Blase gut - alles gut - Prof. Dr. med. Stephan Roth - E-Book
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Blase gut - alles gut E-Book

Prof. Dr. med. Stephan Roth

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Beschreibung

Der "Blasendoktor" Prof. Dr. Stephan Roth bietet in diesem umfassenden Ratgeber Orientierung und Hilfe bei allen Fragen rund um ein unterschätztes und oft auch todgeschwiegenes Organ - die Blase. Ob wiederkehrende Blasenentzündungen, ständiger Harndrang oder unfreiwilliger Urinverlust: Spätestens bei solchen oder ähnlichen Beschwerden weiß man eine gesunde Blase zu schätzen. Der Urologe Stephan Roth vermittelt sein in vielen Jahrzehnten erworbenes Wissen über die Blase und klärt auf über die phänomenale Leistung dieses lebenswichtigen Organs. Für ihn steht fest: Je mehr Betroffene darüber wissen, desto mehr können sie eigeninitiativ handeln. Sein ebenso kompetenter wie unterhaltsam geschriebener Ratgeber "Blase gut - alles gut" hilft zusammen mit zahlreichen illustrierenden Zeichnungen und Graphiken: - Blasenentzündungen, Blasenschmerzen und andere Erkrankungen zu überwinden oder in den Griff zu bekommen, - all die vielen Signale, die uns die Harnblase gibt, wahrzunehmen und zu verstehen, - Tabus zu überwinden und Wertschätzung für ein häufig totgeschwiegenes Organ zu entwickeln, - sich ein fundiertes Wissen über die Blase und die mit ihr verbundenen Organsysteme anzueignen, - beim Arztbesuch die richtigen Fragen zu stellen und ergänzende oder vernachlässigte Schritte anzuregen, - stressfreier durch den Alltag zu kommen und mehr Kontrolle über ein zentrales Organ im Unterleib zu erlangen."Spätestens wenn die Blase streikt, weiß man, was man an einer gesunden Blase hat." Prof. Dr. Stephan Roth

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Prof. Dr. med. Stephan Roth

Blase gut - alles gut

Ihr Navigator für das Herz im Unterleib - bei Entzündungen, Inkontinenz, Harndrang & Co.

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Der »Blasendoktor« Prof. Dr. Stephan Roth bietet in diesem umfassenden Ratgeber Orientierung und Hilfe bei allen Fragen rund um ein unterschätztes und oft auch todgeschwiegenes Organ - die Blase.

 

Ob wiederkehrende Blasenentzündungen, ständiger Harndrang oder unfreiwilliger Urinverlust: Spätestens bei solchen oder ähnlichen Beschwerden weiß man eine gesunde Blase zu schätzen. Der Urologe Stephan Roth vermittelt sein in vielen Jahrzehnten erworbenes Wissen über die Blase und klärt auf über die phänomenale Leistung dieses lebenswichtigen Organs. Für ihr steht fest: Je mehr Betroffene darüber wissen, desto mehr können sie eigeninitiativ handeln.

 

Sein ebenso kompetenter wie unterhaltsam geschriebener Ratgeber »Blase gut - alles gut« hilft zusammen mit zahlreichen illustrierenden Zeichnungen und Graphiken:- Blasenentzündungen, Blasenschmerzen und andere Erkrankungen zu überwinden oder in den Griff zu bekommen,- all die vielen Signale, die uns die Harnblase gibt, wahrzunehmen und zu verstehen,- Tabus zu überwinden und Wertschätzung für ein häufig totgeschwiegenes Organ zu entwickeln,- sich ein fundiertes Wissen über die Blase und die mit ihr verbundenen Organsysteme anzueignen,- beim Arztbesuch die richtigen Fragen zu stellen und ergänzende oder vernachlässigte Schritte anzuregen,- stressfreier durch den Alltag zu kommen und mehr Kontrolle über ein zentrales Organ im Unterleib zu erlangen.

 

»Spätestens wenn die Blase streikt, weiß man, was man an einer gesunden Blase hat.« Prof. Dr. Stephan Roth

Inhaltsübersicht

Widmung

Raus aus der Tabuzone!

1. Kleine Kulturgeschichte der Harnblase

Urinwäscher in der Antike

Harnschau im Mittelalter: ein Spiegel der Gesundheit

Urin-Spende beim Gerben im Mittelalter

Brennstoff Urin

Das Geheimnis der Stradivari-Geigen

Urin als Farbstoff

Die Entdeckung des Testosterons

Urin in der Kunst: Marcel Duchamps Urinal

Urin zur Stromerzeugung

Die erste Strom-Toilette

Saubere Toiletten dank Spieltrieb

Urin in der Bauindustrie

Die Pinkelplatte – ein Trick von DJs?

Das Brüsseler Pinkel-Trio

2. Die Blase, das Herz im Unterleib

Warum werden Harnblasen nicht transplantiert?

Die Schleimhaut der Blase: hochkomplex wie Goretex

Von Schildkröten und Bären

Was macht die Zellen der Blasenschleimhaut stabil?

Warum zerreißen die Schirmzellen der Blase so selten?

Wie wird das Hohlorgan Blase leer?

Welche Muskeln haben Herz und Blase?

Die Blase ist voll: Wille oder Automatismus?

Kann man das autonome Nervensystem beeinflussen?

Die Blase und das Großhirn

Phänomene des Blasen-Alltags: leicht erklärt

Wenn ich muss und nicht kann, warum trete ich auf der Stelle?

Warum müssen Sportler immer nach dem Sport auf die Toilette?

Warum führt Nikotin zum Drang?

Warum löst plätscherndes Wasser einen Harndrang aus?

Die halb volle Blase vor der Nachtruhe entleeren? Klopfen hilft!

Warum sollte man vor einer Autofahrt die Blase entleeren?

Starker Harndrang ist wie Schlafentzug: weg vom Steuer!

Kann man beim Wasserlassen ohnmächtig werden?

3. Die überaktive Blase

Die überaktive Blase: Rückfall in unkontrollierte Zeiten

Warum gerät die Blase außer Kontrolle?

Ursache 1: ein überaktiver Blasenmuskel

Ursache 2: eine gestörte Blasenschleimhaut

Ursache 3: Störung im Hirn-Kontrollsystem

Ursache 4: eine übersensible Harnröhre

Ursache 5: Übergewicht oder metabolisches Syndrom

Ursache 6: Stress, Angst und Depression

Ursache 7: Mangel an Sexualhormonen

Ursache 8: funktionelle Magen-Darm-Störungen

Ursache 9: Störungen des autonomen Nervensystems

Wie stellt man eine überaktive Blase fest?

Die Beschwerden der Betroffenen: ein Wink mit dem Zaunpfahl

Der Urin sollte unauffällig sein

Östrogen in der Scheide darf nicht fehlen

Ein Blasentagebuch führen

Mit Ultraschall eine Blasenentleerungsstörung ausschließen

Blasenkrebs ausschließen

Die Blasendruckmessung: ein »EKG der Blase«

Was kann man gegen eine überaktive Blase tun?

Schritt 1: Änderungen des Verhaltens und Blasentraining

Blasentraining

Wie schaffe ich es, den Blasendrang zu unterdrücken?

Innere Ablenkung

Reizfaktoren auf die Blase verringern

Verringern Sie den Druck auf die Blase

Den Blasenreiz mit Gegenreizen löschen

Schritt 2: Beckenbodentraining (»Kegelübungen«)

Hilft Beckenbodentraining auch bei der Drangblase?

Gibt es auch Kegel-Übungen ohne Biofeedback-Verstärkung?

Schritt 3: die Drangblase mit Medikamenten beruhigen

Wie wirken die Blasenmedikamente?

Was man bei Medikamenten beachten muss

Ein hilfreicher Trick, die Nebenwirkungen zu verringern

Ein neues Wirkprinzip zur Dämpfung der Blasenaktivität

Blasenregulierende Substanzen direkt in die Blase geben

Überaktive Blase und Phytotherapie

Schritt 4: elektrische Neuromodulation

Stimulation des hinteren Tibialis-Nervs am Schienbein (PTNS)

Elektrische oder direkte Stimulation des Genitalnervs an der Klitoris oder dem Penis

Vaginale elektrische Stimulation

Schritt 5: Botoxinjektionen in den Blasenmuskel

Kann man nach der Botoxgabe die Blase gar nicht mehr entleeren?

Wie schnell wirkt die Behandlung nach der Injektion?

Wie lange hält die Besserung nach der Behandlung an?

Wie oft kann man die Behandlung wiederholen?

Gibt es auch Betroffene, die nicht auf Botox ansprechen?

Schritt 6: ein elektrischer Schrittmacher für die Blase

Wie deutlich sind die Verbesserungseffekte?

Ist die Implantation eine große Operation?

Woher weiß man, ob der Blasenschrittmacher hilft?

Wie wirkt der Blasenschrittmacher?

Wie lange halten die Blasenschrittmacher?

Schritt 7: operative Vergrößerung der Blase

Die (geschrumpfte) Harnblase mit eigenem Darm erweitern

Kann man mit so einer Blase die Blase normal entleeren?

4. Beschwerden und Diagnosen

Antibiotika: nur noch ein beliebiges Nahrungsmittel?

Symptome einer bakteriellen Blasenentzündung

Wann wird eine Blasenentzündung gefährlich?

Wann ist eine Blasenentzündung unkompliziert?

Vorsicht bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen: typische Frauenleiden?

Was begünstigt Blasenentzündungen?

Risiko Diaphragma

Frauen in der Menopause besonders anfällig

Wie stelle ich eine Blasenentzündung fest?

Urindiagnostik: das Rätsel Mittelstrahlurin

Schnelltest des Urins mit Teststreifen

Praktische Anwendung

Mikroskopie

Leitlinien-Empfehlung einer angemessenen Diagnostik

Urinkultur und kalkulierte oder gezielte Therapie

Ist eine Urinkultur immer notwendig?

Ergänzende Diagnostik

5. Therapien und Selbsttherapien

Kritikloser Antibiotikaeinsatz: eine Todsünde

Allgemein vorbeugende Maßnahmen

Schützt häufiges Trinken vor Blasenentzündungen?

Ernährung

Sexualität

Verhütungsmittel

Blasenentleerung nach dem Verkehr

Unterkühlung

Intimhygiene

Im Zweifel: Dusche statt Vollbad

Sonstige Empfehlungen

Miktionsverhalten

Lokale Östrogengabe in die Scheide

Östrogenmangel durch die »Mini«-Pille?

Laktobazillen als Wächter der Scheidenflora

Lokaler Östrogenersatz bei einer Brustkrebsvorgeschichte?

Östrogenfreie Möglichkeiten zum Aufbau der Scheidenflora

Helfen Östrogene in der Scheide auch der Blase?

Lokaler Östrogenmangel: Helfen auch Tabletten?

Ersatz der Laktobazillen in der Scheide

Wann ist eine Scheide gesund?

Die bakterielle Vaginose – Einfallstor für Blasenentzündungen?

Gabe von Laktobazillen nach einer antibiotischen Therapie

Entzündungen der Blase trotz gesunden Scheidenmilieus: Helfen Laktobazillen?

Empfehlungen, um einer Entzündung der Scheide vorzubeugen

Andere Schutzsubstanzen für die Scheide

Heilung ohne Antibiotika ist möglich

Antibiotische Kurzzeittherapie

Wie findet man eigentlich Stoffe, die gegen Bakterien wirken?

Welche Antibiotika werden empfohlen?

Wirksame und empfohlene Substanzen

Fosfomycin: Spaniens großer Stolz

Nitrofurantoin: von der Weltgesundheitsorganisation geschützt

Trimethoprim: von Nobelpreisträgern geschaffen

Nitroxolin: wiederentdeckt

Pivmecillinam: endlich auch in Deutschland erhältlich

Patientenbeteiligung bei der Therapieentscheidung

Langzeitprophylaxe

Dauereinnahme eines Antibiotikums

Ein Antibiotikum nach dem Verkehr als postkoitale Prophylaxe

Von Patienten initiierte Selbsttherapien

Prophylaxe durch Impfung

Was ist eine Impfung?

Impfung gegen Blasenentzündungen durch Tabletten

Impfung mit pflanzlichen Präparaten (Phytotherapie)

Impfung gegen Blasenentzündungen mittels Spritzen

Immunstimulation durch Akupunktur

Vaginale Immunstimulation

Hemmung der bakteriellen Anheftung an die Blasenwand

Cranberrys (Moosbeeren) als Anti-Klebstoff

Mannose blockiert Bakterienanker an der Zellwand der Blase

Ersatz der Schutzschicht der Blasenwand (GAG-Schicht)

Ansäuern des Urins: hilfreich bei Blasenentzündungen?

Den Urin mit Vitamin C ansäuern: Geht das?

6. Bewiesenes und Unbewiesenes

Desinfektionsmittel für die Harnwege

Antibiotika direkt in die Blase geben

Erfolgsrate und Nebenwirkungen

Was macht man, wenn es zu Resistenzen kommt?

Schützt Vitamin D vor Blasenentzündungen?

Zur Vitamin-D-Produktion brauchen wir Sonne

Was macht das Vitamin D konkret?

Wie viel Vitamin D brauchen Mann und Frau?

Bakteriophagen: die neue Wunderwaffe?

Anwendung von Bakteriophagen

Warum ist die Einführung einer Phagentherapie so schwierig?

Probiotika: hilfreich bei Blasenerkrankungen?

Helfen Probiotika bei Blasenentzündungen?

Phytotherapie: Wirksamkeit teilweise bewiesen

Die Grenze und das Problem der Steine

Ein erwiesenermaßen wirksames Phytotherapeutikum

Senföle mit teilweisem Nachweis der Wirksamkeit

Was wirkt denn da?

Wie sollen die Senföle zugeführt werden?

Biofilme als Schutzbunker für Bakterien

Baerberry (Bärentraubenblätter): eine Pflanze auf dem Prüfstand

Phytotherapie mit Flavonoiden

Verwirrende Vielfalt an Flavonoiden

Was bewirken Flavonoide?

In welchen Produkten sind viele Flavonoide enthalten?

Schwankt der Gehalt an Flavonoiden im Essen?

Wie viele Flavonoide soll man zuführen?

Quercetin – ein bekanntes und gut untersuchtes Flavonoid

Praktische Anwendung von Quercetin

Wie viel Quercetin darf man einnehmen?

Blasenstudien mit Quercetin

Goldrutenkraut – noch ein Favorit mit Flavonoiden

Kommt der Wirkstoff in der Blase an?

Ackerschachtelhalm – noch eine flavonoidhaltige Pflanze

Gibt es Studien über eine verringerte Infektionsrate der Blase?

Echinacea: oft verschrieben, aber urologisch ohne Nachweise

Knoblauch als Allheilmittel und »Antibiotikum«

Wie viel Knoblauch muss oder soll man täglich zuführen?

Wirkt nur roher Knoblauch oder darf er auch gekocht sein?

Kommt der Knoblauch-Wirkstoff im Urin an?

Was kann man gegen den Knoblauchgeruch unternehmen?

Berberin: ein guter Blasenschutz?

Wie viele Berberine soll man nehmen?

Wirken Berberine im Harntrakt und bei Blasenentzündungen?

Versteckte Bakterien in der Blasenwand?

Ist Forskolin das neue Wundermittel?

Chitosan als Bakterienlöser

Aromatherapie mit essenziellen Ölen

Essenzielle Öle bei Blasenentzündungen

Gefährlicher Ratschlag bei Blasenentzündungen: die Natron-»Kur«

Warum sollte vor der »Natron-Kur« gewarnt werden?

7. Roter Urin

Roter Urin: Es kann auch etwas anderes als Blut sein!

Blutiger Urin und Schmerzen bei der Blasenentleerung

Nicht sichtbare Spuren von Blut im Urin?

Blut im Urin ohne Schmerzen: ein ernsthaftes Alarmsignal

Bösartige Wucherungen der Urinschleimhaut

Wie erkennt man einen Tumor der Urinschleimhaut?

Was tun, wenn so was in der Blase wächst?

Was passiert beim »Taschendieb-Blasenkrebs«?

Was tun bei einem »Schwerverbrecher-Blasenkrebs«?

Wenn der Tumor (der Blase) bereits gestreut hat?

Wenn der Tumor auf ein Organ begrenzt ist

Wohin mit dem Urin, wenn die Blase fehlt?

Warum muss die Ersatzblase rund sein?

8. Das »Rheuma der Blase«: Interstitielle Zystitis

Eine Selbsthilfegruppe macht die Erkrankung bekannt

Wann sollte man an eine Interstitielle Zystitis denken?

Odyssee bis zur Diagnose

Wie sichert man die Diagnose?

Untersuchungen von Urin und Blase

Der Kaliumchlorid-Test (KCL-Test)

»Rheuma der Blase«: Was kann man tun?

Reizstoffe der Ernährung meiden

Physiotherapie und Druckpunktmassage

Medikamentöse Therapie mit Tabletten

Pentosanpolysulfat (PPS)

Andere Substanzen in Tablettenform

Schmerzmittel

Der alternativmedizinische Ansatz

Akupunktur

Die mikrobiologische Therapie

Die Neuraltherapie

Medikamentengabe direkt in die Blase

Minimalinvasive operative Verfahren

Gezielte Überdehnung der Blase (Hydrodistension)

Botox in den Blasenmuskel

Stromvermittelte Medikamentengabe

Entfernung von Blasengeschwüren (Hunnersche Ulzera)

Elektromodulation der Blase

Blasenentfernung und Bildung einer Ersatzblase

Wenn man die Blase entfernt: wohin mit dem Urin?

9. Die undichte Blase

»Stress-incontinence« versus »Belastungsinkontinenz«

Belastungsinkontinenz – was heißt das?

Warum haben Frauen oft eine Belastungsinkontinenz?

Was passiert bei Frauen bei einer Belastungsinkontinenz?

Mechanismus 1: ein geschwächter Muskel

Mechanismus 2: geschrumpfte Polsterung der Harnröhre

Mechanismus 3: Druckwellen bleiben hängen

Mechanismus 4: ausgeleiertes Widerlager unter der Harnröhre

Tritt die Belastungsinkontinenz in unterschiedlicher Stärke auf?

Meist überflüssige Untersuchungen

Patientenbefragungen und Fragebogen

Blasenprotokoll (Miktionstagebuch)

Pad-Test (Vorlagen-Wiegetest)

Sinnvolle Untersuchungen

Urinuntersuchung

Hustenprovokations-Test

Ultraschall zur Restharnbestimmung

Ultraschall im Mündungsbereich der Harnröhre

Spezielle Untersuchungen für den Einzelfall

Blasenspiegelung

Blasendruckmessung

Was tun gegen eine Belastungsinkontinenz?

Schritt 1: Gewichtsreduktion

Schritt 2: lokale Östrogentherapie

Schritt 3: Medikament gegen Belastungsinkontinenz

Schritt 4: Vitamin-D-Mangel ausgleichen

Schritt 5: Beckenbodentraining

Muskelaufbau braucht Zeit

Schnelle und langsame Muskelfasern – unterschiedlich trainieren

Schritt 6: Elektrostimulation beziehungsweise Biofeedback

Schritt 7: Pessartherapie

Unterschiedliche Pessartypen

Praktisches Vorgehen

Schritt 8: Magnetfeldtherapie

Schritt 9: Akupunktur

Schritt 10: Quellmaterialien in die Harnröhre (bulking agents) eingeben

Ungesicherte Therapieverfahren

Lasertherapie

Zelltherapie

Eine Revolution: kleines »Bändchen«, großer Effekt

Hilft diese Operation immer?

Wie aufwendig und belastend ist diese Operation?

Wie erfolgreich ist das »Bändchen«, und wie lange hält es?

Gibt es denn gar keine Komplikationen?

Nach- und Dankeswort

Zum Autor

Register

Quellen

Ich widme dieses Buch meiner lieben Frau Dr. Gabi Roth, unserer Tochter Theresa und meinen Söhnen Maël und Yannig mit den Schwiegertöchtern Anna und Madeleine.

Raus aus der Tabuzone!

Es ist wie so oft: Wenn alles funktioniert, nimmt man ein Organ kaum wahr. Aber wehe, die Selbstverständlichkeit wird gestört. »Ich habe meine Blase nicht mehr im Griff«, sagte eine Patientin, bei der der Drang zur Entleerung so plötzlich und schnell auftrat, dass sie nicht mehr das Haus verlassen wollte. Die junge Frau mit den wiederkehrenden Entzündungen der Blase fügte drastisch hinzu: »Meine Blase vertreibt meinen Mann.«

Nichts fürchten wir so sehr wie Kontrollverlust. Beim Gehirn ist es die Demenz, bei den Knochen die kaputte Hüfte, beim Herz der Infarkt – und bei der Blase?

Sich in der Öffentlichkeit beim Trinken zu verschlucken und dann prustend die eigenen Kleider zu bespritzen, ist peinlich. Aber die Kontrolle über die Blase zu verlieren, ist eine Katastrophe. Dann rückt nämlich dieses Organ, das am liebsten totgeschwiegen wird, ins Zentrum und beherrscht alles Denken und Tun.

Doch nicht nur der unkontrollierte Urinverlust ist eine Sache, mit der wir nichts zu tun haben wollen. Eine Blasenentzündung ist zwar keine Nierenkolik, aber sie zerstört die Tage, weil sich dann alles nur noch um die Krankheit dreht.

Oder nehmen wir das Problem des Blitzpinkelns. Eine Betroffene prägte dieses Wort, als ich mit ihr sprach. Wer eine entfesselte Blase hat, verspürt immer wieder ganz plötzlichen, regelrecht überfallartigen Harndrang. Einkäufe werden nicht mehr danach ausgerichtet, was man braucht, sondern wo man im Notfall eine Toilette findet.

Viele Menschen werden nachts aus dem Bett getrieben, der eigene Schlaf und der des Partners werden dabei gestört. Wer nachts mal muss, ist auf dem Weg zum Bad dem Risiko ausgesetzt, zu stürzen und dabei eine erzwungene Blasenentleerung zu erleiden. Schläfrigkeit und Dunkelheit begünstigen solche Stürze.

Wer glaubt, all dies sei selten, der irrt. Funktionsstörungen der Blase gehören geschlechterübergreifend zu den häufigsten Beschwerden.

Es ist gesellschaftsfähig, über Rhythmusstörungen des Herzens zu sprechen. Aber wer redet am Stammtisch oder im Freundeskreis über seine Blasenbeschwerden? Dabei hätten wir Menschen ohne das Speichervermögen von Blase und Darm wohl kaum die Evolution überstanden. Wir wären Opfer unseres Geruchs geworden, andere Lebewesen und Jäger hätten uns mit Leichtigkeit aufspüren und erlegen können.

Leider machen wir uns zu selten klar, wie nützlich unser tabuisiertes Organ ist. Wenn etwa der Urin blutig ist, womöglich ganz ohne Schmerzen, ist das ein wichtiges Warnsignal, denn bösartige Tumoren der Blase werden immer häufiger und gehören inzwischen zu den häufigsten zehn Krebserkrankungen des Menschen. »Das wird mein Arzt schon hinbiegen«, hörte man früher. Heute suchen die Betroffenen Zweitmeinungen.

 

Mehr als die Hälfte meines nunmehr 64-jährigen Lebens habe ich beruflich mit ungetrübter Begeisterung als Facharzt für Urologie verbracht, davon die letzten 24 Jahre als Leiter einer der größten Urologischen Universitätskliniken in Deutschland. In der Klinik behandeln wir vordringlich Notfälle von Männern, Frauen und Kindern – von Nierensteinen, Harnsperren, blutenden Blasentumoren bis zu schwerwiegenden Entzündungen. Auch die Behandlung bösartiger Erkrankungen von Nieren, Blase und Prostata wird immer häufiger. Viele Betroffene können mit einem operativen Eingriff geheilt werden. Aber genau darin liegt der Unterschied zu den oft lang andauernden Funktionsstörungen der Blase, die das Leben entweder zur Qual machen oder den Alltag zerstören.

Aber ist das ein Grund, darüber ein Buch zu schreiben? Leider erlebe ich immer wieder, dass das für den Patienten verfügbare Zeitfenster zur sorgfältigen Analyse eines gesundheitlichen Problems immer kleiner wird. Es ist nicht nur eine Frage der ärztlichen Erfahrung und Patientenfürsorge, es ist auch ein gesundheitspolitisches Problem. Warum der Zeit- und Effektivitätsgedanke so übermächtig geworden ist und damit eine geduldige und forschende Problemlösung verloren geht, kann an dieser Stelle nicht erörtert werden.

Gleiches trifft für Therapieversuche zu. Häufig müssen mehrere Ansätze kombiniert werden, um einen spürbaren Effekt zu erzielen. Die eine Wunderpille, die sofort und durchschlagend alle Probleme beseitigt, gibt es leider viel zu selten.

So wird es immer wichtiger, dass sich die Betroffenen im Sinne einer Selbstfürsorge über ihre Beschwerden und Erkrankungen informieren. Leider ist das Internet gerade bei medizinischen Fragen oft ein schlechter Ratgeber, weil es für die Ratsuchenden immer schwerer wird, zwischen Information und verkaufsorientierter Anzeige zu unterscheiden. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, die Betroffenen mit dem in diesem Buch gesammelten Wissen zu unterstützen. Ich freue mich, wenn dieses Buch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, hilft, zum Experten für ein wichtiges Organ unseres Körpers zu werden. Nur wer seinen Körper gut kennt, kann verantwortungsbewusst mit ihm umgehen.

Beim Schreiben dieses Buches haben mir meine dreißig Jahre Berufserfahrung und die wissenschaftliche Neugierde geholfen. Grundlage waren aber die unzähligen Patientenschicksale, die mich immer wieder herausgefordert haben. Ich habe gemerkt, dass es oft die einfachen Fragen und Verfahren sind, mit denen eine Blasenfunktionsstörung erkannt werden kann.

Ich wünsche mir, dass das oft vergessene, tabuisierte oder totgeschwiegene Problem der Blasenfunktionsstörungen auf mehr Verständnis stößt.

Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wünsche ich eine lockere, ganz unverkrampfte Lektüre dieses Navigators durch die Geheimnisse, Erkrankungen und Funktionsstörungen der Harnblase. Ich habe mich bemüht, keine Frage über unser Wunderorgan offenzulassen.

 

Stephan Roth

1.Kleine Kulturgeschichte der Harnblase

Wie Harnschauen, Urinbatterien und Pinkelplatten unsere Welt geprägt haben

Bevor wir unsere Expedition in die Geheimnisse der Harnblase antreten, möchte ich Sie in eine kleine Kulturgeschichte unseres unterschätzten Organs entführen. Trotz oder vielleicht wegen der andauernden Tabuisierung dieses lebenswichtigen Körperteils ist es eine der unterhaltsamsten Kulturgeschichten der Welt.

Urinwäscher in der Antike

Seit einigen Jahren ist die Sensation perfekt, denn mit Urin wird man in Zukunft Geld verdienen! Urin wird als Rohstoff zur Energiegewinnung und Herstellung von Baustoffen nutzbar werden.

Was unglaublich erscheint, gab es schon im alten Rom vor zweitausend Jahren. Die Berufsgruppe der Fullonen (Urinwäscher) wurde mit der Herstellung ihres eigenen Waschmittels wohlhabend. Die Urinwäscher stellten große Gefäße auf, in die sich die Römer entleerten, und sammelten den Urin. Aber statt den frischen Urin zu nutzen, ließen sie ihn verfaulen, also durch Bakterien zersetzen. Sie setzten diesem alten Urin Asche, Wasser und Seifenkraut hinzu und weichten die Schmutzwäsche darin einige Tage ein. Um die Schmutzteile mechanisch zu lösen, wurde die durchweichte Wäsche danach mit den Händen und Füßen gestampft und gewrungen, denn Waschmaschinen gab es noch nicht.

Diese Arbeit war nicht nur hart und geruchsintensiv, sondern auch gefährlich. Denn die Bakterien bildeten aus dem Harnstoff im frischen Urin Ammoniak, der ätzend wirkt. Jeder, der einmal den Urin bei einer Blasenentzündung gerochen hat, kennt diesen stechenden Geruch, der durch das Ammoniak entsteht. Deshalb war die Haut der Urinwäscher an den Händen und Füßen oft entzündet und die Lungenschleimhaut vom Einatmen der Dämpfe gereizt.

Heute kann man den Reinigungseffekt von Ammoniak chemisch erklären. Denn das durch die Bakterien gebildete Ammoniak ist basisch, es zieht also saure Wasserstoffteilchen an und bindet sie. Dadurch zerfallen größere Moleküle wie Fette und Eiweiße in kleinere Bruchstücke, die einfach abzuwaschen sind. Wer dieses Phänomen, dass nur der alte und verfaulte Urin reinigend wirkt, zuerst beobachtet und daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat, wissen wir nicht. Aber diese Kulturtechnik machte die Urinwäscher reich.

Ein noch heute bekannter Ausspruch geht im Übrigen auf die Zeit der Urinwäscher zurück. Weil sie viel Geld verdienten, kam Kaiser Vespasian im ersten nachchristlichen Jahrhundert auf die Idee, von ihnen Steuern zu verlangen. Auf den Protest, auch von seinem eigenen Sohn, sich mit einem solchen Berufsstand abzugeben, soll er seinem Sohn eine Münze gezeigt und gefragt haben, ob die Münze riechen würde. Als dieser verneinte, sagte er ihm: »Und doch stammt sie vom Urin – es stinkt nicht.« Heute wird Vespasian mit der verkürzten Version »Geld stinkt nicht« zitiert.

Harnschau im Mittelalter: ein Spiegel der Gesundheit

Heutzutage ist das Stethoskop, mit dem man das Körperinnere abhört, das berufliche Erkennungszeichen der Ärzte. Im Mittelalter war es ein kolbenförmiges Glas zur Harnbeschau, die sogenannte Matula.

Diese Harnschau galt als unfehlbare diagnostische Methode zur Erkennung fast aller Krankheiten und war damals die wichtigste ärztliche Tätigkeit. Man schloss aus dem Geruch, der Farbe und der Beschaffenheit des Urins auf die Säftemischung des Blutes. Man unterschied zwanzig Urinfarben – von kristallklar über kamelhaarweiß, brombeerrot und fahlgrün bis schwarz. Die Beschaffenheit wurde als dünn, mittelmäßig oder dickflüssig eingeordnet. Außerdem suchte man nach bestimmten Teilchen wie Bläschen, Fetttröpfchen und sandartigen, blattartigen oder linsenartigen Niederschlägen.1

Diese Harnschau verkam im Lauf der Zeit zu einer Urinwahrsagerei, weil man alles, was den menschlichen Körper betraf, wie in einem Spiegel ablesen zu können glaubte. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde es mit der weiterentwickelten Naturwissenschaft möglich, genaue und überprüfbare Methoden der Urinanalyse zu entwickeln.

Urin-Spende beim Gerben im Mittelalter

Die Verarbeitung von Tierhäuten ist eine der ältesten Kulturleistungen der Menschheit. Doch die heutigen Fachkräfte für Lederherstellung und Gerbereitechnik weisen eher selten darauf hin, wie man im Mittelalter bei der Lederbearbeitung genau vorging.

Da Tierhäute im Rohzustand nicht verarbeitet werden konnten, musste das Leder durch Gerbung hergestellt werden. Hierzu wurden die Häute eingesalzen, um ihnen die Feuchtigkeit zu entziehen und den Fäulnisvorgang zu vermeiden. Dann wurden die Häute mehrere Tage getrocknet, anschließend gewaschen, danach die Haare mit Urin gelöst und mit stumpfen und rundlichen Schabern entfernt. Damit die Gerber ausreichend Urin hatten, ließen sie vor ihren Werkstätten Töpfe für Passanten aufstellen.

Brennstoff Urin

Wenn man Feuersteine gegeneinanderschlägt, erhält man Funken. Um damit ein Feuer zu entzünden, ist der Funke jedoch zu kurzlebig, er muss auf einer leicht entzündlichen Unterlage aufgefangen werden. Hierzu diente schon früher die filzartige Gewebestruktur des Zunderschwammes, eines heute unter Naturschutz stehenden Pilzes, der auf abgestorbenen Buchen und Birken wächst. Es gibt keinen Survivalkurs, in dem er nicht erwähnt wird.

Bei diesem Pilz wird die holzige, graue Kruste entfernt, damit die innere Zunderschicht freigelegt wird. Wird dieser schwammartige Lappen mit Nitrat versetzt, entflammt er noch leichter. Heutzutage kann das durch eine gesättigte Lösung aus Wasser und Kaliumnitrat erfolgen. Früher hat man dies gemacht, indem man den Zunderschwamm in Urin gelegt und dann getrocknet hat. Denn Urin hat genügend Stickoxidverbindungen, Phosphate und Harnstoff, die sich hervorragend entzünden.

Vielleicht wurde diese besondere Eigenschaft des Urins entdeckt, wenn die Feuerstelle abends mit Urin gelöscht wurde – aber am nächsten Morgen umso leichter zu entzünden war. Der Zunder selbst brennt übrigens nicht. Er ist eine stark glimmende Gewebeschicht, auf die dann trockenes Gras oder andere leicht entflammbare Materialien gelegt werden. Der Zunder kann eventuell sogar mehrfach genutzt werden.

Das Geheimnis der Stradivari-Geigen

Die Geigen von Antonio Stradivari (1644–1737) sind Millionen Euro wert, und schon viele Geigenbauer haben versucht, das Geheimnis des besonderen Klangs zu lüften. Als wissenschaftlich nachvollziehbar gilt, dass das besondere Klima zur damaligen Zeit einen Einfluss auf das Holz und dessen Schwingungsfähigkeit hatte. Alle anderen Einflussfaktoren sind unbewiesen, so auch die Frage des besonderen Lacks.

Dieser Lack soll auf einer geheimen Rezeptur basiert haben, die möglicherweise noch nicht einmal Stradivari selbst kannte. Denn er bezog den Lack von einem Apotheker, der sich sehr gut mit zwei Substanzen auskannte, nämlich mit Polysacchariden (auch als »Vielfachzucker« bekannt) und Boraxsalzen. Die Boraxsalze verweben dabei die Zuckermoleküle zu einem Netz. Die wichtigste Zutat soll jedoch Jungfrauenurin gewesen sein. Ob das stimmt, wird man nie mehr feststellen können, Antonio Stradivari und der Apotheker haben das Geheimnis mit ins Grab genommen.

Urin als Farbstoff

Aus dem Urin indischer Kühe, die ausschließlich mit Blättern des Mangobaumes gefüttert werden, ließ sich Indischgelb herstellen, ein sehr gefragtes Pigment.

Dafür mussten die Tiere dursten, damit sich der Urin mit der Konzentration dunkelgelb verfärbte. Nach dem Verdampfen des Wassers blieb vom Urin ein gelbbrauner Rückstand übrig. Das so hergestellte Pigment wies eine sehr hohe Lichtbeständigkeit auf und eignete sich zum Lasieren. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Herstellung aus Tierschutzgründen verboten. Heute sind Imitationen im Handel erhältlich.

Die Entdeckung des Testosterons

Der Begriff Hormon wurde erst 1905 geprägt und abgeleitet vom griechischen horman (für »antreiben«, »anregen«, »in Bewegung setzen«) – man glaubte nämlich ursprünglich, dass alles durch das Nervensystem geregelt würde. Doch mit den Hormonen, den biochemischen Botenstoffen in unserem Körper, änderte sich die Sicht auf unseren Körperkreislauf.

Auf der Suche nach dem männlichen Geschlechtshormon beschrieb bereits im Jahre 1911 ein gewisser A. Pézard, dass der Kamm eines kastrierten Hahnes wuchs, wenn man ihm einen Extrakt aus Hoden spritzte – und zwar proportional zur verabreichten Dosis.

Dieser Kapaunenkamm-Test und ähnliche Tiermodelle waren in den folgenden zwanzig Jahren ein Prüfmodell für verschiedene Stoffe auf der Suche nach dem männlichen Geschlechtshormon. Man isolierte sie in großer Menge aus Tierhoden und dem menschlichen Harn.

Aber erst 1931 gelang es dem Biochemiker Adolf Butenandt, das erste männliche Hormon zu identifizieren, das Androsteron. Er nutzte hierfür seine Zusammenarbeit mit der in Berlin ansässigen Firma Schering-AG, und man sammelte 15000 bis 25000 Liter Urin von Berliner Polizisten. Es gelang Butenandt, hieraus fünfzehn Milligramm Androsteron zu gewinnen. Erst später fand man heraus, dass im Hoden das zehnfach potentere Testosteron produziert wird, das nach Verstoffwechselung im Organismus als Androsteron ausgeschieden wird.

Erst drei Jahre später gelang es dem Schweizer Chemiker Leopold Ruzicka, Androsteron chemisch zu synthetisieren, wofür er gemeinsam mit Butenandt im Jahre 1939 den Chemie-Nobelpreis erhielt.

Urin in der Kunst: Marcel Duchamps Urinal

In der jüngeren Geschichte ist das Urinal von Marcel Duchamp zweifelsohne das bekannteste und folgenreichste Kunstwerk, das genau wegen der Assoziation mit dem tabuisierten, verachteten und mit Scham behafteten Urin so berühmt werden konnte. Der Künstler reichte es 1917 unter dem Titel Fountain bei einer New Yorker Kunstausstellung ein und provozierte eine Ablehnung. Dadurch wurde es jedoch zu einer Ikone und begründete die Stilrichtung der Readymades, bei der Alltagsgegenstände zur Kunst für alle wurden.

Das Urinal verschwand genauso wie viele andere Readymades von Marcel Duchamp, keiner weiß, wo und ob das Original überhaupt noch existiert. Damals ein Skandal, wurde das Pinkelbecken im Jahr 2004 in Großbritannien von Künstlern und Galeristen zum einflussreichsten Kunstwerk der Moderne gewählt.

Urin zur Stromerzeugung

Derek Lovley ist heute ein Star. Vielleicht sogar einmal ein Kandidat für den Nobelpreis? Er hat etwas entdeckt, was keiner für möglich gehalten hätte. Denn es gibt Bakterien, die Strom produzieren. Wird es vielleicht einmal Kraftwerke geben, die Strom produzieren, ohne dass Abfallstoffe entstehen, weil die Abfallstoffe als Nahrung für Bakterien dienen? In der Tat ist das jetzt nicht nur möglich, sondern in Testversuchen bereits Realität.

Es war im Jahre 1987, als Derek Lovley wegen einer plötzlichen Algenplage in einem Flussgebiet in der Nähe von Washington Untersuchungen durchführte. Als Mitglied der amerikanischen geologischen Gesellschaft forschte er als Mikrobiologe seit vielen Jahren über Bakterien. Was er fand, war eine Sensation, die er in einer der berühmtesten Wissenschaftszeitungen publizierte.2

Der Mikrobiologe identifizierte Bakterien, die ohne Sauerstoff leben und beim Stoffwechsel frei werdende Elektronen nicht innerlich verarbeiten, sondern sie durch die Zellmembran nach außen schaufeln, wo sie dann über feinste Haare abfließen. Und dieser Fluss von negativ geladenen Teilchen, den Elektronen, ist das, was Strom ausmacht. Dieser Strom sucht sich dann eine Verbindungsstelle. In dem Fall waren es rostige Bestandteile des Wassers.

Dabei entstanden ein magnetisches schwarzes Eisenoxid, aber auch gelöstes Phosphat. Und das wiederum wirkt bei Algen wie ein Düngemittel, also wachstumsfördernd. Damit hatte Derek Lovley nicht nur die Ursache der Algenplage gefunden, sondern vielmehr ein vollkommen neues, stromproduzierendes Bakterium, das er später Geobacter metallireducens nannte.3

Heute, viele Jahre später, ist die Entwicklung fortgeschritten. Es wurden viele Unterarten der stromproduzierenden Bakterien gefunden, die alle beim Verdauen von organischen Stoffen Strom fließen lassen. Sie werden inzwischen in batterieähnlichen Behältern gezüchtet und bekommen verschiedene Substanzen als Nährstoffe. Sie werden heute als mikrobielle Brennstoffzellen (microbial fuel cells = MFC) bezeichnet.

Die erste Strom-Toilette

Im Jahre 2015 stellte ein in England forschender Zypriote, Prof. Ioannis Ieropoulos, erstmals ein Strom-Klo vor. Damit war es möglich, aus dem Abfallprodukt Urin mithilfe besagter Bakterien Strom und Wasser zu machen.

Dieses Strom-Klo wurde auf dem Campus der Universität Bristol aufgestellt und sah aus wie die Urinale in provisorischen Flüchtlingscamps. Aber durch eine transparente Platte konnten Studenten und Personal beobachten, wie aus dem Urin mithilfe der Bakterien Energie entsteht.

Die erzeugte Energie wurde in Licht oder Strom zum Aufladen von Elektrogeräten genutzt. Ihr Projekt nennen die Forscher Urine-tricity, eine Verbindung von Urin und Elektrizität. Das Projekt wurde mit Geldern der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung unterstützt.

Außerdem entstand natürlich Wasser als Nebenprodukt. Denn schaut man sich die Zusammensetzung des Urins an, so besteht er zu 95 Prozent aus Wasser. Zwei Prozent der Restbestandteile sind Harnstoff. Drei Prozent bilden sonstige Bestandteile.

Bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden Menschen werden täglich fast zwölf Milliarden Liter Urin produziert – eine nicht zu vernachlässigende Tatsache in Zeiten des Klimawandels, der Dürre und steigender Wasserknappheit.

Saubere Toiletten dank Spieltrieb

Ende der 1990er-Jahre hatte Aad Kienboom, Manager des Amsterdamer Flughafens, ein Problem. Die öffentlichen Toiletten der Männer im Flughafenbereich waren im Vergleich zu den Damentoiletten fast permanent verschmutzt, eine Erhöhung der Reinigungsfrequenz war kaum machbar.

Da hatte Aad Kienboom eine Idee. Er klebte in den hinteren Teil der Männer-Urinale kleine Plastikbienen – der Spieltrieb der Männer war geweckt, und die Verschmutzung der Toiletten bzw. Flächen neben den Toiletten sank um ganze achtzig Prozent! Die Methode war so einfach – und dabei so erfolgreich, dass sie vielfach imitiert wurde.

2005 hörte der Ingenieur Doug Kempel durch Zufall von dieser Idee und wunderte sich, dass noch niemand daraus eine Geschäftsidee gemacht hatte. Also gründete er eine Firma, die einklebbare Zielobjekte für Männerurinale vertrieb.

Inzwischen ist die Idee der Biene vielfältig variiert worden, etwa mit einem schwingenden Fußball, der mit dem Urinstrahl ins Tor befördert wird. Das Problem hierbei: Man(n) hat meist nur zwanzig Sekunden Zeit, dann ist bei den meisten Männern die Blase leer.

Urin in der Bauindustrie

Ginger Krieg Dosier ist eine junge amerikanische Architektin, die 2010 nach langem Suchen ein Verfahren entwickelt hat, bei dem Bakterien durch Kalziumausscheidung Sandkörner zu einem steinartigen Gewebe verkleben, wenn sie als Nährstoff Harnstoff erhalten. Und der ist im Abfall Urin reichlich enthalten.

Das Wunderbakterium heißt Sporosarcona pasteurii. Damit fand Krieg Dosier ein Herstellungsverfahren, bei dem der Stein nicht gebrannt werden muss. Wenn man weiß, dass die Herstellung von 25000 herkömmlichen Ziegelsteinen die Brennkraft von vierhundert Bäumen verbraucht, kann man sich die Ersparnis an Kohlendioxid für die Umwelt vorstellen. Jährlich werden rund 1,2 Billionen Ziegel produziert, die – würde man sie alle aneinanderreihen – 325-mal für die Strecke zum Mond und wieder zurück reichen würden. Die Umweltbelastung dadurch ist immens, denn dabei werden 800 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen.

 

Geboren wurde die Idee, als Krieg Dosier von ihrer Firma beauftragt wurde, nach umweltverträglichen Hartmaterialien zum Bauen zu suchen. Weil es die nicht gab, fing sie an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Irgendwann stellte sie sich die Frage, wie es Korallenriffe schaffen, so harte und wasserbeständige Strukturen aufzubauen. Sie setzte sich mit einem Forschungsinstitut in North Carolina in den USA in Verbindung. Irgendwann fand sie die Rezeptur, das richtige Gemisch. In einer Nährstoffkultur werden kalkabscheidende Bakterien gezüchtet und dann mit Kalzium und Harnstoff gemischt. Wenn man dieses Gemisch über Sand gießt, haben die Bakterien nach fünf Tagen so viel Kalk abgeschieden, dass die Körnchen zu einem Stein verklebt sind.

2012 haben Ginger Krieg Dosier und ihr Ehemann die Firma bioMason in North Carolina gegründet. Sie haben inzwischen zwanzig Angestellte und produzieren jede Woche 1500 Ziegel, wollen die Kapazitäten aber weiter ausbauen.

Die Idee wurde inzwischen vielfach aufgegriffen. Die südafrikanische Studentin Suzanne Lambert4 experimentiert ebenso mit kalkabsondernden Bakterien wie Dr. Jonkers von der Universität in Delft. Seine Idee ist es, brüchig gewordenen Beton nicht durch immer mehr Stahlstreben zu verstärken, sondern die Bruchspalten erneut mit Bakterien zu füllen, die dann wieder durch Mineralstoffbildung aushärten.5 Bezeichnenderweise nennt er sein Forschungsprojekt the self-healing of concrete, die Selbstheilung von Beton.

Die Idee des Betons hat auch die Europäische Weltraumbehörde aufgegriffen. Aus Mondstaub und Harnstoff aus menschlichem Urin ließen sich verschiedene betonartige Materialien bilden. Diese könnten dann mit einem 3-D-Drucker geformt werden.6 Damit ließe sich auf dem Mond ohne zusätzliche Transportkosten mit dem täglich anfallenden Urin der Astronauten ein Baustoff produzieren.

Die Pinkelplatte – ein Trick von DJs?

Fragt man jemanden aus den Norden Deutschlands nach der Pinkelplatte, wird er antworten, das sei das klassische Winteressen. Denn Pinkel ist eine Grützwurst aus Hafer- und Gerstenkörnern, die zusammen mit Kasseler und Grünkohl gegessen wird und als Pinkelplatte serviert wird. Besonders im Raum Oldenburg und Bremen ist dieses Essen eine Art winterliches Kulturgut.

Viel bekannter ist der Begriff der Pinkelplatte allerdings bei Discjockeys. Damit ist nämlich ein Musikstück gemeint, das lang genug ist, damit der DJ zwischendurch einmal zur Toilette gehen kann, ohne dass jemand aufhört zu tanzen. Die Frage nach der Pinkelplatte gehört bei jedem Interview mit einem Discjockey dazu, ähnlich wie die Frage nach dem Lieblingsbuch bei einem Buchhändler oder Schriftsteller. Der Begriff ist in der elektronischen Musikszene sehr verbreitet und gilt als Synonym für lange Einspielungen. Als Ricardo Villalobos ein Remix des Stückes What Is House Muzik von DJ Pierre veröffentlicht, wird es als neue Pinkelplatte für DJs angekündigt. Die Neuinterpretation des Klassikers dauert 32:03 Minuten.

Als die dreißigjährige Helena Hauff, die eine Berühmtheit in der Welt der elektronischen Clubmusik ist, einmal in einem Interview nach ihrer Pinkelplatte gefragt wird, antwortet sie: »Ich habe keine Pinkelplatte. Mein Trick ist: auf gar keinen Fall Bier trinken während eines längeren Sets. Und Wasser nur zur Benetzung der Schleimhäute. Und dafür ganz viel Wodka. Der trocknet nämlich krass aus.«7

Das Brüsseler Pinkel-Trio

Der »Manneken Pis« ist eine mehr als siebenhundert Jahre alte Brunnenfigur und eines der beliebtesten und bekanntesten Symbole der belgischen Hauptstadt Brüssel. Die Statue ist etwa sechzig Zentimeter hoch, und es ranken sich viele Legenden um diesen pinkelnden Jungen.

Eine Legende besagt, es sei die Erinnerung an einen Jungen, der dadurch die Stadt vor einem Brand gerettet habe, eine weitere Legende sagt, es sei der zweijährige Lord von Leuven, der in einem Netz an einem Baum hing, um den eigenen Truppen Glück zu bringen, und dann später auf die besiegten Truppen gepinkelt habe. Einer dritten Legende zufolge sei es der Sohn eines Adeligen, der sich von einer Prozession entfernt habe, um an das Haus einer Hexe zu pinkeln. Da sei er zur Strafe von der Hexe in eine Statue verwandelt worden.

 

Der »Manneken Pis« hat nicht nur eine touristische, sondern auch eine politische Bedeutung. Die Figur wird mittlerweile mit Meinungsfreiheit, Widerstandsgeist und demokratischen Werten assoziiert. Nach dem fürchterlichen Terroranschlag auf dem Brüsseler Flughafen im März 2016 sah man in den sozialen Netzwerken Bilder, die zeigen, wie Manneken Pis auf die Terroristen uriniert. Das wiederum erinnerte an eine Zeichnung von 1944, auf der das Manneken auf deutsche Wehrmachtssoldaten und das Hakenkreuz pinkelte.

Der freche Junge bekam Unterstützung, indem in Brüssel 1987 eine weibliche Figur und 1998 ein Hund in Brüssel aufgestellt wurden. Das Mädchen ist wie der Junge eine wasserlassende Brunnenfigur, der Hund jedoch hebt nur sein Bein vor einem Straßenpfahl, der nicht eingenässt wird.

2.Die Blase, das Herz im Unterleib

Was macht das unterschätzte Kraftpaket aus?

Die erste Herztransplantation weltweit am 3. Dezember 1967 in Kapstadt durch Christiaan Barnard war eine Sensation. Spenderin war die 25-jährige Denise Darvall, die bei einem Verkehrsunfall auf der Straße vor der Klinik schwer verletzt wurde. Man stellte bei ihr den Hirntod fest, und der Vater erklärte sich mit der Entnahme des Herzens bei seiner Tochter für eine Transplantation sofort bereit – obwohl noch kein Kreislaufstillstand eingetreten war. Es war genau diese weltweit einmalige besondere Gesetzgebung in Südafrika, durch die es dem bis dahin unbekannten südafrikanischen Herzchirurgen Barnard möglich wurde, die Operation mit ausreichender Zeit vorzubereiten. Als die Operation gelang, hatte er die amerikanischen Pioniere dieser Technik sozusagen auf der Ziellinie überholt.

Der Empfänger des Herzens, der 54-jährige Gemüsehändler Louis Washkansky, hatte mehrere Herzinfarkte erlitten und war dem Tode nah. Er wusste genau, dass die geplante Herztransplantation riskant und weltweit noch nie durchgeführt worden war. Aber es war seine letzte Chance. Die Operation gelang, die Nachricht ging um die Welt, aber es kam zu Komplikationen. Denn Louis Washkansky bekam nach zwei Wochen Fieber. Man deutete es als eine Abstoßungsreaktion gegen das fremde Herz und gab dem Patienten hoch dosiert Kortison, das das Immunsystem unterdrückt. Dies war aber eine fatale Fehlentscheidung, denn der Patient hatte eine Lungenentzündung, und das Kortison unterdrückte zusätzlich die Bekämpfung der Entzündung. Er starb an der falschen Medikation und nicht an den Folgen der Transplantation.

Warum werden Harnblasen nicht transplantiert?

Auf die erste Transplantation einer Harnblase wartet die Welt noch heute. Und sie wird vermutlich auch nie stattfinden! Denn operativ spezialisierte Urologen sind seit einigen Jahrzehnten in der Lage, aus körpereigenem Gewebe eine Ersatzblase zu bilden. Der Vorteil hierbei ist, dass kein Fremdgewebe genommen werden muss und keine Testung auf eine Gewebeverträglichkeit notwendig ist. Es müssen auch keine Medikamente verabreicht werden, die eine Abstoßungsreaktion unterdrücken.

Bei einer solchen Operation werden bei dem betroffenen Patienten Teile seines Dünn- oder Dickdarms herausgelöst. Aus diesen Darmbestandteilen wird eine neue, kugelige Blase gebildet, und die beiden Harnleiter, die den Urin aus den Nieren transportieren, werden an diese Ersatzblase angeschlossen. Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, wie beispielsweise einer intakten Harnröhre und eines funktionierenden Schließmuskels, wird dann diese neue Blase an die Harnröhre oberhalb des Schließmuskels angenäht. Diese Ersatzblasen erfüllen die Hauptfunktion der Blase sehr gut und zuverlässig, nämlich die Speicherung des Urins und dessen willentliche Entleerung über die Harnröhre.

Operative Bildung einer Ersatzblase: Bei der Operation schaltet man aus dem Darm des Betroffenen ungefähr sechzig Zentimeter Dünndarm aus (1), der weiter durch die Bauchschlagader mit Blut versorgt wird. Dieses schlauchförmige Darmstück wird dann zu einem kugeligen Reservoir vernäht (4), damit es ein maximales Volumen speichern kann. Dazu wird das Darmstück auf der der Blutversorgung gegenüberliegenden Seite aufgeschnitten (2, 3) und dann umgeformt (3). Die Harnleiter aus den Nieren werden mit der Ersatzblase verbunden. Diese wird oberhalb des Schließmuskels an die Harnröhre angenäht (4).

Oft sprechen Fachleute von einer Neoblase, als ob man ein neues Organ erschaffe. Das ist aber falsch, denn es handelt sich keineswegs um eine neuwertige Blase. Die natürliche Blase ist extrem komplex aufgebaut und vollbringt eine Vielzahl herausragender, oft nicht wahrgenommener Leistungen.

Eine Ersatzblase ersetzt zwar die Hauptfunktion der Blase, nämlich die kontrollierte Speicherung des Urins. Aber eine weitere wichtige Funktion der normalen Harnblase, beispielsweise die Meldung an das Gehirn, wann die Blase voll ist und entleert werden muss, ist nicht zu ersetzen. Diese Funktion ist nämlich an feinste Nervenverbindungen gekoppelt, die man nicht wiederherstellen kann.

Und haben Sie einmal darauf geachtet, wie sich die Blase entleert? Einmal gestartet, muss man nichts machen, da sich der wie ein Turban geformte Blasenmuskel gewissermaßen automatisch zusammenzieht und den Inhalt auspresst. Bei der Ersatzblase ist das anders, denn es gibt den schlingenförmigen Blasenmuskel nicht mehr. Vielmehr muss die Ersatzblase wie eine schlaffer Beutel durch eine Bauchpresse entleert werden. Denken Sie an den Sonntagabend-Krimi: Sie müssen auf die Toilette, und der Film kann nicht angehalten werden. Man versucht, die Blasenentleerung zu beschleunigen, indem man presst und den Bauchdruck auf die Blase erhöht. Genau das machen Betroffene mit einer Ersatzblase.

Die Möglichkeit, nach einer Blasenentfernung eine Ersatzblase zu schaffen, hat in den letzten dreißig Jahren sicher viele Tausende Menschenleben gerettet. Denn bei der bösartigen Erkrankung der Blase – und die wird immer häufiger – gibt es die Möglichkeit, den Krebs rechtzeitig zu erkennen, weil die Betroffenen bluten. Hat der Tumor noch nicht gestreut und ist tief in den Muskel eingewachsen, gab es früher nur die Möglichkeit, die Blase zu entfernen und den Urin in einen Beutel umzuleiten. Davor schreckten viele Betroffene zurück, bis es zu spät war. Die Möglichkeit des operativen Blasenersatzes gibt den Betroffenen ganz neue Perspektiven.

Die Schleimhaut der Blase: hochkomplex wie Goretex

Stellen Sie sich ein Abwassersystem vor, bei dem nach einem extrem komplexen Durchlauf durch die Kläranlage das gereinigte Wasser am Ende doch wieder mit dem Klärschlamm in Kontakt kommt und erneut verunreinigt wird.

Entweder würde dann der Betrieb geschlossen oder eine Reparatur in Gang gesetzt. Ähnlich ist es mit der Blase: Wenn nach der Blutwäsche (also nach der Reinigung des Blutes in der Niere) der Urin als biologisches Abwasser in die Blase gelangt, sollte nichts von dem Urin wieder unkontrolliert durch die innere Schleimhaut der Blase in den Körper eindringen. Denn es würde wieder dem Blutkreislauf zugeführt werden und müsste wieder per Blutwäsche gereinigt werden. Damit würde das System aber unnötig belastet und je nach Menge der überflüssigen Wiederaufnahme kollabieren.

Deshalb muss die innere Schleimhautschicht dicht sein. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Blase ständig dehnt – eine flexible Filteranlage, die bei jedem Ausdehnungsgrad ihre volle Filterfunktion erhalten muss. Kein Ingenieur der Welt wäre in der Lage, so etwas zu konstruieren. Jedenfalls nichts, was jahrzehntelang störungsfrei funktionieren würde.

Außergewöhnlich ist die innere Schleimhautschicht im Harntrakt, das sogenannte Urothel. Dieses bekleidet das Nierenbecken und die Harnleiter und die Blase. Lange Zeit glaubte man, dass die innere Schleimhautschicht des Harntraktes insbesondere im Bereich der Blase vollkommen undurchlässig wäre wie eine Gummihaut.

Heute weiß man, dass diese innere Membran eher wie eine Art intelligentes Goretex-Material funktioniert – es ist zwar nicht undurchlässig, doch die Löcher sind zu klein, um Flüssigkeiten hindurchzulassen. Durch die feinsten Kanäle können bestimmte Stoffe ausgetauscht werden.

Der genaue Mechanismus und biologische Nutzen dieses hoch spezialisierten Austausches ist noch nicht bekannt. Denn die eigentliche Filtration und Reinigung des Blutes findet in der Niere statt. Und es erscheint (zumindest beim Menschen) biologisch unverständlich, warum nochmals ein der Niere nachgeschalteter hoch spezialisierter Austauschmechanismus in der Blase bestehen soll.

Von Schildkröten und Bären

Landschildkröten und Bären halten einen mehrmonatigen Winterschlaf. Spätestens nach dem Aufwachen würden sie aber sterben, wenn die Nieren nicht durchgespült würden. Denn die feinen und hochsensiblen Filterkanäle würden verstopfen oder verkleben. Das passiert jedoch nicht, weil ihre Blasen wie Wasserspeicher funktionieren und Flüssigkeit in den Körperkreislauf zurückführen. Deshalb wird von Tierärzten den Zoos und den privaten Besitzern von Landschildkröten empfohlen, dass die Umgebungstemperatur beim Winterschlaf der Landschildkröten ausreichend kühl und feucht ist. Andernfalls wäre der Flüssigkeitsverlust zu hoch, und der Ausgleich durch den Wasserspeicher der Blase wäre ungenügend.

Da Bären als Säugetiere dem Menschen näherstehen als Schildkröten, hat man deren Stoffwechsel intensiv studiert. Während des mehrmonatigen Winterschlafs stehen sie nicht auf und nehmen auch keine Flüssigkeit zu sich. Das ist möglich, da der gesamte Stoffwechsel um bis zu achtzig Prozent reduziert wird. So kommen die Bären mit einem Minimum an Energie aus, sie atmen nur ein- bis zweimal pro Minute, und auch der Herzschlag ist auf etwa fünf Schläge pro Minute reduziert. Jede Unterbrechung – beispielsweise zum Trinken – wäre nur mit einer Steigerung der Körperaktivität möglich und würde einen immensen Energieaufwand bedeuten.

Damit das möglich ist, können Bären je nach Bedarf aus der eigenen Harnblase sowohl Wasser, aber auch andere ausgeschiedene Stoffe wieder aufnehmen. Dadurch können sie den mehrmonatigen Winterschlaf überstehen.

Dahinter stecken kleine Transportkanäle, die man beim Menschen lange einfach übersehen hatte, weil sie so klein sind. Die Entdeckung dieser kleinen Eiweißstrukturen war eine wissenschaftliche Sensation. 2003 ging dafür der Chemie-Nobelpreis an den US-amerikanischen Chemiker Peter Agre.

Was macht die Zellen der Blasenschleimhaut stabil?

Der Unterschied zwischen einer vollen und einer leeren Blase beträgt bei einem gesunden Erwachsenen ungefähr einen halben Liter. Auch wenn die Frequenz der Blasenentleerung bei Weitem nicht an die Kontraktions- und Füllungsfrequenz des Herzens heranreicht, muss die Blase enorme Dehnungskräfte aushalten. Würde das Herz ein Volumen von einem halben Liter speichern und auswerfen müssen, würde es sehr schnell versagen.

Aber eine Kette ist nur so stark wie das dünnste Glied – und das ist sicher die Verbindung zwischen den stark gedehnten Schirmzellen an der inneren Oberfläche der Blasenschleimhaut. Diese Verbindungen enthalten bestimmte Eiweißstrukturen, die man auch Occludine nennt. Die Forschung über diese Zellklebstoffe steht erst am Anfang, weil bislang auch die Möglichkeiten fehlten, diese extrem kleinen Eiweißstrukturen spezifisch darzustellen. Es wäre gut vorstellbar, dass ein Defekt zwischen diesen Zellverbindungen Ursache einiger bislang so schwierig zu behandelnder Erkrankungen der Blase ist, da es zum ungehinderten Eintritt giftiger Bestandteile aus dem Urin in das innere Gewebe der Blase kommt.

Warum zerreißen die Schirmzellen der Blase so selten?

Die inneren Schirmzellen der Blase verfügen über ein einzigartiges Stabilitätsgerüst, das bislang nur in diesen Zellen gefunden wurde. Es handelt sich um Eiweißstrukturen, die als Zellgerüst auch in anderen Körpergeweben nachweisbar sind und als Cytokeratine