0,99 €
Diese Sammlung bietet ein konzentriertes Panorama von Bjørnstjerne Bjørnsons Lyrik: von schlichten Natur- und Liebesliedern bis zu bürgerlich-patriotischen Hymnen, die das Norwegen des 19. Jahrhunderts in Sprachmusik fassen. Charakteristisch sind melodische Klarheit, volksliednahe Strophik, balladeske Erzählgesten und ein unerschrockenes ethisches Pathos, das rhetorische Anrede mit innerer Zucht verbindet. Im Spannungsfeld von Nationalromantik und heraufziehendem Realismus entfaltet sich eine Poetik der Gemeinschaft, in der individuelle Empfindung stets mit Öffentlichkeit und Geschichte rückgekoppelt bleibt. Bjørnson (1832–1910), einer der "Vier Großen" Norwegens und Nobelpreisträger von 1903, wirkte als Erzähler, Dramatiker, Theaterleiter und Publizist. Sein politisches Engagement für nationale Selbstbestimmung und Bildung, sein Eintreten für Bauernkultur und eine lebendige Volkssprache sowie seine Tätigkeit als Redner prägten die lyrische Produktion; nicht zufällig stammt die norwegische Nationalhymne aus seiner Feder. Reisen und Debatten des skandinavischen modernen Durchbruchs schärften seinen Sinn für gesellschaftliche Relevanz. Diese Gedichte empfehlen sich allen, die die skandinavische Moderne aus ihren anthropologischen und politischen Quellen verstehen wollen. Wer nach gesanglicher Diktion, formaler Disziplin und geistiger Energie sucht, findet hier einen verlässlichen Einstieg – für Erstleser ebenso wie für Philologinnen und kulturhistorisch Interessierte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Text der norwegischen Nationalhymne
(1859)
Frei übersetzt von Christian Morgenstern
1. Ja, vi elsker dette landet, som det stiger frem, furet, værbitt over vannet, med de tusen hjem. Elsker, elsker det og tenker På vår far og mor Og den saganatt som senker senker drømme på vår jord.
1. Ja, wir lieben diese Feste, Wie sie, flutbedräut, Ihrer Berge Stamm und Äste Wind und Wolken beut. Lieben ihre tausend Hütten, Ihres Meeres Zorn, Und, den kein Meer kann verschütten, Ihrer Saga Born.
2. Dette landet Harald berget med sin kjemperad, dette landet Håkon verget medens Øyvind kvad; Olav på det landet malte korset med sitt blod, fra dets høye Sverre talte Roma midt imot.
2. Harald hat ihr Volk verflochten, Daß kein Feind sie zwang, Håkon hat für sie gefochten, Während Öjvind sang. Olav malt' auf ihre harte Stirn ein Kreuz von Blut, Sverre brach von ihrer Warte Romas Übermut.
3. Bønder sine økser brynte hvor en hær dro frem, Tordenskiold langs kysten lynte, så den lystes hjem. Kvinner selv stod opp og strede som de vare menn; andre kunne bare grede, men det kom igjen!
3. Bauern ihre Äxte schliffen, Wo ein Feind sich wies; Tordenskjold mit seinen Schiffen Ihn wie Spreu zerblies. Weiber sah man kühn sich einen Mit der Männer Hauf; Andre konnten nichts als weinen; Doch die Saat ging auf!
4. Visstnok var vi ikke mange, men vi strakk dog til, da vi prøvdes noen gange, og det stod på spill; ti vi heller landet brente enn det kom til fall; husker bare hva som hendte ned på Fredrikshald!
4. Waren unser auch nicht viele, Waren doch genug, Als das Land stand auf dem Spiele, Da die Stunde schlug. Lieber mocht's in Flammen stehen, Eh' es kam zu Fall; Denkt nur dessen, was geschehen Einst in Fredrikshall!
5. Hårde tider har vi døyet, ble til sist forstøtt; men i verste nød blåøyet frihet ble oss født. Det gav faderkraft å bære hungersnød og krig, det gav døden selv sin ære – og det gav forlik.
5. Tragen galt es Not und Plage, Gott verstieß uns ganz; Doch in schlimmster Drangsal Tage Glomm der Freiheit Glanz. Das gab Kraft für alles Schwere, Hunger, Krieg und Pest, Gab dem Tod selbst seine Ehre – Und dem Zwist den Rest.
6. Fienden sitt våpen kastet, opp visiret for, vi med undren mot ham hastet, ti han var vår bror. Drevne frem på stand av skammen gikk vi søderpå; nu vi står tre brødre sammen, og skal sådan stå!
6. Unser Feind zerbrach den Degen, Auf fuhr das Visier: Brüder flogen sich entgegen; Denn das waren wir! Schamrot eilten wir hernieder Übern Öresund: Und da schlossen wir, drei Brüder, Einen ewigen Bund.
7. Norske mann i hus og hytte, takk din store Gud! Landet ville han beskytte, skjønt det mørkt så ut. Alt hva fedrene har kjempet, mødrene har grett, har den Herre stille lempet så vi vant vår rett.
7. Volk Norwegens, deinem Gotte Dank' in Hütt' und Haus! Ließ dich werden nicht zum Spotte,
(auf die Reden im schwedischen Ritterhaus 1860)
Hörst, jung Norge, du mit Schweigen, Was der Schwede sagt? Siehst du's aus der Tiefe steigen, Wo der Grenzfels ragt? Schatten sind's gefallner Ahnen, Die da winken, die da mahnen, Wenn der Hohn den Streit entfacht, Die da fordern treue Wacht.
Hör' den Schweden, hör' ihn grollen: Norges Flaggenrot, Das aus Wunden reich gequollen Einst bei Magnus' Tod; Das ob Haldens Zinnen schwebte, Adlers Kraft zum Sieg belebte, – Durch dies Rot im Flaggenfeld Sei sein Blau und Gelb entstellt.
Hör' den Schweden: nichtig seien Norges Ruhm und Glanz; Ehre sollten wir entleihen Seinem Strahlenkranz. Ruhmlos, eignen Herd zu schützen! Ziehn wir denn hinab nach Lützen, Schleppen auch im Wanderschritt Urahns alten Armstuhl mit.
Laßt ihn stehn. Der »dürftige Krempel« Wird von uns verehrt; Seines Alters würdiger Stempel Macht ihn doppelt wert. Drinnen saß durch lange Zeiten Mancher, groß in Rat und Streiten, – Sverre und sein Heldenschlag, – Der wohl hier noch spuken mag.
Hört den Schweden: nur sein Ringen Hätte uns befreit, Beißen könnten Schwedenklingen Noch in heutiger Zeit! Dünkt uns das wohl sehr gefährlich? Vorsicht raten wir ihm ehrlich; Will er sprengen unser Tor, Fallen einige zuvor.
Hört doch nur: wir waren Knaben, Ihm gehorsam-still Mit der Schleppe nachzutraben Stets, wohin er will. Hei, was sagten wohl dem Kecken Christie und die alten Recken, Stünden die, das Schwert gewetzt, Noch beim Werk auf Ejdsvold jetzt?
Groß war Schweden oft im Prahlen, Wir, wir waren klein; Galt's mit Eisen zu bezahlen – Nun, wir hieben drein. Wessel und Norwegens Knaben, In dem Kutter nur, die haben Schwedens Flaggschiff unverzagt
(1860)
Nun geleiten sie zum Grabe Ihn, den alten, muntren Gärtner; Nun gehn Kinder mit der Gabe, Die sein eigen Beet ihm zog.
Nun steht jener Garten offen, Drin er unterm Baum gesessen; Nun sucht unser Blick betroffen, Ob er dort nicht fürder sitzt.
Leer der Platz. Im schwarzen Kleide Wandelt eine Frau jetzt einsam Dort umher in stillem Leide, Wo sein helles Lachen klang.
Die als Kind erstaunt, voll Sehnen Durch das Gitter draußen blickte, Dankt mit großen, schweren Tränen Nun, daß ihr der Einlaß ward:
Märchen-, Saga-, Geistesflammen Rauschten um ihn her im Laube; Leise schwebt sie, sucht zusammen Jeden Funken für ihr Weh.
Einstmals drang er fern zur Weite, Dieser alte Herr, der muntre; Wer gelauscht an seiner Seite, Hat so manches wohl gelernt.
Denn ihn führten Leben, Schriften Auf zu dem, was wenige schauen; Kaum ein Platz in Geistestriften, Der nicht seine Spuren weist.
Schutz war er in Mannesjahren Allem Großen, allem Schönen, Und den stillen Sternenscharen Folgt' er dann im Gang zu Gott.
Denkt ihr noch, die alt nun worden, Wie die »Neujahrs«-Glocken dröhnten? Wie sie Kämpfer rings im Norden Sammelten der großen Zeit?
Denkt ihr noch an ihn, der sprengte Frisch voraus mit hellem Hornruf Und das Niedre abseits drängte, Daß dem Großen frei die Bahn?
Kinder, Faunen als Begleiter, – Lachen, Geistesspiel und Tränen, – Hinter ihm der Freiheit Scheiter, Langsam aus sich selbst entflammt.
Worten kam der Ruhe Segen, Tönen kam der Herzensfrieden; Mächtig fuhr es allerwegen Durch das Land wie Ahnungschor.
Schutz war er in Mannesjahren Allem Großen, allem Schönen, Und den stillen Sternenscharen Folgt' er dann im Gang zu Gott,
Oder ging in Nordens Garten, Wie ein alter, muntrer Gärtner, Saat der Ewigkeit zu warten, Die des Volkes Lenz ihm gab.
(Aus »Arnljot Gelline«)
Meerwärts verlangt es mich, ja zum Meere, Das fern dort ruhsam rollet in Hoheit. Nebelgebirge, lastende, tragend, Wandert es ewig sich selbst entgegen. Lind senkt sich der Himmel, hell ruft die Küste, Es kann nicht weilen, es kann nicht weichen. Klagend wälzet es seine Sehnsucht In Sommernächten, in Winterstürmen.
Zum Meere verlangt mich, ja zum Meere, Das fern dort erhebet die kalte Stirne. Siehe, die Welt wirft darauf ihren Schatten Und spiegelt flüsternd hinab ihren Jammer. Aber warm und lichtsanft streichelt's die Sonne Und spricht ihm munter von Lebensfreuden. Eisig, schwermütig-ruhig doch immer Versenkt es den Trost und versenkt es die Trauer.
Der Vollmond saugt – , der Sturm reißt es an sich, Doch kein Griff packt, und die Wasser strömen. Hinabwirbelt Tiefland, Berge hinschmelzen: Zeitlos bespült es der Ewigkeit Ufer. Was es erfaßt, geht mit ihm die Wege; Was einmal sinket, das steiget nimmer.
Kein Bote naht, kein Schrei wird vernommen, Und der Wogen Sprache kann niemand deuten. Zum Meer hinaus, weit hinaus zum Meere, Das Versöhnung nicht kennt eines Wellenschlags Dauer!
Allem, was seufzet, ist es Erlöser,
