Bis die Liebe uns findet - Keff Vidala - E-Book

Bis die Liebe uns findet E-Book

Keff Vidala

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Beschreibung

Wer wären wir, wenn wir unsere Masken fallen ließen? Keff und Aaliyah könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie ist der Star ihrer Mädchenclique, bewundert für ihre Intelligenz und Schönheit. Er hingegen ist ein komischer Außenseiter, gemieden von den anderen Schülern. Doch hinter Keffs unscheinbarer Fassade verbirgt sich ein außergewöhnliches Talent, das Aaliyahs Aufmerksamkeit erregt und eine unerwartete Verbindung zwischen ihnen knüpft. Während sie sich kennenlernen, beginnen Mauern zu bröckeln, und es entfaltet sich eine zarte Liebe, die ihr beider Leben zu verändern droht. Doch unter Aaliyahs scheinbar makelloser Oberfläche lauert ein Geheimnis, so düster und tief, dass es ihre neu entdeckte Welt zu erschüttern droht. Bis die Liebe uns findet ist nicht nur eine Liebesgeschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht; sie ist auch eine Erinnerung an die Macht der Liebe und eine tiefgründige Reise durch die Höhen und Tiefen des Lebens, den Schmerz des Verlusts und die heilende Kraft der Akzeptanz.

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Über den Autor

Keff Vidala wurde in Kinshasa (Demokratische Republik Kongo) geboren. Mit neun Jahren floh er nach Deutschland. Nachdem er die Grundschule trotz einiger Schwierigkeiten bewältigte, besuchte er die Theodor-Heuss-Hauptschule in Herten und erwarb erfolgreich seinen Abschluss.

Sein erstes Buch mit dem Titel „Bis die Liebe uns findet“ erschien im September 2016. Der junge Autor finanzierte und verlegte sein Buch aus eigener Kraft, nachdem ihm 35 Verlage eine Absage erteilten. Dennoch wurden seine Bücher so erfolgreich, dass sein Ratgeber „5 Räume“ schließlich Platz 21 der SPIEGEL-Bestsellerliste erreichte.

Nicht jeder, der dich kennt, kennt dich.

Keff Vidala

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

ERSTER TEIL

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

ZWEITER TEIL

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

DRITTER TEIL

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Viertel Teil

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

Epilog

Nachwort

Vorwort

Einer der größten Fehler, den wir Männer in Beziehungen machen, ist, dass wir uns nie mit der Frau zufriedengeben, die wir erobert haben. Wir haben eine Frau, die uns bedingungslos liebt. Sie steht immer an unserer Seite, in guten und schlechten Zeiten. Trotz wenig Geld gab sie ihr Bestes, um uns schöne Tage zu schenken. Wir spüren ihre Liebe zu uns. Doch trotz all dem, was wir haben, lassen wir uns verführen. Plötzlich flüstert der innere Teufel in unseren Köpfen, dass ein bisschen Flirten mit anderen Mädchen doch nichts ausmacht.

Wir denken, es wird sowieso nicht herauskommen und wenn doch, wird sie uns verzeihen, einfach weil sie uns so sehr liebt. Wir gehen in Clubs oder Shisha-Bars und schauen anderen Damen hinterher. Wir bemerken, welche vielleicht einen fitteren Körper haben oder im Gesicht hübscher sind. Zweifel beginnen sich in uns breitzumachen. Wir vergleichen unsere Partnerin mit den Frauen, sogar denen unserer Kollegen. Wir finden sie attraktiver und wünschen uns, dass unsere Liebste genauso aussieht. Und dann flüstert der Teufel weiter:

„Du bist doch viel zu jung, um dich in einer festen Beziehung festzulegen. Schau, wie viel du verpassen wirst. All diese wunderschönen Ladys. Willst du dir das wirklich entgehen?“ Wir lassen uns manipulieren. Wir gehen auf Partys, betrinken uns und fangen an zu flirten. Frauen in sozialen Netzwerken ziehen uns in ihren Bann. Instagram, TikTok und Snapchat.

Wir lassen uns von ihnen einfangen und beginnen ihnen zu schreiben. Doch dann erwischt uns unsere Freundin. Sie schreit uns an, verflucht uns. Anstatt Einsicht zu zeigen, halten wir uns jedoch für den König. Der innere Teufel flüstert erneut in unser Ohr: „Es gibt so viele Frauen da draußen. Du kannst so viele Rufnummer sammeln, du brauchst sie nicht.“ Wir genießen Monate oder sogar Jahre lang unseren Spaß. Wir ernten Nummern und leben all unsere Fantasien aus. Jedoch was wir vergessen, ist, dass unsere Seele irgendwann genug hat. Es erfüllt uns nicht wirklich. Alkohol und Partys machen uns nicht mehr so glücklich wie früher. Wir sehen unsere Freunde, wie sie sich verloben, heiraten und eine Familie gründen. Wir sehen Paare, die gemeinsam ein Leben aufbauen und Großes schaffen.

Die Einsamkeit in uns wird immer größer und eine Leere breitet sich aus. Mit wem sollen wir darüber reden? Und das Einzige, was wir uns jetzt wünschen, ist eine treue Frau an unserer Seite. Eine Dame, die für uns da ist und uns über alles liebt. Erst dann erkennen wir endlich, dass der innere Teufel nicht unser Freund ist.

Alles begann mit diesem Text, der von vielen „Internetpoeten, Dichtern und Textern“ auf Facebook kopiert und verbreitet wurde, ohne mich als Verfasser oder Herausgeber zu nennen. Es war faszinierend zu sehen, wie meine Worte starke Emotionen bei anderen Menschen hervorrufen konnten. Nach einiger Zeit des Nachdenkens beschloss ich, Texte unter Instagram-Bildern zu veröffentlichen. Plötzlich erhielt ich viel Aufmerksamkeit und Dankesbekundungen. Personen wandten sich an mich, um Rat zu suchen – frisch Getrennte, frisch Verliebte, hoffnungslose Paare, Verletzte und Betrogene. Es war eine intensive Erfahrung. Irgendwann verspürte ich ein starkes Verlangen, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Die Idee ließ mich nicht mehr los. Doch ich wollte kein typisches Buch verfassen, das verspricht, dass man irgendwann die Liebe seines Lebens finden wird und ich den Weg dorthin zeige. Nein, ich wollte ein Buch schreiben, das die Wahrheit erzählt und die Augen öffnet. Und was könnte ein besseres Beispiel sein als mein eigenes, nein, unser Leben – das von Aaliyah und mir. Ich hatte tatsächlich Angst davor, unsere Geschichte aufzuschreiben. Nicht, weil ich befürchtete, dass ihr negativ über mich denken würdet. Ich hatte eine Angst, dass ich es emotional nicht verkraften würde. Dass ich zerbrechen würde, wenn ich über Aaliyah spreche. Denn beim Schreiben vergoss ich so viele Tränen wie noch nie zuvor. Doch ich habe es durchgezogen, weil ich es ihr schuldig bin. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da dachte ich, ich kenne die Antwort auf diese Frage: Was ist wahre Liebe: Liebe bedeutet, dass Aaliyah alles für mich ist und wir für immer zusammenbleiben werden. Klingt romantisch, oder? Ich dachte, wie jeder von euch, dass Liebe das Schönste ist, was uns passieren kann. Dass Liebe ewiges Glück bedeutet. Ich war fest davon überzeugt, nur einmal zu lieben und das für immer. Doch dann musste ich erfahren, dass Hass, Verzweiflung, Trauer, Herzschmerz und sogar Selbstmordgedanken ebenfalls Teil davon sein können. Was bedeutet es wirklich, jemanden zu lieben? Unsere Geschichte ist eine besondere. Sie ist wunderschön, aber auch tragisch. Keine Lügen, keine erfundenen Storys. Ich wollte ein Buch schreiben, das eine Botschaft hat, dich zum Nachdenken anregt und vielleicht wachrüttelt. Wenn du bereit bist, dich von deiner Fantasiewelt zu befreien, von den Manipulationen der Medien und der Gesellschaft, die uns sagen wollen, was Liebe ist, dann schlag die nächste Seite auf.

Hinweis:

Liebe Leserin, lieber Leser, bevor du mit der Geschichte beginnst, ist es wichtig, etwas zu wissen. In dem Buch werden Briefe von mir an Aaliyah veröffentlicht. Diese Briefe wurden nicht in der Zeit geschrieben, in der die Ereignisse passierten, über die du lesen wirst. Sie wurden 6 Jahre später, während des Schreibens dieses Romans, verfasst. Ich erzähle in den Briefen von meinen Gefühlen und Gedanken, die ich während des Schreibens hatte. Viel Spaß beim Lesen.

ERSTER TEIL

Kapitel 1

Was ist wahre Liebe?

In den letzten Tagen, als der Frühling den Winterschlaf beendete und die Natur mit neuer Kraft erblühte, überlegte ich mir eine Kugel in den Kopf zu Jagen. Mitten im Klassenzimmer, und völlig unerwartet. Meine Hand würde nach der Waffe greifen, und dann, mit einem ohrenbetäubenden Knall, würde ich mein Leben beenden. Einige würden aufspringen und aus der Klasse rennen, während andere wie erstarrt sitzen bleiben und das Grauen mit ansehen würden. Ihre Gesichter wären von Schock aufgerissen. Aber würde es etwas ändern, wenn ich dort blutüberströmt liegen würde? Würden meine Mitschüler nach meinem Tod endlich verstehen, welchen innerlichen Schmerz sie mir mit ihrem Mobbing zugefügt hatten?

Ich seufzte und schüttelte die Gedanken weg. Ok, gut. Ich hatte keine Schusswaffe dabei – Es war lediglich ein Gedankenspiel in meinem Kopf, eine Vorstellung, die nicht real war, aber mich täglich heimsuchte. Ich bemühte mich, dieses Gefühl immer wieder zu unterdrücken, besonders heute, als ich im Alter von 16 Jahren vor meiner Klasse stand, um meine Präsentation zu halten. Du musst verstehen, der Gedanke an den Tod kam mir oft in den Sinn, und es war nicht das Bild vom Paradies, das mich beschäftigte, sondern eher der Sprung von einer hohen Brücke ins kalte Wasser. Dort vorne, den Blick auf die Schulklasse gerichtet, kämpfte ich mit dieser Fantasie. Meine Hände waren feucht und ich versuchte, meine Nerven zu beruhigen, indem ich sie an der rauen Oberfläche meiner Jeans rieb.

Ich atmete tief ein und blickte in die Gesichter der Jungs, die mich mit einer unverhohlenen Mischung aus Schadenfreude und Überlegenheit betrachteten. Es war, als ob sie bereits wussten, dass ich scheitern würde. Sie hatten mich und meine Schwächen schon lange durchschaut. Nun, ich war ja auch der Außenseiter, derjenige, der nie so recht dazugehörte, und das wussten sie nur allzu gut. Die Mädchen schienen mich erst gar nicht wahrzunehmen, als ob ich nicht existieren würde. Während ich da vorne stand, unterhielten sie sich über belanglose Dinge, niemand von ihnen schenkte mir Beachtung. Viele von ihnen kannten nicht einmal meinen richtigen Namen, sie nannten mich Kerula oder Kefa, und jedes Mal antwortete ich genervt: „Einfach nur Kerf.“

Mein eigentlicher Name war Kerfala, doch den hatte ich längst aufgegeben. Es war einfacher, eine Bezeichnung zu wählen, die man leicht aussprechen und sich merken konnte. So wurde aus Kerfala irgendwann nur Kerf, und dann Keff. Ich will ehrlich zu dir sein. Ich betrachtete mich selbst nicht als den Typen, in den sich ein Mädchen verlieben könnte. Wie fast jeder Teenager hatte ich Hautprobleme, mein Körper veränderte sich ständig und meine Emotionen waren wie eine Achterbahnfahrt. Zur damaligen Zeit gab es keine Youtuber, Instagrammer oder Tik-Toker, die uns Jugendlichen Styling-Tipps gaben, wie man eine strahlende Haut bekam. Wir mussten uns durch eine endlose Anzahl von Beauty-Produkten kämpfen oder auf die Erfahrungsberichte der Bravo und unsere Mütter verlassen – was bei mir oft schiefging. Ich erinnere mich noch, wie meine Mama plötzlich mit afrikanischen Ölen ankam, die angeblich Pickel innerhalb eines Tages verschwinden lassen sollten. Einmal benutzte ich eines dieser Öle und meine Haut glänzte so sehr, dass ich aussah wie eine Tafel Schokolade, die in Öl getaucht wurde. Jedenfalls fühlte ich mich in meiner Pubertät unwohl in meiner Haut, fast schon hässlich. Und zu guter Letzt bestätigten mir, dass die Mädchen in meiner Klasse jeden Tag. Ich fragte mich, was der Grund dafür war. Du musst wissen, ich war einer der wenigen Jungs, die es ernst meinten – ich meine mit der Liebe und so. Ich wollte gemocht werden, geliebt werden und wollte es zu hundert Prozent zurückgeben. Aber jedes Mal bekam ich diesen berühmten Satz, den du bestimmt schon mal gehört hast: „Lass uns lieber Freunde sein.“

Ich war für sie nur der beste Kumpel, einer von denen, die man gerne um sich hatte, wenn es um emotionales Auftanken ging. Manchmal beobachtete ich die Mädels, wie sie sich zu flüsterten: „Ich wünsche mir einen Jungen, der mir zuhört, der für mich da ist, der mein bester Freund sein kann.“

Und wenn ich mich mal traute, den Finger zu heben und auf mich zu zeigen, verzogen sie ihre Gesichter, als hätte ich ihnen verdorbenes Essen angeboten.

„Hallo Leute, Keff steht da vorne.“

Der Dozent unterbrach meine Gedanken, indem er die Klasse ermahnte und daran erinnerte, Respekt zu zeigen. Die Mädchen rollten mit den Augen und drehten ihre Köpfe zu mir, während der Lehrer seine Brille auf die Nasenspitze setzte und mich durchdringend ansah. Mein Herz pochte schwer in meiner Brust, während ich zitternd ein Blatt Papier in meinen Händen hielt. Was würden sie über meinen Text denken? Ein Junge, der solche Dinge schrieb, konnte nicht normal sein, oder? Ich schaute nervös in die Runde und schluckte schwer, während ich mich verloren inmitten der Menge fühlte. Da fiel mir eine Person auf, die aus der Masse herausstach. Ihr langes, schwarzes Haar fiel ihr wie ein seidiger Vorhang über die Schultern, und ihr weißes Shirt wirkte wie ein Lichtpunkt in dem Raum. Aber es war nicht nur ihre Erscheinung, die mich festhielt. Es war ihre Art, konzentriert und dennoch entspannt dazusitzen, als ob der ganze Lärm um sie herum gar nicht existieren würde. Sie wirkte wie eine Insel der Ruhe inmitten des Klassenchaos. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, nachdem sie etwas tat, was mich überraschte. Sie lächelte mich an, und es war kein herabwürdigendes Lächeln. Ihr Schmunzeln war warm und einladend. Ich hatte augenblicklich das Gefühl, sie würde verstehen, was ich gerade durchmachte. Und ihr Name schoss mir direkt in den Kopf: Aaliyah.

Vor etwa zwei Monaten hatte sie zum ersten Mal unseren Klassenraum betreten. Es war, als ob die Sonne höchstpersönlich durch die Tür geschritten wäre. Ich erinnere mich, wie ich sie damals ansah, als wäre sie ein Geheimnis, das ich entschlüsseln wollte. Es war diese Kombination aus Schönheit und Tiefe, die sie in meinen Augen perfekt machte.

Nachdem der Lehrer sie vorstellte, schrieb er in großen Buchstaben „ISTANBUL“ und daneben „Aaliyah“ und bat sie, sich vorzustellen. Sie begann zu sprechen, und ihre Hände gestikulierten dabei wie bei einer erfahrenen Rednerin.

„Mein Name ist Aaliyah Sahin“, sagte sie und strich sich durch die Haare. „Ich lebe seit zwei Jahren in Deutschland und bin begeistert, in dieser Klasse zu sein. Ich hoffe, ich werde mich mit allen gut verstehen.“

Ihre Stimme war so herzlich und einladend, dass ich glaubte, mein Herz würde schmelzen. Ich beobachtete, wie sich jeder in der Schulklasse von ihr angezogen fühlte. Alle Blicke waren auf Sie gerichtet, während sie sprach. Ihre Anwesenheit war wie ein unerwartetes Rätsel. Die Jungen musterten sie, von den Spitzen ihrer Schuhe bis zu den flüchtigen Strähnen ihres Haares, als versuchten sie, das Geheimnis ihres Körpers zu entziffern. Nach dem Deutschunterricht stürmte eine Gruppe von Mädchen, angeführt von Chantal, auf Aaliyah zu. Sie stellten sich mit gezwungenem Lächeln vor, und ich konnte sehen, wie Aaliyah höflich und freundlich reagierte, aber gleichzeitig ein gewisses Maß an Zurückhaltung zeigte. Während ich das Ganze im Hintergrund beobachtete, fragte ich mich, was es war, das Aaliyah so besonders machte. War es ihr Aussehen? Ihre Stimme? Oder etwas anderes, das ich nicht benennen konnte?

Aaliyah entpuppte sich nach einigen Wochen als äußerst geschickt und glänzte in fast allen Fächern, besonders in Mathematik. Immer mehr Mitschülerinnen begannen sie zu mögen und auch die Jungs schwärmten von ihr, bewunderten ihren Körper und ihre tiefen, kastanienbraunen Augen.

„Herr Vidala, wollen wir nicht endlich beginnen?“, sagte der Ausbilder und ich wurde wieder aus meinen Gedanken gerissen. Ein kurzes Gelächter brach bei den Jungs aus, doch der Lehrer unterband es sogleich. „Der Nächste, der lacht, fliegt raus“, appellierte er an die Gruppe. Einige kämpften gegen ihr Verlangen, erneut in Lachen auszubrechen. Du musst mutig sein, Keff, ermahnte ich mich selbst. Mit leicht zittrigen Händen hielt ich das Blatt vor mein Gesicht und begann mit kratziger Stimme zu zitieren: „Was ist für mich wahre Liebe? Liebe ist … „

Plötzlich brach die gesamte Klasse erneut in Gelächter aus. „Ben, Mustafa, ihr verlasst jetzt sofort den Raum“, schimpfte der Lehrer.

Die beiden jungen Männer versuchten beharrlich, mit dem Dozenten zu diskutieren, dass doch alle Mitschüler gelacht hatten, nichtsdestotrotz ihre Bemühungen waren vergebens – der Lehrer beharrte darauf, dass sie die Klasse verlassen mussten. „Wer von euch nicht nachsitzen will, wird Keff jetzt in Ruhe seinen Text lesen lassen“, verkündete Herr Röhl streng. Eine beklemmende Stille breitete sich im Raum aus. Als ich meine Augen wieder in die Klasse richtete, konnte ich die Spannung spüren, die in der Luft lag – jeder schien darauf zu warten, erneut in Lachen auszubrechen. Eine Welle von Wut und Ärger schwappte in mir hoch und drohte, meinen Körper zu überwältigen. Ich ballte meine rechte Faust und kämpfte gegen meine Angst an.

„Sei mutig, Keff. Du musst unbedingt mutig sein“, flüsterte ich mir selbst zu.

Ich blickte erneut in die Runde, und meine Augen richteten sich wieder auf Aaliyah. In diesem Moment schien ihr Lächeln mir Kraft zu schenken. Es weckte irgendetwas in mir. Ich ließ das Blatt fallen, das zu Boden glitt. Ich erfasste jeden Einzelnen in die Augen und ließ meine Worte mit Bedacht und Stärke hervorbrechen.

„Wer von euch kann mir sagen, was wahre Liebe ist? Wenn sie die Hübscheste aller Mädchen ist? Die Anziehung zu einem Girl ist viel mehr als ihr Aussehen. Wir machen uns alle Sorgen, nicht attraktiv genug zu sein, weil wir in einer Gesellschaft leben, die einem die Ideale einer Frau in unrealistischer Art und Weise in Zeitschriften und Fernsehen präsentiert. Wir unterstützen es und eifern diesen Vorstellungen nach und bekommen letztendlich Aufmerksamkeit, wenn wir uns besonders hübsch zur Schau stellen.

Aber ist Glück im Leben Schönheit? Nein! Glück im Leben bedeutet, das zu besitzen und zu bekommen, was man nicht mit Geld erkaufen kann: LIEBE.

Wir haben verlernt, mit dem Herzen zu lieben. Wir lieben nur noch mit den Augen. Natürlich ist Schönheit im Leben wichtig, es ist für uns alle sehr wichtig, von jemandem als schön bezeichnet zu werden. Aber dieser Wahn nach Schönheit wird uns alle zerstören. Deshalb werden Herzen zu oft gebrochen. Denn der eine liebt dein Aussehen, der andere dein Status, aber niemand schätzt deinen Charakter. Wir tauschen Menschen einfach aus, weil wir nicht mehr kämpfen wollen. Wir tauschen Menschen aus, weil wir jemand Jüngeres wollen. Wir tauschen Menschen aus, weil wir lieber eine blonde oder brünette Freundin hätten. Ich möchte nicht zu euch gehören; ich möchte nicht in einer oberflächlichen Welt aufwachsen, in der nur noch das Aussehen zählt. Das Aussehen kann man immer toppen, keine Frage, aber eine gute Frau nur sehr selten. Denkt darüber nach.“

Fertig. Ich lüge dich nicht an, wenn ich sage, dass die Stille im Klassenzimmer erdrückend war, so ruhig, dass man draußen auf dem Schulhof das Zwitschern der Vögel hören konnte. Ich riskierte einen zaghaften Blick zu meinem Lehrer, der mich mit ungläubigen Augen fixierte, als hätte ich soeben in einer anderen Sprache gesprochen.

Herr Röhl räusperte sich, richtete seine Brille wieder nach oben, bevor er fortfuhr: „Nun, Herr Vidala, das war ein höchst bemerkenswerter Text.“

Bevor ich antworten konnte, unterbrach Chantal das Schweigen mit einem schrillen Ausruf. „Das hast du nicht selbst geschrieben.“

„Natürlich“ entgegnete ich scharf. Das Getuschel im Klassenzimmer verbreitete sich wie ein Lauffeuer.

„Stille, bitte“, befahl Herr Röhl, der jedes Mal diesen scharfen durchdringlichen Blick hatte, wenn er etwas forderte. woraufhin sich die Aufmerksamkeit der Klasse wieder auf mich richtete. Er nickte in meine Richtung. Er setzte wie immer die Brille auf die Nasenspitze: „Du kannst dich setzen, Kerfala.“

Ich hob das Blatt auf, das zu meinen Füßen lag, und bewegte mich langsam zu meinem Platz zurück. Die Augen aller Schüler waren auf mich gerichtet, insbesondere die der jungen Damen. Aber es war anders als zuvor. Ich hörte, wie manche von ihnen flüsterten.

„Sarah, das war so wunderschön. Ich wusste gar nicht, dass er so schreiben kann.“ Ein anderes Mädchen erwähnte: „Ich hätte nie gedacht, dass ein Boy so einfühlsam ist.“

Sogar die Jungs warfen mir erstaunte Blicke zu. Ich setzte mich langsam auf meinen Stuhl und schaute nach links, wo mich die Augen von Aaliyah erfassten. Ich wurde nervös, während ich bemerkte, dass sie mich mit einem unerklärlichen Ausdruck der Zustimmung betrachtete, als ich plötzlich einen Hieb in die Seite erntete. „Autsch“, zischte ich, meine Gedanken aus der Trance gerissen. Sami hatte meine Abschweifungen mit einem gezielten Stich unterbrochen, und ich drehte mich sauer zu ihm um. Sami, ein Albaner, war mein einziger Freund in der Schule, und ich war unendlich dankbar, dass er in mein Leben getreten war, auch wenn er manchmal echt nervig sein konnte. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich Sami zum ersten Mal wirklich bemerkte.

Es war eine kühle Herbstnachmittagspause auf dem Schulhof unserer Hauptschule. Wo er einst der Mittelpunkt, umgeben von lachenden Freunden und einer ständigen Menschenmenge, gewesen war, saß er jetzt allein an einem Tisch, gebeugt über ein Sortiment von Pokémon-Karten. Ich hatte von dem Skandal gehört. Es war das Gesprächsthema in der ganzen Schule. Samis Vater, einst ein angesehener Geschäftsmann, war wegen einer Straftat zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Diese Nachricht zog einen dunklen Schatten über Samis bisher ungetrübtes Leben, und die plötzliche Armut, in die seine Familie stürzte, machte ihm schwer zu schaffen. Diejenigen, die zuvor zu seinen engsten Freunden gezählt hatten, wandten sich abrupt von ihm ab, ließen ihn in seiner Not allein. Getrieben von Neugier und vielleicht auch von einem Hauch von Mitleid, näherte ich mich ihm und warf einen Blick auf seine Karten. „Ist das nicht die seltene glitzernde Pikachu-Karte?“, fragte ich, auf eine der Karten zeigend. Sami sah auf und schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln. „Ja, das ist sie. Ich habe sie letzte Woche in einem Pack gefunden.“ Wir tauschten uns über verschiedene Karten, Strategien und Tauschgeschichten aus. In diesen einfachen Gesprächen fand ich einen Freund, wo andere nur den Sohn eines Verbrechers sahen. Es war der Beginn einer unerwarteten Freundschaft.

„Bruder, was war das für ein Text?“,

fragte er, seinen Blick fest auf mich gerichtet. „Was meinst du?“, gab ich irritiert zurück. „Du hast wie ein Zauberer diesen Hammer-Text herausgebracht, und alle sind sprachlos. Ich wusste gar nicht, dass du so ein krasser Schreiber bist“, sagte Sami mit Begeisterung. Ich zuckte mit den Schultern, meine Schüchternheit versuchte, sich wieder in den Vordergrund zu drängen.

„So gut ist der Text auch nicht.“

Sami schaffte es in der letzten Sekunde sein lachen noch zu unterdrücken. „Das sehen aber die Frauen ganz anders“, sagte er und hob demonstrativ seine Augenbraue zu den jungen Damen, die mir immer noch Blicke zuwarfen.

Einige Sekunde später erklang die Schulglocke und signalisierte das Ende eines weiteren langen Schultages. Die anderen Schüler packten hastig ihre Sachen zusammen und eilten zur Tür, voller Vorfreude auf das Wochenende. Aber ich hatte nicht so viel Glück.

„Herr Vidala, bleiben Sie bitte noch fünf Minuten“, sagte der Klassenlehrer mit einem bestimmenden Ton.

Ich wusste, was das bedeutete. Ich würde wieder eine Folge von „Dragon Ball“ verpassen. Was wollte er jetzt noch von mir? „Keff, ich muss los, ich fahre übers Wochenende mit meiner Familie weg“, sagte Sami, griff nach seiner Tasche, verpasste mir noch einen Faustschlag und eilte an mir vorbei in Richtung Tür. Während ich mich im Klassenzimmer umsah und meine Sachen einpackte, konnte ich Aaliyah nirgends entdecken und spürte eine leichte Enttäuschung. Ich machte mich auf den Weg zum Lehrerpult, meine Schritte hallten an den Wänden wider. Während ich vor ihm stand, fixierte er mich mit seinen Augen wie ein Falke.

„Was gibt‘s?“, fragte ich und probierte, lässig zu klingen.

„Herr Vidala, Sie haben wirklich Talent.“ Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze, als ob er ein großes Rätsel zu lösen versuchte. „Ihr Schreiben hat etwas … Leidenschaftliches. Sie haben Talent.“

Ich hob eine Augenbraue. Talent? Ich? Ich war nur ein durchschnittlicher Typ, der der Welt nichts Besonderes zu bieten hatte. Ich konnte nicht einmal die Klischees der Schwarzen erfüllen. Ich meine damit Tanzen, Singen und Sport und so. Nun ja, okay, ich konnte ziemlich gut einen Basketball spielen, aber das lag eher daran, dass ich einfach größer war als die anderen.

„Wenn Sie an Ihrer Grammatik und Rechtschreibung arbeiten, könnten Sie wirklich ein großartiger Schriftsteller werden. Ich spüre etwas Mächtiges in Ihnen, etwas, das die Welt verändern könnte“, sagte er und räusperte sich, während er nun seine Arme verschränkte und seinen Blick fest auf mich gerichtet hielt. „Sie sollten in Betracht ziehen, sich für den Literaturkurs anzumelden.“

Ein unerwartetes Lächeln zog sich über meine Lippen, und ich musste den Drang unterdrücken, laut aufzulachen. Ich schüttelte innerlich den Kopf, wie kommt er nur auf solch ein Vorschlag, dachte ich mir. Ich, in einem Literaturkurs? Mit all den Tims, Tobias und Lisas, die mit ihren Brillen, so aussahen, als kämen sie direkt aus Hogwarts? Das war ein lächerlicher Gedanke.

„Danke für das Angebot, Herr Röhl, aber Literatur ist nicht so mein Ding“, murmelte ich und blickte verunsichert auf meine Schuhspitzen. „Außerdem muss ich jetzt meinen Bus erwischen, also sollte ich wirklich gehen.“ Ich warf demonstrativ einen Blick in Richtung Tür.

Herr Röhl seufzte mit einem bedauernden Ausdruck in seinem Gesicht. „Nun, das ist schade. Du hast wirklich ein Talent dafür, Menschen mit deinen Worten zu berühren“, fügte er hinzu.

Ich musste hier weg. Ich schenkte ihn noch einen leisen „Tschüss“. Presste meine Lippen zusammen und stürmte an ihm vorbei aus dem Klassenzimmer. Herr Röhl unerwarteter Vorschlag brachte mich vollends aus dem Konzept.

Es war das erste Mal, dass solche Worte meine Ohren erreichten - dass ich ein Talent besaß, dass ich möglicherweise eine Kraft hatte, die die Welt verändern könnte. Ein Gefühl des Staunens ergriff mich, tief und intensiv. Mein Herzschlag wurde spürbarer, während ich die Flure entlangschritt. Ein verhülltes Lächeln nistete sich in meiner Seele ein. In diesem Moment, umgeben von den gleichgültigen Wänden und den ahnungslosen Gemälden, fühlte ich mich, als ob ich, vielleicht zum ersten Mal, wirklich gesehen worden war. Es fühlte sich an, wie die Eröffnung eines neuen Raums in meiner Brust, ein Raum voller Möglichkeiten und neu entdeckter Hoffnung. Ein ungewolltes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich fühlte mich besonders. Nur wenige Meter vor mir stand ein Mädchen ganz allein am Fenster. Ich hielt mitten auf der Strecke an. Es war Aaliyah. Mir wurde warm unter den Achseln. Sie schaute hinaus und die Sonnenstrahlen berührten sanft ihr Gesicht. Sie wirkte wie ein Engel, voller Schönheit und Perfektion. Ich räusperte mich. Sobald sie mein Husten wahrnahm, drehte sie sich zu mir um und fixierte mich mit ihren gelassenen Augen. Sie sah aus, als hätte sie auf mich gewartet. Ein schwaches Lächeln spielte um ihre Lippen. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen, als ob das gesamte Universum auf uns beide reduziert war. Hatte sie wirklich auf mich gewartet? Wenn ja, was wollte sie von mir? Allein die Fragen ließen mein Herz vibrieren.

Briefe an Aaliyah - 6 Jahre später

Bei unserer ersten Begegnung war es nicht dein Körper, der mich gefangen nahm, sondern dein einzigartiges Lächeln und die Augen, die mich in ihren Bann zogen. Die unverkennbare Form deiner Lippen, die Augen so faszinierend und doch voller Geheimnisse. Ich habe mich oft gefragt, welche Gedanken und Gefühle dich ergriffen, wenn du aus dem Fenster schautest. „Was geht in dir vor, Aaliyah?“ Diese unausgesprochene Frage beschäftigte mich immer wieder. Und heute, während ich unsere Geschichte erzähle, schweben unausgesprochene Fragen im Raum: „Wo bist du gerade? Was denkst du? Warum musste all das geschehen, was geschehen ist, und wird das Eintreten, vor dem ich solche Angst habe?“

Kapitel 2

Das Aufblühen meines Herzens

Sie kam auf mich zu und blieb einen Atemzug entfernt stehen. Es war das erste Mal, dass ich sie so in der Nähe betrachten konnte. Ihre Haare waren dunkelbraun und reichten bis zu den Schultern. Ihre Augen hatten die Farbe von Kastanien.

„Hast du auf mich gewartet?“, platzte es etwas zu forsch aus mir heraus, und ich bereute es sofort. Es war einer dieser Momente, in denen ich einfach den Mund hätte halten sollen. Sie schien überrascht zu sein.

„Ja“, antwortete sie und blickte auf den Boden, als würde sie über etwas nachdenken. „Oh“, murmelte ich verlegen. Dann hob sie den Kopf und unsere Blicke trafen sich. „Ich wollte dich etwas fragen“, gestand sie. Ihre Stimme klang nicht nur in meinen Ohren, sondern durchdrang meinen ganzen Körper. „Hast du noch mehr Texte?“ Ich räusperte mich und versuchte, meine Stimme unter Kontrolle zu halten. „Was meinst du?“

„So welche, wie du heute vorgelesen hast.“ Die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich vergrub meine rechte Hand in der Hosentasche und nickte nur. Nicht fähig, sie anzuschauen, blickte ich auf den Boden.

„Hast du sie dabei?“ Ich stimmte erneut zu.

„Ich würde sie gerne lesen.“

Ich hob eine Augenbraue. „Warum?“

Bevor sie antworten konnte, wurde die Klassenzimmertür aufgerissen. Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Unser Lehrer kam heraus. „Ein schönes Wochenende, Herr Röhl“, sagte Aaliyah reflexartig. „Ihnen auch, Aaliyah“, erwiderte der Dozent und warf mir einen kurzen fragenden Blick zu. Dann ging er mit seiner Tasche den Flur entlang. Wir sahen ihm eine Weile nach, bis er die Treppe hinunterging. Dann trafen Aaliyahs Augen erneut auf meine. Ich hatte noch nie ein Mädchen getroffen, dessen Blick mich so gefangen nahm, dass mir fast schwindelig wurde.

„Kann ich sie lesen? Also, deine Texte?“ hakte Aaliyah noch einmal nach.

Ich räusperte mich.

„Es sind sehr viele Texte.“ Sagte ich, immer noch den Blick auf den Boden.

„Das macht doch nichts“, erwiderte sie und fügte hinzu: „Ich mag deine Worte.“

Dieser Ausdruck ließ mein Herz schneller schlagen. Ich zögerte einen Augenblick, dann löste ich meine Tasche von der Schulter und begann darin herumzukramen. Meine Finger griffen nach dem Notizbuch, und mit flatterndem Herzen hielt ich es in die Luft. „Hier bitte“, flüsterte ich kaum hörbar. Sie nahm es mit einem strahlenden Lächeln entgegen.

„Danke“, hauchte sie. „Aber zeige es niemandem, okay?“, bat ich sie.

Aaliyah nickte hastig. Wir sahen uns schweigend für wenige Sekunden an, bis sie fragte: „Dann sehen wir uns am Montag?“ Ich nickte ihr zu. In diesem Moment schaute sie mich an, als würde sie mir noch etwas Wichtiges mitteilen wollen, doch sie tat es nicht. Stattdessen wandte sie sich von mir ab und presste das Heft an ihre Brust. Ich beobachtete, wie sie die Stufen nach unten nahm.

Briefe an Aaliyah - 6 Jahre später

Du lagst bei mir, unsere Körper so eng verschlungen, dass sie beinahe eins wurden. Dein Atem, dein Herzschlag, alles fühlte sich so vertraut an. Ich hielt dich fest, als wollte ich den Moment festhalten. Ein Gefühl von Wärme und Zufriedenheit durchströmte mich, und ich wünschte mir, die Zeit wäre stehen geblieben. Es fühlte sich an, als würde ein sanftes Kribbeln durch mich hindurchziehen, jedes Mal, wenn ich deine Nähe spürte. Mir kommen die Tränen, während ich das hier schreibe, Aaliyah. Meine Liebe, mein Leben, alles, was ich wollte, war, von dir geliebt zu werden. Doch selbst solche einfachen Wünsche können uns am Ende erschüttern und uns gebrochen zurücklassen. Aber ich habe dir ein Versprechen gegeben, und ich werde es halten.

Kapitel 3

Was ist eine Familie?

In Herten, einer Kleinstadt im Ruhrgebiet, lebten meine Familie und ich in einer bescheidenen Dreizimmerwohnung. Obwohl ich dankbar dafür war, ein Dach über dem Kopf zu haben und genug zu essen, konnte ich nicht leugnen, dass das Zusammenleben mit meiner jüngeren Schwester in einem Zimmer für einen 16-jährigen Teenager nicht gerade einfach war. Es gab ständig Streit, wenn sie meine Sachen nahm, sei es nur ein Shirt oder meine Manga-Hefte. Es gab für mich kaum Ruhe oder echte Privatsphäre.