Hüter der Nacht (Band 5 - 7) - Tina Folsom - E-Book

Hüter der Nacht (Band 5 - 7) E-Book

Tina Folsom

5,0

Beschreibung

Dieser Sammelband enthält die folgenden Bände: Band 5 – Verlockender Unsterblicher Band 6 – Übersinnlicher Retter Band 7 – Unwiderstehlicher Dämon Verlockender Unsterblicher Der Hüter der Nacht Manus ist beauftragt, die Tochter einer ermordeten Emissarius von weiteren Ermittlungen über den Mord an ihrer Mutter abzuhalten, um zu verhindern, dass sie unbeabsichtigt die Existenz der Dämonen und der Hüter der Nacht aufdeckt. Doch Kim sucht nach Antworten und genau diese werden sie auf einen Kollisionskurs mit den Dämonen lenken, gegen die sie nicht gewappnet ist. Übersinnlicher Retter Als eine Hellseherin Pearce warnt, dass er von der menschlichen Frau Daphne ermordet werden wird, macht er sich auf die Suche nach ihr, um die Zukunft zu verändern. Nach einer Karriere als Hackerin und mehreren Zusammenstößen mit dem Gesetz versucht Daphne als Analytikerin für Cyber-Security auf der rechten Bahn zu bleiben. Doch als ihr Bruder mit einem Kredithai in Schwierigkeiten gerät, ist sie gezwungen, ihre Fähigkeiten zu nutzen, um seine Schuld zu tilgen – eine Tat, die sie auf Kollisionskurs mit den Hütern der Nacht und deren Erzfeinden, den Dämonen der Angst, leitet. Die Mission, die Daphne davon abhalten soll, Pearce zu töten, verwandelt sich schnell in einen Wettlauf gegen die Zeit, um zu verhindern, dass der Schlüssel zur sicheren Vernichtung der Hüter der Nacht und der gesamten Menschheit in die Hände der Dämonen fällt. Unwiderstehlicher Dämon Zoltan, der Herrscher der Dämonen der Angst, unternimmt einen letzten Versuch, die Hüter der Nacht ein für alle Mal zu zerstören. Dieses Mal macht er vor nichts halt, und so tarnt er sich und verführt Enya, die Hüterin der Nacht, die er schon seit langem begehrt. Allerdings muss er schockiert feststellen, dass selbst ein mächtiger Dämon wie Zoltan von einer Frau in die Knie gezwungen werden kann. Doch kann es für die Liebe zwischen zwei Todfeinden jemals eine Zukunft geben? Lara Adrian, New York Times Bestseller Autorin der Midnight Breed Serie: "Bereiten Sie sich auf eine wilde Fahrt vor! Die Hüter der Nacht sind die Einzigen, die zwischen der Menschheit und der Dämonen stehen, die versuchen, die Welt zu beherrschen. Für rasante paranormale Liebesromane, bei denen viel auf dem Spiel steht, sollten Sie unbedingt Tina Folsom zu Ihrer Pflichtlektüre hinzufügen!" Über die Serie Die unsterblichen Hüter der Nacht können sich unsichtbar machen und schützen die Menschen seit Jahrhunderten vor der dunklen Macht der Dämonen der Angst. Die Hüter leben in Komplexen, die für Menschen und Dämonen gleichermaßen unsichtbar sind, aber die Gefahr ist nie weit entfernt. Nur die Hüter der Nacht stehen zwischen der Menschheit und den bösen Plänen der Dämonen, die Menschheit zu unterwerfen. Während sie die Menschen vor den Dämonen und ihrem bösen Anführer Zoltan, dem Großmächtigen, beschützen, müssen die Hüter ihr eigenes Leben riskieren, um ihre Mission zu erfüllen, ohne dass die Menschen herausfinden, wer sie sind. Doch nicht alles läuft nach Plan. Und selbst unsterbliche Hüter können sich verlieben. Hüter der Nacht Band 1 – Geliebter Unsichtbarer Band 2 – Entfesselter Bodyguard Band 3 – Vertrauter Hexer Band 4 – Verbotener Beschützer Scanguards Vampire Band 1 - Samsons Sterbliche Geliebte Band 2 - Amaurys Hitzköpfige Rebellin Band 3 - Gabriels Gefährtin Band 4 - Yvettes Verzauberung Band 5 - Zanes Erlösung Band 6 - Quinns Unendliche Liebe Band 7 – Olivers Versuchung Band 8 – Thomas' Entscheidung Band 8 1/2 – Ewiger Biss Band 9 – Cains Geheimnis Band 10 – Luthers Rückkehr Band11 – Blakes Versprechen Band 11 1/2 – Schicksalhafter Bund Band 12 – Johns Sehnsucht Novelle – Brennender Wunsch Band 13 – Ryders Rhapsodie Band 14 - Damians Eroberung

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HÜTER DER NACHT

BAND 5 - 7

TINA FOLSOM

INHALT

Verlockender Unsterblicher

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Übersinnlicher Retter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Unwiderstehlicher Dämon

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Lesereihenfolge

Auch in dieser Serie

Andere Bücher von Tina

Über die Autorin

VERLOCKENDER UNSTERBLICHER

HÜTER DER NACHT - BAND 5

KURZBESCHREIBUNG

Der Hüter der Nacht Manus ist beauftragt, die Tochter einer ermordeten Emissarius von weiteren Ermittlungen über den Mord an ihrer Mutter abzuhalten, um zu verhindern, dass sie unbeabsichtigt die Existenz der Dämonen und der Hüter der Nacht aufdeckt. Doch Kim sucht nach Antworten und genau diese werden sie auf einen Kollisionskurs mit den Dämonen lenken, gegen die sie nicht gewappnet ist.

* * *

Copyright © 2019 Tina Folsom

Lektorat: Birgit Oikonomou

Für meine Mutter

Du hast mich zu früh verlassen. Ich vermisse dich.

PROLOG

Kim schloss die Augen, drehte ihr Gesicht zum Duschkopf und ließ das warme Wasser die Seife wegwaschen. Der Wasserdruck war nicht so stark, wie sie es von ihrer Eigentumswohnung gewöhnt war, denn schließlich war ihr Elternhaus, das Kims Mutter nun allein bewohnte, ein betagtes Haus mit alternden Rohren, knarzenden Treppen und jeder Menge Persönlichkeit. Ihre Wohnung in dem um die Jahrhundertwende errichteten Lagerhaus, das in Eigentumswohnungen umgebaut worden war, wurde gerade einer Renovierung unterzogen, nachdem der Bewohner über ihr fahrlässig einen Wasserschaden verursacht und dabei mehrere Stockwerke beschädigt hatte.

Kim hatte sich dafür entschieden, bei ihrer Mutter zu bleiben, während die Arbeiten in ihrer Eigentumswohnung über die Bühne gingen, anstatt bei ihrem Verlobten Todd einzuziehen. Todd war über ihre Entscheidung erstaunt gewesen. Ihre Ausrede, dass der Weg von seinem Haus in der Vorstadt bis zum Sitz des Internetnachrichtenblogs, wo sie als Journalistin arbeitete, zu lange war, hatte ihn nicht wirklich überzeugt.

„Du arbeitest doch die halbe Zeit sowieso nicht im Büro“, hatte Todd behauptet.

Und damit hatte er auch recht.

Trotzdem hatte sie sich nicht von ihm überreden lassen, bei ihm zu wohnen, und war stattdessen wieder in ihr altes Zimmer zuhause eingezogen. Vielleicht war das ein Zeichen, dass ihre Beziehung in eine Richtung ging, für die sie noch nicht bereit war. Obwohl sie verlobt waren, hatten sie noch kein Datum für die Hochzeit festgelegt. Die Tatsache, dass ihr das nichts ausmachte, machte sie vermutlich nicht zur Vorzeigeverlobten. Sie sollte Brautzeitschriften durchblättern und ihre perfekte Hochzeit planen, doch dafür konnte sie nicht die richtige Stimmung aufbringen.

Zu Kims Überraschung hatte ihre Mutter dieses Thema erst vor ein paar Tagen bei einem Glas Wein angeschnitten.

„Vielleicht ist Todd nicht der richtige Mann für dich.“

„Mom? Bist du betrunken? Du vergötterst doch Todd.“

„Natürlich, aber tust du das auch?“, hatte ihre Mutter so schnell erwidert, dass Kim verstummt war.

Sie war nicht in der Lage gewesen, diese Frage zu beantworten. Und selbst jetzt, mehrere Tage später, hatte sie immer noch keine Antwort. Nicht dass ihre Mutter sie genötigt hätte, ihr zu antworten. Vielleicht war die Frage auch nur eine Übung zur Gedankenanregung gewesen, ein Spiel, das ihre Mutter immer mit Kim gespielt hatte, als sie noch ein Teenager war. Ein Spiel, das ihre Wissbegierde angetrieben und sie gelehrt hatte, nie etwas ungeprüft zu akzeptieren.

Kim seufzte und drehte das Wasser ab. Sie schob den Duschvorhang zurück und griff nach dem Badetuch, als sie von unten einen dumpfen Schlag hörte. War ihre Mutter nach Hause gekommen?

Instinktiv riss sie das Badetuch vom Halter und drückte es an ihren Körper.

„Mom?“

Sie erwartete keine Antwort. Wenn ihre Mutter wirklich unten war, würde sie Kim nicht aus dem Bad nach ihr rufen hören. Nicht durch die geschlossene Tür. Kim schüttelte den Kopf. Sie war so an ihre Eigentumswohnung gewöhnt mit dem offenen Wohnbereich und Zwischenwänden, die nicht schalldicht waren.

Noch ein dumpfer Schlag, gefolgt von zersplitterndem Porzellan oder Glas, sandte ihren Herzschlag in die Stratosphäre. Sie warf das Handtuch auf den Wäschekorb, schnappte sich ihren Bademantel vom Haken an der Tür und öffnete diese auch schon.

„Mom, was ist los?“, rief sie in Richtung Treppe und eilte darauf zu.

Grunzgeräusche drangen von dort herauf, dann folgte ein schriller Schrei.

Panik durchfuhr sie. Hatte ihre Mutter irgendeine Art von Anfall?

„Mom, ich komme schon!“

Kim raste die Treppe hinunter und musste sich am Handlauf festhalten, damit sie mit ihren nassen Füßen nicht ausglitt. Sie verpasste die letzte Stufe und rutschte auf dem Treppenansatz aus. Sie wäre gegen die geschlossene Eingangstür gedonnert, hätte sie sich nicht an das alte Mahagonigeländer geklammert.

Ein Rauschen ließ sie ihren Kopf nach rechts reißen, wo ein Bogen ins Wohnzimmer führte. Kim erstarrte. Der Teil des Wohnzimmers, den sie von hier aus sehen konnte, war ein Chaos. Zerbrochenes Porzellan war auf dem Teppich verstreut, eine Lampe lag auf dem Boden, der Wohnzimmertisch war umgekippt. Obwohl sie all diese Dinge bemerkte, war ihr Fokus jedoch auf etwas ganz anderem.

Dort wo der Wohnzimmertisch gewesen war, wirbelte eine Masse aus Rauch in einem Kreis. Jedoch gab es kein Feuer. Keine Hitze. Keinen Geruch. Nur Rauch oder schwarzer Nebel, der herumwirbelte wie ein Tornado oder ein schwarzes Loch. Allerdings kein senkrechter Tornado, sondern ein waagerechter. Und in dessen Mitte sah sie ein Bein verschwinden, als wäre jemand in das Nebelloch hineinmarschiert.

Kim sog einen Atemzug ein und fröstelte gleichzeitig, denn sie verspürte nun die Kälte dieses sonderbaren Phänomens. Sie machte einen Schritt darauf zu und die wirbelnde Masse schrumpfte. Noch einen Schritt und sie schrumpfte noch mehr, als würde der Nebel ins Nichts gezogen. Eine Sekunde später war der Wirbel spurlos verschwunden. Erst jetzt enthüllte er, was er zuvor verborgen hatte.

Ihre Mutter.

Sie lag ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo die mysteriöse Tornado-ähnliche Masse erschienen war.

Kim eilte auf sie zu und ging in die Hocke. „Mom! Mom!“

Sie bekam keine Antwort.

„Nein! Oh bitte, nein!“

Sie blickte in das blasse Gesicht ihrer Mutter, berührte ihre Haut, suchte nach einem Puls.

Kims Herz schlug ihr bis in die Kehle. Es war das einzige Herz im Raum, das schlug. Denn das ihrer Mutter hatte aufgehört zu schlagen.

Sie ergriff die Schultern ihrer Mutter und schüttelte sie. Ihr Kopf rollte zur Seite und ihre langen Haare entblößten ihren Hals. Da sah Kim, warum das Herz ihrer Mutter nicht mehr schlug, warum ihre Lunge keinen Atemzug mehr einsog. Würgemale.

Etwas Feuchtes tropfte auf den Hals ihrer Mutter. Eine Träne. Kims Träne. Eine weitere folgte, bis kleine Bächlein Kims Gesicht hinabströmten, entlang ihrer Nase hinabliefen, bis sie das Salz auf ihrer Zunge kosten konnte. Ein Gefühl der Benommenheit nahm sie ein. Oder war es Verzweiflung? Trauer? Schmerz? Wut? Was auch immer es war, es hallte in ihr wider und stellte immer wieder dieselbe Frage: Wer oder was hatte ihre Mutter getötet? Wer oder was hatte ihr Leben auf so grausame Weise ausgelöscht?

* * *

Zoltan schlug seinem Untertan Frederic ins Gesicht. “Du hast was getan?”

„Sie wollte nichts sagen.“ Der Feigling senkte seinen Kopf, zu verängstigt, seinem Gebieter in die Augen zu sehen. Und das sollte er auch sein, denn was er getan hatte, forderte Bestrafung. Schwere Bestrafung.

Sie waren alleine in Zoltans Arbeitszimmer in der Unterwelt, dem enormen System aus Höhlen und Tunneln, das die Dämonen der Angst ihr Heim nannten und tagtäglich erweiterten. Der Geruch von Schwefel war in den Tunneln stark, doch in den Höhlen, die Zoltan für sich selbst ausgewählt hatte, roch es weniger ätzend. Aus irgendeinem Grund hasste er schon immer den Geruch in der Unterwelt, obwohl er durch und durch Dämon war. Und nicht nur das: Er war der stärkste, der wildeste, der brutalste und der unbarmherzigste von allen. Denn das musste er als ihr Gebieter sein, als der Großmächtige, der Herrscher der Unterwelt. Nur unbarmherzige Männer konnten die Welt regieren. Alle anderen würden unter deren Gewicht zusammenbrechen.

„Natürlich wollte sie nichts sagen.“ Zoltan schnappte seinen Untertan am Hals und fing an, ihm die Kehle zuzudrücken. „Würdest du sprechen, wenn du erdrosselt würdest?“

Der Schwachkopf kämpfte gegen Zoltans Griff an, doch es war ein zweckloser Versuch. Für seinen Widerstand alleine würde er teuer bezahlen müssen.

Zoltan lockerte seinen Griff und ließ von dem Dämon ab. Frederic hustete sofort und sog Luft in seine Lunge. Er schien erleichtert zu sein.

„Hast du ihr Haus danach durchsucht?“, fragte Zoltan schroff, obwohl er die Antwort schon kannte. Schließlich war der Mann mit leeren Händen von seiner Exkursion in die Menschenwelt zurückgekehrt.

„Ja. Ich habe das Haus auf den Kopf gestellt. Es war nicht da.“

In den Augen des Dämons flackerte etwas auf, etwas, das Zoltan nicht entging. Es entging ihm selten etwas, vor allem keine kühne Lüge. All seine Dämonen logen. Ob es angeboren war, oder ob sie es aus Angst vor ihm taten, war ihm dabei egal. Egal was der Grund war, eine Lüge war eine Lüge und ein Treuebruch. Und von seinen Untertanen erwartete er absolute Loyalität und es war ihm egal, wie er diese erlangte. Und behielt. Wenn es bedeutete, dass er einen seiner Untertanen töten musste, um den restlichen die Wichtigkeit von Gehorsam einzubläuen, dann war das eben so. Denn kein Großmächtiger konnte ohne ihm blind ergebene Untertanen, die keine Fragen stellten, über die Unterwelt herrschen.

„Es war nicht da, sagst du“, wiederholte Zoltan nun mit gleichgültigem Ton. „Hast du ihr Büro durchsucht?“

„Ihr Büro zuhause? Ja, natürlich.“

„Ich meinte ihr Büro im Museum, du Idiot“, knirschte Zoltan mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein Lügner und ein Schwachkopf. Die Chancen des Dämons diese Besprechung zu überleben, verringerten sich mit jedem Wort, das aus seinem Mund kam.

„Niemand hat gesagt, ich meine, man hat mir nicht angeschafft …“

Keinerlei Eigeninitiative. Keinerlei erlösende Charaktereigenschaften.

„Ich verstehe. Sag mir nochmals, welche Zimmer du im Haus der Frau durchsucht hast, bevor sie dich überrascht hat.“

„Äh, ich bin durch die Küche eingedrungen. Die Tür war abgesperrt, doch ich konnte hineinsehen, also habe ich einen Vortex heraufbeschworen.“

„Einen Vortex, du Schwachkopf? Wenn du hineinsehen konntest, dann bedeutet das, dass die Tür aus Glas war. Das hättest du einschlagen können, anstatt solch ein Risiko einzugehen.“

Falls ein Mensch den Vortex gesehen hatte, würden Fragen aufgeworfen. Und dann würden ihm wieder die Hüter der Nacht auf die Pelle rücken. „Einfach dumm!“ Zoltan schlug mit der Hand gegen den Kaminsims.

„Aber ich dachte … Ich wollte nicht, dass sie mich hören. Tut mir leid.“

„Leid?“ Zoltan ließ ein Knurren verlauten. Dann wirbelte er seinen Kopf zurück zu Frederic. „Sie? Mehrzahl?“

Der Dämon wich etwas zurück und seine Augen weiteten sich. „Äh …“

Zoltan schnappte ihn am Kragen. „Sie war nicht alleine. Du hast Zeugen am Leben gelassen?“

„Ja, nein. Äh …“

„Ja oder nein?“ Zoltan fletschte seine Zähne. „Wer war bei ihr?“

„Ihre Tochter. Aber sie hat mich nicht gesehen. Da bin ich mir sicher.“

„Wie kannst du dir sicher sein?“

„Sie hat oben geduscht, als ich hereinkam. Ich bin nicht nach oben gegangen. Und ich war schon weg, bevor sie herunterkam. Ich schwöre es.“

Zoltan schüttelte den Kopf. Er hatte den Idioten gerade bei einer Lüge ertappt. „Du hast vorher gesagt, dass du das Haus auf den Kopf gestellt und alles durchsucht hast.“

„Habe ich auch.“

„Also bestehst du darauf, mich weiter anzulügen.“ Zoltan schleuderte seinen Untertan an die Wand. „Du hast gerade gesagt, dass du nicht nach oben bist. Also hast du nicht das ganze Haus durchsucht.“

Frederic schluckte sichtbar. „Ich kann nochmal hingehen“, bot er hastig an. „Die Tochter wird kein Problem sein. Ich kann sie töten, wenn ihr das wollt.“

Zoltan hob seine Hand, um ihn zu stoppen. „Ich schicke jemanden.“ Jemanden, der kompetenter war als dieser Dummkopf. „Die Tochter wird die Suche für uns durchführen. Wir müssen sie nur beobachten.“

„Häh?“, fragte Frederic ratlos.

„Sie wird sich um den Nachlass ihrer Mutter kümmern und alle ihre Habseligkeiten durchgehen. Wir müssen nur Geduld haben.“ Und nichts Dummes anstellen, das die Aufmerksamkeit der Hüter der Nacht auf die Dämonen ziehen würde.

„Gute Idee.“

Zoltan starrte seinen Untertan an. „In der Tat.“ Und er hatte gerade eine noch bessere. Er legte seine Hand auf den Kaminsims und drückte in eine Vertiefung. Lautlos glitt ein flacher Stein in dem riesigen Kamin zurück und offenbarte, was darunter lag: eine Lavagrube.

Der Schwefelgeruch machte seinen Untertan darauf aufmerksam und dieser wandte nun seinen Kopf dem Kamin zu. Zu spät. Zoltan hatte ihn schon bei der Kehle und schleuderte ihn auf die Öffnung zu. Frederic kämpfte gegen ihn an und versuchte, den Felsen, der den Kamin umrandete, zu ergreifen, doch seine Hände konnten sich nicht daran festklammern.

„Nächstes Mal, lüge mich nicht an.“

Mit einem Tritt in den Bauch schubste Zoltan seinen Untertan in die Grube.

Schmerzensschreie hallten in seinem Arbeitszimmer wider, doch nicht lange. Innerhalb von Sekunden sank der Körper des Dämons tiefer und verbrannte.

Zoltan drückte die Vertiefung erneut und sah zu, wie die Felsplatte wieder über die Grube glitt und sie versperrte.

Für heute war seine Arbeit getan. Morgen würde er seine besten Dämonen aussenden, um die Tochter der Toten zu beschatten. Dieses Mal würden die Hüter der Nacht nicht an das herankommen, was Zoltan begehrte: eine Fundgrube an Geheimnissen, die der Herrschaft der Hüter ein Ende setzen könnte.

1

Drei Monate später

„Wie kommt’s, dass ich euch zwei schon wieder am Hals habe?“ Manus sah Grayson und Ryder an, die zwei Vampirhybriden, die sich zurzeit bei den Hütern der Nacht im Baltimore-Komplex aufhielten. Ihre Väter, Samson, der Eigentümer und Gründer von Scanguards, und Gabriel, dessen Stellvertreter bei der Sicherheitsfirma in San Francisco, hatten die zwei jungen Männer als Teil des Bündnisses zwischen den Hütern und den Vampiren zum Praktikum nach Baltimore geschickt.

Die zwei Hybriden, die in ihren Zwanzigern waren, nahmen bei verschiedenen Missionen gegen die Dämonen teil, um von den Hütern der Nacht und deren Fähigkeiten zu lernen sowie den Hütern mit ihrer vampireigenen Fähigkeit zu helfen: buchstäblich mit ihren Nasen deren Feinde, die Dämonen der Angst, aufzuschnüffeln.

Grayson und Ryder waren bei Scanguards als Leibwächter ausgebildet worden und fügten sich perfekt in die bunte Gruppe im Komplex ein. Diese Gruppe bestand außer den Kriegern, die hier stationiert waren, nun auch aus zwei menschlichen Frauen, einer Hellseherin – alle drei an Hüter gebunden – sowie fast fünfjährigen Zwillingen. Mittlerweile wurde es im Komplex ziemlich überfüllt und häuslich. Manus war froh, dass es wenigstens noch ein paar Single-Männer gab, mit denen er rumhängen konnte.

„Es ist eher umgekehrt“, meinte Grayson und schubste Ryder mit dem Ellbogen an, während er Manus zuzwinkerte. „Wir haben dich am Hals.“

Ryder, der ruhigere der beiden, lachte leise. „Ja, so sehe ich das auch. Aber macht nichts, das passt schon. Zumindest bist du nicht so pedantisch, wenn’s um die Regeln geht.“

Nein, das war er nicht. Tatsächlich war Manus dafür bekannt, die Regeln zu umgehen, wann immer es ging. Was vermutlich der Grund war, warum die zwei Hybriden lieber mit ihm als mit den anderen Hütern auf Missionen gingen. Doch er durfte den zweien nicht jeden Scheiß durchgehen lassen. Zumindest nicht zu oft.

„Na, dann lasst uns mal zur Sache gehen“, schlug Manus vor und deutete auf den Gang, der von der Küche und dem Wohnraum, dem gesellschaftlichen Zentrum des Komplexes, zur Kommandozentrale führte. „Lasst uns mal sehen, was sie heute für uns haben.“

Die zwei Hybriden kamen seinem Vorschlag nach. Ihre Stiefel klackten auf dem Steinboden und hallten von den Wänden wider, die mit Runen verziert waren, um Magie abzuwehren und die Bewohner zu beschützen.

„Hoffentlich ist es was Gutes“, sagte Grayson. „Es ist in letzter Zeit hier arg ruhig. Ich brauche Action.“

Manus verdrehte die Augen und wechselte einen Blick mit Ryder, der schmunzelte. „Sei froh, dass es ruhig ist. Du kannst nicht ständig Dämonen bekämpfen.“

„Kann ich schon!“, behauptete der hitzköpfige Hybride.

„Wirklich? Reden wir doch in einhundert Jahren nochmal darüber, und dann kannst du mir sagen, ob du dann immer noch so denkst.“

Das schien ihn zum Verstummen zu bringen. Gut so. Der Junge – und im Vergleich zu Manus, der schon zweihundert Jahre alt war, war er immer noch ein Junge, und zwar ein verwöhnter – hatte noch viel zu lernen.

Einen Moment lang marschierten sie schweigend weiter. Manus warf Grayson einen Seitenblick zu und bemerkte, wie verkrampft dessen Kiefer war. Ja, dem Scanguards-Erben gefiel es nicht, wenn er getadelt wurde.

„Hey, versteh’ mich nicht falsch“, fing Manus an. „Ich prügle mich mit den Dämonen so gern wie wir alle, und ich weiß auch, dass ihr zwei mehr als fähig seid, sie zu bekämpfen … Aber um die Dämonen zu besiegen, muss man mehr tun, als nur ihre Schädel einschlagen. Es bedarf Strategie, Taktik, Planung. Und nur weil ihr nicht jeden Tag Action bekommt, heißt das nicht, dass das, was ihr hier tut, nicht wichtig ist.“

„Ja, was auch immer“, sagte Grayson.

„Wie immer bist du ein Arsch“, sagte Ryder und funkelte seinen Freund an. „Du hast deinen Vater angefleht, dich hierherkommen zu lassen, damit du von den Hütern lernen kannst, und jedes Mal, wenn du nicht bekommst, was du willst, schmollst du wie ein kleines Mädch–“

Ryder schaffte es nicht, seinen Satz zu beenden. Grayson sprang mit gefletschten Fangzähnen auf ihn zu und schleuderte ihn an die Wand. „Ich schmolle nicht!“

Ryder ließ sich nicht einschüchtern. Er drückte den aggressiven Hybriden von sich weg und katapultierte ihn gegen die gegenüberliegende Wand.

Manus mischte sich nicht ein und wich zur Seite, damit er nicht mit in den Streit hineingezogen wurde. Das hatte er kommen sehen. Schon seit ein paar Wochen warfen die zwei einander Beleidigungen an den Kopf. Sie mussten diese Sache einfach aus ihrem System herausbekommen.

„Weißt du was, Grayson?“, knurrte Ryder mit rot glühenden Augen. „Du bist ein Arschloch. Du warst schon immer ein Arschloch. Und es wird Zeit, dass dir das jemand herausprügelt, damit es nicht permanent wird.“

Ryder schwang seine Faust und schlug Grayson ins Gesicht. Der Gegenschlag kam fast zeitgleich und traf ihn so hart am Kinn, dass sein Kopf zur Seite wippte.

„Du willst kämpfen? Ich gebe dir einen Kampf“, spuckte Grayson nur so heraus und zielte auf den Kopf seines Kollegen, doch Ryder war schneller und duckte sich zur Seite, sodass Graysons Faust nur seine Schulter streifte.

Für einen Menschen wäre der Schlag schmerzhaft gewesen, doch nicht für den Halbvampir. Er absorbierte ihn, als wäre er von einer Feder berührt worden. Genauso wie Grayson nichts zu verspüren schien, als Ryder einen weiteren Hieb austeilte, dieses Mal tiefer, der den arroganten Erben Scanguards’ in den Magen traf.

Manus verschränkte seine Arme über der Brust und lehnte sich an die Wand, um die Schlägerei zu beobachten. Es war schon eine schöne Sache, das musste er zugeben. Zwei Halbvampire, die sich schlugen und kickten, war wie eine aufwendig inszenierte Kampfkunstveranstaltung. Sie waren gelenkig, stark und unglaublich schnell. Sie hatten auch eine hohe Schmerzgrenze und keiner der beiden war bereit, als Erster aufzugeben. Ihr Grunzen und Ächzen erfüllte den Gang und hallte von den dicken Steinmauern des alten Gebäudes wider. Zumindest konnten sie hier keinen Schaden anrichten. In einem normalen Haus mit Wänden aus Gipskarton hätten sie schon Löcher hinterlassen.

Das Geräusch von Schritten driftete zu Manus. Er wandte seinen Kopf und sah Hamish auf sich zurennen.

„Was zum Teufel geht hier vor sich?“

Manus hob seine Hand, um ihn zu stoppen. „Nichts.“

Hamish erreichte ihn und hielt an, seine Augen auf die zwei Vampirhybriden gerichtet. „Sieht mir nicht wie nichts aus.“ Er machte Anstalten, an Manus vorbeizumarschieren, doch Manus schnappte ihn an der Schulter und hielt ihn zurück.

„Mach’s nicht. Die brauchen das.“

Hamish hob eine Augenbraue. Dann nickte er langsam. „Ist wohl an der Zeit.“ Er lehnte sich mit einer Schulter an die Wand, überkreuzte seine Knöchel und blies einen Atemzug aus. „Also, wer ist am Gewinnen? Sollte ich auf jemanden wetten?“

Manus zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Wenn du mich fragst, sind die beiden gleich gut.“

„Auch eine ziemlich gute Form“, bemerkte Hamish. „Leicht auf den Füßen.“

Manus beobachtete die zwei Scanguards-Leibwächter. „Hmm. Nicht schlecht. Ein bisschen unkultiviert. Aber trainierbar. Gib ihnen ein paar Jahrzehnte und sie werden fast so gut wie wir sein.“

„Ja, fast“, sagte Hamish grinsend. „Schon schade, dass sie ihre kostbare Energie aneinander verschwenden statt an Geschöpfen, die es wirklich verdienen.“

Die Hybriden wirbelten plötzlich ihre Köpfe in Richtung Hamish und erstarrten mitten im Kampf. Ihre Augen verengten sich.

„Haben die gerade gesagt, dass wir fast so gut sind wie sie?“, fragte Grayson und wechselte einen Seitenblick mit Ryder.

„Hab ich auch gehört“, sagte Ryder und legte seinen Kopf schief, während er Hamish und Manus einen abschätzenden Blick zuwarf. „Wollt ihr das vielleicht anders formulieren? Ihr solltet mittlerweile wissen, dass Vampire körperlich stärker und schneller sind als ihr.“

Manus grinste. „Ja, Vampire. Aber als ich das letzte Mal geschaut habe, wart ihr noch Halbvampire.“

„Ja, Mischlinge“, warf Hamish ein, wobei er kaum sein Schmunzeln unterdrücken konnte.

„Vielleicht sollten wir ihnen eine Kostprobe unserer Stärke geben“, schlug Grayson vor, „da sie anscheinend nicht wissen, zu was wir fähig sind.“

Manus wusste nur zu gut, zu was Vampirhybriden fähig waren. Sie waren so stark wie ihre Vampirväter oder -mütter, doch ihre menschlichen Gene machten sie weniger verletzlich. Obwohl sie durch Silberkugeln oder einen Pflock durchs Herz getötet werden konnten, konnten ihnen die Strahlen der Sonne nichts anhaben. Doch anstatt das zu bestätigen, wandte sich Manus an Hamish.

„Die sind viel zu leicht zu hänseln, stimmt’s, Hamish?“

„Ja, macht ja fast keinen Spaß, wenn’s so einfach ist“, gab sein Komplexkamerad zu.

Empörtes Stöhnen drang zu Manus’ Ohren. Er drehte seinen Kopf wieder in Richtung der zwei Jungs. „Seid ihr fertig? Oder wollt ihr noch eine Runde weitermachen?“

Beide hoben trotzig das Kinn.

„Na gut“, sagte Manus. „Dann lasst uns mal sehen, was Pearce heute für uns hat. Wir können ja schließlich nicht den ganzen Tag rumstehen und uns vergnügen.“ Er wandte sich um und marschierte in Richtung der Kommandozentrale. „Und steckt eure Fangzähne weg.“

Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging weiter. Augenblicke später hörte er, wie die zwei Jungs ihm folgten und wie Hamish sich in die andere Richtung verzog. Manus öffnete die Tür zur Kommandozentrale. Pearce, ihr Computergenie, saß vor einer Konsole mit Monitoren. Er wandte seinen Kopf kurz um und nickte.

„Wird auch Zeit. Verschlafen oder was?“

Manus ging auf ihn zu. „Nein.“

„Hmm. Hab was für dich.“

Die Tür fiel hinter den zwei Hybriden zu.

“Ja, eine Mission?”, fragte Grayson begierig.

Pearce blickte flüchtig über seine Schulter. “Oh schau nur, die Kinder sind –” Er stoppte sich selbst, als er ihre blutigen Nasen sah. “Seid ihr mit Dämonen zusammengestoßen?”

Manus schlug Pearce auf die Schulter. “Eher mit Egos.”

Pearce lachte leise und wandte sich wieder seinen Monitoren zu. “Wundert mich nicht.” Dann formte er mit seinen Lippen einen lautlosen Satz: Wer hat gewonnen?

Ich, antwortete Manus genauso lautlos und zwinkerte seinem Kollegen zu.

Pearce verdrehte die Augen, dann deutete er auf eine Akte, die auf dem Bildschirm erschienen war. „Ich hab was für dich.“

„Dämonenaktivität?“, fragte Manus und versuchte dabei so beiläufig wie möglich zu klingen, denn genau wie die zwei Vampirhybriden war auch er auf etwas Action erpicht.

„Nichts Neues. Erinnerst du dich noch an die Emissarius, die vor etwa drei Monaten ermordet wurde?“

Manus nickte. So etwas vergaß man nicht leicht. „Nancy Britton? Die Kuratorin des Museums für Antiquitäten?“

Pearce nickte. „Ja.“

„Haben wir neue Spuren in ihrem Fall?“

Grayson und Ryder kamen nun interessiert näher.

„Abgesehen davon, dass wir wissen, dass es ein Dämon war? Nein.“

„Was gibt’s dann –“

„Es geht um ihre Tochter. Sie kann die Sache nicht hinter sich lassen. Sie ist davon überzeugt, dass der Tod ihrer Mutter eine übernatürliche Ursache hat.“

„Womit sie auch recht hat“, sagte Manus.

„Du weißt das und ich weiß das, aber der Rat hat Bedenken, dass sie dem wirklichen Grund viel zu nahe kommt. Und das können wir nicht zulassen.“ Pearce drehte sich mit seinem Stuhl. „Sie meinten, du könntest dich um die Tochter kümmern.“

„Um sie kümmern?“, wiederholte Ryder und machte einen Schritt auf Pearce zu. „Willst du damit sagen, dass der Rat will, dass ihr die Tochter umbringt?“

„Scheiße!“, fluchte Grayson.

Schockiert starrte Manus die Hybriden an. „Umbringen? Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?“ Dann sah er Pearce an und blies einen entnervten Atemzug heraus. „Kannst du bitte diesen zwei Clowns erklären, was wir in solchen Fällen machen?“

Pearce schüttelte seinen Kopf, als er Grayson und Ryder ansprach. „Wirklich, Jungs, ich weiß ja, dass ihr ständig an Mord und Totschlag denkt und dass ihr schon lange keine Dämonen mehr abmurksen konntet, aber wirklich …“ Er seufzte. „Jedenfalls töten wir die Tochter nicht. Wir schicken Manus zu ihr, um sie davon zu überzeugen, dass ihre übersinnliche Theorie total verkorkst ist, damit sie aufhört, diese zu verfolgen, und die Sache fallen lässt, bevor alles viral geht.“

„Viral?“, fragte Manus.

Pearce sah ihn an. „Ja, sie hat allen möglichen Scheiß auf so einem Internetforum für Fans von übersinnlichen Verschwörungstheorien aufgeladen, um Antworten zu finden. Und den Vortex hat sie ganz gut beschrieben.“

„Sie hat einen Dämonenvortex gesehen?“, fragte Manus. „Das habe ich aber nicht in der Akte gelesen.“

„Ja, weil’s nicht drin stand. Die Polizei hat es nicht in das Mordbuch eingetragen, oder zumindest nicht mit diesen Worten. Also haben wir’s übersehen.“

„Okay, ich kümmere mich darum“, sagte Manus.

Ryder fragte: „Und wie?“

Manus lächelte. „Ich werde sie beschwätzen.“

„Mit Charme? Du glaubst, du kannst ihr einfach ausreden, was sie gesehen hat?“, fragte Grayson ungläubig.

„Null Problemo.“ Manus zwinkerte den Hybriden zu. „Und damit ihr auch was lernt, dürft ihr dabei zusehen.“

Das würde sich als nette Abwechslung für einen Tag erweisen.

2

Kim schaltete ihren Computer aus und schnappte sich ihre Handtasche. Sie war schon seit Monaten nicht mehr so aufgeregt und hoffnungsvoll gewesen. Endlich eine Spur! Endlich ein Licht am Ende des Tunnels. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht wieder ein auf sie zukommender Zug war wie all die anderen Spuren, die anfangs vielversprechend ausgesehen hatten. Doch irgendwie hatte sie ein gutes Gefühl.

Aufgemuntert verließ sie ihre Eigentumswohnung, schloss hinter sich ab und ging die Treppe hinunter. Mitten im Treppenhaus zog sie schon ihr Handy aus der Tasche und navigierte zu ihren neuesten Anrufen. Sie drückte auf die Nummer für ihre Freundin Jennifer. Es klingelte zweimal, dann wurde der Anruf auch schon angenommen.

„Hey, was ist los?“, fragte Jennifer.

„Ich habe Neuigkeiten“, sagte Kim.

„Wie?“ Geschrei und überlappende Stimmen begleiteten Jennifers Frage. „Kannst du das wiederholen?“

„Wo bist du denn?“

„Im Bus. Du musst lauter sprechen, damit ich dich hören kann. Oder soll ich dich zurückrufen, wenn ich nachmittags wieder im Büro bin?“

„Nein, nein! Bitte nicht! Ich muss jetzt gleich mit dir reden“, sagte Kim mit Nachdruck.

„Ok, dann schieß los!“

Kim wusste gar nicht, wo sie anfangen sollte. „Ich bin auf dem Weg, mich mit einem Typen zu treffen, der Informationen für mich hat. Er hat auf meinen Post in dem Forum geantwortet.“

„Oh“, sagte Jennifer und klang dabei etwas enttäuscht. „Einen Augenblick lang dachte ich, du gingst zu einem Date.“

„Ein Date? Warum sollte ich denn zu einem Date gehen?“

Sie hatte keine Zeit für Männer. Vor allem nicht, wenn sie so waren wie Todd, ihr Ex-Verlobter. Sie hatte gedacht, dass er sie nach dem Tod ihrer Mutter unterstützen und ihr helfen würde, herauszufinden, wer sie ermordet hatte, nachdem die Polizei praktisch schon aufgegeben hatte. Doch er hatte das Phänomen, das sie in der Mordnacht gesehen hatte, abgetan und versucht, sie davon zu überzeugen, dass sie sich das nur als Folge ihres Schocks eingebildet hatte.

Schließlich hatte die Polizei sie auch nicht ernst genommen. Deren Ansicht nach war es ein Einbruch gewesen, der schiefgelaufen war. Ein paar Wochen lang hatte die Polizei jede Spur verfolgt, die Freunde ihrer Mutter und ihre Kollegen im Museum überprüft, doch nichts gefunden. Der Fall war kalt geworden.

Als Todd die Seite der Polizei eingenommen und sie angefleht hatte, das Geschehene zu akzeptieren, sie gebeten hatte aufzuhören, ein Phantom – wie er es nannte – zu verfolgen, hatte sie die Verlobung aufgelöst. Sie konnte nicht mit einem Mann zusammen sein, der nicht zu hundert Prozent hinter ihr stand.

„Ich sag ja nur“, meinte Jennifer jetzt. „Also, was behauptet der Kerl denn?“

„Er sagte, dass er sich mit so einem Phänomen schon mal auseinandergesetzt habe.“ Das war doch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

„In welcher Weise auseinandergesetzt?“

Kim zuckte mit den Schultern. „Weiß ich nicht. Er sagte, dass er mir das persönlich erklären müsse. Er hat vorgeschlagen, dass wir uns treffen.“

„Du gehst doch hoffentlich nicht zu ihm?“

„Natürlich nicht!“

„Hast du ihm deine Adresse gegeben?“

„Ich bin nicht doof, Jennifer. Ich treffe mich in einem belebten Café mit ihm. Deshalb rufe ich dich an. Damit du weißt, wo ich bin.“

„Gut.“ Jennifer klang befriedigt. „Welches Café?“

„Auntie’s Java Shop auf der Main Street.“

„Gut. Wenn du dich in einer Stunde nicht bei mir meldest, rufe ich die Bullen an“, sagte ihre Freundin.

„Mach neunzig Minuten draus. Ich muss doch erst dort hinfahren.“

„Ok, also neunzig Minuten und keine Minute länger. Und wenn der Typ glaubt, er kann dich irgendwie ausnutzen, nur weil du komische Sachen gesehen hast, dann fang an zu laufen. Es gibt jede Menge von Verrückten, vor allem in diesem Forum. Das zieht die schlimmsten Kreaturen an.“

Kim seufzte. Das war nicht das erste Mal, dass sie diese Konversation führten. „Nur weil diese Leute Sachen gesehen haben, die sie nicht erklären können? Ich bin auch so jemand. Nennst du mich auch eine Verrückte?“

„Du bist die einzig Normale in diesem Forum. Deshalb sage ich dir ja, dass du aufpassen musst.“

„Mache ich.“

„Gut, und oh, hab ich fast vergessen: Wie heißt denn der Typ?“

„Manus.“

„Manus und wie noch? Kein Familienname?“

„Ich habe ihm meinen Familiennamen auch nicht gesagt.“

„Na, ok dann. Ruf mich in neunzig Minuten an oder ich mobilisiere die Kavallerie.“

„Danke, Jennifer.“

„Und Kim?“

„Ja?“

„Versprich dir nicht zu viel. Ich will nicht, dass du wieder am Boden zerstört bist, wenn sich herausstellt, dass dieser Typ auch nichts Hilfreiches weiß. Versprich es mir.“

„Ich versprech’s“, sagte sie schnell und beendete den Anruf, bevor Jennifer noch etwas sagen konnte.

Trotzdem konnte Kim ihre Aufregung nicht dämpfen. Sie musste weiterhin daran glauben, dass sie den Mord ihrer Mutter aufklären konnte. Das schuldete sie ihr. Und sie brauchte einen Abschluss, denn selbst drei Monate nach dem Tod ihrer Mutter war der Schmerz immer noch so schlimm wie am ersten Tag.

* * *

Manus erkannte Nancy Brittons Tochter in dem Moment, als diese das Café betrat, obwohl das Foto in ihrer Akte ihr nicht gerecht wurde. Kim war keine Frau, die man übersehen konnte. Sie war auf eine mysteriöse Art und Weise schön, die einen Mann zum Wahnsinn treiben konnte. Natürlich nicht ihn, denn er hatte schon jede Menge hübscher Frauen gehabt und betrachtete sich deren Charme gegenüber immun. Klar, er würde die Frauen ficken, doch das bedeutete nicht, dass sie ihn in eine Beziehung hineinziehen könnten.

Nein, nicht einmal der Gedanke, in diese himmelblauen Augen zu sehen und diese schwarzen Haare zu spüren, wie sie sein Gesicht streichelten, während sie ihn ins Vergessen ritt, würden ihn dazu bringen, seine Meinung zu ändern – egal wie hart sein Schwanz unter dem Tisch wurde, wenn er daran dachte, mit Kim Zeit zwischen den Laken zu verbringen.

Scheiße, das war übel.

Manus schüttelte den Kopf. Er musste sich abkühlen. Er war hier, um eine Aufgabe zu erledigen, und das würde er auch tun. Und nichts anderes.

Er versicherte sich, dass seine Jacke die Vorderseite seiner Hose bedeckte, bevor er sich erhob und Kim zuwinkte. Sie hatte ihm gesagt, dass sie ein rotes Oberteil tragen würde, also gab er vor, sie daran zu erkennen.

Sie sah ihn an und zögerte einen Moment. Dann ging sie langsam auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Manus?“

„Kim?“ Er schüttelte ihr die Hand und ließ sie so schnell wie möglich wieder los, bevor die Berührung seinen Schwanz in Aufruhr bringen konnte.

Er deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. „Danke, dass du gekommen bist.“

Als sie sich setzte, nahm auch Manus wieder Platz und faltete seine Hände auf der Tischplatte. Einen Augenblick lang gab es eine peinliche Pause.

„Ich bin so froh, dass du auf meinen Post geantwortet hast“, begann Kim. „Ich habe so viele Fragen.“

In ihrer Stimme lag Aufregung und für einen Moment bedauerte er, dass er den Hoffnungsschimmer darin zermalmen musste. Doch es war für sein Volk das Beste. Und seine höchste Priorität war, sein Volk zu beschützen.

„Ja, das kann ich mir vorstellen. Doch bevor ich deine Fragen beantworte, würde es dir was ausmachen, mir im Detail zu erzählen, was geschehen ist und was du gesehen hast? Ich will nur sicherstellen, dass wir von demselben Phänomen reden.“ Er heftete ein Lächeln auf seine Lippen und sorgte dafür, dass er offen und empfänglich aussah, damit in ihr nicht der Verdacht aufkeimte, dass er sie in Kürze betrügen würde.

„Ja, sicher, natürlich. Äh, wo fange ich nur an?“ Sie erschien etwas nervös. Ihr Gesicht war gerötet. „Es ist nicht einfach darüber zu sprechen. Weißt du, deine Mutter zu verlieren, sie auf so brutale Weise zu verlieren … da gibt es nicht die richtigen Worte, so etwas zu beschreiben.“ Sie starrte ihn direkt an. „Verstehst du das?“

Manus verstand es nur zu gut. Der Schmerz einen Elternteil zu verlieren verschwand nie, egal wie viele Jahre vergingen. Er legte seine Hand auf ihren Unterarm, bevor er wusste, was er tat. Er verspürte einen kleinen Ruck, doch dann lächelte Kim ihn an und ihre Augen hielten an seinen fest.

„Es tut mir leid“, murmelte sie. „Wie lange ist es bei dir her?“

Manus’ Kinnlade fiel herab. Wie konnte sie das wissen? „Viele Jahre.“ Zu viele zum Zählen.

„Wird es irgendwann leichter?“, fragte sie.

Er spürte die Verbindung zu ihr, den geteilten Schmerz, und schüttelte den Kopf. „Nein, aber du lernst, damit zu leben.“ Dann entzog er seine Hand und brach den Augenkontakt ab. Er konnte sich nicht in diese Verbindung hineinziehen lassen, die sich zwischen ihnen zu entwickeln schien. Denn wenn sie ihn weiterhin so ansah, würde er sie nicht anlügen können.

Schnell räusperte Manus sich. „Im Forum hast du beschrieben, dass du in der Nacht, als deine Mutter ermordet wurde, ein sturmartiges Phänomen gesehen hast“, sagte er nun, um sie wieder zurück zum Thema zu bringen.

Kim setzte sich kerzengerade in ihrem Stuhl auf, als wollte sie sich gegen die schmerzvolle Erinnerung wappnen. „Ich habe von unten Lärm gehört.“ Sie machte eine beschreibende Handbewegung. „Ich war oben duschen, als ich Geräusche hörte. Weißt du, so als würden Sachen auf den Boden fallen, als würden Möbel umgeworfen. Also habe ich nach meiner Mutter gerufen und bin hinuntergelaufen.“

Ihre Atmung beschleunigte sich.

„Ich bin ins Wohnzimmer und dort hab ich’s dann gesehen.“ Sie breitete ihre Arme aus und machte eine kreisende Bewegung. „Es war riesig. Wie ein Tornado, nur nicht senkrecht. Und es war mitten im Haus. Ein Wirbel aus dunkler Luft und Wind. Wie ein schwarzes Loch, das dich in die Tiefe ziehen würde, wenn du zu nahe kommst.“

„Hmm.“ Kim beschrieb den Dämonenvortex perfekt, nur dass es kein schwarzes Loch war, sondern ein Eingang zur Unterwelt. „Was hast du sonst noch gesehen?“

„Ein Bein.“

„Ein Bein?“

Sie nickte mit ernstem Gesichtsausdruck. „Jemand stieg gerade in dieses Ding, diesen Vortex, und ich hatte ihn gerade verpasst. Alles, was ich noch sehen konnte, war sein Unterschenkel und sein Fuß, während er verschwand. Und dann hat sich das Phänomen einfach geschlossen. Es wurde immer kleiner und verschwand.“ Sie schluckte schwer. „Und dann sah ich meine Mutter am Boden liegen. Sie war schon tot, als ich sie erreichte.“ Ein feuchter Schein überzog nun Kims Augen und sie schniefte, fing sich jedoch schnell wieder. „Ich konnte ihr nicht helfen.“

Er nickte. Er verstand Hilflosigkeit. „Was glaubt die Polizei, dass passiert ist?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Sie glauben, es war ein Einbrecher. Aber wie kann es denn ein Einbrecher gewesen sein? Es wurde nichts gestohlen.“

„Überhaupt nichts? Aber hast du nicht gerade gesagt, dass Möbel umgeworfen wurden? Hat jemand nach etwas gesucht?“

Sie warf ihm einen sonderbaren Blick zu. „Was hat das denn damit zu tun?“

Manus seufzte. „Alles ist wichtig. Als Privatdetektiv muss ich mir alles ansehen, um zu entscheiden, was wichtig ist.“

„Privatdetektiv? Du bist ein Privatdetektiv? Das hattest du nicht erwähnt.“

Er warf ihr rasch einen entschuldigenden Blick zu. „Tut mir leid. Ich wollte mich richtig vorstellen, aber dann sind wir sofort zum Thema gekommen und ich bin nicht dazu gekommen.“ Als sie nickte, fuhr er fort: „Ja, ich bin Privatdetektiv und ich habe mit allen möglichen sonderbaren Vorkommnissen zu tun. Darum habe ich auf deinen Post geantwortet. Weil ich schon mal einen Fall wie deinen hatte.“

Kim beugte sich über den Tisch. „Also weißt du, worum es sich handelt?“

„Ich glaube schon.“ Er zögerte. „Aber ich muss noch ein paar Sachen bestätigen. Also würde es dir was ausmachen, noch ein paar Fragen zu beantworten, nur damit ich mir sicher sein kann?“

„Ok.“

„Danke. Hat das Haus deiner Mutter eine Klimaanlage?“

Kim nickte und sah verdutzt drein.

„Und nichts wurde gestohlen?“

Sie schüttelte den Kopf, doch plötzlich hielt sie inne. „Eigentlich nur eine Sache. Meine Mutter trug immer ein goldenes Armband. Es ist verschwunden. Sie trug es nicht und ich kann es nirgends finden. Aber es ist nicht viel wert, jedenfalls nicht genug, um dafür umgebracht zu werden.“

„Verstehe ich.“ Dämonen liebten schimmernde Dinge. Und es war nicht ungewöhnlich, dass ein Dämon ein kleines Souvenir mitnahm, vor allem nicht, wenn es sich um eins aus Gold handelte. „Könnte es sein, dass deine Mutter einen Einbrecher überrascht hat, bevor er etwas Wertvolleres stehlen konnte?“

„Aber was denn? Meine Mutter besaß nichts, das es wert gewesen wäre. Außerdem gab’s keine Anzeichen, dass jemand eingebrochen ist.“

„Könnte es sein, dass deine Mutter die Person hereingelassen hat?“

„Ja, sicher, aber wenn er unterbrochen wurde, glaubst du, dass er dann wirklich auf dem Weg hinaus die Tür hinter sich zugemacht hätte?“ Sie warf ihm einen angriffslustigen Blick zu. Als er nichts sagte, fügte sie hinzu: „Eben! Außerdem würde das immer noch nicht den Vortex erklären. Was für ein Einbrecher kann denn so etwas? Nein, es muss eine andere Erklärung geben. Eine übersinnliche.“

Er seufzte. Es war an der Zeit, seine fingierte Erklärung loszuwerden. „Du bist nicht die Einzige, die so etwas glaubt, nach dem, was du gesehen hast. Ich wurde vor einiger Zeit von einer Familie engagiert. Die Frau dort hatte das Gleiche gesehen wie du, eine Art Vortex, der in ihrem Haus erschienen war. Ihren Mann fand sie danach tot auf.“

Kims Augen weiteten sich und er bemerkte, wie sich ihre Brust in Erwartung hob. „Was hast du herausgefunden?“

„Also, zuerst habe ich meine üblichen Ermittlungen durchgeführt, das Haus inspiziert, mir alles angesehen, das mir eine Antwort geben könnte. Genau wie in dem Fall deiner Mutter hatte die Polizei den Verdacht, dass es sich um einen verpfuschten Einbruch handelte. In dem Fall war auch nichts gestohlen worden. Und die Frau bestand darauf, einen Vortex gesehen zu haben. Ich war geneigt, ihr zu glauben.“

„Geneigt?“

„Ja, ich bin empfänglich geblieben, bis …“

„Bis was?“

Jetzt war es Zeit für den Schlag. Manus beugte sich nach vorne. „Versteh mich bitte nicht falsch. Du glaubst an das, was du gesehen hast. Und ich glaube dir, dass du das glaubst. Es ist nur so, dass es eine logische Erklärung dafür gibt, was du gesehen hast. Tatsächlich ist es eine technische.“

„Was willst du damit sagen?“ Ihre Augen verengten sich etwas.

„Es ist ein sehr seltenes Vorkommen, aber wenn die Wetterbedingungen genau richtig sind und die Klimaanlage im Haus läuft, wird ein negativer Luftzug gebildet, der Staubpartikel durch den Abzug ins Haus zieht und herumwirbelt. Aufgrund des unterschiedlichen Drucks im Inneren des Hauses und draußen, laden sich die Partikel elektrisch auf und verursachen dadurch tatsächlich einen Vortex, einen Wirbel, der mit dem blanken Auge sichtbar ist.“

Kim starrte ihn an. Sie öffnete ihren Mund langsam, als wollte sie etwas sagen, doch nichts kam über ihre Lippen. Ihre üppigen roten Lippen. So voll, so küssbar.

Konzentriere dich! Verlier nicht deinen Kopf. Du bist nicht bei einem verdammten Date. Das ist dein Job.

„Ich meine“, fügte Manus hinzu, „klar ist das ungewöhnlich. Anfangs konnte ich es auch nicht glauben, aber dann habe ich mit ein paar Fachleuten gesprochen, weißt du, einem Meister für Klimaanlagen und einem Meteorologen. Und beide haben mir versichert, dass so was möglich ist. Und dann hat in dem Fall die Polizei auch noch den Einbrecher geschnappt. Und alles hat zusammengepasst.“

„Hat es das?“ Kims Stimme war steif und kalt. Kein gutes Zeichen.

„Ja, alles hat Sinn gemacht. Gib der Polizei eine Chance, die Ermittlungen weiterzuführen. Du wirst sehen, dass alles am Ende eine logische Erklärung haben wird. Ich will nur nicht, dass du dich in dieser Sache vergräbst, die mit der Realität nichts zu tun hat.“

„Weißt du was?“, fragte sie und er wusste, dass es keine Frage war. Das konnte er aus dem stocksaueren Ton in Kims Stimme heraushören. Sie drückte ihren Stuhl nach hinten und erhob sich schnell. „Wie dumm glaubst du eigentlich, dass ich bin? Eine Klimaanlage, die einen Vortex erzeugt? Ich weiß nicht, was für einen Scheiß du glaubst, mir auftischen zu können, oder warum du das machst, aber ich kann dir eins sagen: Ich weiß, wenn jemand nur Scheiße in sich hat, und bei dir, mein Freund, ist die Scheiße am Überlaufen. Wenn du so deinen Spaß bekommst, dann such dir jemand anderen. Scheißkerl!“

Sie wirbelte herum.

„Kim, ich bin kein –“

Doch sie hatte bereits die Tür erreicht und riss sie auf. Einen Moment später war sie verschwunden.

Verdammt!

Das war überhaupt nicht so verlaufen, wie er sich das vorgestellt hatte. Und obendrein hatte sie ihn auch noch einen Scheißkerl genannt. Das musste er berichtigen. Manus erhob sich und schob seinen Stuhl weg, als er das unterdrückte Gelächter hörte, das vom Nebentisch kam.

3

Manus wandte sich um und machte einen Schritt auf die zwei Hybriden zu, die auf seine Kosten lachten. Er funkelte Ryder und Grayson an.

„Null Problemo, ja?“, sagte Grayson.

„So wird’s also gemacht, wie?“, fügte Ryder hinzu.

Grayson drehte seinen Kopf zu Ryder und hob einen Finger wie ein Lehrer. „Lektion Nummer Eins: wie man eine Frau dazu bringt, deinen Lügen zu glauben. Zuerst, lass den Charme spielen –“

„Halte die Klappe, Grayson!“, schnauzte Manus.

Als Ryder seinen Mund öffnete, unterbrach Manus ihn mit einem funkelnden Blick. „Das gilt auch für dich!“

Einen Moment lang saßen die beiden versteinert dreinblickend da, dann hob Ryder seine Hand, als sitze er in einem Schulzimmer und bäte seinen Lehrer um Erlaubnis zu sprechen. Manus war danach, ihn durch das Fenster zu schleudern, doch dafür waren zu viele Zeugen im Café.

„Was?“

Ryder senkte seine Hand. „Du gibst doch jetzt wohl nicht auf, oder? Ich meine, wir müssen sie doch immer noch davon überzeugen, dass es für das, was sie gesehen hat, eine logische Erklärung gibt.“

„Ist ja wohl klar.“ Manus schnaubte. „Anscheinend hasst sie Männer. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich es gar nicht mit meinem Charme versucht. Also müssen wir es wohl auf altmodische Weise machen und Beweise liefern, damit sie meine Erklärung annimmt.“

Jetzt hob Grayson die Hand.

„Hört ihr zwei jetzt auf, oder was?“ Manus deutete auf Graysons Hand. „Oder wollt ihr mich wirklich verärgern?“

Mit einem Grinsen senkte Grayson die Hand. „Wie willst du denn Beweise liefern, dass deine erfundene Erklärung mit der Klimaanlage überhaupt möglich ist? Wir wissen doch, dass das nicht so funktioniert.“

„Wir müssen ihr die Vortextheorie nicht beweisen. Wir müssen ihr nur etwas auftischen, das sie glauben kann.“

Beide Hybriden sahen ihn fragend an und zuckten dann mit den Schultern.

„Was auch immer du sagst, Kumpel“, sagte Grayson.

„Zeig uns den Weg“, fügte Ryder hinzu.

Nachdem sie sich versichert hatten, dass Kim nicht zum Haus ihrer Mutter zurückkehrte, sprang Manus in sein Auto, ließ die zwei Hybriden einsteigen und fuhr zu Nancy Brittons Haus, wo er einen Block entfernt parkte.

„Ich gehe unsichtbar hinein. Geht durch den Hintergarten. Ich lasse euch durch die Hintertür rein.“

Manus war gleich nach Nancy Brittons Tod im Haus gewesen und hatte es durchsucht, um sicherzustellen, dass nichts darin darauf hindeuten konnte, dass sie eine Emissarius für die Hüter der Nacht gewesen war. Er hatte nichts gefunden. Genauso wenig hatte er irgendetwas gefunden, das ihm helfen würde, den Mordfall zu lösen. Nicht dass er das musste, denn sie wussten alle, dass sie von einem Dämon getötet worden war. Dieser hatte ihr buchstäblich das Leben aus dem Körper gesaugt. Für einen Gerichtsmediziner hätte es ausgesehen, als wäre sie erdrosselt worden und gleichzeitig einem Herzinfarkt erlegen. Doch die Hüter der Nacht konnten den wirklichen Grund sehen.

Es war egal, welcher Dämon sie letztendlich umgebracht hatte. Von Bedeutung war jedoch, warum sie getötet worden war. Wie hatten die Dämonen sie auf ihren Radar bekommen? Woher hatten sie gewusst, dass sie mit den Hütern der Nacht verbündet war, dass sie eine ihrer vertrauten Spioninnen war, die ihnen Informationen über Dämonenaktivitäten, die sie in ihrem täglichen Leben bemerkte, beschaffte? Leider hatten weder Manus noch seine Kameraden etwas gefunden. Auch bei ihnen war der Fall kalt geworden – bis Kim angefangen hatte, Staub aufzuwirbeln.

Vielleicht war das eine gute Gelegenheit, nochmals die Fakten durchzugehen und alles noch einmal von Neuem zu betrachten. Vielleicht hatten sie etwas übersehen. Die Dämonen hatten es auf Nancy Britton abgesehen gehabt. Hatten sie versucht, Informationen über die Hüter der Nacht von ihr zu erlangen? Da nach Nancys Tod keinerlei Sicherheitslücken aufgetaucht waren, schien sie den Dämonen vor ihrem Tod nichts verraten zu haben. Hatten sie etwas anderes als Informationen von ihr gewollt? Diese Theorie war auch etwas seicht, da nichts – außer ihrem Armband – gestohlen worden war.

Unsichtbar marschierte Manus durch die abgeschlossene Eingangstür ins Haus. Nicht viel hatte sich im Inneren geändert, obwohl es so aussah, als hätte Kim angefangen, persönliche Dinge einzupacken. Sie bereitete vermutlich den Verkauf des Hauses vor. Allerdings war sie mit ihren Bemühungen, das Haus auszuräumen, noch nicht weit gekommen. Das verstand er auch. Es war schwer, nach dem Tod eines Elternteils weiterzumachen. Und alles in Schachteln zu verpacken war so endgültig.

Bevor er den Weg der Erinnerungen weiter beschreiten konnte, ging Manus in die Küche, die im hinteren Teil des Hauses lag, und öffnete die Tür zu dem kleinen eingezäunten Garten. Die zwei Vampirhybriden warteten schon auf ihn.

Er bedeutete ihnen einzutreten und schloss die Tür hinter ihnen.

Beide sahen ihn erwartungsvoll an. Offensichtlich hatten sie ihre Lektion gelernt, ihn heute nicht noch mehr zu verärgern.

„Durchsucht Nancys Sachen und findet mir ein Foto von dem Armband, das Kim erwähnt hat.“

„Aber wir wissen doch nicht, wie das aussieht“, sagte Grayson unwillig.

„Nach dem, was Kim gesagt hat, trug sie es ständig. Also, findet ihre Fotos. Und wenn sie es wirklich immer trug, dann dürfte es praktisch auf jedem Foto sein, auf dem Nancy zu sehen ist.“

Grayson zuckte mit den Schultern. „Na gut. Aber was machen wir damit, wenn wir es gefunden haben?“

„Mach einfach, was ich dir auftrage. Du durchsuchst ihr Schlafzimmer. Ryder, oben ist ein Gästezimmer, wo sie viele Sachen aufbewahrt. Ich durchsuche das Wohnzimmer. Bringt mir jedes einzelne Foto, auf dem Nancy das Armband trägt.“

Beide Hybriden schlenderten die Treppe hinauf.

Manus hörte ihre Schritte auf dem Treppenansatz, als sie den ersten Stock erreichten. Der alte Holzboden knarzte. Unten im Wohnzimmer hätte der Dämon, der Nancy angegriffen hatte, Kim kommen hören. Das hätte ihm genügend Zeit gegeben, einen Vortex heraufzubeschwören und zu verschwinden. Die Tatsache, dass der Dämon bis zum letzten Augenblick gewartet hatte, bedeutete, dass Nancy nicht nur eine zweckmäßige Mahlzeit gewesen war. Er war das Risiko eingegangen, entdeckt zu werden, um zu kriegen, wofür er gekommen war.

Manus sah sich im Wohnzimmer um. In einer Glasvitrine teilten sich antike Puppen Platz mit einer Sammlung geschnitzter Holzspielzeuge. Nancys Interesse an allem Alten war offensichtlich. Als Kuratorin des Museums für Antiquitäten in Baltimore kannte sie sich in ihrem Metier gut aus. Dies war einer der Gründe, warum die Hüter der Nacht Kontakt mit ihr aufgenommen hatten und sie dazu überredet hatten, für sie zu arbeiten. Mit ihren Kenntnissen in Sachen Antiquitäten und ihrem Zugang dazu war sie außerordentlich nützlich, wenn es darum ging, festzustellen, ob etwas von Wert für die Hüter der Nacht oder die Dämonen der Angst war.

Systematisch stöberte Manus die verschiedenen Schubläden in der Vitrine durch und machte sich dann an das Möbelstück, in dem der Fernseher verstaut war. Die Fächer waren mit Büchern und DVDs von Fernsehsendungen und Filmen vollgestopft. Einige DVDs hatten keine Hüllen, sondern waren einfach mit einem Filzstift markiert, der anzeigte, dass sie Fotos und Videos von Reisen beinhalteten. Nichts Außergewöhnliches. Manus blätterte durch einen Stapel alter Zeitschriften und Zeitungsausschnitten. Auch nichts.

Er wandte sich um und ließ seinen Blick schweifen. Seine Augen fielen auf die Stelle, wo Nancys Leichnam gelegen hatte. Er hatte die Polizeifotos gesehen und die Anzeichen einer Tötung durch die Hand eines Dämons erkannt. Ein Besuch im Leichenhaus hatte seine Vermutung damals bestätigt. Er schüttelte die Erinnerung ab. Es war nicht das erste Mal, dass ein Emissarius gestorben war, und es würde sicher nicht das letzte Mal sein. Nancy wusste von den Risiken. Trotzdem hatte sie zugestimmt, ihnen zu helfen.

„Ich hab was“, sagte Grayson vom Gang aus.

Manus hob seinen Kopf und marschierte auf den jungen Hybriden zu. Grayson gab ihm eine Handvoll Fotos.

Ryder kam gerade die Treppe herunter. „Ich habe auch was gefunden.“

Manus sah die Fotos durch. Auf einigen war das Armband, das Nancy trug, etwas verdeckt, in anderen war es zu weit entfernt, sodass man die Einzelheiten nicht gut ausmachen konnte. Doch zwei Fotos zeigten das Schmuckstück nahe genug.

Die zwei Fotos behielt er und gab die anderen an Grayson zurück. „Die kannst du wieder zurücklegen.“ Dann sprach er Ryder an: „Zeig mir, was du hast.“

Ryder präsentierte ein Foto sowie ein Blatt Papier. Manus sah sich zuerst das Foto an. Es war nicht besser als die zwei, die er schon hatte. „Zu weit weg. Was ist das?“ Er deutete auf das Blatt Papier und Ryder drehte es um, sodass Manus es sehen konnte.

„Eine Quittung für das Armband.“ Er grinste. „Sowie eine genaue Beschreibung und Zeichnungen von vorne, hinten und der Seite.“

„Perfekt!“ Manus schnappte sich das Blatt Papier. „Ausgezeichnete Arbeit. Wir sind hier fertig.“

„Ich weiß immer noch nicht, wie uns das helfen soll, Kim davon zu überzeugen, dass der Vortex nichts Übernatürliches war“, sagte Grayson.

Manus schmunzelte in sich hinein. „Deshalb bist du der Praktikant und mir zahlt man die große Kohle.“ Er steckte die zwei Fotos und die Quittung in seine Innentasche und deutete zur Küche. „Verschwinden wir von hier. Wir müssen beim Juwelier eine Eilbestellung aufgeben.“

„Beim Juwelier?“, fragte Ryder.

Manus nickte. „Und ich weiß schon genau, wer die Sache in weniger als vierundzwanzig Stunden erledigen kann.“

Und dann würde Kim endlich glauben, dass ein Einbrecher ihre Mutter getötet hatte und dass der Vortex nichts damit zu tun hatte.

4

Es war später Abend des folgenden Tages, als Manus die Reproduktion des Armbands von dem Juwelier abholte, der schon oft zuvor für die Hüter der Nacht gearbeitet hatte und sehr diskret war. Manus begutachtete das Goldarmband und verglich es mit den Fotos und Zeichnungen.

„Ausgezeichnete Arbeit, George.“ Er schob das Armband in seine Tasche.

„Jederzeit“, erwiderte George und nahm das Bargeld entgegen, das Manus auf den Tresen legte.

Dann wandte sich Manus um und marschierte, flankiert von den zwei Hybriden, aus dem Geschäft.

„Sieht gut aus“, gab Ryder zu. „Glaubst du wirklich, dass es funktioniert?“

„Ja. Jetzt brauchen wir nur noch einen frischen Leichnam“, sagte Manus und deutete zum Auto. „Ich glaube wir sollten uns zur Drogengasse aufmachen.“ Die Drogengasse, wie er und seine Kameraden es nannten, war eine schlechte Gegend in der Innenstadt, wo die Drogenhändler und Drogenabhängigen ihre Geschäfte abwickelten. Schießereien waren in jener Nachbarschaft ein nächtliches Ereignis und folglich starb dort so gut wie jede Nacht jemand.

Im Auto meinte Grayson: „Findest du nicht, es ist etwas ekelig, dass wir uns auf die Suche nach einer Leiche begeben, der wir das Armband unterjubeln können?“

Manus zuckte mit den Schultern. „Wenn sich irgendwelche Gangmitglieder gegenseitig umbringen oder ein Drogenabhängiger eine Überdosis nimmt, was erwartest du dann von mir? Ihn zu retten? Ich bin kein Sozialarbeiter. Außerdem bringe ich ja niemanden um. Zumindest hat dann das Leben eines armen Kerls doch noch einen guten Zweck erfüllt.“

„Uns dabei zu helfen, die Existenz der Hüter der Nacht und der Dämonen geheimzuhalten?“, bot Ryder an.

Manus warf Grayson einen Seitenblick zu. „Siehst du, dein Kumpel kapiert’s.“

Grayson knurrte leise. „Ich kapier’s auch. Aber ich bin eben nicht so gefühllos wie du.“

Manus akzeptierte den Seitenhieb gelassen. „Warte erst mal, bis du so alt bist wie ich und all den Scheiß mitgemacht hast wie ich. Dann können wir uns über Gefühllosigkeit unterhalten. Ich mache meinen Job. Ich mache, was für mein Volk gut ist. Und für die menschliche Rasse.“ Und wenn das bedeutete, dass er den frühzeitigen Tod eines Fremden ausnutzte, dann war das eben mal so.

„Was auch immer.“ Grayson wandte seinen Kopf zur Seite und blickte aus dem Seitenfenster.

„Woah, der ist aber heute schlecht gelaunt“, sagte Manus und traf Ryders Blick im Rückspiegel.

„Er ist nur sauer, weil er die Idee nicht zuerst hatte“, sagte Ryder. „Die übrigens genial ist.“

Manus grinste. „Danke. Denke ich auch.“

Ein paar Minuten lang fuhren sie schweigend weiter, dann bog Manus ein paarmal ab und brachte das Auto vor dem Eingang zu einer Gasse zum Stehen. „Wir sind hier. Verteilen wir uns. Schickt mir eine SMS, wenn ihr eine Leiche findet. Und lasst euch nicht abmurksen.“ Er griff nach der Türklinke. „Und bevor ich es vergesse: keinen Mitternachtsschmaus, bitte. Wir wollen nicht, dass etwas verdächtig wirkt, wenn die Polizei kommt.“

Grayson verengte seine Augen. „Ich hatte vorhin schon einen Schmaus.“

„Ich hoffe, er hat geschmeckt“, sagte Manus und verdrehte die Augen.

„Er war eine Sie, und ja, sie war recht süß.“

Von der Hinterbank beschwerte sich Ryder: „Wirklich, Grayson, muss ich mir schon wieder die Story einer deiner Eroberungen anhören? Langsam wird die Sache langweilig. Außerdem zählt es nicht, wenn du Gedankenkontrolle verwendest, um eine Mieze zu verführen, damit sie dir erlaubt, sie zu beißen.“

Grayson wandte sich halb in seinem Sitz um und funkelte seinen Freund an. „Ich habe keine Gedankenkontrolle verwendet. Sie wollte mich.“

Manus schnaubte und öffnete die Tür. „Wenn ihr mit eurem Gezanke fertig seid, dann würde ich es zu schätzen wissen, wenn ihr mir dabei helft, eine frische Leiche zu finden.“ Er sprang aus dem Auto und knallte die Tür hinter sich zu. Manus wartete nicht darauf, dass die zwei Hybriden ihm folgten, sondern marschierte in die Gasse und machte sich gleichzeitig unsichtbar. Er hatte keine Bedenken, das Auto unverschlossen zu lassen, denn niemand konnte den Motor starten, denn niemand außer einem Hüter der Nacht konnte Zugang zu dem raffinierten Kontrollsystem bekommen, mit dem jedes Auto, das dem Komplex gehörte, ausgestattet war.

Manus folgte seinem Instinkt und durchkämmte die Gegend, beobachtete und lauschte aufmerksam. Ein Drogenhändler stand im Eingang eines Gebäudes und händigte einem Kunden einen kleinen Beutel mit weißem Puder aus und bekam dafür ein paar Geldscheine. Ein paar Türen weiter stritten sich zwei Typen, doch beide schienen unbewaffnet zu sein. Um die Ecke hielt ein Taxi an und ließ einen Kerl aussteigen, der auf ein dunkles Gebäude zueilte, klingelte und rasch drinnen verschwand. Eine Stunde lang passierte so gut wie nichts. Noch ein paar Drogendeals gingen über die Bühne, ein paar Betrunkene torkelten vorbei, doch es gab keine Schießerei, keine Messerstecherei, keine Prügelei.

Es war eine ruhige Nacht. Vielleicht müssten sie morgen Nacht wiederkommen, um eine Leiche zu finden. Eine solche Sache konnte man nicht erzwingen.

Sein Handy vibrierte. Manus blickte auf die Anzeige. Die Nachricht von Ryder hieß: Volltreffer.

Einen Moment später kam auch die Adresse per SMS.

Auf dem Weg, schrieb Manus zurück.

Manus erreichte Ryder zum gleichen Zeitpunkt, als auch Grayson um die Ecke kam. Die Leiche war die eines weißen Mannes. Er war leger gekleidet und seine Kleidung war relativ sauber. Vermutlich kein Penner. Seine Brieftasche steckte noch in seiner Hosentasche und ein Handy lag neben ihm. Er lag mit dem Gesicht auf dem Boden. Es gab keine sichtbaren Wunden.

„Bist du dir sicher, dass er tot ist?“, fragte Manus.

Ryder nickte. „Hab seinen Puls gefühlt. Außerdem konnte ich das Blut schon einen Block entfernt riechen. Er muss verblutet sein.“

„Okay. Dann drehen wir ihn mal um.“ Manus rollte die Leiche auf den Rücken und deckte damit auf, was bisher verborgen geblieben war: eine Lache Blut. Dem Opfer war mitten ins Herz gestochen worden. „Ja, tot.“ Manus griff in seine Hosentasche und zog das Armband heraus.

„Steck’s in seine vordere Hosentasche, damit es nicht herausfällt, wenn die Polizei seine Leiche transportiert“, schlug Ryder vor.

Manus nickte und schob das Armband in die Hosentasche des Toten. Dann drehte er die Leiche vorsichtig zurück in dieselbe Position, in der er sie gefunden hatte.

„Und jetzt noch zur Sicherheit“, fügte Manus hinzu und hob das Handy des Mannes auf, nahm dessen Daumen, um es zu entsperren, und navigierte dann zu seiner Kontakte-App. Er fügte eine Adresse hinzu, gab diese dann auch in der Landkarten-App ein und legte dann das Handy wieder neben den Toten auf den Boden.

Aus seiner eigenen Hosentasche holte Manus ein Prepaid-Handy heraus und wählte die Nummer des Notrufs.

„911, was ist Ihr Notfall?“, antwortete eine Frau innerhalb von zwei Sekunden.

„Ja, da liegt ein Mann auf der Straße. Ich glaube, er ist tot. Ich sehe Blut.“

„Von wo rufen Sie an?“

„Ich bin an der Ecke von Brooke und Franklin. Können Sie die Polizei schicken? Ich glaube, ich habe einen Typen wegrennen sehen. Kommen Sie schnell.“

„Wir schicken sofort die Polizei und einen Krankenwagen. Bleiben Sie bitte dran. Wie heißen Sie?“

Manus brach den Anruf ab, öffnete das Handy an der Rückseite und nahm den Chip heraus. Ein paar hundert Meter weiter warf er den Chip in einen Müllcontainer, dann steckte er das Handy wieder in seine Tasche.

„Gut, dann sind wir fertig“, sagte Grayson und wandte sich zum Gehen um.

„Noch nicht“, sagte Manus und hielt ihn damit auf. „Ich will sicherstellen, dass niemand die Leiche anfasst, bevor die Polizei sie abholt. Wir werden hier warten.“

„Damit uns die Polizei sieht?“, fragte Grayson.

„Die sehen uns nicht, denn wir sind schon unsichtbar.“

„Verdammt!“, fluchte Grayson. „Ich wünschte, du würdest mich vorwarnen, wenn du mich unsichtbar machst.“

„Wozu denn? Das spürst du doch sowieso nicht.“

„Ich möchte es aber trotzdem wissen.“

„Und jetzt weißt du’s: Du bist unsichtbar.“