Blackburn Hall - Joan Chandelíers - E-Book

Blackburn Hall E-Book

Joan Chandelíers

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Beschreibung

Von einem Tag auf den anderen, ändert sich das Leben von Sophie Hudson. Kein Mann. Kein Job. Keine Wohnung. Keine Freunde. Der Neustart in ein unabhängiges Leben verläuft chaotisch und so gar nicht nach ihren Vorstellungen. Besonders bizarr gestaltet sich ein unerwartetes Bittgesuch eines Headhunters, um ihre Unterstützung. Suspekt und exzentrisch erscheint ihr das Angebot, für ein überdurchschnittliches Gehalt, auf Blackburn Hall zu arbeiten. Zumal ihr jegliche Qualifikation für diesen Job zu fehlen scheint. Doch magische Neugier packt Sophie und sie willigt schließlich ein. Der Umzug von London nach Blackburn Hall gleicht zunächst einer Reise vom Rummel in ein Kloster. Allerdings entdeckt Sophie bald darauf, dass nicht nur der Landsitz, sondern auch dessen Besitzer, Lucius MacFyre, von unerklärlichen Rätseln umgeben sind. Sie nimmt ihren Mut zusammen, um zu ergründen, was sich hinter all den Mysterien verbirgt. Was Sophie schlussendlich entdeckt, ist nicht nur abenteuerlich, sondern hebt ihre komplette Welt aus den Angeln.

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Seitenzahl: 290

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Joan Chandelíers

Blackburn Hall

- Magie -

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© 2016 Joan Chandelíers

Umschlaggestaltung/

Umschlagmotiv: Joan Chandelíers

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7345-2742-5

e-Book:

978-3-7345-2743-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für Fifty

Sobald sich Utopien zu Märchen erwachsen und

Märchen sich in Utopien wandeln,

liegt zwischen Anfang und Ende

meist eine Tragödie.

Sophie Hudson

Murphys Law ist ein verlässlicher Begleiter, wenn ich längst im Sumpf des Schlamassels stecke. Beten Sie nicht gleichfalls innig, es mögen bitte keine zusätzlichen Baustellen hinzukommen? So viel ich auch hoffen mag, es kommt regelmäßig ein Problem on Top.

Jetzt, erwischte mich die komplette Ladung.

Mein Freund Ian wird in zwei Tagen nach New York aufbrechen. Er ist bei der gigantischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Campell & Friars angestellt. Verschiedene Male hatte Ian Gelegenheit, Projekte in einer der amerikanischen Filialen zu betreuen. Seitdem träumte er davon, in New York nicht nur arbeiten, sondern leben zu dürfen. Die Stadt schlug ihn in ihren Bann.

Ians nächtelanges Schuften im Londoner Büro hatte sich ausgezahlt. Vor drei Wochen teilten sie ihm mit, dass er zum ersten April in seine Traumstadt versetzt würde. Er rastete vor Begeisterung aus. Ich gönnte ihm den Erfolg, ertrank zeitgleich jedoch in Selbstmitleid.

Ian ließ mich hier zurück, um einen Traum zu verwirklichen, seine Karriere voranzutreiben.

Der Katzenjammer ist unpassend, ich weiß das. Wir beide sind ein komisches Paar. Anderthalb Jahre, lebten wir nebeneinander her, hingen dessen ungeachtet ständig aneinander. Kein Sex, doch eine innige Freundschaft zwischen Mann und Frau, die ich je erlebt hatte.

Ich wollte das nicht aufgeben.

Okay, er hatte gefragt, ob ich mit ihm kommen wolle. Campell & Friars bezahlten ihm ein Loft mitten im Big Apple. Für mich sahen die Aussichten, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, negativ aus. Das bedeutete, sich von Ian aushalten lassen zu müssen. Darüber hinaus liebte ich London, mit New York verband ich, außer Ian, nicht das Mindeste.

Im Grunde wünschte ich, es bliebe in gleicher Manier bequem, wie bisher. Die Quittung folgte auf dem Fuße. Einen exzellenten Abschluss in Fotojournalismus in der Tasche, laviere ich mittlerweile eine Ewigkeit mit jener Profession durch mein Leben. Angestellt in der Funktion einer freien Fotografin für ein Seniorenmagazin verdiene ich mir ein geringes Zubrot.

Mit eben diesem Minijob ließ sich nicht ein Vier-Zimmer Domizil in Kensington bestreiten. Ein Monat verbleibt mir nun, um eine bezahlbare Single-Wohnung am Stadtrand zu finden und dort einzuziehen.

Soweit zur Theorie.

Eine Ersatzwohnung habe ich bis jetzt nämlich nicht gefunden. Alle Inserate, die ich mir zusammen mit Ian angesehen hatte, kamen finanziell nicht in die Auswahl. Variante B, sie lagen in einem miesen Viertel oder C, waren abgewirtschaftet. Täglich auf Wohnungssuche rief mich vor drei Tagen auch noch die Redaktion an. Lapidar teilten sie mir mit, dass der Verleger das Magazin einstelle. Der Arbeitsvertrag wurde wegen außerordentlichen Gründen gekündigt.

Ich stand also ohne Wohnung, zu allem Überfluss bar einer Einnahmequelle da. Ian bot mir weiterhin an, mit nach New York zu kommen. Ich lehnte dankend ab. Was ich zu jenem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, war die Existenz eines magischen Fixpunktes, der mich hier zurückhielt und den Ausschlag für meine Ablehnung gab.

Ian saß im Flieger, auf dem Weg in eine unbekannte Zukunft. Wir heulten um die Wette, bei der Verabschiedung auf dem Flughafen. Unsere Trennung, die wir uns bislang nicht eingestehen wollten, wurde zum ersten Mal greifbar. Zum wiederholten Mal versicherten wir uns, täglich zu skypen, zu telefonieren oder per WhatsApp zu chatten.

“Sophie, unter Umständen bringt dieser Abschied die Liebe zurück.”, hatte Ian aufmunternd gemeint. Nur Kummer fühlend, nickte ich trotzdem zustimmend, obwohl es mich nicht überzeugte. Ebenso die Beteuerung sich gegenseitig zu besuchen, brachte keine Garantie, dass es mit uns weiterging.

Der sprichwörtliche Mann meines Lebens verschwand hinter der Sicherheitskontrolle aus meinem Umfeld. Ich verließ den Ort des Lebewohls und saß innerhalb kurzer Zeit melancholisch im Zug Richtung Victoria Station.

Ian startete in ein aufregendes Leben. Er begänne bald schon andere Frauen kennenzulernen und mich in absehbarer Weile zu vergessen. Unterdessen seine Tränen trockneten, musste ich vor allem Land gewinnen. Ich brauchte dringend einen Job, damit ich mir zum Ende der Kündigungszeit zumindest ein Zimmer leisten konnte.

Mit 27 Jahren war ich hoffentlich nicht zu betagt, um im Härtefall vorübergehend in eine WG zu ziehen. Zumindest hatte ich dahingehend einen vagen Notfallplan. Am Bahnhof kaufte ich mir noch ein paar Tageszeitungen, um jene nach den aktuellsten Job- und Zimmerangeboten zu durchforsten. Die Annoncen-Suche setzte sich tagelang fort, ohne nennenswertes Ergebnis.

Zwei Wochen darauf, habe ich Glück. Im Stadtteil Southwark, unweit des Old Vic Theaters, sucht eine Studenten-WG nach schnellstmöglichen Ersatz, für das Zimmer einer frisch ausgezogenen Mitbewohnerin.

Der Raum hat dreizehn Quadratmeter. Verglichen mit dem gigantischen Apartment, in dem ich die letzten sieben Tage würde verweilen dürfen, gleicht es einem Gefängnis. Trotz alledem liegt die Unterkunft zentral, in frequentierter Umgebung und sämtliche Mitbewohner scheinen mehr, als tolerierbar zu sein.

Davon abgesehen, bin ich froh, dass man sich überhaupt für mich entschieden hat. Im Unterschied zu vier anderen Mädchen, würde ich die 13 Quadratmeter alleine bewohnen dürfen. Tracy und Jane sowie Kim und Rose teilen sich jeweils eines der zwei größeren Zimmer. Jack, im Gegensatz, bewohnt, wie ich demnächst, einen eigenen Raum.

Die schlechte Nachricht, wir sind gezwungen, uns ein Badezimmer und die Küche zu teilen. Mit sechs Leuten, ohne stattliches Einkommen, vollbringt man immerhin das Wunder, eine Miete von tausend Pfund zu stemmen.

Um eine Bürde ärmer, fahre ich zurück in mein altes Zuhause, um den Auszug endgültig in die Wege zu leiten. Mit Ian hatte ich eine Liste angefertigt, welche verbliebenen Möbelstücke verkauft oder auf seinen Namen eingelagert werden sollen. Der Großteil seines Hab und Gut ist jedoch bereits mit dem Frachtschiff auf dem Weg nach New York. Einen Teil des restlichen Hausrats habe ich über EBay versteigert. Zwei Retromöbel will der Besitzer eines Vintage Shops morgen Früh abholen. Freitag kommt der Lagerdienst, um Ians verbliebene Besitztümer zu seiner Verfügung einzulagern.

Das Wochenende würde ich demzufolge in einer nahezu leer stehenden Wohnung hausen. Meine Klamotten sind inzwischen in Umzugskartons verstaut. Ein paar Kartons füllen sich garantiert mit Krimskrams, wie Büchern, Bildern und anderen, kleinen Andenken.

Mit dem Anteil von der Haushaltauflösung, kann ich auf jeden Fall, sorgenfrei, ein halbes Jahr die Miete des Zimmers in der WG finanzieren. Der Druck, prompt einen Job zu finden, wird dadurch geringer. Ich kann, von einem Hauptteil der Last befreit, wieder aufatmen.

Während der letzten Woche stromere ich durch Southwark, um mich mit der zukünftigen Umgebung vertraut zu machen. Durch Zufall ergibt sich, dass ich sämtliche Nachmittage in demselben Café verbringe.

Hier komme ich mit einem netten Herren in Kontakt. Am ersten Tag sind wir kurz ins Gespräch gekommen, als ich ihn direkt fragte, ob der den Annoncenteil seiner Zeitung noch benötige. Seit diesem Tag grüßen wir uns und er reicht mir täglich, wortlos, den favorisierten Zeitungsteil.

Wir treffen uns durchaus nicht mehr aus Versehen. Ich lege es zwischenzeitig auf die Begegnung an. Seinem Zeitplan angepasst, erscheine ich, wenn er im Gehen begriffen ist. Tag für Tag bin ich entschlossen, den Sitzplatz und das Presseerzeugnis zu übernehmen. Ab dem dritten Treffen fing ich an, mich auf genau jene Nachmittagstermine zu freuen. Die Geste und das Lächeln des Mannes, erfreuen meine Seele. So beeilie ich mich auch am Sonnabend, zur gleichen Zeit, im Café aufzuschlagen.

Ich komme zu spät.

Heute ist er nicht da. Enttäuscht setze ich mit einem Cappuccino an einen freien Fensterplatz.

Natürlich! Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, er würde weder heute noch morgen kommen, es ist ja Wochenende.

Er sieht nicht so aus, als käme er in das Lokal, weil ihm zu Hause oder in der Vorlesung langweilig war. Stets in Anzug und Krawatte gekleidet, verbringt er hier wohl eine späte Mittagspause. Samstag und Sonntag sind seine arbeitsfreien Tage. Meiner Enttäuschung macht allmählich Erleichterung Platz. Montag beginnt meine unbekannte Zukunft, angefangen bei dem Bezug des bescheideneren Zuhauses. Sobald ich den Umzug in die WG gemeistert habe, folgt ein zusätzliches Plan. Ich kann meinen kleinen Siegeszug im Café vorsetzen.

Das Wochenende verfliegt regelrecht. Die Zeit in der alten Wohnung ebenfalls. Am Montagmorgen fährt ein Großraumtaxi vor dem Haus vor. Darin lade ich mein bescheidenes, in Umzugskisten verstautes, Hab und Gut ein. Mit einem letzten Blick auf die Hausfassade übergebe ich dem Vermieter wehmütig die Schlüssel zur Wohnung. Kurz darauf düst das Taxi mit mir los.

Auf, in mein unbekanntes, unabhängiges Leben!

Trotz des enorm geschrumpften Wohnbereiches fühle ich mich rasch heimisch. Das liegt vor allem an Tracy und Kim, die ständig für einen Lacher in der Gemeinschaft sorgen. Ohne die zwei würde der Rest von uns vermutlich nur nebeneinander her leben.

Dank der Mädels, leben wir nicht nur zusammen, sondern achteten gegenseitig auf uns.

Nur im Einzelfall ist eine der Zimmertüren einmal geschlossen. Abgesehen, wir schlafen oder die anderen müssen für ihre Prüfungen lernen.

Erstaunlicherweise dauert es nicht lange bis zwischen Tracy und mir eine Freundschaft entsteht. Kim, Rose, Jane und Jack sind mir zwar sympathisch, erobern mein Herz allerdings nicht im Sturm, wie Tracy. Sie studiert Psychologie, möglicherweise ein Grund, weshalb sie ruck, zuck zu mir Zugang findet. Ich tippe dennoch eher auf ihr lebenslustiges Wesen. Sie sieht überall nur Positives. Ein Umstand, der mir in der letzten Zeit unheimlich gefehlt hat.

Gerade sitzt sie in meinem Zimmer über meinen Fotomappen, die ihr in die neugierigen Hände gefallen sind. Während sie darin blättert, lässt sie sich die Geschichten zu den Aufnahmen von mir erzählen.

“Sophie,” meint Tracy zu mir “Du bist nicht nur eine extrem talentierte Frau, sondern obendrein eine Augenweide! Ich verstehe nicht, weshalb du keinen Job bekommst.”

Ich verdrehe die Augen. Einen Job wegen meines Aussehens ist das letzte, was ich präferiere. Meine Fotos sind exzellent, dafür will ich bezahlt werden. Doch sie kommt selbst darauf, was für mich mehr zählt, als Vergänglichkeit.

“Wahnsinn! Schau sich einer diese Fotos an! Warum bringst Du nicht einen Bildband raus? Oder stellst sie in einer Galerie aus?”, fragt sie mich.

“Ach Tracy,”, schüttele ich den Kopf. “Was glaubst du, wie viele arbeitslose Fotografen schon auf die Idee gekommen sind?”

“Wer sagt mir, dass die besser sind, als Du?”, kontert Tracy zurück.

Ich muss lachen.

“Nein, wirklich Tracy. Schau mal ins Internet. Das Netz ist überfüllt von brillanten gleichzeitig aber auch einer Menge schlechten Bilder. Mancher Hobby-Fotograf hat mehr Fans als ein professioneller. Das Problem ist, die Leute mögen zwar Kunst, wollen jedoch in den seltensten Fällen viel Geld dafür bezahlen. Das geben sie eher noch für ein antikes Gemälde aus, als für eine kunstvolle Fotografie.”, erkläre ich ihr.

Sie legt den Kopf schräg.

“Ich weiß nicht Sophie. Keine Ahnung warum, aber ich habe das Gefühl, dass man aus Deinem Talent Großes machen kann.”

Damit ruht das Thema, dachte ich zumindest.

Tracy dagegen, hat eine abweichende Vorstellung.

Sie will mir auf die Beine helfen. Obgleich ich nach wie vor das Café besuche und die Tageszeitung meiner Bekanntschaft abstaube, ergibt sich einfach keinerlei passender Job für mich.

Zwei Wochen darauf, komme ich von meiner täglichen Cappuccino- Stellensuche zurück. Tracy ist bereits zu Hause. Eine ihrer Vorlesungen fiel aus.

“Hey Soph, wie war Dein Tag?”, ruft sie aus der Küche.

“Erfolgreich ergebnislos.”, murmele ich auf dem Weg zu ihr.

“Ach komm schon. Was hast Du heute gemacht?”

“Tracy, meine Tage sind alle gleich. Ich stehe auf. Frühstücke. Schaue im Netz, ob eine Redaktion Arbeit für mich hat. Mache einen Spaziergang und lande in meinem bevorzugten Café.”

“Welches?”, fragt sie über ihre Teetasse hinweg. “Vespers in der Lower Marsh.”

Tracy nickt.

“Du bist bestimmt ein Vintage Mädchen!”, lacht sie.

Ich halte mich für vieles, aber retrospektiv sind höchstens meine Bilder. Tracy fährt indessen ungeachtet fort.

“Ich kenne Daniel, den Besitzer. Der Flair der alten Werkstatt ist echt, wusstest Du das?”

“Nein.”, ich schüttele den Kopf. In London hat vieles historischen Charme, was davon echt oder auf antiquiert getrimmt ist, darüber mache ich mir kaum Gedanken.

“Ehemals war das wirklich eine Werkstatt für Motorroller. Während die Jungs reparierten, wurde dir nebenbei ein Café serviert und du konntest vor Ort warten.”

Das erklärt schon einmal den Motorroller im Fenster des Café, denke ich.

Unerwartet klatscht sie in die Hände, dann schaut mich begeistert an.

“Weißt du was, Soph, ich frage Daniel einfach mal, ob er nicht vielleicht noch eine Bedienung braucht. Du vertrödelst sonst brotlos Deine Zeit mit Warten auf denTraumjob.“

“Och, Tracy. Ich trinke gern Cappuccino, aber das qualifiziert mich jetzt nicht zum Café kochenden Wunder.”

“Quatsch! Das macht dieses Ungetüm von Gaggia quasi allein.”, wischt sie meinen Einwand fort. “Es wird dir helfen unter Leute zu kommen. Wer kann schon voraussagen, wen du da kennenlernst. Das ist am Ende das Sprungbrett zu dem Job deines Lebens.”

“Ich weiß nicht…”, antworte ich zaghaft.

In Wirklichkeit bin ich von ihrem simplen Vorschlag einfach nur überrollt.

In der Tat ist es derzeit egal, womit ich finanzielle Mittel verdiene. In Wahrheit kann ich mich nicht grenzenlos auf meinen minimalen Reserven ausruhen. Anderen Leuten einen Café zu machen und zu servieren, ist für den Übergang zweifellos akzeptabel.

“Hör auf zu grübeln und warte erst einmal ab, was er sagt.”, erklärt sie bestimmt.

Ich stimme ihr, wenngleich zögernd, mit einem Nicken zu.

Kritiken über Bücher enthalten oft den Hinweis, die Handlung wäre vorhersehbar. Mir ergeht es genauso mit Tracy’s Bemühungen. Wie nicht anders zu erwarten, kann sie Daniel überreden mich einzustellen. Es ist nur für ein paar Stunden, an 3 Tagen die Woche. Ungeachtet dessen, bedeutet es eine Einkommensquelle.

Die ersten vierzehn Tage, habe ich direkt Dienst, wenn Daniel selbst in seinem Laden steht.

Logischerweise will er sehen, was er für sein Geld bekommt. Das brummende Monster von italienischer Espressomaschine flößt mir Respekt ein. Erstaunlicherweise habe ich mit etwas Routine die Gaggia rascher im Griff, als ich von mir erwartet habe.

Tracy hatte Recht, es tut mir gut, unter Leute zu kommen. Mein vorteilhaftes Leben mit Ian, verblasst mit jedem, neuen Tag im Café ein Stückchen mehr. Am Donnerstag meiner zweiten Woche im Vespers, bricht nach dem morgendlichen Chaos eine komplette Kundenleere herein.

Nachdem ich alle Siebträger und Milchkannen gesäubert, den Geschirrspüler aus- und eingeräumt habe, bleibt mir Zeit, um nachdenklich aus dem Schaufenster zu starren. Ian hat sich seit seiner Ankunft in New York, nur zwei Mal bei mir gemeldet. Er schien gehetzt vom amerikanischen Großstadtleben, abgesehen davon, glücklich. Die Gespräche drehten sich nur um den seinen Job und die ungeahnten Möglichkeiten der neuen Heimat.

Was in meinem Leben geschah, interessierte ihn nur am Rande. Aufregende Erlebnisse wie er, habe ich wahrlich nicht vorzuweisen. Ich behielt die Sehnsucht nach unserer Beziehung für mich. Wenn ich ehrlich zu mir bin, trauere ich mehr der finanziellen Geborgenheit und dem eingeschliffenen Alltag mit ihm nach. Blinde Gewohnheit ist dennoch ein schlechter Ersatz für Liebe, sage ich mir immer wieder.

Dieses Kapitel muss ich endlich zum Abschluss bringen, aber nach so vielen Jahren ist das einfacher gesagt als getan. Dabei wäre es so einfach. Wie mir auffällt, hat unser bisheriger Freundeskreis es von Ians Umzug an, wohlweislich vermieden, mich zu kontaktieren.

Ich habe weder eine ansprechende Wohnung, Geld, Einfluss oder was man daneben weiterhin braucht, um in den Kreis der erlauchten Gesellschaft zu gehören.

Eine bittere Lektion für mich. Von richtigen Freunden erwarte ich ein anderes Verhalten. Ich scheine aus meinem alten Leben nur keine solchen zu besitzen. Echte Freundschaft verbinde ich momentan nur mit Tracy. Dabei kennen wir uns noch gar nicht so lange. Ich schmunzele und lasse meinen Blick über den antiken Motorroller im Fenster des Cafés, streifen.

“Hey, was grübelst Du Sophie?”, fragt Daniel, während er mit Milch und Kaffeebohnen aus dem Lager kommt.

“Ach, ich dachte ehrlich darüber nach, dass ich Dich gern auf der Vesper sitzend fotografieren würde.”, erwidere ich im Umdrehen. “In schwarz-weiß, passend zu dem Roller im Vintage Stil.”

Daniel stellt seine Fracht auf dem Tresen ab und zeigte mit dem Kinn auf mich.

“Ist das dein eigentlicher Beruf? Fotografieren?”

Ich nicke.

“Ja. Ich habe einen Master in Fotojournalismus.” “Okay, warum nicht? Könnte eine coole Sache werden. Schön großflächig, wie ein Filmplakat, nur hinter Glas. Das können wir hier im Café an die Wand hängen”, meint er.

“Ist das dein Ernst?”

Ich bin erstaunt, dass er in Sekunden von meinem nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag so begeistert ist.

“Klar. Aber wenn ich nicht gut aussehe, verstaubt das Bild in deiner Wohnung.”, droht er und grinst mich verschmitzt an.

Sein Grinsen ist ansteckend.

Wir verabreden uns zu einem Shooting am Sonntag Mittag.

Am Sonntag wird die Vesper mit den vereinten Kräften seiner Freunde aus dem Schaufenster gehievt und vor dem Laden positioniert.

Daniel hat sich extra in Schale geworfen. Von Anfang an teilte er mir seine eigene Vorstellung von dem Motiv mit. Seine braunen Haare hat er zurückgegelt und einen Anzug aus dem Schrank gekramt. Ein völlig ungewohnter Anblick für mich. Daniel, der sonst nur in Jeans und T-Shirt hinter dem Tresen steht, sieht aus wie ein Filmstar aus den Fünfzigern.

Unser Vorhaben lockt natürlich Zuschauer an. So wird aus einem einfachen Shooting nahezu eine Theatervorstellung. Ich mache eine ganze Serie an Aufnahmen von Daniel. Teilweise sogar zusammen mit ein paar Stammkunden.

Unerwartet kommt Tracy um die Ecke geschwebt.

Sie sieht aus wie ein Model aus den 60er Jahren. Ihre Augen sind eingerahmt von Lidstrich und angeklebten Wimpern, die Haare in einen monströsen Dutt gesteckt, der bei jeder anderen wie ein Helm gewirkt hätte. Außer bei Tracy., sie kann wohl alles tragen. Zusammen mit ihrem hellblauen Etuikleid erinnerte sie mich unheimlich an Pauline Stone.

Tracy gesellt sich zu Daniel und ich schieße noch mehr Fotos. Nachdem jegliche Pose im Kasten ist, verstaue ich meine Beleuchtung in den Taschen, während die Jungs die Vesper zurück in das Fenster positionieren.

Im Anschluß sperrt Daniel das Café ab und wir feiern ausgelassen den wundervollen Sonntag.

Am Montagmorgen beginne ich mit der Sichtung des Bildmaterials. Es sind wunderbare Porträts von Daniel entstanden. Berührt bin ich am Ende von einer Aufnahme, die Tracy und Daniel zeigt. Die beiden wirken darauf wie ein Liebespaar aus den frühen sechziger Jahren. Ich entscheide mich für das Motiv und sende es zur Entwicklung auf Papier, ins Labor. Am frühen Nachmittag ist das Ergebnis abholbereit.

Das Bild in Großformat in den Händen haltend, bleibt mir sprichwörtlich die Luft weg. Entwickelt auf Postergröße strahlt es eine unbeschreibliche Eleganz, Glück und Zärtlichkeit aus. Auf dem Laptop ist all das nur erahnbar gewesen. Ich verstaue den Abzug vorsichtig in einer Mappe.

Im Anschluß mache mich auf die Suche nach einem Glasrahmen in der passenden Größe und setze das Foto zu Hause im Passepartout ein. Die Wirkung ist phänomenal.

“Sophie, bist du da?”, tönt es von der Eingangstür., Tracy ist nach Hause gekommen.

“In meinem Zimmer.”, rufe ich. Maximal drei Sekunden vergehen und sie lugt um den Türrahmen.

Ihr Blick fällt auf das Bild, welches vor mir auf dem Bett steht.

“Oh Gott, Sophie.”, ihre Augen schimmern vor Nässe. “Das ist überwältigend.”

Ehrfürchtig kommt sie in den Raum.

“Ja.”, ich nicke bestätigend. “Ihr zwei seht aus wie ein Liebespaar.”

Eine Träne kullert über ihre Wange.

“Hoffnungslos.”, flüstert sie mit einem Schluchzer.

Ihr Versuch, es zeitgleich mit einem Achselzucken abzutun, scheitert kläglich.

“Scheiße. Tracy!”, ich nehme sie in den Arm und Tracy jammert los.

“Jetzt hat er das jeden Tag vor der Nase. Ich hoffe ehrlich, er beißt sich in den Arsch, dass er mich nicht wahrnimmt.”, schimpft sie mit einem kläglichen Lachen.

Ich stimme mit ein.

“Warum bist du in dem Aufzug vorbeigekommen, wenn er dich gar nicht beachtet?”

“Na, weshalb schon? Ich bin eben ein Mädchen. Wir sind romantisch veranlagt, haben Träume. Die sollte man nie aufgeben!”

Das stimmt. Ob es währenddessen gut ist, sich ohne Unterlaß, frei von einem Ergebnis zu quälen, da bin ich mir unsicher.

Tracy wiegt sich in der Hoffnung von einer Beziehung mit Daniel.

Ich stelle mir ernsthaft die Frage, wovon träume ich eigentlich?

Dienstagmorgen mache ich mich auf den Weg zu meiner Arbeit, das sorgsam verpackte Bild in den Händen. Daniel ist bereits da und versorgt die ersten Kunden, die einen Coffee to go für ihren Arbeitsweg begehren.

“Hey Soph.”, begrüßt er mich und wirft einen neugierigen Blick auf das riesige, flache Paket in meinen Händen.

“Schon fertig?”, fragt Daniel, während er die aufgeschäumte Milch in die vorbereiteten Becher gießt.

“Ja.”, antworte ich und stelle das Paket hinten im Lagerraum ab, damit es in der Rushhour des Geschäfts nicht beschädigt wird.

Ich binde mir meine Schürze um und geselle mich zu ihm, um den momentanen Kundenansturm gemeinsam zu bewältigen.

“Mach es nachher in einer ruhigen Minute auf. Es steht im Lagerraum.”, erkläre ich beiläufig, während ich die gefüllten Siebträger in die Gaggia drehe.

“Okay.”

Anders als gedacht scheint heute keine ruhige Minute kommen zu wollen. Zumindest nicht für mich. Nach dem Ansturm der Arbeitstätigen folgen Touristen, um prompt von den Werktätigen, die in ihrer Mittagspause einen Café und Snack suchen, abgelöst zu werden.

Gegen 14:30 Uhr fällt mir auf, dass Daniel sich wohl eine Auszeit genommen hat und ich eine ganze Weile alleine gearbeitete habe, ohne es bewusst wahrzunehmen.

Der Sturm ist abrupt verebbt, das Café menschenleer. Das gibt mir die Gelegenheit auf die Suche nach ihm zu gehen. Ich finde ihn im Lagerraum, wo er auf dem Boden sitzt und auf das ausgepackte Bild starrt. Daniel sagt weder ein Ton noch schaut er auf, als ich mich zu ihm geselle. Wortlos setze mich neben ihn und wir schauen gemeinsam auf das gerahmte Motiv.

Nach einer Weile blicke ich ihn von der Seite an.

“Sie ist bildschön.”, sagt er leise, ohne den Blick von dem Bild zu nehmen. “Danke.”

“Gern.”, erwidere ich. “Ihr beide gebt ein schönes Paar ab.”

“Hmm.”, Stille, “Möglich.”

Dann holte er tief Luft und es platzt es aus ihm heraus, “Meinst du, sie geht mal mit mir aus?”

Ich muss ein Lachen unterdrücken.

“Hast du mal gemerkt, wie sie dich ansieht?”, frage ich ihn.

“Ja!”, antwortet er voll unverhohlenem Erstaunen.

“Herrgott Daniel, frag sie einfach. Ich denke nicht, dass Tracy Nein sagen wird.”

“Meinst Du?”

“Ja. Ganz sicher.”, ich stehe auf und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. Er bleibt noch eine Weile vor dem Bild sitzen. Tracy so anzustarren, ist offensichtlich einfacher, als sie um ein Date zu bitten.

Am Ende hängt das Foto genau an der Wand gegenüber der Gaggia-Maschine und ermöglicht Daniel, den ganzen Tag von Tracy zu träumen. Ich erzähle Tracy abends, von dem neuen Platz des aufgehängten Fotos. Erfreut erklärt sie, am Donnerstag mal vorbeizuschauen, um es in seiner neuen Umgebung zu betrachten.

Sie kommt tatsächlich Donnerstag Nachmittag direkt von ihrer Vorlesung ins Café. Daniel werkelt nervös hinter der Gaggia rum, während Tracy ihr Mobiltelefon auspackt und ein Foto vom Foto macht.

“Tracy, wenn Du das Foto haben willst, hätte ich es Dir in verkleinertem Format kopieren können.”, meine ich kopfschüttelnd.

“Nein, das ist nicht dasselbe.”, erwidert sie. “Auf dem Foto hier, sieht man die Umgebung dazu!”, und hält mir grinsend ihr Handy entgegen.

“Schönes Bild.”, brummt Daniel und Tracy nickt ihn zustimmend an.

“Schöne Frau”, die Bemerkung ist fast nicht zu hören.

Aber Tracy hatte sie vernommen und lächelte ihn schüchtern an.

“Ihr entschuldigt mich.”, krächze ich und eile nach hinten, um den beiden ein wenig Raum zu geben.

Als ich wiederkomme, tanzt Tracy fast auf dem Tisch vor Freude und Daniel sieht ebenfalls überglücklich aus.

“Sophie, Daniel hat mich zum Essen eingeladen.”, ruft sie mir freudig entgegen.

Die beiden gehen zusammen aus und werden ein Paar, so wie es sein soll. Das Glück, dass ich mit einem schwarz-weißen Foto gestiftet habe, hält auch ungewöhnliche Ausläufer für mein Leben parat.

Nach wie vor kommt der junge Mann jeden Wochentag mit seiner Zeitung ins Vespers. Allerdings wechseln wir jetzt deutlich mehr Worte miteinander als zuvor. Nach mehreren Wochen, hat er nicht nur ein Gesicht für mich, sondern auch ein Namen.

Michael Saunders, ein Headhunter.

Er überlässt mir immer noch seine Zeitung, selbst wenn ich darin keinen Job findd, den ich suche. Michael sitzt gern an dem Tisch, der unter dem Foto von Daniel und Tracy steht und trinkt seinen Café, während er von der Zeitung hochblickend das Motiv betrachtete.

“Macht mich echt glücklich das Bild.”

Wie ein Mantra äußert er täglich den Satz, sobald er geht und mir die Zeitung überreicht.

Ich muss jedes Mal kopfschüttelnd lachen.

Es dauerte bestimmt eine weitere Woche, bis wir darauf zu sprechen kamen, dass ich dieses Foto von den beiden geschossen habe. Der Zufall will es, dass wir über dieses Gespräch, tiefer in meine berufliche Misere einstiegen.

“Ich höre mich mal um”, meint er beim Gehen.

Zwischen umhören und einen Job für eine arbeitslose Fotojournalistin parat haben, liegen allerdings Welten. So kann auch Michael keine Wunder innerhalb kürzester Zeit vollbringen. Vorerst bleibt alles beim Alten. Dienstags, donnerstags und sonntags stehe ich im Café von Daniel. An allen anderen Tagen versuche ich mich zu bewerben oder frei zu vergebende Reportagen zu ergattern.

Fehlanzeige.

Sechs Wochen später, an einem Donnerstag Nachmittag, kommt Michael ins Café gestürzt.

“Sophie! Sie sind meine letzte Rettung.”, keucht er völlig außer Atem.

“Ich?”, erwidere ich perplex.

“Ja! Sie haben noch keinen Job gefunden, oder?”, fragt Michael hoffnungsvoll.

“Keinen außer diesen hier.”, bestätige ich ihm.

“Gut. Sehr gut.”, er nickt erleichtert. “Ich habe ein riesiges Problem. Einer meiner Kunden sucht umgehenden Ersatz und ich finde niemanden für diesen Job.”

Na ja, mit dieser Aussage bin ich schon von vornherein skeptisch, was das geben wird.

“Ich nehme an, meine Qualifikation als Fotojournalistin ist bei diesem Job wohl eher nicht gefragt?”, erwidere ich ironisch.

“Eher nicht, nein.”, antwortet Michael betreten. “Die Angelegenheit ist etwas delikat. Vielleicht können wir darüber in meinem Büro sprechen?”

“Gern, allerdings kann erst nach Feierabend vorbeikommen.”

“Wann haben sie Dienstschluß?”, fragt er.

“Gegen 16 Uhr.”

“Sehr schön.” Michael greift in seine Sakkotasche und zaubert eine Visitenkarte hervor. “Auf der Karte steht die Adresse. Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn sie nach ihrem Feierabend direkt in mein Büro kämen.”

“Alles klar, mache ich.”,die Visitenkarte verschwindet in meine Schürzentasche.

“Puh,”, lacht er verlegen auf. “Darauf einen Café Latte!”

Gegen 16:30 erreiche ich Michaels Büro. Meine Neugier ist erpicht darauf, zu erfahren, welchen Job er für mich haben könnte und warum so ein Geheimnis daraus gemacht wird.

“Setzen sie sich.”, bietet mir Michael einen Platz gegenüber seinem Schreibtisch an.

“Wissen Sie, normalerweise werde ich von Firmen beauftragt, den für sie besten Mitarbeiter zu finden.”, erklärt er mir. “Allerdings habe ich einen festen Kunden, der mich nahezu in den Wahnsinn treibt.”

Eine bedeutungsschwangere Pause entsteht.

“Michael, sagen sie mir einfach, worum es geht.”

“Okay.” Er nickt zustimmend. “Der Kunde um den es hier geht, ist ein einflussreicher und vermögender Mann mit einem exorbitanten Landsitz in Schottland. Für dieses Anwesen sucht er eine Hausdame.”

“Und da haben sie an mich gedacht?”, frage ich erstaunt. “Ich kann noch nicht einmal kochen.”

Michael schluckt, schüttelt aber den Kopf.

“Das Problem ist, alle Damen, die ich bisher an ihn vermittelt habe, nehmen innerhalb kürzester Zeit Reißaus. Die Letzte ist zwar noch vor Ort, hat aber verkündet, wenn ich nicht spätestens in einer Woche Ersatz für sie gefunden habe, ist auch sie fort, Übergabe hin oder her.”

“Aha, klingt nicht so, als wäre dieser Anstellung begehrenswert.”

“Ich weiß.” Beschwichtigend hebt Michael die Hände. “Der Punkt ist, ich weiß nicht, was genau zu den Jobabbrüchen führt. Weder die Damen, noch der Kunde sprechen darüber, woran es scheitert. Ich höre zum Schluss immer nur, ich möge endlich eine kompetente Besetzung finden.”

Nichts von dem, was er mir erzählt, hinterlässt ein gutes Gefühl bei mir. Da ist es vielleicht besser hinter Daniels Theke zu bleiben oder im Supermarkt zu kassieren.

“Vermutlich liegt der Landsitz zusätzlich irgendwo in der Pampa?”, fasse ich meine Befürchtung in Worte.

“Äh, ja.”, er räuspert sich, bestätigt aber meine Vorahnung. “Aber dafür sind die Konditionen hervorragend.”

Michael sieht mich an, als wolle er mich allein mit diesem Satz überzeugen.

“Hervorragende Konditionen bedeutet was genau?”, frage ich.

“Nun ja, zunächst einmal erhalten sie freie Kost und Unterkunft. Außerdem wird ein monatliches Gehalt von 4.500 Pfund gezahlt.”, erläutert er mir.

Keine Ausgaben für Miete sowie Essen und zusätzlich ein Gehalt, von dem ich mein Leben lang nur zu träumen gewagt habe?

Das klingt zu gut, um ohne Nachteile zu sein!

“Was genau wird im Gegenzug von mir erwartet?”, hake ich nach.

“Ehrlich gesagt, keine besonders hohen Anforderungen. Mr. MacFyre sucht eine Hausdame, die seinen Landsitz in Schuss hält und quasi ein Auge darauf hat, dass in seiner Abwesenheit nicht eingebrochen oder randaliert wird. Vielleicht müssen sie ihm ab und zu auf die ein oder andere Veranstaltung begleiten, aber an sich, ist der Job mehr eine bezahlte Freizeit.”, beschreibt Michael das Stellenprofil.

Irgendwie klingt das doch alles recht nebulös. Wenn trotz guter Bezahlung keine den Job durchhält, stimmt definitv irgendetwas nicht.

Vielleicht ist dieser MacFyre ein Choleriker und rastet gegenüber seinen Hausdamen aus, überlege ich mir. Was mir gar nicht schmeckt, das Schottland weit weg von London ist. Gerade jetzt, wo ich, mir ein langsam ein einfaches, aber glückliches Leben und einen Freundeskreis aufbaue.

Auf der anderen Seite kann ich nicht wählerisch sein, über kurz oder lang brauche ich einen gut bezahlten Job.

“Gibt es etwas, was sie mir über diesen Mr. MacFyre erzählen können?”, ich will schon ein wenig mehr wissen, wenn ich mich auf etwas so ungewisses einlassen soll.

“Ehrlich, Sophie,” Michael schüttelt den Kopf. “Besonders viel gibt es da nicht zu erzählen. Ich habe ihn selbst nur zweimal zu Gesicht bekommen. In der Regel sprechen wir telefonisch über Nachfolgepersonal. So wie ihn in Person oder am Telefon erlebe, ist sein Auftreten sehr angenehmen. Trotz seines Einfluss und Vermögens, ist er, im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Kandidaten, weder ein Snob noch ein Tyrann. Ist zumindest mein persönlicher Eindruck.”

“Wie alt ist dieser MacFyre ungefähr?”

“Ich schätze ihn so um die Mitte dreißig, aber genau kann ich es nicht beantworten.”

“Okay.”, antworte ich in Gedanken vertieft. “Um ehrlich zu sein, ich muss in Ruhe darüber nachdenken.”

“Das verstehe ich.”, pflichtet Michael mir bei. “Allerdings kann ich Ihnen keine allzu lange Bedenkzeit geben. Mir läuft die Zeit für die Nachbesetzung davon. Bis morgen nachmittag brauche ich ihre Antwort. Dann könnte ich für Samstag bereits ankündigen.”

“Woah..” Mir bleibt die Luft weg. “Das ist ein wenig sehr schnell Ich meine, ich habe einen Untermietvertrag in einer WG, der zu regeln wäre. Ob mein derzeitiger Arbeitgeber mich so auf die Schnelle ziehen lässt, wäre ebenfalls zu klären.”

Michael nickt. “Machen sie sich darum keine Gedanken, wenn sie den Job annehmen und nicht innerhalb von einer Woche schmeißen, kümmere ich mich um vollen Ersatz für ihr Zimmer und ihre Stelle.”

Was will ich dagegen noch sagen?

“In Ordnung, ich denke darüber nach und teile ihnen morgen meine Entscheidung mit.”, stimme ich zu, während ich aufstehe und ihm die Hand zum Abschied reiche.

“Danke Sophie.”, erleichtert ergreift er meine Hand und sieht dabei aus, als wisse er bereits, dass ich das Angebot annehmen.

Fast aus der Tür, hält er mich doch noch kurz zurück.

“Ach Sophie,” ruft er mir nach. “Einen Punkt habe ich vergessen zu erwähnen. Ihr potentieller Arbeitgeber macht eine Vorschrift, was die Arbeitskleidung betrifft.”

Misstrauisch, drehe ich mich wieder um. Was kommt jetzt? Muss ich nackt als Serviermädchen rumlaufen, fährt mir ein absurdes Bild durch den Kopf.

“Das bedeutet genau, was?”, frage ich.

“MacFyre’s Hausdame hat nur Röcken oder Kleidern zu erscheinen. Hosen sind ein Tabu., er sieht mich entschuldigend an.

Der Typ muss echt im falschen Jahrhundert leben. Keine Hosen für Frauen! Vielleicht lag es daran, dass es keine bei ihm aushält. Möglicherweise ist der Typ ein Grapscher und besteht auf Röcken, seine Beute schneller betatschen zu können. Ich schaudere bei meinen Gedanken. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass alle Damen freiwillig von einer Anzeige gegen ihn absehen. Oder doch?

Michaels zusätzliche Information hat das Angebot nur noch in einem absurderen Licht dastehen lassen. Meine Lust auf solch ein Abenteuer hält sich enorm in Grenzen. Noch dazu, wenn meine Profession mal wieder gar nicht gefragt ist.

Ich beschließe, nach Hause zu gehen und diesen MacFyre zu googeln. Irgend etwas muss über ihn an Informationen doch existieren.

Außerdem werde ich Tracy fragen, was sie von dem Ganzen hält.

Was ich nicht erwartet habe ist, dass das Netz der ungeahnten Möglichkeiten tatsächlich keine Information über den Mann ausspuckt. Kein Artikel, kein Hinweis, keine Erwähnung, keine Fotos, es ist einfach nichts zu finden.

Das steigerte auf der einen Seite meine Neugier, auf der anderen bestärkt es mein Unbehagen gegenüber diesem Angebot.

Sobald Tracy nach Hause kommt, berichte ich ihr haarklein, was ich heute von Michael Saunders gehört habe. Komischerweise bricht Tracy in ein Lachen aus.

“Was ist daran bitte komisch?”, frage ich sie.

“Alles.”, meint Tracy, während sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischt. “Sophie du denkst komplett in Schubladen. Erst wolltest du den Job bei Daniel nicht, jetzt bist heute überglücklich darüber. Dann hörst du undurchsichtige Dinge von diesem Schotten und denkst gleich, der Typ ist ein Monster. Vergiss es! Ich glaube, es ist genau das, was du brauchst. Es wirft dich komplett aus deinem Trott und ehrlich gesagt, kannst du es nur besser machen, als all die anderen vor dir. Vor allem, mach dir vor Ort ein eigenes Bild und verlass dich nicht auf die Aussagen anderer.”

Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Tracy mir zu Annahme dieses Jobs im nirgendwo rät.

“Was macht ihr mit meinem Zimmer? Wo wollt ihr so schnell Ersatz herbekommen? Und was ist mit meinem Job bei Daniel?”, will ich Tracy auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

“Sophie, was soll damit sein? Ich glaube darum müssen wir uns keine Sorgen machen. Dieser Saunders hat dir quasi eine Rückfahrkarte eingebaut. Überlebe eine Woche in der Wildnis und er sorgt an allen Fronten für Ersatz! Hey, ich muss nicht mal selbst nach einer neuen Untermieterin suchen. Das ist fantastisch!”

“So schnell willst Du mich loswerden.”, brumme ich enttäuscht.

“Ach Süße.” Sie rückt an mich ran und drückt mich. “Ich will dich nicht loswerden. Vielmehr wünsche ich mir für dich, dass du endlich lebst und etwas erlebst. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass du dort oben eine Menge Überraschungen vorfinden wirst. Vielleicht werden nicht alle bombastisch sein, aber hey… was dich nicht umbringt, macht dich stärker.”

“Das baut mich ja jetzt auf!”

“Aber es stimmt.” Tracy versucht, mich zu überzeugen.

“Kommst Du mich wenigstens mal besuchen?”, frage ich völlig demotiviert. Ich will diesen blöden Job nicht. Egal wie viel Gehalt dafür geboten wird, alles in mir sträubte sich dagegen.

“Ich komme jederzeit zu Besuch.”, versichert sie mir lächelnd. “Schließlich will ich wissen, ob Dein Monster nicht in Wahrheit ein Prinz ist.”

Darauf kichert sie volle Kanne los.