaustausch zwischen dem Pilz und der Rebe. Der Pilz erstreckt sich über die eigentliche Wurzelumgebung, die die Wurzelhaare erreichen, hinaus in den umgebenden Boden, um das Nährstoffpotenzial auch dort auszunutzen. Die Ausdehnung des Hyphengeflechts kann in Extremfällen bis zu 55 m je cm3 Boden betragen. So ist für die Rebe ein zusätzliches Nährstoff- wie auch Wasserpotenzial verfügbar. Als Gegenleistung versorgt die Rebe den Pilz mit Zucker und anderen höherwertigen Stoffwechselprodukten. Durch Mykorrhizenbesatz wird eine vierfach erhöhte Phosphoraufnahme für die Rebe möglich. Auch wenn die Mikroelemente Zink, Mangan und Bor nur in geringer Menge im Boden vorhanden sind, werden diese Stoffe vom Pilz aufgenommen und weitergeleitet. Auch die Wasseraufnahme ist von Bedeutung.

Die Mykorrhizierung der Rebwurzeln wird auch für die bessere Widerstandskraft gegen Wurzelschimmel, Esca- und Eutypa-Infektionen sowie für eine verbesserte Trockenstressresistenz verantwortlich gemacht. Die Mykorrhiza-Pilze sind ein wesentlicher Bestandteil des antiphytopathogenen Potenzials des Bodens.

Mykorrhiza-Pilze fördern

Eine vielartige Begrünung begünstigt die Mykorrhizierung der Rebwurzeln. Unter einer Begrünung wird eine wesentlich höhere Sporenzahl (als Bewertung des Pilzvorkommens der Mykorrhizen) als in unbegrünten, offengehaltenen Böden nachgewiesen. Eine reine Cruciferen-Einsaat (Ölrettich, Senf oder Raps) kann zu einer Reduzierung der Mykorrhiza-Pilze im Boden führen. Als geringer Bestandteil in Gemischen zeigen diese jedoch keine negativen Auswirkungen. Wird Stickstoff oder Phosphor als leicht löslicher Dünger zugesetzt, so verringert sich der Mykorrhizenbesatz. Organische Masse, insbesondere Kompost, Gründüngung oder reifer Stallmist, fördert und Bodenverdichtung hemmt die Entwicklung der Mykorrhiza-Pilze.

2.2.3Makrofauna

Von den tierischen Bodenorganismen (Bodenfauna) treten besonders die Oligochaeten (Borstenwürmer) hervor, deren wichtigster Vertreter der Regenwurm (Lumbricus terrestris) genauer beschrieben werden soll, weil dieser als makroskopisches Bodenlebewesen genau untersucht werden konnte.

Die in den mitteleuropäischen Weinbergen vorkommenden Regenwürmer gehören verschiedenen Arten an. Von etwa 33 Unterarten der Gürtelwürmer in Deutschland leben jedoch in den Weinbergsböden vor allem Allolobophora longa, Lumbricus terrestris sowie Lumbricus rubellus. Für die Kompostbereitung tritt noch besonders Eisenia foetida hervor, ein sogenannter Mist-Kompost-Wurm. In fruchtbaren Ackerböden sollten etwa 200 Regenwürmer pro m3 vorkommen, um ihre vielfältigen Aufgaben im Bodenökosystem bis etwa 1,50 m Tiefe wahrzunehmen. Nach älteren Untersuchungen im Bereich der Landwirtschaft, sowie jüngeren Nachweisen im Bereich biologisch wirtschaftender Weinbau-Betriebe könnten 100 bis 200 Regenwürmer pro m3 eine durchaus realistische Größenordnung bilden. Diese Vorstellung wird von der heutigen Realität des konventionellen und integrierten Weinbaus jedoch nicht erreicht.

Röhren und Gänge eines Regenwurms in der oberen Bodenkrume (nach Graff 1983). © Graff

Häufige Bodenbearbeitung und reichliche Anwendung Einfluss nehmender Pflanzenschutzmittel, insbesondere Herbizide und persistente Insektizide, verbunden mit ungenügender organischer Düngung, lassen die Weinbergsböden zunehmend biologisch verarmen. Regenwürmer werden ebenso wie andere Bodentiere unterdrückt.

Trotz der Anwendung von kupferhaltigen Pflanzenschutzmitteln im ökologischen Weinbau zeigen sich bei optimaler Bodenbewirtschaftung mit Kompostanwendung, organischer Düngung, Verbesserung des Humusgehaltes sowie einer vielartigen Begrünung keine negativen Auswirkungen auf die Regenwurmbiozönose.

Der Lebensraum – die Hohlräume des Bodens (damit sind vor allem die aus eigener Kraft angelegten Wurmröhren gemeint) – wird durch die Aktivität dieser Makroorganismen beträchtlich gestaltet. Der Regenwurm stellt nicht nur ein Instrument der Bodenlockerung, der Umlagerung und des Transports, sondern auch der Produktion von organischer Substanz dar. Im Darm dieses auch bodenfressenden Lebewesens vermengen sich die abgebauten organischen Stoffe mit mineralischen Bodenteilchen und bilden den wichtigen Ton-Humus-Komplex. Der Regenwurmkot besitzt etwa 110 % mehr Wasserspeicherfähigkeit als normaler Boden und enthält wesentlich mehr pflanzenverfügbare Nährstoffe als guter Agrarboden. Weitere positive Wirkungen der Regenwürmer auf die Bodenfruchtbarkeit sind:

die pH-Wert puffernde Wirkung, die der Regenwurm durch spezielle Kalkdrüsen auf den Boden ausübt; dabei werden die aufgenommenen Erdbestandteile im Verdauungstrakt durch Humussäuren neutralisiert;

die verdaute Masse, die als koprogene Humusablagerung bezeichnet und als beste irdische Humusform beschrieben wird;

dass die Regenwürmer sich nicht, wie früher angenommen wurde, von den Mineralstoffen der gefressenen Erde, sondern von den gleichzeitig vorhandenen organischen Stoffen ernähren;

dass 50 % der organischen Exkremente der Würmer aus Huminstoffen bestehen. Das C/N-Verhältnis der Tierlosung von 10 : 1 spricht dafür, dass die Tätigkeit der Bodenfauna zur Bildung echter Humusstoffe führt.

Zu betonen sei hier noch der positive Einfluss auf die Bodenstruktur, Krümelbildung, Dränierung, Wasserdosierung und Belüftung der Böden sowie die Bereitstellung der Wurmröhren für das Wurzelwachstum der Pflanzen.

Untersuchungen zum Regenwurmbesatz konventionell und ökologisch bewirtschafteter Rebanlagen haben einen deutlich höheren Besatz in den ökologischen Anlagen nachgewiesen.

Neben den beschriebenen Würmern spielen aber auch die anderen Makroorganismen wie Asseln, Springschwänze (Collembolen), Käfer, Hundert- und Tausendfüßer sowie die unermessliche Zahl von Bodenmilben eine wichtige Rolle im Gesamtsystem des lebendigen Bodenorganismus.

2.2.4Biologische Aktivität

Die biologische Aktivität eines Bodens gibt die Stoffumsetzung (Atmung) der Bodenorganismen als gemessene, exhalierte CO2-Produktion einer Bodenprobe wieder. Sie kann als Maß des Organismenbesatzes eines Bodens angesehen werden. Versuche zeigen in ökologisch bewirtschafteten Versuchsanlagen eine bis zu dreifache CO2-Produktion des Bodens gegenüber der konventionellen oder integrierten Parzelle. Gerade die biologische Aktivität wird bei langjährigen biologisch wie auch biologisch-dynamisch bewirtschafteten Flächen deutlich erhöht. Vor allem die Schaffung eines günstigen Porenvolumens und die Nachlieferung organischer Substanz in Form von reifem Kompost und Mist sind als Hauptbeeinflusser der biologischen Aktivität anzusehen. Eine hohe CO2-Konzentration in der Bodenluft kommt auch direkt der Versorgung der Rebe zugute.

Andere biologische Eigenschaften, wie die Menge der mikrobiellen Biomasse, das Verhältnis von mikrobieller Biomasse (Cmicr) zu dem Gesamtkohlenstoff im Boden sowie der Dehydrogenaseaktivität werden in vergleichenden Untersuchungen beschrieben. Es zeigt sich, dass die biologischen Eigenschaften in den ökologisch bearbeiteten Weinbergen durchweg besser beurteilt werden können als in den konventionellen/integrierten Versuchsparzellen.

Wirkung von fixen und variablen Regelfaktoren auf die Zusammensetzung und Aktivität des Edaphons eines Weinbergsbodens (nach Jörger 1990). © Jörger

2.2.5Die Bedeutung des Humus

Wichtiger Bestandteil innerhalb eines Bodenökosystems sind die Humusformen mit ihren vielfältigen Funktionen innerhalb des Humuskreislaufs. Ein fruchtbarer, lebendiger Boden, der selbstständig in der Lage ist, Wirtspflanzen wie die Weinrebe zu ernähren, braucht einen ausreichenden Humusgehalt, um Aggregatstabilität, Wasserspeicherfähigkeit, Austauschkapazität und eine gute Bodenstruktur aufrechtzuerhalten. Humusgehalte sind mit verschiedenen Verfahren labortechnisch nachweisbar.

Als Humusformen werden im Bereich der Landwirtschaft nur Nährhumus und Dauerhumus unterschieden, während an Standorten natürlicher Bodenentwicklung auch andere Humusformen genannt werden.

Als Nährhumus werden jene leicht abbaubaren organischen Stoffe aus pflanzlicher Herkunft angesehen, die innerhalb einer relativ kurzen Zeit – im Weinbau in ein bis zwei Vegetationsperioden – zu ersetzen sind und als Nahrung für Mikro- und Makroorganismen angesehen werden.

Der Dauerhumus stellt den für die Bodenfruchtbarkeit wesentlich wichtigeren Komplex dar.

Man beschreibt Dauerhumus als dunkel gefärbte, kolloidale Substanzen. Diese sind, wie die mineralische Tonsubstanz, befähigt, Pflanzennährstoffe zu binden. Darüber hinaus ergeben sich aus der Verbindung von Humus und Ton, Ton-Humus-Komplexe, eine besonders wasserfeste Bindesubstanz des Bodens.

Durch den Einbau dieser Humuskörper in das Bodengefüge wird dessen „Mörtelsubstanz“ elastischer, sodass bei der sprengenden Wirkung des Wassers größere Bruchstücke entstehen, die nie so dicht geschlämmt werden, wie die kleinen Aggregate des reinen Mineralbodens. Eine Bindung erfolgt vorwiegend an Aluminium- und Eisen-Verbindungen. Dauerhumus wird dem im Humusprofil des Waldes vorkommenden Mull gleichgesetzt. Er wird im Boden selbst durch die schon beschriebenen Mikro- und Makroorganismen gebildet. Unter der Streuschicht von Pflanzenresten (Mulchschicht), unter der man alle Stadien von der Verrottung bis zur vollkommenen Vererdung verfolgen kann, tritt die Krümelbildung und deren Lebendverbauung mit „Humustapeten“ ein.

Ausgangsstoffe, Abbau und Aufbau der organischen Substanz im Boden.

Die Ernährung der Bodenorganismen mit Nährhumus setzt also eine Krümelauflage mit nachlieferbarem organischem Material voraus. Für einen günstigen Ablauf der Vorgänge um den Auf-und Abbau von Humus ist es wichtig, dass der Luft- und Wasserhaushalt des Bodens in Ordnung ist. So hängen viele Faktoren vom aktiven Bodenleben ab, um in einem Kreislauf den Humusabbau, -umbau und -aufbau zu erhalten.

Der Gehalt an Dauerhumus kennzeichnet den Grad der Bodenfruchtbarkeit. Im Dauerhumus werden die Nährstoffe aus der Bodenlösung in feste organische Verbindungen eingebaut, und zwar derart, dass sie beim Humusabbau wieder in die Bodenlösung eingehen können.

Ferner stellt Humus einen wichtigen Wasserspeicher dar. Dass ein humoser Boden auch eine widerstandsfähige Krümelstruktur mit bester Luft- und Wasserführung aufweist, braucht nicht besonders betont zu werden. Die wertvollen Dauerhumusformen sind eine stetig fließende Stickstoffquelle.

Schematische Darstellung der von der organischen Substanz im Boden beeinflussten Prozesse (nach van Staa 1985). © van Staa, 1985

Der Humusumsatz unterliegt starken Schwankungen, abhängig von Klima, Lage, Bodenbearbeitung und Bodenpflege. So baut ein durchlüfteter Boden mit einer guten Versorgung der Bodenorganismen Humus ab. Parallel dazu findet aber auch wieder der Humusaufbau statt, der vom Bodenleben aus Begrünung oder Zufuhr von organischer Masse z. B. als Kompost, vorangetrieben wird. Eine gute Umsetzung erfolgt bei niedrigem C/N-Verhältnis im Boden. Ist beispielsweise bei einer Strohabdeckung des Bodens durch schlechte Bodenaktivität zu wenig Stickstoff vorhanden, kann Stroh als Nährhumus nur schlecht umgesetzt werden. Bodenbearbeitung führt zu einem ständigen Abbau vorhandener Humusverbindungen, dabei auch je nach Intensität zu sehr hoher Stickstofffreisetzung. Solange diese Nährstoffe von den Begrünungspflanzen wieder festgelegt werden, ist das nicht als Nachteil zu sehen.

Um die Mineralisation von Humus auszugleichen und den Humuskreislauf sicherzustellen kann in mittleren Böden, abhängig von Temperatur, Niederschlag und Bodenart, ein Gesamtbedarf von 6 bis 10 t/ha/Jahr an organischer Trockenmasse veranschlagt werden.

Der prozentuale Gewichtsanteil von Humus im Boden wird aus dem Kohlenstoffgehalt errechnet. Da aber kein stabiler Stoff erfasst wird, sondern ein komplexer Umsatz dargestellt werden soll, ist die reine Kohlenstoff-Analyse unbefriedigend.

Beschrieben werden deshalb Vorgänge während der Bildung des Humus, wie z. B. die Verbindung von Chelaten (organische, chemische Verbindungen) mit Spurenelementen, die auch die Rebe zur Existenz benötigt. So beschreibt man im Humus organische Chelatoren, die ein nicht allzu hohes Molekulargewicht besitzen, weshalb angelagerte Mikroelemente hier für die Pflanze verfügbar sind. Innerhalb der Forschung um die Aufnahmefähigkeit organischer Verbindungen durch die Pflanze ist nachgewiesen, dass organische Verbindungen bis zum Molekulargewicht von 1500 aufgenommen werden können. Demzufolge wurde der Begriff Humus als „lebendes Gewebe“, eine Vereinigung mineralischer, organischer und lebender Substanz dargestellt.

Die bei einer Begrünung zu erwartende, dauerhafte Nachlieferung von Nährhumus durch Mulchmaterial deckt den Humusbedarf des Standorts und kann in Verbindung mit anderen Humus fördernden Maßnahmen den Wert der organischen Substanz erhöhen. Zu erwarten sind in Sandböden etwa 1,5 % und auf Lehm- bis Tonböden 2 bis 3 % Humus als Dauerwert.

Eine Erhöhung des Humusgehaltes um 1 % steigert die Wasserhaltefähigkeit des Bodens um etwa 10 %. Da für das Gedeihen einer optimalen Begrünung ein gesicherter Humusgehalt notwendig ist, sollten als Vorbereitung des Bodens eine oder mehrere Kurzzeitbegrünungen vorgenommen werden. Die laufende Nachlieferung absterbender Pflanzenwurzeln macht sich durch eine Anreicherung organischer Substanz auch im Unterboden bemerkbar. Unterbleibt jedoch auf unbedeckten Böden die Zufuhr organischer Substanz auch nur fünf Jahre, so sind schwere Schädigungen der Bodenstruktur und Fruchtbarkeit zu erwarten. Nach jahrelanger Begrünung zeigen sich wesentlich höhere Humusgehalte in begrünten Parzellen als in den unbegrünten Vergleichsparzellen. Es zeigt sich auch, dass in Bezug auf die Humusversorgung der Stallmist durch sachgerechte Stroh- und Gründüngung weitgehend zu ersetzen ist.

Stickstoffmineralisierung im Boden in Abhängigkeit des Humusgehaltes in kg/ha.

2.3Die Nährstoffversorgung der Rebe

Die Nährstoffversorgung der Rebe durch die essenziellen Nährstoffe ist bis ins Detail geklärt. Als Problem ist jedoch nicht die Versorgung von außen anzusehen, sondern eine an das Wachstum der Rebe angepasste harmonische Versorgung aus dem Substrat am Standort selbst. Wenn keine Düngung, d. h. Zufuhr von außen erfolgt, stellen die aktive Nährstoffmobilisierung durch das Bodenleben und die Pflanzenwurzeln, d. h. die biologische Aktivität und Umsatztätigkeit, die Grundlage für die Nährstoffversorgung.

Ein Element wird als essenziell für die pflanzliche Ernährung angesehen, wenn die Pflanze ohne dieses Element ihren Lebenszyklus nicht vollständig durchführen kann, oder das Element im Stoffwechsel als unersetzbarer Bestandteil von Molekülen benötigt wird.

Ein Mangel zeigt sich in Form von Mangelsymptomen. Hier treten insbesondere auf intensiv genutzten Böden Mangelsituationen durch das unterkritische Angebot einzelner Mikroelemente auf, was nicht nur zu einer Verminderung des Wachstums, sondern auch zu spezifischen Stoffwechsel- und Entwicklungsdefekten führt.

Die Makroelemente stehen der Pflanze unter natürlichen Bedingungen stets in ihrer maximal oxidierten Form (CO2, H2O, NO3–, SO42–, PO42–, K+, Ca2+, Mg2+, Fe3+) zur Verfügung.

Mikroelemente sind nur in Spuren notwendige Elemente und dienen bei den Lebensprozessen der Pflanze als Katalysator. Ein Mangel hemmt also die Verwertung der Makroelemente.

Die essenziellen Hauptnährstoffe der Rebe (C, H, O, N, P, K, Ca, S, Mg) werden, sofern sie nicht aus der Bodenlösung oder der Atmosphäre aufgenommen werden, im integrierten Anbau durch mineralische Düngung in wasserlöslicher Form zugeführt. Diesbezüglich werden hauptsächlich – neben den diskutierten N-Düngern – Phosphor, Kali und Magnesium als mehr oder weniger leicht lösliche Dünger zugesetzt, die teilweise auch Mikronährstoffe wie Bor, Zink und Molybdän enthalten können. Die Problematik der mineralischen Düngemittel zeigt sich erst in jüngerer Zeit. So zeigen Untersuchungen die Gefahren des Phosphataustrages aus Weinbergen durch Erosion und die damit verbundene Eutrophierung der Gewässer durch verstärktes Algenwachstum und den dadurch erhöhten Sauerstoffverbrauch. In Westeuropa werden rund 90 % aller phosphathaltigen Düngemittel aus Rohphosphat hergestellt. Rohphosphat enthält, je nach Ablagerungsstätte, mehr oder weniger Cadmium. So wird auch die Phosphatdüngung zuweilen für eine Cadmiumanreicherung im Boden verantwortlich gemacht. Ernst zu nehmen sind auch die hohen Energiekosten, die bei der Produktion von Düngemitteln anfallen. Im Rahmen dieser Abhandlung soll die Funktion der einzelnen Nährstoffe nicht näher erläutert werden. Es ist jedoch festzustellen, dass der Rebe als Teil des Agrarökosystems ein Vielfaches an nachlieferbaren Nährstoffen zur Verfügung steht, die im Boden in mineralischer und organischer Verbindung festgelegt sind. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass in einem gesunden, aktiven und lebendigen Boden, diese der Rebe pflanzenverfügbar aufgeschlossen werden können und dauerhaft zur Ernährung beitragen.

Hemmung von pflanzenverfügbaren Nährstoffen durch hohe Düngemittelgaben.

Zu hohe Gehalte an

gehemmte Nährstoffe

Stickstoff

K, Mg, B, Mb

Phosphat

K, Zn

Kalium

Mg, Ca

Calcium

Mg, P, K, Fe

Verdichtung

Mn, Fe

Nährstoffentzug bei 10 t Trauben/ha und Rückführung von Laub, Holz, Trester

Stickstoff

18,0–23,0 kg

Phosphor

6,0–8,0 kg

Kalium

30,0–40,0 kg

Calcium

5,0–6,0 kg

Magnesium

2,0 kg

Im Weinbau kann ein relativ geschlossener Nährstoffkreislauf realisiert werden, da der größte Teil der organischen Abfallstoffe heute im Weinberg verbleibt (Blätter, Holz, Trester) und mit dem Traubensaft nur geringe Nährstoffmengen vom Standort entnommen werden. Diese Nährstoffe sind mengenmäßig als so gering anzusehen, dass ein aktives Bodenleben in der Lage sein sollte, das geringe Nährstoffdefizit von sich aus auszugleichen. Dennoch ist es notwendig zur Sicherstellung der biologischen Aktivität und zur Ernährung des Bodenlebens regelmäßig organische Masse in Form von Kompost, Mist oder Gründüngung zuzuführen.

Ernährung der Rebe

Pflanzenwachstum und damit Ertragsbildung der Rebe setzt die Ein- und Zusammenwirkung der Faktoren Energie, vorwiegend aus Sonneneinstrahlung, Wasser und Nährstoffe voraus. Aufnahme und Ausnutzung der Nährstoffe erfolgen durch den Kontakt verschiedener Organe der Rebe mit den unterschiedlichsten, gasförmigen, festen und gelösten Elementen.

Das eigentliche Nährmedium der Pflanze ist die Bodenlösung, in der die Elemente in ausreichender Menge vorhanden sein müssen.

Für die Nährstoffversorgung der Rebe im ökologischen Weinbau stellt sich die Frage, ob die Nährstoffe in wasserlöslicher Form als Salze oder in einer pflanzenverfügbaren organischen Form vorliegen. Entgegen früheren Vorstellungen kann die Pflanzenwurzel die Nährelemente den Bodenkolloiden nicht direkt „entreißen“. Sie beeinflusst jedoch durch Ausscheidung organischer und anorganischer Substanzen (H+, OH–, HCO3–) die Rhizosphäre und damit die Nährstoffmobilisierung und deren Verfügbarkeit. Man ist sich heute darüber im Klaren, dass die in der unmittelbaren Umgebung der Rebwurzel vorhandenen Nährstoffe, die direkt verfügbar sind, nicht ausreichen. Die benötigten Verbindungen müssen durch Diffusionsprozesse bzw. Kapillarkräfte der Bodensubstanz, Sogwirkung durch aktive Wurzelaufnahme der Pflanze, sowie durch die Schwerkraft in Bezug zum Bodenwasser zur Rebwurzel transportiert werden.

Formen der Nährstoffe im Boden und Prozesse der Nährstoffdynamik (nach van Staa 1985). © van Staa, 1985

Die gängige Ernährungsmaßnahme im integrierten Weinbau ist die Düngung mit leicht löslichen Mineraldüngesalzen, die auf die Oberfläche aufgebracht werden. Dies stellt jedoch einen extrem unnatürlichen Vorgang dar, war doch ursprünglich die Nachlieferung der durch Trauben dem Standort entzogenen Elemente durch das Einbringen organischer Substanz (z. B. Mist, Kompost) gewährleistet, indem diese Elemente vom Bodenleben und Pflanzenwurzeln mindestens teilweise aufgeschlossen und mineralisiert werden mussten. Es war also ein natürlicher Vorgang im Boden. Die Bodenorganismen hatten Nahrung, die Humusversorgung war gewährleistet und dadurch die Bodenstruktur stabilisiert. Erst als, durch die Spezialisierung hin zum reinen Weinbaubetrieb, die Versorgung mit Stallmist oder Kompost nicht mehr gesichert war, wurde mit leicht löslichen, synthetischen Düngemitteln nachgeholfen. Doch die Einfachheit der Anwendung mineralischer Düngestoffe und die schnelle Wirksamkeit führten auch zu gezielter Vernachlässigung organischer Düngung und zum schnellen Anstieg im Verbrauch der mineralischen Düngemittel. Durch die Erfolge wurde die organische Nachlieferung weitgehend zurückgedrängt. Schon Liebig, der Begründer der mineralischen Düngung, warnte jedoch vor den Konsequenzen. Er stellte dar, dass durch die Zufuhr wasserlöslicher Mineralstoffe der Abbau von Humus noch beschleunigt würde.

Vernetzte Negativeinflüsse wasserlöslicher N-Mineraldünger.

Durch Humusabbau und die dadurch mit verursachte verschlechterte Bodenstruktur, sowie die Verschlämmung des Bodens durch Erosion und die damit verbundene Verbauung der Bodenporen wurde es immer schwieriger Nährstoffe, die von außen zugegeben wurden, zu dosieren. Das Aufschließvermögen durch den Standort selbst (aktive und passive Nährstoffmobilisierung) wurde vernachlässigt und Düngeempfehlungen nur entsprechend der in der Bodenlösung befindlichen verfügbaren Nährstoffe gegeben. Wenig Berücksichtigung fand dabei auch das Wirkungspotenzial der zugegebenen Düngemittel, d. h. der Anteil von Nährstoffen, der die Rebwurzel wirklich erreicht und aufgenommen wird.

Aufgrund von Fehleinschätzungen der natürlichen Möglichkeiten einer Nährstoffversorgung am Standort wurden früher seit der verstärkten Anwendung leicht löslicher Mineraldünger sehr stark überhöhte Düngeempfehlungen gegeben. Die überhöhte Düngung führte zu Umweltproblemen, wie z. B. die Anreicherung von Nitrat im Grundwasser durch Auswaschung und Erosion.

Bei Untersuchungen über bodenphysikalische, bodenchemische und bodenbiologische Eigenschaften von konventionell und ökologisch bewirtschafteten Rebflächen wurde auf ökologisch bewirtschafteten Flächen folgendes festgestellt:

eine wesentliche Erhöhung der mikrobiologischen Aktivität,

höhere Humusgehalte,

eine bessere Verfügbarkeit von P und K,

höhere Gesamt-N-Gehalte,

höhere Aggregatstabilität.

Danach ist die höhere Aktivität auf biologisch bewirtschafteten Böden zu einem guten Teil auf höhere Humusgehalte zurückzuführen. In einzelnen Untersuchungen konnte schon frühzeitig gezeigt werden, dass ökologisch bearbeitete Weinberge keinen Nährstoffmangel aufweisen, obwohl auf eine Düngung in Form von Mineraldüngern verzichtet wurde. Neben einem höheren Humusgehalt zeigen sich auch deutliche Verbesserungen der Bodenstruktur und eine geringe Verdichtung der Böden in ökologisch bewirtschafteten Rebanlagen.

2.3.1Die Dynamik der Pflanzennährstoffe im Weinberg

Die Angst vor der Begrünung sowie vor jedem Bewuchs im Weinberg wird vom Praktiker mit der Gefahr einer Nährstoff- und Wasserkonkurrenz zur Rebe begründet. Die Wasserkonkurrenz wird vermutet durch einen dauernden Wasserverbrauch der wachsenden Gründüngung, die aber durch eine gezielte Mulchwirtschaft, d. h. ein Walzen, Abmähen und Zerschlagen der Grünmasse mit anschließendem Nutzen als Bodenbedeckung, niedrig gehalten wird. Es entsteht in diesem System also keine Nährstoffkonkurrenz, sondern auf längere Sicht (über mehrere Vegetationsperioden hinaus) eine Nährstoffdynamik. Die von den Begrünungspflanzen aufgenommenen, aktiv aus der Bodenlösung und dem Mineralienkomplex des Bodens freigesetzten Nährstoffe, werden dem Boden zuzüglich der gebildeten organischen Masse pflanzenverfügbar und auswaschungsstabil zurückgegeben. Der Gedanke der Versorgung der Rebe durch wasserlösliche Düngesalze wird im ökologischen Weinbau durch das System eines aktiven Stoffkreislaufes ersetzt, in welchem eine an das Wachstum der Pflanze angepasste Nährstoffdynamik der Mobilisierung/Freisetzung sowie Immobilisierung/Fixierung der Nährstoffe mithilfe der Bodenmikroorganismen erreicht wird. Über die Rückführung organischer Masse, Gründüngung sowie der Verwendung von Kompost und Mist, werden alle erforderlichen Nährstoffe in ausreichender Menge vom System selbstständig und aktiv zur Verfügung gestellt.

Im System ökologischer Weinbau gibt es folgende Quellen der Nährstoffmobilisierung:

Die natürliche chemische und physikalische Verwitterung am Standort bringt Pflanzennährstoffe in die Bodenlösung.

Niederschläge waschen Pflanzennährstoffe aus der Luft in den Boden.

Freisetzung aus pflanzlichen und tierischen Abfallstoffen.

Eine eingesäte Begrünung sowie natürliche Wildpflanzen lösen aktiv durch ihre Wurzelausscheidungen, z. B. organische Säuren, Mineralstoffe, Enzyme sowie Phytosiderophore, Nährstoffe aus dem Mineral- und Humuskomplex des Bodens heraus, ein System, welches mit Sonnenenergie als Quelle funktioniert.

Die Nährstoffe werden in der Pflanzenmasse gespeichert, bis bei einer Rückführung der Begrünung die Nährstoffe über den Humuskreislauf von der Rebe aufgenommen werden können.

Durch die Aktivität der Wurzeln und eventuelle Ausscheidungen, also physikalische und chemische Reaktionen, werden Nährstoffe auch direkt in die Bodenlösung abgegeben. Eine Auswaschungsgefahr in tiefere Horizonte besteht jedoch nicht, da zum Zeitpunkt des Pflanzenwachstums die Bewegung des Bodenwassers von unten nach oben erfolgt.

Bodenmikro- und Bodenmakroorganismen schließen durch ihre Aktivität und durch Ausscheidungen (z. B. Chelatoren) im Mineralkomplex des Bodens bzw. im angrenzenden Skelettmaterial (Gestein) Nährstoffe auf oder entnehmen sie aus der Bodenluft und dem Bodenwasser. Diese Nährstoffe stehen dann in Ausscheidungen oder nach dem Absterben der Organismen zur Verfügung.

Der bei entsprechender Bodentemperatur und Feuchtigkeit einsetzende Humusabbau setzt Nährstoffe frei (mobilisierbare Reserven).

Eine Bodendurchlüftung und Bewegung, z. B. beim Umbrechen einer Begrünung oder bei einer Bodenbearbeitung mit dem Grubber oder der Scheibenegge bei starker Trockenheit, führt zu einem verstärkten Humusabbau und in Kombination mit der physikalischen Bodenbewegung zu einer verstärkten Nährstofffreisetzung.

Das Einbringen organischer Substanz (Rebholz, Trester, Blätter, Mulchschicht, organische Düngemittel, Kompost, Stallmist) oder mineralischer Stoffe (Steinmehle, Kalke, schwer lösliche Mineraldünger) liefert Nährstoffreserven, die vom Bodenökosystem mehr oder weniger schnell mobilisiert werden können, bzw. in anderer Form als Reserve wieder festgelegt werden.

Darstellung des Energieflusses in einer mehrjährigen Nahrungskette anhand von ausgewählten Vertretern des Edaphons eines Weinbergsbodens (nach Jörger 1990). © Jörger, 1990

Leicht lösliche mineralische Düngesalze sind im ökologischen Weinbau aus folgenden Gründen nicht erlaubt:

Eine genaue Dosierbarkeit im biologischen Substrat ist nicht gegeben.

Überschüsse hemmen die Aufnahme anderer Nährstoffe.

Das Bodenleben kann geschädigt werden (Mykorrhizen, Knöllchenbakterien).

Verunreinigung mit Schadstoffen.

Hoher Energiebedarf zur Produktion.

Unnatürlicher Eingriff ins Bodenökosystem.

Erosion von Phosphaten und Schädigung der Gewässer.

Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser.

Denitrifizierung und verstärkte Lachgasemmission.

Begrenzte Verfügbarkeit von Lagerstätten.

Ökosystemare Schäden beim Lagerstättenabbau.

Genügende weltweite Nährstoffreserven in landwirtschaftlichen Böden.

2.3.2Stickstoff im biologischen Anbau

Stickstoff ist ein essenzielles Element, das einerseits im Mangel ertragsbegrenzend, andererseits im Überschuss die Widerstandsfähigkeit der Pflanze gegenüber Krankheiten und Schädlingen mindert. Stickstoff ist für die Synthese von Chlorophyll, Aminosäuren und Eiweißen beim Pflanzenwachstum essenziell. Sowohl für die Quantität als auch für die Qualität des Ertrages der Rebe spielt Stickstoff eine entscheidende Rolle. Rund 95 % der Stickstoff-Verbindungen eines Standorts liegen jedoch bei vereinfachter Betrachtungsweise im Boden in festen organischen Verbindungen vor. Je nach Beschaffenheit und Kohlenstoff/Stickstoff-Verhältnis der Ausgangssubstanz (C/N-Verhältnis) ist mit einem unterschiedlichen MIT (Mineralisierungs-Immobilisierungs-Turnover) zu rechnen. Im Bodenvorrat eines Weinbergsbodens mit 1 bis 2 % Humus liegt der Stickstoff in Mengen von 0,05 bis 0,4 % oder 1500 bis 12 000 kg/ha als Dauerhumus in einer schwer und als Nährhumus in einer leicht mobilisierbaren und austauschbaren Reserve organisch gebunden vor. Durch die mikrobielle Freisetzung des Stickstoffs über die Ammonifikation und Nitrifikation wird dieser pflanzenverfügbar. In gut mit Sauerstoff versorgten Weinbergsböden wird das Ammonium rasch zu Nitrat oxidiert und als NO3-Ion von der Pflanze aufgenommen. Des Weiteren können durch die aktive Nährstoffmobilisierung und Wurzelausscheidungen Polypeptide und andere höhermolekulare organische Verbindungen durch die Pflanzenwurzel aufgenommen werden. Stickstoff unterliegt einem ständigen Um- und Abbauprozess von organischen Humusstoffen zu Ammoniak und Nitrat. Er wird von Bakterien aus der Luft fixiert, durch Regen in den Boden eingewaschen, aber auch im Boden an Ton-Humus-Komplexe festgelegt oder denitrifiziert und entweicht als Gas in die Atmosphäre. In der Darstellung auf Seite 42 wird für den Weinbau modifiziert der Stickstoffkreislauf schematisch dargestellt.

Stickstoffkreislauf bei organischer und mineralischer Düngung (nach van Staa 1985). © van Staa, 1985

Als Input sind aufzuführen: die Ernterückstände wie Trester, Presshefe, Schnittholz und Laub, die Wirtschaftsdünger (Stallmist, Kompost), organische Handelsdünger, Stickstoff bindende Bakterien und Leguminosen sowie die Einwaschung mit dem Regen. Als Output stehen der Verkauf der Ernte als Wein oder Trauben, die Auswaschung, die Denitrifikation und die Festlegung im Boden.

In der folgenden Bilanzierung wird von Faustzahlen ausgegangen, da keine genauen Daten vorliegen:

Input: Die jährliche Rate der Stickstoff-Mineralisation aus dem Bodenvorrat beträgt bei mechanischer Bodenbearbeitung 1 bis 3 %, wobei die höhere Abbaurate für höhere Gehalte an Humus zutrifft. Das würde einem bodeneigenen Stickstoffangebot von 30 bis 200 kg/ha entsprechen.

Durch eine optimale Begrünung mit Leguminoseneinsaat und alternierender Mulchwirtschaft werden zwischen 30 bis 100 kg N/ha festgelegt und durch die Mineralisation im System remobilisiert. Außerdem stehen der Rebe die Stickstoffgehalte der vegetativen Organe (20 bis 40 kg/ha), aus den Trestern (15 bis 20 kg/ha) und den Niederschlägen (10 bis 20 kg/ha) zur Verfügung. So ergeben sich N-Werte aus dem natürlichen Vorrat von 100 bis 380 kg/ha im Jahr.

Output: Auf der Ausfuhrseite steht die vom Feld weggeführte Ernte an erster Stelle. Im ökologischen Weinbau werden als oberste Ertragsgrenze 100 hl/ha angesehen, die durchschnittlichen Ernten belaufen sich auf 50 bis 80 hl/ha. Demnach werden bei 100 dt Trauben/ha etwa 20 bis 30 kg Stickstoff/ha entzogen. Die Auswaschung als Nitrat in Mengen zwischen 20 bis 60 kg/ha erfolgt in der vegetationsfreien Zeit, insbesondere bei offengehaltenen Böden, aber auch bei unsachgemäßer organischer Düngung. Der Auswaschung wirkt schon eine Kurzzeitbegrünung vom Herbst bis zum Frühjahr entgegen. Die Verluste über Denitrifikation und/oder Festlegung können zwischen 10 und 100 kg/ha schwanken. Das Entweichen als gasförmiges N2 setzt anaerobe Bedingungen im Boden voraus und kann durch eine Bodenbelüftung und Lockerung (mechanisch oder biologisch) behoben werden. In der Summe ergibt sich ein Gesamtaustrag von 50 bis 200 kg Stickstoff pro Hektar und Jahr.

Aus der Gegenüberstellung der Input- und Outputbeträge könnte man geneigt sein, auf eine zusätzliche Düngung zu verzichten. Wie aber schon ausgeführt, dient die Zufuhr von Kompost, Mist oder organischen Handelsdüngern dem Ziel der Belebung und Aktivierung des Bodens und der Nährstoffversorgung der Rebe. Ebenso wird organische Masse zur Stabilisierung und Steigerung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und als Ausgleich für die Mineralisationsverluste zurückgeführt. Zusätzlich zu der primär ertragswirksamen Versorgung mit Hauptnährstoffen (N, P, K, Mg, Ca) werden Spurenelemente zugeführt. Für den ökologisch arbeitenden Betrieb ist es aber auch wichtig, das Nährstoffangebot an den Bedarf der Rebe anzupassen. Dieser unterliegt im Laufe der Vegetation großen Schwankungen. Der Bedarf an Stickstoff zeigt im Weinbaujahr verschiedene Höhen und Tiefen. Bis zum Austrieb der Reben erfolgt keine nennenswerte Einlagerung von Stickstoff in die Rebe. Mit der Zunahme der vegetativen Entwicklung steigt der Stickstoffbedarf und erreicht in der Zeitspanne von Blüte bis Erbsengröße ein erstes Aufnahmemaximum mit bis zu 1700 g/ha und Tag. Ein zweites Aufnahmemaximum tritt kurz nach Reifebeginn für etwa 14 Tage mit bis zu 900 g/ha und Tag auf. Zu diesen beiden Aufnahmemaxima gilt es, den im Boden oder über die organische Düngung ausgebrachten Stickstoff der Rebe anzubieten. Die Bodenpflege spielt hierbei eine nicht unwesentliche Rolle. Gerade der Umbruch einer Begrünung im Frühjahr (Ende März bis April) oder eine gezielte Mulchwirtschaft tragen zu einer angepassten Stickstoffversorgung der Rebe bei. Nach der Blüte liegt der größte Bedarf der Rebe an Stickstoff vor. Gleichzeitig steigt die natürliche Stickstoffproduktion des Bodens zu dieser Zeit auch intensiv an (Erwärmung und Umsetzungsbeschleunigung im Boden).

Eine überwinternde Begrünung nimmt bei Vegetationsruhe der Rebe unter bestimmten Bedingungen (temperaturabhängig) Stickstoff auf und bewahrt diesen vor Auswaschung.

Ein unbeabsichtigter Stickstoffeintrag ins Grundwasser kann trotz hoher Humuswerte durch eine schonende Bodenbearbeitung vermieden werden.

Eine Stickstofffreisetzung ist beispielsweise beim Umbrechen einer Gründüngung zu erwarten. Eine danach neu eingesäte Begrünung hätte demzufolge genug Reserven, um einen Bestand zu entwickeln. In einem solchen Falle wäre der Stickstoff vor einer Auswaschung geschützt und ein Austrag von Nitrat in tiefere Bodenschichten ausgeschlossen. Ein Problem kann entstehen, wenn Grünmasse eingearbeitet wird. Dieses Material wird sehr schnell abgebaut und das zeitlich verzögerte N-Überangebot führt zur Auswaschung. Dieser Sachverhalt gilt sowohl für leicht lösliche Mineraldünger als auch für die im ökologischen Weinbau ausschließlich benutzte organische Masse. Eine Freisetzung von Nitrat ohne entsprechende gleichzeitige Begrünung des Bodens führt – vor allem in Perioden, in denen die Rebe wenig Stickstoff benötigt – zwangsläufig zur Auswaschung. Auch der Ökowinzer muss also die Maßnahmen der Bodenbearbeitung auf den momentanen Bedarf der Reben an Stickstoff anpassen.

2.3.3Der pH-Wert des Bodens

Die Bodenreaktion vom sauren über neutralen zum basischen Bereich bestimmt teilweise auch die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden. Als pH-Wert kann diese bei Bodenanalysen Aussagen für korrigierende Maßnahmen ermöglichen.

Hohe pH-Werte, wie sie in Gebieten mit kalkhaltigen Böden gemessen werden, können durch eine Begrünung gesenkt werden. Durch die Produktion von Kohlendioxid (CO2) und der damit verbundenen Bildung von Kohlensäure im feuchten Boden kommt es im Wurzelbereich zu einer Pufferung der hohen pH-Werte, weil die Säure die Neutralisierungstendenz verstärkt. Der erhöhte mikrobielle Abbau von organischer Substanz und die damit verbundene CO2-Freisetzung unterstützen diesen Vorgang ebenfalls. Es kann also angenommen werden, dass die Begrünung eine stabilisierende Wirkung auf den pH-Wert des Bodens ausübt. Ein neutraler pH-Wert hat die beste Fähigkeit, das Pflanzennährstoffpotenzial im Boden verfügbar zu halten. Pflanzenwurzeln besitzen die Fähigkeit, durch spezielle Ausscheidungen bei problematischen pH-Werten korrigierend in der Wurzelumgebung zu wirken, um Nährstoffe zu mobilisieren.

Nährstoffverfügbarkeit in Abhängigkeit vom ph-Wert des Bodens.

2.3.4Bodenwasserhaushalt

Durch die hydrografischen Voraussetzungen kommt der Ausnutzung der vorhandenen Niederschläge für den Weinbau eine starke Bedeutung zu. Untersuchungen zeigen die enge Verbindung des pflanzenverfügbaren Wassers mit bodenphysikalischen Größen wie Wasseraufnahmekapazität, Aggregatstabilität sowie Feldkapazität.

Allgemein lässt sich formulieren, dass durch die beschriebenen negativen Veränderungen in den Weinbergsböden auch die Aufnahmefähigkeit für Wasser sowie die Verfügbarkeit von Wasser nicht mehr zufriedenstellend gesichert ist.

Gerade in Weinbaugebieten mit oftmals geringen Jahresniederschlagssummen ist die Ausnutzung des Bodenwassers von besonderer Bedeutung, um Trockenschäden an der Rebe zu verhindern. Vor allem die Aufnahme und die Speicherung des Wassers sind nicht optimal gewährleistet, was das Wasser als wachstumsbegrenzenden Faktor hervorhebt, weil organische und anorganische Abläufe gehemmt werden.

Wasser stellt daher in der Regel in vielen Weinbauregionen einen ertrags- und qualitätsbeschränkenden Faktor dar. Obwohl die Wasseraufnahmekapazität des Bodens durch Verhinderung von Verschlämmungen und Verdichtungen sowie durch Humusanreicherung, die ebenfalls eine erhöhte Wasserspeicherfähigkeit bewirkt, durch die Begrünung positiv beeinflusst wird, kann die Grüneinsaat bzw. eine natürliche Begrünung je nach Bodenzustand eine nicht unerhebliche Wasserkonkurrenz zur Rebe darstellen. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass bei der Dauerbegrünung durch eine dichte, niedrig gehaltene Pflanzendecke die unproduktive Verdunstung gesenkt werden kann. Eine Begrünung im Winter oder eine Abdeckung des Bodens mit Stroh, Rinde oder Kompost lässt weniger Bodenwasser verdunsten als ein offen gehaltener Boden, was zu einer deutlich verbesserten Speicherfähigkeit der Winterniederschläge führt.