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Wen genau und warum eine Bipolare Störung jemanden treffen kann, wissen nicht mal die besten Experten. Fakt ist: mich hat es erwischt! Ich lebe nun seit über 10 Jahren mit dieser durchaus schweren, komplizierten als auch zermürbenden Diagnose. Das Ziel in diesem Buch ist ganz einfach formuliert: Dieses Buch soll Dir Mut machen! - ob Du nun Betroffener, Angehöriger oder einfach interessiert bist. Ich versuche in diesem Buch nicht nur meine Sicht zu teilen und Mut zu machen; ich versuche auch zu zeigen, dass ich trotz der Krankheit immer noch und vor allem Mensch bin.
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Seitenzahl: 68
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Liebe Leidensgenossen, Angehörige und Interessierte,
mein Name ist Tim Buchholtz und ich leide seit 2013 an einer Bipolaren Störung. Ich bin jetzt 36 Jahre alt und habe im Alter von 25 Jahren meine erste schwere manische Episode durchlebt. Seitdem bin ich in Behandlung und meistere mein Leben mit der Krankheit im Rahmen meiner Möglichkeiten. Mittlerweile sind aus kleinen, anfänglichen Umstellungen in der Lebensweise richtige Leitsätze entstanden, die mir ein tolles und weitestgehend stabiles Leben ermöglichen.
DAS möchte ich gerne mit Dir teilen. Mein Anspruch in diesem Wegweiser ist es, Dir zu helfen!
Ich habe in meiner Krankheitskarriere Psychosen, Manien, Depressionen, aber auch lange Phasen der Stabilität erlebt und möchte Dir aufzeigen, wie ich es Tag für Tag schaffe aufzustehen und mich zu motivieren, denn das Leben ist immer noch schön und hat Dir viel zu bieten!
Mein Wegweiser kann natürlich nicht allgemeingültig sein.
Er soll Dir helfen, indem ich Dir meine persönliche Geschichte erzähle und Du Dir, wenn Du magst, etwas für Dich herauspicken kannst. Ich schreibe Dir nicht vor was Du tun oder denken sollst. Ich versuche mit meiner Herangehensweise Dir eine Hilfestellung anzubieten.
Ich habe sehr lange gebraucht um an diesem Punkt zu stehen. An dem Punkt mich öffentlich mitzuteilen - diesen Wegweiser zu schreiben nicht, denn die Texte sind eine Sammlung der letzten Jahre. Doch der Mut und die Reife, diese zugänglich zu machen, ist etwas, das relativ neu in mir entstanden ist.
Der erste Teil in diesem Wegweiser sind Gedankengänge und Anregungen zu diversen Themenfeldern, die mich seit der Erstmanifestation begleiten. Hier geht es um meine Sichtweise und meinen persönlichen Umgang.
Im zweiten Teil geht es um die kreative Krankheitsverarbeitung in Form von Fabeln. Die Themen, die mir wichtig sind, sind hier Neubeginn, Schuld, aber auch Stolz und viele mehr.
Der dritte Teil ist eine Sammlung aus kurzen Gedichten und Gedanken. Diese Miniaturen drehen sich allesamt um die Störung und die Bewältigung derselben.
Bevor es richtig losgeht, möchte ich mich kurz etwas genauer vorstellen:
Ich bin schon immer ein lebensfroher, draufgängerischer Typ gewesen, stamme aus Hamburg Jenfeld und war vor dem Ausbruch der Krankheit Lehramtsstudent für die Fächer Sport, Englisch und Spanisch. Aufgewachsen bin ich in Hamburg, die Krankheit hat mich dann im Rahmen meines Studiums in Köln erwischt. Nach dem Scheitern meiner Ehe habe ich mich exmatrikulieren lassen und bin dann wieder zurück nach Hamburg gekommen.
Die Krankheit hat mir mehrere Lebensentwürfe genommen und zwingt mich, mich ständig zu überprüfen und neu zu erfinden. So war ich, nach dem Studium, in einigen Rehabilitationsmaßnahmen und sogar auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig. Nun ist allerdings eine Erwerbsminderungsrente angestrebt.
Die damit verbundenen seelischen Schmerzen versuche ich mit diesem Wegweiser zu lindern, indem ich Dir möglicherweise mit dem ein oder anderen Gedankengang helfen kann.
1.
Stimmung
2.
Kränkung
3.
Bipolare Diagnose
4.
Manie
5.
Depression
6.
Stabilität
7.
Medikamente
8.
Psychiatrie
9.
Fixierung
10.
Abbau der Leistungsfähigkeit
11.
Rolle in der Gesellschaft
12.
Stigma
13.
Leidensdruck
14.
Süchte
15.
Hilfestellen
16.
Kreativität
17.
Neubeginn
18.
Mut und Risiko
19.
Mensch sein
20.
Rückfälle
21.
Von Vorne beginnen
22.
Durchhalten
23.
Schuld
24.
Schuldgefühle
25.
Scham
Jeder Mensch hat Stimmungsschwankungen, das ist klar. Über eine gesunde Stimmung zu verfügen ist auch gut. Auch die, hierzu oft herangezogene, Kölsche Lebensart „Himmelhochjauchzend - zu Tode betrübt“ ist eine Art von gesunder, lebendiger Stimmung. Aber ab wann wird es krankhaft? Ist eine Stimmungsschwankung sofort ein Signal für eine Bipolare Störung? Sicherlich nicht. Stimmungen sind, anders als Wahnzustände, willentlich regulierbar und anders als bei einer pathologischen Episode auch wesentlich seichter. Die extremen Schwankungen sind Teil der Bipolaren Störungen, doch hier ist sicherlich von Stimmungsschwankungen deutlich zu differenzieren.
In meinem Falle begleitete die Anfälligkeit für die Bipolare Störung auch eine tiefe, emotionale und persönliche Kränkung. Diese kann ganz individuell ausfallen, beispielsweise in einer stark empfundenen Undankbarkeit einem Gegenüber, einem Vertrauensbruch oder einem gemeinen Hintergehen. Die Kränkungen können dann mitunter zu einer psychischen Krankheit führen. Es ist demnach im weiteren Verlauf der Krankheit extrem wichtig sich zu schützen: manche nennen es salopp sich: „ein dickeres Fell aneignen“. Ebenso wichtig ist es, sich mit dem Thema und der Ursache der Kränkung gut auseinanderzusetzen und diese zu analysieren. Hier hilft die Arbeit mit Deinen professionellen Helfern: Psychiatern, Psychologen, Sozialarbeitern, Betreuern - und natürlich mit Freunden und Familie.
Für meine persönliche Krankheitskarriere war die Kränkung ein wesentlicher Faktor und Schlüssel zur Erkrankung, als auch in deren Bewältigung zu Phasen der Remission (Symptomfreiheit) bzw. Stabilität. Die Phasen der Schuldund Schamgefühle, sowie das Wechselbad dieser Gefühle, ist ganz bezeichnend für eine tief empfundene Kränkung. Ich habe stets die Schuld bei mir gesucht und bin in einer Spirale der Schuld-und Schamgefühle lange Zeit stecken geblieben.
Ganz wichtig für Betroffene zu wissen, ist, dass NIEMAND die Schuld an einer Bipolaren Störung trägt. Es wäre vermessen sich oder anderen die Schuld an einer so schweren, wie chronischen Erkrankung zu geben. Als Beweis kann möglicherweise herangezogen werden, dass diese Krankheit nicht willentlich herbeigeführt oder abgestellt werden kann.
Ich bin, wie meine bipolaren Mitstreiter, der Krankheit erlegen, was nicht heißt, dass ich mich ergebe! Es gibt vieles, ja leider sehr vieles, was nicht mehr geht oder klappt, doch es gibt auch sehr vieles, was noch funktioniert und klappen kann, wenn man mit der Krankheit vernünftig umgeht und sich an ein paar wichtige Grundregeln hält:
Kein Alkohol oder andere Drogen
ausreichend Schlafen
Hilfe suchen und annehmen
Medikamente einnehmen
Krankheit akzeptieren
Arbeit mit Deiner Vertrauensperson
Schritt für Schritt denken und handeln
Die Bipolare Krankheit gilt als eine der schwersten Krankheiten auf Grund des hohen Leidensdruckes, sowie des damit verbunden hohen Suizidrisikos. Daher: pass auf dich auf!!!
Die Bipolare Diagnose wird einem Betroffenem nicht sofort gestellt, denn es geht ja bei dieser Krankheit um die wiederkehrenden Episoden aus Depression und Manie. Erst nach schweren Verläufen und Episoden kann ein Psychiater dann die Diagnose stellen.
Ich persönlich hatte zwei andere Diagnosen (erst Schizo-Affektiv, dann manische Psychose) bis bei mir nach der zweiten manischen Episode die Bipolare Störung I festgestellt werden konnte. Die medikamentöse Behandlung änderte sich im Verlauf der Jahre nicht wesentlich, doch das Kind bekam einen anderen Namen. Denn mehr ist es auch nicht. Es ist eine Kodierung für die Krankenkassen, es ist eine Abrechnungsorientierung und eine Hilfestellung für Ärzte.
Doch Du bleibst Du!
Du bleibst der Mensch, der du immer gewesen bist. Nur hast du nun eine chronische Krankheit, die auch erkannt wurde. Wenn du mit der Diagnose haderst und sie nicht akzeptieren kannst, dann stell dir vor, es gäbe die Art des medizinischen Fortschritts nicht und die Medizin. Wie würde es uns gehen - immer wieder ...
Eine Diagnose kann eine befreiende, als auch eine verstörende Wirkung haben. Manchmal auch beides zusammen und gleichzeitig. Die Erkenntnisse für deine Ärzte sind durch die Diagnose aber nicht die allumfassende Offenbarung. Du musst ihnen mitteilen wie es dir geht, damit die passende Behandlung und Medikation auch in Zeiten der Stabilität gut und richtig funktioniert und wirkt.
Vergiss aber nie, dass du mehr als eine F31 bist. Die Diagnose ist kein Stempel oder eine Schublade, sondern ein Abrechnungscode. Klar ist, Du bleibst Du. Jeder Verlauf ist so dermaßen individuell geprägt, dass es fast absurd erscheint die Bipolare Störung unter einen Schlüssel zu fassen. Denk immer daran, dich den Ärzten so mitzuteilen, dass dein Leidensweg dir so angenehm wie möglich gemacht werden kann: Denn Du spielst die Hauptrolle!
Die Diagnose wird Dir helfen, wenn du sie akzeptierst und dich psychoedukativ weiterbildest, bei deiner Medikation mitzureden und die Phasen früh zu erkennen und natürlich Dich so zu akzeptieren wie Du bist.