Blakes Versprechen (Scanguards Vampire - Buch 11) - Tina Folsom - E-Book

Blakes Versprechen (Scanguards Vampire - Buch 11) E-Book

Tina Folsom

0,0

Beschreibung

Blake Bond, Vampir und Chef der Sicherheitsabteilung für Hybriden bei Scanguards, und Lilo Schroeder, eine Sterbliche, lernen sich durch Zufall kennen, als ihre gemeinsame Freundin Hannah plötzlich unauffindbar ist. Während sie Hannahs mysteriöses Verschwinden zu enträtseln versuchen, decken sie ein gefährliches Komplott abtrünniger Vampire auf, welches das Leben der ganzen Menschheit in Gefahr zu bringen droht. Nicht nur müssen Blake und Lilo ihren Feinden immer einen Schritt voraus sein, sie müssen auch gegen die knisternde Anziehung, die zwischen ihnen entflammt, ankämpfen. Denn obwohl Lilo im Angesicht all der Gefahren Mut beweist, kann Blake nicht vorhersagen, wie sie reagieren wird, wenn er ihr seine wahre Identität enthüllt ... Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Ich bin süchtig nach Tina Folsoms Büchern! Die Scanguards Serie ist eine der heißesten Sachen, die es bei Vampirliebesromanen gibt. Wenn Sie glühend heiße, sich rasant entwickelnde Romane lieben, dann verpassen Sie diese packende Serie nicht!" Über die Serie Die Scanguards Vampirserie ist voll von rasanter Action, brennenden Liebesszenen, witzigen Dialogen und starken Helden und Heldinnen. Vampir Samson Woodford lebt in San Francisco und besitzt die Sicherheits-/Leibwächterfirma Scanguards, die sowohl Vampire als auch Menschen beschäftigt. Und letztendlich auch einige Hexer. Später in der Serie tauchen auch ein paar unsterbliche Hüter und Dämonen auf. Jedes Buch kann als alleinstehender Roman gelesen werden (keine Cliffhanger) und dreht sich immer um ein neues Paar, das die Liebe findet, aber die Serie macht mehr Spaß, wenn sie chronologisch gelesen wird. Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie (Scanguards Hybriden - Band 1) Band 14 - Damians Eroberung (Scanguards Hybriden - Band 2) Band 15 - Graysons Herausforderung (Scanguards Hybriden - Band 3) Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Codename Stargate Band 1 - Ace – Auf der Flucht Band 2 - Fox – Unter Feinden Band 3 - Yankee – Untergetaucht Band 4 – Tiger – Auf der Lauer Der Clan der Vampire Der Clan der Vampire (Venedig 1 – 2) Der Clan der Vampire (Venedig 3 – 4) Der Clan der Vampire (Venedig 5) Jenseits des Olymps Band 1 - Ein Grieche für alle Fälle Band 2 - Ein Grieche zum Heiraten Band 3 - Ein Grieche im 7. Himmel Band 4 – Ein Grieche für Immer Der Club der ewigen Junggesellen Band 1: Begleiterin für eine Nacht Band 2: Begleiterin für tausend Nächte Band 3: Begleiterin für alle Zeit Band 4: Eine unvergessliche Nacht Band 5: Eine langsame Verführung Band 6: Eine hemmungslose Berührung Die Scanguards Vampirserie hat alles: Liebe auf den ersten Blick, von Feinden zum Liebespaar, Alpha-Helden, Leibwächter, Brüderschaft, Jungfrau in Not, Frau in Gefahr, die Schöne und das Biest, verborgene Identität, Seelenverwandte, erste Liebe, Jungfrauen, gequälter Held, Altersunterschied, zweite Liebeschance, trauernder Liebhaber, Rückkehr von Totgeglaubten, heimliches Baby, Playboy, Entführungen, von Freunden zum Liebespaar, Coming-out, heimlicher Verehrer, unerwiderte Liebe, Amnesie, Aristokraten, verbotene Liebe, eineiige Zwillinge, Partner bei der Verbrechensbekämpfung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 406

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



BLAKES VERSPRECHEN

SCANGUARDS VAMPIRE - BUCH 11

TINA FOLSOM

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Epilog

Lesereihenfolge

Auch in dieser Serie

Andere Bücher von Tina

Über die Autorin

KURZBESCHREIBUNG

Blake Bond, Vampir und Chef der Sicherheitsabteilung für Hybriden bei Scanguards, und Lilo Schroeder, eine Sterbliche, lernen sich durch Zufall kennen, als ihre gemeinsame Freundin Hannah plötzlich unauffindbar ist. Während sie Hannahs mysteriöses Verschwinden zu enträtseln versuchen, decken sie ein gefährliches Komplott abtrünniger Vampire auf, welches das Leben der ganzen Menschheit in Gefahr zu bringen droht.

Nicht nur müssen Blake und Lilo ihren Feinden immer einen Schritt voraus sein, sie müssen auch gegen die knisternde Anziehung, die zwischen ihnen entflammt, ankämpfen. Denn obwohl Lilo im Angesicht all der Gefahren Mut beweist, kann Blake nicht vorhersagen, wie sie reagieren wird, wenn er ihr seine wahre Identität enthüllt ...

* * *

Copyright © 2016 Tina Folsom

Scanguards® ist ein eingetragenes Markenzeichen.

* * *

Lektoriert von Birgit Oikonomou

1

Sie hätte den Anruf nicht ignorieren sollen.

Lilo starrte durch das Seitenfenster des Taxis, das sich während der Rush Hour durch den dichten Verkehr kämpfte. Ihr Flug von Omaha war durch schwere Schneefälle in Nebraska verzögert worden. Das Flugzeug war erst spät nach Sonnenuntergang in San Francisco gelandet. Besorgt tippte sie mit ihren Fingern auf das weiche Leder ihrer Handtasche, während sich in ihrem Kopf immer wieder Hannahs flehende Bitte wiederholte.

„Lilo, du musst mich zurückrufen. Ich habe niemanden, mit dem ich darüber reden kann. Ich brauche deine Hilfe. Du weißt immer, was zu tun ist.“

Ein schwaches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ihre beste Freundin seit der High-School-Zeit hatte so großes Vertrauen in sie. Als könnte sie immer alles geradebiegen. Aber was, wenn sie es dieses Mal nicht richten konnte? Was, wenn es bereits zu spät war?

Verdammt, sie wusste nicht einmal, was wieder in Ordnung gebracht werden musste. Denn Hannah war weg. Spurlos verschwunden.

Mrs. Bergdorfs Anruf am Abend zuvor hatte das bestätigt. „Hannah hat mich nicht zu meinem Geburtstag angerufen. Lilo, du weißt, dass sie immer anruft. Und sie geht nicht an ihr Telefon. Ich mache mir Sorgen um sie.“

Genauso wie Lilo. Denn trotz all ihrer Fehler war Hannah immer eine aufmerksame Tochter gewesen. Wenn sie ihrer Mutter nicht zum Geburtstag gratuliert hatte, dann bedeutete das, dass sie kein Telefon hatte benutzen können. War Hannah krank geworden und wusste nicht, was für ein wichtiges Datum sie vergessen hatte? Unwahrscheinlich, dass eine Grippe oder Erkältung sie so aus der Bahn werfen würde, dass sie den Geburtstag ihrer Mutter vergaß. Vielleicht hatte Hannah einen Unfall gehabt und konnte niemanden kontaktieren. Doch selbst wenn sie in ein Krankenhaus gebracht worden wäre, hätte man ihre Mutter oder Lilo verständigt, da beide als Hannahs Notfallkontakte aufgelistet waren. Nein, etwas stimmte nicht. Sie spürte es: Hannah war etwas Schreckliches zugestoßen.

Selbstvorwürfe kamen in Lilo hoch. Sie war in Termindruck gewesen, da sie Schwierigkeiten gehabt hatte, ihren neuesten Krimi fertigzustellen. Ihr Herausgeber war ihr im Nacken gesessen, also hatte sie sich verkrochen, um das verdammte Buch zu beenden. Aber um welchen Preis? Sie hatte ihr Versprechen an Hannah gebrochen, ein Versprechen, das sie sich in der neunten Klasse gegeben hatten: Sie würden immer füreinander dasein. Aber anstatt ihre Freundin zurückzurufen, um zu fragen, was los war, hatte sie ihr Buch fertiggeschrieben, um ihren Abgabetermin nicht zu verpassen.

Lilo seufzte. Was für eine Freundin machte denn so etwas? Sie hatte den flehenden Ton in Hannahs Voicemail gehört, als diese nur ein paar Tage vor dem Geburtstag ihrer Mutter angerufen hatte. Hannah hatte angespannt und besorgt geklungen. Lilo wünschte sich, sie hätte den Anruf nicht auf die Voicemail gehen lassen und stattdessen abgehoben und mit ihrer Freundin geredet. Was, wenn Ronny, dieser nutzlose Versager, mit dem sie zusammen war, ihr wehgetan hatte? Warum sonst sollte Hannah sagen, dass sie mit niemandem außer Lilo reden könnte? Wenn sie doch nur mehr über Hannahs Beziehung mit Ronny wüsste, aber ihre Freundin war stets sehr verschlossen darüber und hatte nie preisgegeben, was Ronny machte. Als würde sie sich irgendwie wegen Ronny schämen.

Das Einzige, was sie wusste, war, dass Ronny sehr besitzergreifend war. Und das war ein Wesenszug, den Lilo bei Männern noch nie gemocht hatte. Einer der Gründe, warum ihre Beziehungen nie lange dauerten. Sie musste unabhängig sein. Womöglich hatte ihr Krimi-Gehirn etwas damit zu tun. Sie war sich der Dunkelheit der menschlichen Psyche zu sehr bewusst und sie wusste besser als jeder andere, was unter der Oberfläche lauern konnte.

Sofort nach Mrs. Bergdorfs Anruf hatte Lilo einen Flug nach San Francisco gebucht. Sie war entschlossen, Hannah zu finden und zu erfahren, was geschehen war. Und sie würde nicht heimreisen, bis sie diese Aufgabe erfüllt hatte. Sie hoffte nur, dass sie keine schlechten Neuigkeiten für Hannahs Mutter mit nach Hause bringen müsste.

„Wir sind da“, sagte der Taxifahrer, als sie vor einem dreistöckigen Wohngebäude anhielten. „Nummer 426.“

Hannah hatte von dem Viertel geschwärmt, als sie eingezogen war, aber jetzt, in der Nacht und mit nur wenigen Straßenlampen, die die Gegend erhellten, konnte Lilo den Reiz dieser steilen Straße in North Beach nicht verstehen. Sie war nur froh, dass der Taxifahrer direkt vor der Garage angehalten hatte, sodass sie ihren Koffer nicht den Hügel hinaufschleppen musste.

Nachdem sie bezahlt hatte, ging Lilo zur Eingangstür. Es gab sechs Klingeln, eine für jede Wohnung. Bergdorf stand auf einer davon. Sie klingelte. Wie erwartet bekam sie keine Antwort. Aber sie würde sich von so einem kleinen Hindernis nicht abhalten lassen. Sie war nicht ohne Grund Krimi-Schriftstellerin. Außerdem kannte sie Hannah besser als ihre eigene Schwester. Nachdem Hannah sich einmal aus ihrer Wohnung ausgesperrt und eine exorbitante Summe an den Schlüsseldienst bezahlt hatte – eine Geschichte, die ihre Freundin bis ins kleinste Detail erzählt hatte – hatte sie sich geschworen, nie wieder ohne Schlüssel vor der Tür zu stehen, und zusammen hatten sie das beste Versteck für einen Ersatzschlüssel gefunden.

Lilo ließ ihre Augen um den Eingangsbereich schweifen. Eine Drillingsblume rankte sich an einer Seite der Wand an einem Spalier nach oben. Sie blühte nicht. Selbst in San Francisco, wo es im frühen Januar draußen milde zehn Grad hatte, war es nicht warm genug, um die Pflanze erblühen zu lassen. Die Blätter verbargen den Großteil des hölzernen Spaliers, aber Lilo wusste, wonach sie suchte: eine braune Schnur mit einem Schlüssel am Ende, die perfekt mit der Wand verschmolz. Sie zog daran. Der Schlüssel kam aus seinem Versteck, einem tiefen Riss im Sockel, der vermutlich durch ein Erdbeben hervorgerufen worden war.

Mit dem Schlüssel in der Hand verschaffte Lilo sich Zugang ins Gebäude und fand Hannahs Wohnung im Erdgeschoss. Sie lauschte nach Geräuschen aus dem Inneren, aber alles war ruhig. Als sie die Tür aufdrückte und hineinging, rümpfte sie die Nase. Es roch nach verdorbenem Essen.

Sie schaltete das Licht an und schloss die Tür hinter sich.

Die Wohnung war nichts Besonderes: ein Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, eine abgetrennte Küche und ein kleines Badezimmer. Trotz der Größe war Hannahs Note überall. Die flippigen Möbel und Dekorationen aus aller Welt waren typisch Hannah. Das war ihr Zuhause.

Lilo zog ihren Mantel aus und legte ihn über einen Stuhl. Auf der Suche nach der Quelle des üblen Geruchs gelangte sie in die Küche. Das Licht unter der Theke brannte und die Ursache des Gestanks war sofort ersichtlich: Eine halb leere Dose Hundefutter stand auf der Arbeitsfläche. Sie blickte sich um. Es gab noch eine weitere Tür, die in den Gang führte, der das Badezimmer und Schlafzimmer an einem Ende und das Wohnzimmer und die Eingangstür am anderen verband.

Auf dem Boden in der Nähe des Kühlschranks standen zwei Schüsseln, eine gefüllt mit Wasser, die andere leer, aber nicht sauber. Ein Hund hatte kürzlich daraus gefressen: Frankenfurter.

„Frankenfurter?“, rief sie nach Hannahs Terrier, bekam jedoch keine Antwort.

Lilo schnappte sich die verdorbene Dose Hundefutter und warf sie in den Müll, dann öffnete sie das Küchenfenster, um etwas frische Luft hereinzulassen, bevor sie wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte.

Hatte Hannah den Hund gefüttert, ihn dann Gassi geführt und war nicht mehr zurückgekommen? Oder war sie übereilt verschwunden, um vor Ronny zu fliehen, und hatte Frankenfurter mitgenommen? Was, wenn Ronny in ihrer Wohnung aufgetaucht war und sie sich gestritten hatten? Hatte er sie verletzt oder entführt? Was, wenn er sie getötet und die Leiche entsorgt hatte ...

Sie erschauderte bei dem Gedanken, versuchte ihre Fantasie im Zaum zu halten und sah sich nach Anzeichen eines Kampfes um. Aber die Wohnung sah aufgeräumt aus. Ein paar Zeitschriften lagen auf dem Wohnzimmertisch, eine Decke auf der Couch, ein Kauspielzeug für den Hund neben einem Sessel. Nichts Außergewöhnliches. Und keine Blutflecken auf dem Teppich. Sie hob eine Ecke des alten Vorlegers hoch. Darunter war auch kein Blut. Sie atmete erleichtert auf.

Auf dem Esstisch stand Hannahs geöffneter Laptop. Sie berührte die Maus, um ihn aus dem Ruhemodus zu erwecken, und der Login-Bildschirm tauchte innerhalb weniger Sekunden auf. Aber da sie Hannahs Passwort nicht kannte, konnte sie den Bildschirm nicht entsperren. Sie versuchte verschiedene Kombinationen: Frankenfurter, Bergdorf, IchliebeMom, selbst ihren eigenen Namen, aber nichts davon funktionierte. Offensichtlich war ihre Freundin zu schlau, ein Passwort zu verwenden, das von jedem, der sie ein wenig kannte, erraten werden konnte.

Wenn sie herausfinden wollte, was Hannah vor ihrem Verschwinden gemacht hatte, musste sie in ihren Computer. Sie wollte ihre letzten Suchanfragen und ihren Posteingang überprüfen, um zu sehen, ob sie irgendwelche beunruhigenden E-Mails bekommen hatte. Vielleicht enthielt eine einen Hinweis auf ihren Verbleib. Aber zuerst musste sie zur Polizei und ihre Freundin als vermisst melden. Und das würde sie sofort machen, nachdem sie schnell geduscht und sich leichtere Kleidung angezogen hatte. In ihren Winterklamotten fühlte sie sich wie in einer Sauna. Ihre Haut war klebrig und sie war erschöpft von der Reise. Eine Dusche würde sie wieder erfrischen und ihr die Stärke geben, die sie brauchte, um ihre Freundin zu finden.

2

Blake schob sein Handy wieder in die Tasche seiner Cargohose, als er mit seinen langen Beinen die Entfernung zwischen seinem Büro und dem Besprechungsraum am anderen Ende des Korridors im Hauptquartier von Scanguards im Mission District überbrückte. Trotz des Stresses und der Überstunden, die mit dem Job einhergingen, liebte er ihn. Er liebte es, für die Sicherheit der Hybriden-Kinder einiger der mächtigsten Vampire an der Westküste verantwortlich zu sein – selbst wenn das bedeutete, dass er seine eigenen Bedürfnisse hinter ihre stellen musste. In seinem früheren Leben als junger Mensch hatte er ein egoistisches, durch einen Treuhandfond finanziertes Leben geführt. Jetzt machte er das wieder gut.

Er nickte Oliver, der praktisch sein Bruder war, zu, als dieser gerade aus dem Aufzug kam.

„Du kommst erst jetzt?“, fragte Blake grinsend. „Versucht ihr denn, noch ein Baby zu machen?“

Oliver schüttelte seine dunkle, wilde Mähne. Seine Haare waren nicht lang, aber dicht und standen in alle Richtungen ab. „Eines ist genug, vielen Dank. Und wenn du diese Woche ein paar Stunden Onkel spielen und dich um Sebastian kümmern könntest, damit Ursula und ich das Haus für den Besuch ihrer Eltern in Ordnung bringen könnten, wäre ich dir sehr dankbar.“

„Hey, dein Sohn lebt sowieso praktisch bei mir!“ Oder eher in Blakes Kühlschrank, den er nur unter großem Aufwand gefüllt halten konnte, da der Zwölfjährige jede Menge verdrücken konnte.

Oliver lachte leise. „Du hättest dieses große Haus nicht kaufen sollen. Jetzt wirst du die Kids nie los. Seien wir mal ehrlich, sie hängen doch sowieso alle viel lieber bei dir als bei ihren Eltern rum.“

Blake lächelte. „Nur weil ich ihnen Freiheiten lasse.“ Er deutete zum Besprechungsraum. „Zane und die anderen sind viel zu streng mit ihren Kindern. Zu viel Disziplin ist nicht gut. Sie brauchen ein Ventil.“

Oliver grinste verschmitzt. „Wie ich schon sagte, jetzt wirst du sie nicht mehr los.“ Er wandte sich um und schlenderte in die entgegengesetzte Richtung davon.

Einen Augenblick lang stand Blake einfach da. Er und Oliver hatten auf dem falschen Fuß angefangen, als sie sich vor über zwanzig Jahren kennengelernt hatten. Aber sie hatten sich zusammenraufen müssen, weil sie miteinander verwandt waren: Quinn Ralston, Blakes Ururururgroßvater, war Olivers Erschaffer und alle zusammen hatten sie einige Jahre unter Quinns und Roses Dach gelebt. Rose, die keine Blutsverwandte von Oliver war, hatte Blakes Urururgroßmutter kurz vor ihrer Verwandlung zur Vampirin zur Welt gebracht und so das Überleben des Ralston-Clans gesichert.

Lächelnd öffnete Blake die Tür und betrat das Besprechungszimmer. Einige Mitglieder des Managementteams von Scanguards waren um den großen Tisch versammelt, auf dessen Mitte ein Konferenztelefon stand.

„Sorry, dass ich zu spät bin“, entschuldigte er sich in die Runde und setzte sich neben Amaury.

Der Vampir mit einer Statur wie ein Footballspieler, schulterlangem dunklen Haar und stechend blauen Augen nickte ihm zu und zeigte auf das Telefon, wobei er murmelte: „Donnelly gibt uns gerade den wöchentlichen Verbrechensbericht. Du hast nichts verpasst.“

„Was mich beunruhigt, Samson“, ertönte gerade Detective Donnellys Stimme durch den Lautsprecher, „ist, dass es mehr Raubüberfälle und Einbrüche gibt als gewöhnlich. Irgendetwas liegt in der Luft.“

Samson, Scanguards’ Gründer, ein großer Vampir mit glänzend schwarzem Haar und einem Gesicht und Körperbau wie aus Stein gemeißelt, stützte seine Ellbogen auf den Tisch und beugte sich etwas näher zum Telefon. „Was soll ich denn tun, Mike? Du weißt genauso gut wie ich, dass Scanguards sich nur in die Belange der Stadt einmischt, wenn es sich um Verstöße durch Vampire handelt. So lautet unser Deal. Und nach deinen eigenen Angaben geschehen die meisten dieser Verbrechen ja bei Tageslicht.“

Die Schlussfolgerung war klar: Die Verbrechen konnten nicht von Vampiren begangen worden sein, da diese den Schutz der Dunkelheit brauchten, um sicher zu agieren.

Zane knurrte zustimmend. Blake warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Wie immer sah der kahlköpfige Vampir aus, als wäre er bereit, jemandem den Kopf abzureißen. Zanes Augen wanderten zu seiner Uhr, dann schob er seinen Stuhl zurück und nickte Samson zu. „Der Flug geht in ein paar Stunden. Ich muss mich fertigmachen.“

Samson nickte zurück und wechselte dann einen Blick mit seinem Stellvertreter Gabriel.

Gabriel hob gleichgültig die Schultern, aber die Narbe, die eine Seite seines Gesichts verunstaltete, zuckte, ein sicheres Zeichen, dass ihm die Angelegenheit naheging. Die Narbe erstreckte sich von seinem Ohr bis zu seinem Kinn, ein grauenhaftes Andenken an den emotionalen und körperlichen Schmerz, den er als Mensch erlitten hatte.

„Kommt schon, Jungs, die Stadt entschädigt euch doch großzügig für eure Consulting-Dienste“, fügte Donnelly jetzt hinzu. „Nur dieses eine Mal. Lasst einfach einen eurer Jungs einen Blick auf die Sache werfen.“

Gabriel seufzte und blickte Samson direkt in die Augen: „Wie wäre es mit John? Vielleicht kann er das überprüfen und herausfinden, ob irgendetwas an den Überfällen seltsam ist? Er wird nicht länger als ein oder zwei Tage brauchen, denke ich.“

Quinn, der bis jetzt geschwiegen hatte, fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. Er wirkte wie Mitte zwanzig, obwohl er fast zweihundert Jahre älter war als Blake. „Ich kann John ein paar Tage von seinem Patrouillendienst abziehen, aber ich werde Ersatz für ihn brauchen.“

„Nimm Grayson“, stimmte Samson zu. „Ich bin sicher, er wird mit den Hufen scharren.“

Gabriel schmunzelte. „Du willst ihn alleine da rauslassen?“

„Du kennst meinen Sohn so gut wie ich. Er bedrängt mich schon seit Monaten, ihm seine eigene Patrouille zu geben. Das ist vielleicht eine gute Gelegenheit, um zu sehen, ob er bereit ist.“

„Er ist einundzwanzig, es wird Zeit, dass er seinen Beitrag leistet!“, warf Quinn lachend ein.

Amaury schüttelte den Kopf. „Warte, bis die Zwillinge das herausfinden. Dann wollen sie auch eine eigene Patrouille. Damit stichst du in ein Wespennest.“ Amaurys Zwillinge, Benjamin und Damian, waren zwanzig, nur ein Jahr jünger als Grayson, und absolute Teufelsbraten.

„Vertraust du nicht darauf, dass deine Jungs gute Arbeit leisten werden?“, fragte Gabriel.

„Um Benjamin oder Damian mache ich mir keine Sorgen. Aber Nina ist noch nicht bereit, sie loszulassen.“

Blake musste lächeln. Amaurys blutgebundene Gefährtin war eine ernstzunehmende Gewalt. Obwohl sie ein Mensch war, war Amaury Wachs in ihren Händen. „Du musst ein Machtwort sprechen, Amaury.“

Quinns Augen funkelten verschmitzt. „Dafür ist es zu spät. Das kommt davon, wenn man seine Gefährtin die Hosen tragen lässt.“

Amaury knurrte und warf Quinn einen Blick zu. „Als hättest du mehr Kontrolle über deine Frau als ich über meine!“

Samson hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. „Hey, Jungs, lasst uns zum Geschäftlichen zurückkehren.“

Blake blickte seinen Boss an. Ja, Samson saß im selben Boot wie der Rest der blutgebundenen Vampire: Sie waren alle von ihren Frauen abhängig und sie würden es auch nicht anders wollen.

„Also haben wir eine Abmachung?“, fragte Donnelly durchs Konferenztelefon.

„Ja, haben wir. Ich sage John Bescheid. Er wird dich anrufen und sich mit dir absprechen. Du hast achtundvierzig Stunden. Dann ziehe ich ihn ab.“

„Okay. Danke.“ Es gab ein leises Rascheln von Papier, dann fuhr Donnelly fort: „Können wir jetzt die Fälle, die Vampire betreffen, durchgehen? Ich habe ein paar Updates.“

„Nur zu“, stimmte Samson zu.

Es klopfte schwach an der Tür und sie knarzte, als sie einen Spalt geöffnet wurde. Finn, ein junger Angestellter von Vüber, einer von Scanguards Tochtergesellschaften, steckte seinen Kopf herein. Mehrere Köpfe drehten sich zu ihm.

„Sorry“, entschuldigte sich Finn schnell, „aber es ist wichtig. Blake, auf ein Wort.“

Blake stand auf. „Entschuldigt mich eine Sekunde.“ Er ging hinaus und zog die Tür leise hinter sich zu. „Was gibt’s?“

Finn verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere und wirkte nervös. „Nun, ich bin nicht sicher. Aber du hast mir gesagt, dass ich dir persönlich Bescheid geben sollte, sollte es je ein Problem mit Hannah Bergdorf geben.“

Blakes Herz begann sofort zu rasen. Hannah war eine der vielen menschlichen Fahrerinnen, die für Vüber arbeiteten, einer Firma, die tagsüber Vampire durch die Stadt fuhr. Und sie stand unter seinem persönlichen Schutz. „Hannah? Was ist los?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber sie hat in letzter Zeit keine Fahrten angenommen. Und sie hat sich auch nicht krank gemeldet oder so.“ Finn zuckte mit den Schultern.

„Wie lange war sie schon nicht mehr in der Arbeit?“

„Vielleicht zwei oder drei Tage.“

Blake spürte, wie Hitze in seinen Kopf stieg. „Und das sagst du mir erst jetzt?“

„Ich habe es anfangs nicht einmal bemerkt. Ich meine, die Vüber-Fahrer haben ja keine festen Arbeitszeiten. Sie nehmen die Fahrten an, wie sie eintreffen. Ich dachte mir, sie nimmt sich ein paar Tage frei, da sie ja über Weihnachten gearbeitet hat.“

„Hast du sie angerufen?“

„Sie geht nicht ans Telefon. Der Anruf geht direkt auf die Voicemail.“

„Hat jemand bei ihr zuhause nachgesehen?“

Finn schüttelte den Kopf. „Wir können gerade niemanden entbehren. Es geht ziemlich zu. Und vielleicht hat sie einfach vergessen, ihre App auf Abwesend-Modus zu stellen. Ich will sie nicht stören, wenn sie sich nur ein paar Tage freinimmt.“

Blake nickte besorgt. Doch er wollte dem Boten nicht den Kopf abreißen. „Ich kümmere mich darum. Schick mir in der Zwischenzeit die Daten ihrer letzten Fahrt auf mein Handy.“

„Wird erledigt.“ Finn machte kehrt und eilte davon, sichtlich erleichtert, dass er ungeschoren davongekommen war.

Blake vergeudete ebenfalls keine Zeit. Er marschierte zum Aufzug und drückte den Knopf. Während er wartete, versuchte er, sich zu beruhigen. Vielleicht hatte Hannah vergessen, Finns Team zu verständigen, dass sie ein paar Tage nicht arbeiten würde. Aber so sehr er dieses Szenario auch glauben wollte, konnte er es nicht.

Hannah war viel zu gutmütig und hilfsbereit. Sie hatte wahrscheinlich jemandem geholfen und war deswegen jetzt in Schwierigkeiten. Genauso, wie sie ihm damals an jenem nassen Märztag vor vier Jahren geholfen hatte. An dem Tag, an dem er gestorben wäre, hätte Hannah nicht so furchtlos gehandelt.

3

Lilo trocknete ihre blonden Haare mit einem Handtuch ab, bevor sie die feuchten Strähnen mit einer Haarbürste bändigte. Normalerweise würde sie sie von der Luft trocknen lassen, aber da sie vorhatte, zur nächstgelegenen Polizeistation zu gehen und dabei nicht zu frieren, bückte sie sich zu dem Schrank unter dem Waschbecken und zog Hannahs Föhn heraus. Sie wollte ihn gerade einstecken und anschalten, als sie ein Geräusch aus einem der anderen Zimmer hörte.

Sie erstarrte in ihrer Bewegung und ihr Herz setzte kurz aus.

War Hannah nach Hause gekommen? Sie lauschte mit angehaltenem Atem und hielt an der unwirklichen Hoffnung fest, dass es ihre Freundin war. Wenn es Hannah war, würde sie den Koffer sehen und wissen, dass sie Besuch hatte. Anhand der Aufkleber auf Lilos Gepäck – Sticker, die Hannah ihr von ihren unzähligen Reisen geschickt hatte – würde sie auch sofort wissen, wer es war.

Lilo wartete noch zwei Sekunden, doch wer auch immer in der Wohnung war, rief nicht ihren Namen. Es konnte nicht Hannah sein.

Es war ein Eindringling, wahrscheinlich ein Einbrecher. Das musste es sein. Sie hatte genug Krimis geschrieben, um zu wissen, wie die Sache ablaufen würde: Er würde alles Wertvolle stehlen, inklusive ihrer Handtasche und ihres Computers, und dann wäre sie aufgeschmissen. Als hätte sie nicht bereits genügend Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen musste. Ihre gestohlenen Wertsachen zurückzubekommen stand heute Abend nicht auf ihrer Agenda.

Sie streckte ihre Hand zu der Glasablage über dem Waschbecken, um nach ihrem Telefon zu greifen, doch hielt inne.

Scheiße, fluchte sie lautlos.

Ihr Handy war immer noch in ihrer Handtasche im Wohnzimmer und damit außer Reichweite – was bedeutete, sie hatte keine Möglichkeit, die Polizei zu verständigen. Sie hatte keine Wahl. Sie musste die Initiative ergreifen und den Kerl überraschen. Von ihren Recherchen wusste sie, dass die meisten Einbrecher türmten, wenn ihnen klar wurde, dass sie nicht alleine waren. Sie musste nur Lärm machen und die Nachbarn wecken, sollte sich der Kerl nicht sofort aus dem Staub machen.

Sie packte den Föhn fester und blickte an sich hinunter. Es wäre natürlich auch hilfreich, wenn sie nicht Hannahs kurzen rosa Bademantel tragen würde. Ihre eigene Kleidung hatte sie allerdings im Wohnzimmer gelassen, weil in dem kleinen Badezimmer kein Platz war und sie nicht riskieren wollte, dass sie nass werden würde. Nun gut. Dann musste sie dem Eindringling eben in diesem Outfit entgegentreten.

Stell dir einfach vor, du wärst Morgan West. Der Protagonist ihrer berühmten Kopfgeldjäger-Mystery-Serie würde im Gegensatz zu ihr sicherlich nicht wie Espenlaub zittern. Zu ihrer Verteidigung war sie natürlich auch nicht angezogen wie ein abgehärteter Kopfgeldjäger. Sie trug noch nicht einmal Schuhe. Na großartig, gleich würde sie die Hauptdarstellerin in einem Horrorfilm werden: eine knapp bekleidete Blondine, die barfuß um ihr Leben rannte. Konnte die Situation noch lächerlicher werden?

Hör auf, ermahnte sie sich leise. Wenn ihre Fantasie nur nicht so lebhaft wäre; ihr fielen in diesem Moment viel zu viele mögliche Szenarien ein, von denen alle schlimm endeten. Manchmal war es ein Fluch, Krimiautorin zu sein: Wusste sie doch zu viel über die gefährlichen und bösen Elemente der Gesellschaft. Elemente wie der Einbrecher, den sie jetzt deutlich das Wohnzimmer durchsuchen hörte. In ein paar Minuten würde er verschwunden sein und mit ihm ihre Handtasche und ihr Laptop.

Jetzt oder nie.

Sie atmete tief ein und drehte den Türknauf mit ihrer linken Hand, während sie den Föhn fest mit ihrer rechten packte. Zumindest könnte sie den Kerl damit schlagen, wenn er ihr zu nahe kam.

Lilo öffnete die Tür nur so weit, dass sie einen Blick in den kurzen Gang werfen konnte. Doch aus diesem Winkel konnte sie niemanden sehen. Vorsichtig öffnete sie die Tür weiter und trat einen Schritt nach vorne. Unter ihren nackten Füßen knarzte der alte Holzboden. Das Geräusch schien laut widerzuhallen, aber das konnte auch das Resultat ihrer nervösen, überaktiven Fantasie sein.

Ein weiterer Schritt und sie stand im Flur. Der Teil des Wohnzimmers, den sie sehen konnte, war leer. Ihr Koffer stand immer noch dort, wo sie ihn abgestellt hatte, obwohl jemand ihn durchwühlt und den Inhalt auf den Boden daneben geworfen hatte.

Ein weiterer Beweis, dass es definitiv nicht Hannah war, die sich außer ihr in der Wohnung befand. Langsam und lautlos schlich sie ins Wohnzimmer, wobei sie sich so nahe wie möglich an der Wand hielt. Dann spähte sie um die Ecke, sodass sie den ganzen Raum sehen konnte. Er war leer. Die kleine Leselampe, die sie zuvor eingeschaltet hatte, brannte noch, aber ansonsten war es dunkel, warum der Eindringling wahrscheinlich gedacht hatte, dass niemand hier wäre.

Noch ein Geräusch drang zu ihren Ohren. Der Einbrecher war in die Küche gegangen. War er so hereingekommen? Durch das Küchenfenster, das sie geöffnet hatte, um den Gestank hinauszulassen?

Als sie sich der offenen Tür zur Küche näherte, zögerte sie. Wenn sie ihn in diesem kleinen engen Raum überraschte, könnte er vielleicht in Panik geraten und sie anfallen. Nein, es war nicht klug, ihn so in die Enge zu treiben. Was, wenn er sie angreifen würde?

Ihre Augen fielen auf ihre Handtasche, deren Inhalt auf dem Sessel verstreut war. Wenn sie ihr Handy in die Finger bekäme, könnte sie zur Tür hinausschleichen und die Polizei anrufen, ohne dass der Einbrecher sie hören würde und alles würde gut ausgehen.

Sie legte den Föhn auf die Couch und beugte sich über den Sessel, um durch ihre Habseligkeiten zu wühlen. Unwillkürlich bewegte sie sich dabei. Ihr Fuß landete auf etwas Weichem und ein quietschendes Geräusch drang durch die Stille.

Scheiße! Sie war gerade auf eines von Frankenfurters Spielzeugen getreten.

Hektisch versuchte sie, ihr Handy zu finden, aber es war nicht auf dem Sessel. Der Eindringling musste es an sich genommen haben.

Verdammt!

Schwere Schritte hinter ihr veranlassten sie herumzuwirbeln. Doch es war zu spät. Ein Fremder stürmte ins Wohnzimmer und blickte sie finster an, als wäre sie der Eindringling. Licht spiegelte sich von irgendwo und ließ seine Augen rot erscheinen, als wäre er der Teufel in Menschengestalt.

Fuck! Dieser Kerl war nicht der Typ, der sich umdrehen und davonlaufen würde.

Lilo sprintete Richtung Eingangstür, entschlossen zu fliehen. Sie könnte sich einen neuen Computer kaufen und sich von ihrer Kreditkartengesellschaft eine neue Karte ausstellen lassen. Lieber jetzt davonlaufen und sich später mit den Konsequenzen auseinandersetzen.

Ihre Hand war bereits am Türknauf, als sie von zwei starken Händen, die sie an den Schultern packten, zurückgerissen wurde. Der Kerl drehte sie herum und schleuderte sie in die andere Richtung. Sie landete mit dem Rücken auf der alten Couch, die Beine in der Luft.

Schnell versuchte sie sich aufzusetzen und davonzukommen, aber er sprang schon auf sie zu.

„Hilfe! So hilft mir doch jemand!“, schrie sie lauthals, aber sofort wurde ihr die ganze Luft aus der Lunge gepresst, als der Eindringling sie mit einer Leichtigkeit in die Kissen zurückdrückte, als wäre sie ein Baby und keine ausgewachsene Frau.

Sie wusste sofort, dass sie trotz des Selbstverteidigungskurses, den sie im College belegt hatte, keine Chance gegen einen so starken Angreifer hatte.

Ihr nächster Hilferuf wurde unter seiner breiten Handfläche erstickt und kam nur als gedämpfter Schrei heraus. Niemand würde sie hören.

Scheiße! Was würde Morgan West jetzt tun? Wie würde er aus dieser Zwickmühle herauskommen? Seinem Angreifer in die Eier treten? Ja, wenn sie ihr Knie heben könnte, was sie nicht konnte, weil er sie mit seinem Gewicht bewegungslos machte. Außerdem wäre Morgan erst gar nicht in diese Situation geraten.

„Wo ist es?“, knurrte er.

Sie ignorierte die Frage, weil sie nicht verstand, wovon er überhaupt redete und sie stattdessen versuchte, sich sein Gesicht einzuprägen. Egal, was jetzt passieren würde, sie würde alles tun, um ihn bei einer späteren Gegenüberstellung wiedererkennen zu können.

Seine Augen glühten immer noch rot, obwohl das wahrscheinlich eine Illusion war, die durch ihre Furcht hervorgerufen wurde, da es bei diesem Winkel unmöglich war, dass sich Licht in seinen Iris spiegelte. Tiefe Furchen verliefen auf seiner Stirn und sein Mund formte eine grimmige Linie. Sein dunkles Haar war struppig und sein Gesicht glatt rasiert. Er hatte markante hohe Wangenknochen, aber keine anderen Kennzeichen, die ihn einfach zu identifizieren machten.

Plötzlich hörte sie, wie sich hinter dem Rücken ihres Angreifers die Tür öffnete und ihr Blick schnellte weg von seinem Gesicht dorthin.

Ein weiterer Mann, einer, der genauso groß war wie ihr Angreifer, stürmte auf sie zu.

Verdammt! Könnte sie noch mehr Pech haben? Der Einbrecher war nicht alleine gekommen. Er hatte einen Komplizen dabei. Jetzt gab es zwei von ihnen.

4

Blake stürzte sich auf den Angreifer. Er hatte den Schrei einer Frau aus Hannahs Wohnung kommen hören, gerade als er das Schloss an ihrer Tür knackte.

Es bestand kein Zweifel, dass der Mann ein Vampir war. Genauso wie es offensichtlich war, dass die Frau, die angegriffen wurde, nicht Hannah war, sondern eine Blondine in einem knappen Outfit, deren nackte Beine unter ihrem Angreifer hervorragten.

Blake packte den Kerl an den Schultern und riss ihn von seinem Opfer. Der feindselige Vampir drehte sich böse knurrend um, doch Blake vergeudete keine Zeit und schlug dem Mann ins Gesicht. Dieses kippte einen Augenblick zur Seite, bevor es zurückschnellte. Verärgert darüber, dass er bei seinem Vergnügen unterbrochen worden war, schlug das Arschloch zurück.

Da er die Schläge des Angreifers abwehren musste, hatte Blake keine Chance, sich zu versichern, dass die Frau unverletzt war. Er hörte nur ihre verängstigen Schreie und sah, dass sich am Rande seines Blickfelds etwas Rosarotes bewegte. Aber er durfte sich nicht ablenken lassen, damit er seinen Angreifer weiter im Zaum halten konnte. Der Fremde hatte einen Vorteil gegenüber Blake, denn er war massiver gebaut, auch wenn seine Kampftechnik weniger raffiniert war. Darin hatte Blake die Oberhand. Trotzdem schaffte es der Kerl, ein paar kleinere Treffer zu landen.

Als die Faust des Mistkerls wieder auf ihn zukam, duckte sich Blake weg und rammte ihn gegen das Bücherregal. Bücher und Firlefanz fielen zu Boden, aber der Vampir gab nicht auf. Er packte die Stehlampe zu seiner Linken und warf sie auf Blake, der sich duckend auswich, sodass sie harmlos gegen die Wand knallte.

Doch der Angreifer ließ nicht nach. Er drückte sich vom Bücherregal weg und griff nach einem Stuhl, auf dem ein Stapel Zeitschriften lag. Blake wusste genau, was der Kerl mit dem Stuhl – dem hölzernen Stuhl – vorhatte. Doch er hatte nicht vor, ihm die Gelegenheit dazu zu geben.

„Netter Versuch, Kumpel!“, knurrte Blake und sprang auf, wobei er dem Angreifer den Stuhl aus der Hand schlug, bevor dieser ihn gegen die Wand schlagen und sich einen Pflock daraus machen konnte. Als Blake ausholte, um seinem Gegenüber einen Schlag an den Kopf zu verpassen, traf ihn eine geballte Faust im Magen. Er klappte einen Sekundenbruchteil lang zusammen.

Aber er hatte schon Schlimmeres erlebt. Scanguards hatte ihn gut im Nahkampf ausgebildet. Niemand würde ihn so einfach besiegen, nicht einmal ein Vampir, der gute fünfzehn Kilo mehr wog als er.

Er tauschte weiter Schläge mit dem Angreifer aus und wich so vielen direkten Treffern wie möglich aus, auch wenn der Vampir ein paar gutplatzierte Hiebe landete. Doch auch Blake traf sein Gegenüber im Gesicht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis beide trotz des Menschen im Raum ihre Fangzähne offenbaren würden. Da ihm unklar war, ob die Frau wusste, was sie waren, wollte er diese Komplikation vermeiden.

Das spornte ihn an, noch härter gegen den feindlichen Vampir vorzugehen, und so benutzte er seine Beine, um einige heftige Tritte auszuteilen, Tritte, die er bei verschiedenen asiatischen Kampfkunstdisziplinen gelernt hatte. Aber der Angreifer wollte nicht zu Boden gehen. Er griff immer wieder an und schlug und trat immer wilder zu, als würde der Kampf ihm Energie geben. Mit gewöhnlichen Methoden würde er nicht aufzuhalten sein. Nur ein Pflock oder eine silberne Kugel würde diesen entschlossenen Idioten erledigen. Aber das war gerade keine Option, insbesondere, da er den Kerl lebendig wollte.

Blake knirschte mit den Zähnen und ging an seine Reserven. Er prügelte mit vampirischer Stärke und Geschwindigkeit auf den Angreifer ein. Als Antwort darauf wurde der Vampir noch wilder. Seine Augen glühten jetzt rot.

Ein schriller Schrei von der Frau im Zimmer lenkte Blake einen Sekundenbruchteil lang ab. Hatte sie die glühenden Augen des Angreifers gesehen?

Ein Faustschlag gegen seine Schläfe ließ Blake zurücktaumeln. Blake holte aus und zielte auf das Kinn des feindlichen Vampirs, doch als er wieder nach vorne trat, um all sein Gewicht gegen seinen Gegner einzusetzen, verhedderte sich sein Fuß in irgendetwas und er rutschte aus. Er fing sich schnell wieder und sprang zurück, doch der andere Vampir eilte bereits zur offenen Küchentür.

Hektisch entwirrte Blake seinen Fuß aus dem Stromkabel der Lampe, in dem er sich verfangen hatte, und raste ihm hinterher. Die Küche war klein und eine zweite Tür führte zurück zum Flur. Der Eindringling bewegte sich dorthin, aber Blake riss ihn zurück und wirbelte ihn herum.

Bevor Blake jedoch einen Schlag austeilen konnte, stemmte sich sein Gegenüber gegen den Küchentresen und trat mit beiden Beinen in Blakes Bauch, sodass er zu Boden geworfen wurde. Das gab dem feindseligen Vampir genug Zeit, um über die Spüle zu klettern und aus dem offenen Fenster zu springen.

Blake war bereits wieder auf den Beinen und eilte in Richtung des Fensters, als ihn etwas Hartes von der Seite traf. Kurz desorientiert, drehte er den Kopf zur Tür, wo die knapp bekleidete Frau mit einem Föhn in der Hand stand.

„Scheiße!“, fluchte er und sprang auf den Tresen und zum Fenster. Doch als er hinausblickte, war der Vampir bereits fünfzig Meter vom Gebäude entfernt und sprang auf ein Motorrad.

Augenblicke später raste er davon. Trotz der vampirischen Fähigkeit, in der Nacht sehen zu können, konnte Blake das Nummernschild nicht lesen: Es war mit Schmutz bedeckt.

„Fuck“, fluchte er und schlug mit der Faust gegen die Wand, bevor er heruntersprang und sich zu der Frau umdrehte. „Warum zum Teufel hast du mich mit diesem Ding geschlagen? Ich hätte ihn erwischt!“

Sie hob ihr Kinn. „Hättest du nicht! Er hat dir die Scheiße aus dem Leib geprügelt. Ich habe dir geholfen!“

„Ja, du warst eine große Hilfe!“, knurrte er. „Du hättest dich raushalten sollen.“

„Oh ja? Und das Fräulein in Nöten spielen sollen?“, nörgelte sie.

Wütend trat er auf sie zu. „Du warst ein Fräulein in Nöten.“

Er atmete tief ein und sah sie zum ersten Mal richtig an. Ja und was für ein überaus schönes Fräulein sie war. Fuck, er hatte es zuerst nicht einmal bemerkt. Aber jetzt tat er das mit Sicherheit.

Sie war naturblond und ihr Haar hatte die Farbe von Weizen. Es fiel wellig über ihre Schultern und berührte die Haut ihres entblößten Ausschnitts, wo ihr rosafarbener Bademantel offenstand. Unter dem Stoff hoben sich ihre Brüste aufgrund ihrer schweren Atmung, möglicherweise wegen der Anstrengung, die es sie gekostet hatte, ihn zu schlagen, und ganz gewiss von der Wut über seinen Vorwurf. Nun, er hatte nichts gegen den Anblick. Eigentlich rein gar nichts. Sie war wirklich eine Augenweide. Nicht zart, nicht fragil, sondern groß und athletisch.

Seine Augen wanderten weiter nach unten. Der Bademantel reichte nur bis zur Mitte ihrer Oberschenkel und die Beine, die er jetzt bewunderte, waren schlank und etwas blass, vermutlich wegen mangelnder Sonne. Aber er konnte sich vorstellen, dass ihre Haut im Sommer bronzefarben werden und die Sonne ihr goldenes Haar akzentuieren würde. Unfreiwillig verlagerte er sein Gewicht, da die plötzliche Enge in seiner Hose ihn zwang, eine bequemere Position zu finden, bevor die Schönheit vor ihm bemerkte, dass er allmählich eine Latte bekam – und dass das ihre Schuld war.

Ein Schnauben ließ seinen Blick zu ihrem Gesicht wandern. Ihre kornblumenblauen Augen musterten ihn mit kaum verborgenem Misstrauen. Er könnte sich in ihren Tiefen verlieren, wenn sie ihn damit nicht so argwöhnisch anblicken würde.

„Wer bist du und was machst du hier?“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Du meinst abgesehen davon, deinen süßen Hintern vor diesem Mistkerl zu retten?“ Er deutete zum Fenster.

Ein wenig Farbe stieg in ihre Wangen. „Ja, abgesehen davon.“

„Ich könnte dich dasselbe fragen. Denn du bist sicher nicht Hannah. Und das ist ihre Wohnung. Also, was machst du hier?“

„Das sagt der Richtige!“, entgegnete sie schnippisch. „Du brichst hier ein und fragst mich, was ich hier tue?“

Unfreiwillig zeigte er in Richtung der Eingangstür. „Weiß Gott, was der Kerl mit dir gemacht hätte, wenn ich die Tür nicht eingetreten hätte. Du hast um Hilfe gerufen, also entschuldige bitte, wenn ich verdammt noch mal nicht geklingelt habe!“ Verdammt, diese Frau konnte ihn wütend machen!

Sie atmete ein, aber anstatt eine weitere Beleidigung loszulassen, schien sie sich zu beruhigen. „Es tut mir leid, aber es ist so viel geschehen und ich glaube, ich bin etwas aufgebracht. Ich meine, dieser Einbrecher ... es ist ja nicht so, als hätte ich nicht schon genug Probleme.“

Ein Einbrecher? Dafür hielt sie diesen Vampir? Fürs Erste würde er sie in dem Glauben lassen, aber er war sich fast sicher, dass der Angreifer etwas damit zu tun hatte, dass Hannah nicht zur Arbeit erschienen war. Wäre der Fremde ein Mensch gewesen, dann hätte er sicherlich ein gewöhnlicher Einbrecher sein können. Aber ein Vampir, wenn Hannah mit Vampiren zu tun hatte? Das war ein zu großer Zufall.

Langsam nickte er. Zumindest war die Frau jetzt nicht mehr streitsüchtig. Damit könnte er arbeiten. „Du bist eine Freundin von Hannah?“

„Lilo. Ihre beste Freundin aus der Heimat. Wohnst du hier in diesem Gebäude?“

„Nein. Ich bin ein Freund. Hannah und ich arbeiten für dieselbe Firma. Verschiedene Abteilungen.“ Er streckte seine Hand aus. „Ich bin Blake.“

Lilo zögerte, dann nahm sie den Föhn in die andere Hand und schüttelte seine. „Sie hat dich nie erwähnt.“

„Sie hat dich auch nie erwähnt.“ Aber er hatte keinen Grund zu glauben, dass Lilo log. „Hast du sie gesehen?“

Lilo blinzelte, bevor sie antwortete. „Nein. Das Apartment war leer, als ich heute Abend ankam.“

Blake blickte sich um. „Sie ist nicht zur Arbeit gekommen. Sie hat sich nicht krank gemeldet. Das ist nicht ihre Art. Wir machen uns Sorgen.“

„Genau wie ich. Deshalb bin ich hergeflogen. Ich glaube, dass ihr etwas zugestoßen ist.“ Plötzlich sackte sie gegen den Türrahmen zurück und die Luft verließ ihre Lunge.

Instinktiv griff Blake nach ihr, aber sie drehte sich weg und ging ins Wohnzimmer.

„Sorry, ich wollte nicht ...“, fing er an. Er fuhr mit einer Hand durch sein Haar. „Ich hatte nicht die Absicht, dich zu verängstigen. Ich glaube, dafür hat dieser Einbrecher schon genug gesorgt. Bist du in Ordnung?“

Sie zwang sich zu einem schwachen Lächeln, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin nicht in Ordnung. Meine Freundin ist verschwunden. Ihr Hund ebenfalls. Und sie geht nicht an ihr Handy. Ihre Mutter ist zu Tode besorgt.“ Sie zog den Bademantel enger um ihren Oberkörper. „Und ich muss eine Vermisstenmeldung einreichen.“

„Darum kann ich mich kümmern“, bot er an, obwohl er nicht die Absicht hatte, zur Polizei zu gehen. Dies war eine Vampirangelegenheit. Es war seine oberste Priorität, sich persönlich um Hannahs Verschwinden zu kümmern; er wollte die Polizei nicht einschalten.

Sie schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Ich muss zur Polizei gehen. Das schulde ich ihr. Es ist meine Schuld, dass sie verschwunden ist.“

Blake trat instinktiv näher. „Was? Wieso ist das deine Schuld?“

Lilos wunderschönes Gesicht nahm einen schmerzerfüllten Ausdruck an. „Sie hat mir eine Nachricht hinterlassen, dass sie mit mir reden müsste. Etwas beunruhigte sie und ich habe nicht geantwortet. Ich war zu beschäftigt.“

„Und das macht es zu deiner Schuld?“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist lächerlich.“

Lilo zitterte plötzlich und er bemerkte, dass ihr die kalte Luft, die durchs Küchenfenster hereinströmte, zu schaffen machte. Er drehte sich um und schloss es, dann führte er sie zur Couch im Wohnzimmer.

Sie hob die Augen und ihr Blick kollidierte mit seinem. „Ich hätte sie zurückrufen sollen, als sie mich brauchte. Es ist meine Schuld.“

5

„Bitte setz dich. Du stehst unter größerem Schock, als ich gedacht habe.“

Die Stimme ihres Retters war tief und melodisch und ließ Lilo erneut zittern. Ihr wurde in diesem Moment klar, dass sie ihm noch nicht einmal gedankt hatte. Stattdessen hatte sie ihn beschimpft und war ihm mit Misstrauen begegnet. Er jedoch stand einfach da und nahm ihr den Föhn aus der Hand. Er legte ihn beiseite und führte sie behutsam zur Couch, so als wäre sie ein sehr zartes Wesen und könnte jeden Augenblick zusammenbrechen. Und vielleicht würde sie das auch. Sie war keiner der mutigen Charaktere aus ihren Büchern, die täglich mit Verbrechen zu tun und vor nichts Angst hatten.

„Ich bin –“

„Was ist hier los?“, ertönte eine männliche Stimme, die von der Eingangstür kam.

Lilo drehte ihren Kopf in deren Richtung. In der offenen Tür stand ein Mann mittleren Alters, der einen Pyjama und einen langen dunkelgrünen Bademantel trug. Er spähte in die Wohnung.

Blake ging bereits auf ihn zu. „Keine Sorge. Es ist schon wieder alles in Ordnung.“ Er erreichte die Tür und blockierte ihr die Sicht, als er seine Unterhaltung mit dem besorgten Nachbarn fortführte, wobei er so leise sprach, dass sie nichts verstehen konnte.

Einen Augenblick später wandte sich Blake um und schloss die Tür hinter sich. Sie waren wieder alleine.

Mit selbstsicheren Schritten kam er auf sie zu und sie nutzte die Gelegenheit und musterte ihn. Er war etwas über einsachtzig groß und athletisch. Seine Haare waren dunkel, seine Augen azurblau. Er hatte ein starkes, kantiges Kinn und eine lange, gerade Nase. Unter seinem Poloshirt konnte sie sehen, wie sich seine Brustmuskeln anspannten.

Er war gut aussehend; sehr sogar. Vermutlich Anfang dreißig. Etwas urwüchsig, und das auf romantische Weise. Und er sah genauso aus, wie sie sich Morgan West, den Kopfgeldjäger aus ihrer Mystery-Reihe, immer vorgestellt hatte.

Sie schüttelte den Kopf, um wieder in die Realität zurückzukehren. Ausnahmsweise lebte sie nicht in einem ihrer Bücher. Das hier war das echte Leben. Eine echte Gefahr. Und dieser Mann hatte sie aus einer echten Bedrohung gerettet.

„Ich habe dir noch nicht einmal gedankt“, begann sie.

Er stoppte vor ihr, setzte sich auf die Kante des alten hölzernen Couchtisches und grinste. „Nicht nötig. Ich bin nur froh, dass du aufgehört hast, auf mich einzuschlagen.“

Sie zuckte unwillkürlich zusammen. „Ich habe dich nur einmal geschlagen. Und das war aus Versehen. Ich wollte den anderen Kerl erwischen. Es tut mir leid.“

„Vergiss es.“ Er beugte sich etwas näher. „Erzähl mir, was passiert ist.“

Lilo zog an dem Bademantel, den sie sich von Hannah geborgt hatte. „Ich hatte mich nach dem Flug schnell geduscht und wollte mich fertigmachen, um zur Polizei zu gehen, als ich etwas hörte. Ich dachte, es wäre ein Einbrecher. Also wollte ich ihn verscheuchen, bevor er mich beklauen könnte.“

„Ihn verscheuchen? Warum hast du nicht den Notruf gewählt?“

„Das wollte ich ja auch zuerst.“ Sie zeigte auf den Sessel, wo der Inhalt ihrer Handtasche verstreut lag. Ihr Telefon konnte sie unter den Sachen immer noch nicht entdecken. „Aber ich konnte mein Handy nicht finden. Ich glaube, er hat es genommen, bevor er in die Küche gegangen ist. Und dann hat er mich gehört und es war zu spät.“ Sie zitterte. „Ich weiß nicht, was er getan hätte.“

Blake presste die Lippen zusammen und nickte stirnrunzelnd. „Gut, dass ich rechtzeitig hier war. Tja, du ziehst dich lieber an und packst deine Sachen. Hier kannst du nicht bleiben.“ Er stand auf.

Sie schoss von der Couch hoch. „Ich kann nicht einfach gehen. Ich muss hierbleiben. Was, wenn Hannah zurückkommt? Da mein Handy weg ist, kann sie mich nicht erreichen.“

„Es ist hier nicht mehr sicher.“ Der scharfe Ton in seiner Stimme tolerierte keinen Widerstand.

Und reizte sie deshalb sofort. „Wegen eines Einbrechers? Das passiert in großen Städten dauernd. Ich bin kein Landei, das –“

„Damit hat das nichts zu tun“, unterbrach er sie und blickte sie finster an. „Das war kein zufälliger Einbruch. Der Kerl wird zurückkommen. Und ich will nicht, dass du hier bist, wenn das geschieht.“

Ihr Herz fing an zu donnern und ein Gedanke irgendwo tief in ihrem Verstand versuchte, an die Oberfläche zu gelangen. „Wieso denkst du, dass er zurückkehrt?“

„Ich arbeite in einer Securityfirma. Für so etwas habe ich ein Bauchgefühl. Vertrau mir. Dieser Kerl hat etwas Spezielles gesucht.“ Er zeigte auf den Inhalt ihrer Handtasche. „Warum dein Handy stehlen, aber nicht deine Geldbörse? Welcher Einbrecher lässt denn Bargeld oder Kreditkarten zurück?“

Lilo folgte seiner Geste. Er hatte recht; ihre Geldbörse lag offen auf dem Sessel. Sie konnte sehen, dass das Geld immer noch drinnen war. Und dann erinnerte sie sich an etwas, das der Einbrecher zu ihr gesagt hatte, während er sie auf die Couch gedrückt hatte.

„Er hat mich gefragt, wo es ist“, sagte sie laut.

„Wo was ist?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wovon er gesprochen hat. Er hat mich auf die Couch gedrückt und gesagt: Wo ist es? Das ist alles. Dann bist du gekommen.“

„Hattest du etwas Wertvolles bei dir?“

„Nein. Nur meinen Laptop, mein Handy, das ich nicht finden kann, und meine Geldbörse. Ich habe keinen Schmuck dabei. Nichts, was für jemand anderen von Wert wäre. Ich habe nicht viel mitgenommen.“

Blake nickte und blickte sich um. Seine Augen fielen auf den Computer auf dem Tisch. „Ist das deiner?“

„Nein. Der gehört Hannah. Ich wollte ihre E-Mails checken, aber er ist passwortgeschützt.“

„Schon gut. Wir nehmen ihn mit. Ich werde nachsehen, ob sie ihr Handy oder irgendetwas anderes dagelassen hat, das uns einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort geben könnte. In der Zwischenzeit ziehst du dich an und packst deine Sachen. Du kommst mit mir mit.“ Seine Stimme war kommandierend, so als wäre er es gewohnt, dass seinen Befehlen ohne Protest Folge geleistet wurde.

„Aber ich muss zur Polizei und Hannah als vermisst melden.“

Einen Augenblick lang sah er sie nur an und studierte ihr Gesicht. Dann seufzte er. „Gut. Wir statten der Polizei auf dem Weg einen Besuch ab.“

Sie zögerte und zog instinktiv ihren Bademantel enger um sich. „Ich kenne dich nicht ...“

„Das verstehe ich. Aber wenn ich dir etwas antun wollte, hätte ich das schon tausendmal tun können.“

Sie blickte in seine blauen Augen und sah die Aufrichtigkeit darin. Langsam nickte sie. Er hatte recht. „Okay, gib mir fünf Minuten, um meine Sachen zusammenzusammeln.“

Und um sich zu beruhigen und sich von dem Schock des Angriffs zu erholen – sowie der Rettung durch einen Mann, der das Herz jeder Frau zum Flattern bringen konnte. Selbst ihres.

6

Während Lilo sich im Badezimmer anzog, nutzte Blake die Zeit weise und suchte die Wohnung nach allem ab, was helfen könnte, Hannahs Aufenthaltsort zu finden. Er verschickte auch schnell eine SMS.

Jetzt hievte er Lilos Gepäck in den Kofferraum seines Aston Martin, ein Geschenk seiner Ururururgroßeltern Rose und Quinn, nachdem er vier Jahre zuvor seinen BMW geschrottet hatte. Sie wollten ihn damit necken. Schließlich hatte er sich in seinen Zwanzigern als sein britischer Namensvetter, Bond, gesehen und versucht, Mädchen mit der für 007 unverkennbaren Begrüßung aufzureißen. Wie armselig er damals gewesen war. Jetzt war er so viel mehr – mehr als er sich je erträumt hatte. Ein Mitglied einer Gruppe von Vampiren, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Unschuldige zu beschützen.

Blake legte Hannahs Laptop und ihr Tablet in eine Tasche neben Lilos Gepäck. Er hatte Hannahs Handy nicht gefunden, was sich als gute Neuigkeit herausstellen könnte. Wenn sie es bei sich hatte und es eingeschaltet war, würde es einfach sein, sie zu finden – die Vüber-App hatte ein integriertes GPS. Er würde nicht einmal seine IT-Jungs kontaktieren müssen, um ihr Telefon aufzuspüren.

Blake ging um den Wagen herum und stieg auf der Fahrerseite ein. Lilo saß bereits auf dem Beifahrersitz. Er entsperrte sein Handy und öffnete die Vüber-App. Als leitendes Mitglied von Scanguards hatte er eine Administratorversion der App auf dem Handy, die ihm erlaubte, die verschiedenen Vüber-Fahrer zu lokalisieren und sie mit Namen zu identifizieren, etwas, was ein normaler User nicht tun konnte, damit die Anonymität der Fahrer gewahrt blieb.

„Was machst du?“

Er blickte Lilo an, bevor er auf die App tippte und Hannahs Namen eingab.

„Auf Hannahs Handy ist eine App, die zeigt, wo sie gerade ist, sodass die Leute, die sie für eine Fahrt mieten wollen, wissen, wie nahe sie ist.“

„Sie hat mir gesagt, dass sie als Fahrerin arbeitet. Ist das ein Konkurrenzunternehmen von Uber?“

„Nicht wirklich. Vüber operiert nur tagsüber.“

Lilo runzelte die Stirn. „Warum? Das scheint mir kein gutes Geschäftsmodell zu sein.“