Blindsided - Spielplan für die Liebe - Eden Finley - E-Book

Blindsided - Spielplan für die Liebe E-Book

Eden Finley

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Beschreibung

"Memo an mich: Verlieb dich nie in deinen besten Freund. Vor allem nicht, wenn du ihm berufsbedingt ständig auf den Hintern starren musst." Shane Miller und Marcus Talon waren auf dem College unzertrennlich. Als Talon in die Profiliga aufstieg, konzentrierte sich Miller auf seine eigene Karriere. Doch jetzt spielen sie beide in derselben NFL-Mannschaft und Talon möchte da anknüpfen, wo sie aufgehört haben, wilde Partys mit weiblichen Fans inklusive. Miller macht sich allerdings Sorgen, dass solche Eskapaden sie beide die Karriere kosten könnten. Und das ist nicht einmal sein größtes Problem, denn schon lange hegt er mehr als freundschaftliche Gefühle für den heterosexuellen Talon. Marcus Talon ist der aufstrebende Star am Football-Himmel. Seit er ins Team seines besten Kumpels gewechselt ist, setzt er alles daran, ihrer beider College-Traum zu verwirklichen – den Superbowl gewinnen und die alten Zeiten aufleben lassen. Doch Miller zieht sich plötzlich von ihm zurück. Bei jedem anderen würde Talon das vielleicht akzeptieren, aber hier geht es um Shane Miller, den Mann, den er seit Jahren nicht vergessen kann – Herausforderung angenommen.

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EDEN FINLEY

BLINDSIDED – SPIELPLAN FÜR DIE LIEBE

FAKE BOYFRIENDS 4

Aus dem Englischen von Emily Bähr

Über das Buch

Shane Miller und Marcus Talon waren auf dem College unzertrennlich. Als Talon in die Profiliga aufstieg, konzentrierte sich Miller auf seine eigene Karriere. Doch jetzt spielen sie beide in derselben NFL-Mannschaft, und Talon möchte da anknüpfen, wo sie aufgehört haben, wilde Partys mit weiblichen Fans inklusive. Miller macht sich allerdings Sorgen, dass solche Eskapaden sie beide die Karriere kosten könnten. Und das ist nicht einmal sein größtes Problem, denn schon lange hegt er mehr als freundschaftliche Gefühle für den heterosexuellen Talon.

Marcus Talon ist der aufstrebende Star am Football-Himmel. Seit er ins Team seines besten Kumpels gewechselt ist, setzt er alles daran, ihrer beider College-Traum zu verwirklichen – den Superbowl gewinnen und die alten Zeiten aufleben lassen. Doch Miller zieht sich plötzlich von ihm zurück. Bei jedem anderen würde Talon das vielleicht akzeptieren, aber hier geht es um Shane Miller, den Mann, den er seit Jahren nicht vergessen kann – Herausforderung angenommen.

Über die Autorin

Eden Finley schreibt heitere Liebesromane voller Herz, die sich wunderbar für kleine Fluchten aus dem Alltag eignen. Ihre Bücher entstehen meist aus einer originellen Idee. Ursprünglich schrieb Eden auch in vielen anderen Genres, doch seit 2018 hat sie in der queeren Romance ihr Zuhause gefunden.

Eden lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in Australien.

Die englische Ausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Blindsided«.

Deutsche Erstausgabe August 2021

 

© der Originalausgabe 2019: Eden Finley

© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2021:

Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,

Eisenbahnweg 5, 98587 Steinbach-Hallenberg

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Umschlaggestaltung: Reese Dante

Umschlagmotiv: iStock

(Das Cover dient nur zu Darstellungszwecken, die abgebildete Person ist ein Model.)

Lektorat: Annika Bührmann

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-948457-20-4

 

www.second-chances-verlag.de

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Über die Autorin

Impressum

Kapitel 1

Talon

Kapitel 2

Miller

Kapitel 3

Talon

Kapitel 4

Miller

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Miller

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Danksagung

Weitere Bücher von Eden Finley

KAPITEL 1

TALON

Neun Jahre zuvor

»Runter damit, Rookie!« Herausfordernd halte ich Shane Miller einen roten Plastikbecher hin, doch der Schrank von einem Typen, der mir dieses Jahr die Defense vom Hals halten wird, starrt mich erst ein paar Sekunden lang aus seinen großen, braunen Augen an, ehe er ihn entgegennimmt.

»Du bist die Sorte von Kerl, vor der mich meine Mom gewarnt hat. Gruppenzwang ist keine Erfindung.«

»Mamis kleiner Junge, was?«

Miller schnaubt amüsiert, dann schüttet er das ganze Bier in einem Zug runter. »Nope. Wenn meine Mom die Wahrheit kennen würde, müsste sie mich vor mir selbst warnen. Ich glaub, das war mein sechster Drink heute Abend.«

Lachend klopfe ich ihm auf die Schulter. »Wir werden gut miteinander auskommen.« Ich habe in etwa genauso viel getrunken. Oder mehr? Nach dreien hab ich aufgehört zu zählen. Man könnte meinen, dass wir Footballer einfach nur nicht weiter als bis drei zählen können, die Wahrheit ist aber, dass es mich einen Scheiß interessiert, wie viele Drinks ich in mich reinkippe.

Ich war dabei, als der Coach sich Millers Aufnahmen angesehen hat, und es ist keine Überraschung, dass er ihn gleich in der Offensive Line starten lässt, obwohl er nur ein Erstsemester ist. Mit gerade erst achtzehn Jahren ist er so hoch wie breit – perfekt für die Position.

»Worauf hast du Bock?«, frage ich ihn und deute auf die Menge, die sich in meiner Bude versammelt hat. »Brünette?« Ich zeige auf eine spärlich bekleidete Studentin, die vielsagend lächelnd an uns vorbeiläuft. »Rothaarige?« Mit einem Nicken deute ich auf das einer Sardinenbüchse gleichende Wohnzimmer, das zur Tanzfläche umfunktioniert worden ist. Mit mir haben noch fünf andere aus dem Team dieses Haus abseits des Campus aus genau diesem Grund gemietet: Partys und Alkohol, ohne dass die Universität uns im Nacken sitzt.

»Blondine«, erwidert Miller, wobei seine Augen beim Anblick des Mädchens, das sich uns in diesem Moment nähert, zu strahlen beginnen.

»Sorry, aber die ist heute Abend vergeben.«

Theoretisch ist sie mein Date, aber jeder weiß, dass ich es mit dem Wort nicht so genau nehme. Es ist kein wirkliches »Date«, wenn ich sie nicht vorher abgeholt habe und wir gemeinsam hier angekommen sind.

Nikki tritt an meine Seite, und ich lege den Arm um ihre Schultern. »Nikki, das ist Miller. Miller, Nikki.«

Mir entgeht nicht, wie sie Miller ansieht und ihren Blick langsam über ihn wandern lässt, von seinen kurzen Haaren über seine breiten Schultern bis hin zur schmalen Taille. Die meisten Kerle würde es stören, wenn ihr Date einen anderen derart abcheckt – aber ich? Aus irgendeinem Grund finde ich es sogar heiß. Tatsächlich bin ich noch nie eifersüchtig gewesen. Ich bin nicht der Typ dafür, weder bei einfachen Dates noch in einer richtigen Beziehung.

Nikki neigt sich zu mir und flüstert mir ins Ohr: »Wollen wir in dein Zimmer verschwinden?«

So ungeduldig? Mit einem Grinsen wende ich mich ihr zu und küsse ihre Wange. »Gleich. Ich will mich noch ein bisschen mit Miller hier unterhalten.«

Miller zieht die Augenbrauen hoch, als wäre er überrascht darüber, dass ich ihn meiner Begleitung vorziehe. Aber wir sind jetzt ein Team – ein Band, das nicht gebrochen werden kann. Das wird er noch lernen. Vor allem, weil ich beschlossen habe, ihn unter meine Fittiche zu nehmen.

»Ich geh dann mal tanzen«, erwidert Nikki, wobei sie drohend ihre perfekt gezupfte Augenbraue hebt. Wenn sie dort ein besseres Angebot bekommt, wird sie es ohne Zweifel annehmen.

»Viel Spaß.« Wie gesagt: keine Eifersucht. Falls sie jemanden für heute Abend findet, von mir aus gern. Wir sind im College. Keine Zeit für Drama, ernste Beziehungen und ähnlichen Blödsinn.

Nachdem sie verschwunden ist, stupst Miller mich an. »Alter. Wenn dich ein Mädchen, das so aussieht, fragt, ob du mit ihr verschwinden willst, dann verschwindest du mit ihr.«

Ich schnaube amüsiert. »Keine Sorge. Du wirst bald merken, dass es mehr als genug Bücher in der Bibliothek gibt.«

Er kneift die Augen zusammen. »Lautet das Sprichwort nicht ›Es gibt noch andere Fische im Ozean‹?«

»Ich steh nicht so auf die Analogie. Ich meine, wenn du fischen gehst und einen fängst, dann sagst du nicht sofort: ›Ich glaub, der schmeckt furchtbar‹, und wirfst ihn zurück. Bedeutet es nicht genau genommen, dass du das Ding mit heimnimmst, es kochst, isst, und es erst wegwirfst, wenn es dir nicht schmeckt? Das heißt also im Gegenzug, wenn eine Beziehung nicht funktioniert, bringst du die Person um. Und Mord ist nicht sexy. Bücher dagegen … Du leihst sie aus, bis du das Buch findest, das du liebst. Und das behältst du. Natürlich erlauben sie dir dann nicht, noch mehr auszuleihen, bis du es zurückgibst, aber wieso solltest du auch? Du brauchst kein anderes Buch mehr.«

Miller wirkt verwirrt. »Mann, bist du schräg drauf.«

»Danke«, erwidere ich grinsend.

»Eigentlich bedeutet das Sprichwort, dass es noch andere Fische gibt, wenn dir einer vom Haken hüpft.«

Mir gefällt, dass Miller den Blödsinn, den ich da von mir gebe, nicht einfach so schluckt, wie andere. Manchmal überspanne ich den Bogen absichtlich, nur um zu sehen, wie viel ich mir erlauben kann. »Na ja … stehen Frauen wirklich drauf, mit Fisch verglichen zu werden? Ich meine … du weißt schon …«

Miller – Achtung – beißt nicht an. »Ich hol mir noch ’nen Drink. Willst du auch was?«

»Ja, danke.«

Ich sehe ihm hinterher, als er geht, und bin damit nicht allein. Nicht nur die Mädels starren ihm hinterher, sondern auch die Jungs. Seine Präsenz hat etwas Einnehmendes – was vermutlich auch daran liegt, dass er beinahe zwei Meter groß ist. Als er mit zwei Bier zurückkommt, lächelt er. »Also, was hast du vor? Profi-Football in der NFL, vermute ich?«

»Fuck, ja. Was sonst? Du auch?«

Er zuckt mit den Schultern. »Denke schon. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gut genug bin.«

»Machst du Witze? Ich hab ein paar deiner Highschool-Spiele gesehen. Du hast’s drauf, Alter. Selbstverständlich schaffst du das.«

Auf einmal spiegeln sich Überraschung und Hoffnung in seinen Augen. »Meinst du echt?«

Da mir bewusst ist, wie gering die Chancen für uns alle sind, es überhaupt in die NFL zu schaffen, sollte ich ihm sagen, dass er sich trotzdem auf seinen Abschluss konzentrieren soll – als Plan B. Aber irgendwas hat er an sich, ich hab’s im Gefühl. Es ist, wie wenn ich auf dem Feld bin. Eine Art sechster Sinn. Mein Instinkt verrät mir, welche Taktik funktioniert und wem ich den Ball zuwerfen soll. Und obwohl ich Miller erst seit ein paar Tagen kenne, weiß ich, dass er es schaffen wird.

Ich hebe meinen Drink, um ihm zuzuprosten. »Absolut. Du und ich. Zukünftige Superbowl-Champions. Ich seh’s vor mir.«

Auf einmal schlingen sich von hinten zwei Arme um meinen Körper. Nikki ist zurück.

Doch ich schneide ihr das Wort ab, noch ehe sie etwas sagen kann. »Wir können gleich rauf. Vorher müssen wir aber jemanden für Miller finden – sonst will er am Ende noch zuschauen.«

Es ist ein Witz. Zumindest für mich, bis ich plötzlich Interesse in Millers Augen aufflammen sehe. Ich wende mich an Nikki, erwarte förmlich, dass sie mir eine reinhaut oder mich zumindest zusammenstaucht. Aber nichts. Sie starrt ihn auf dieselbe Art an, wie er uns betrachtet. Dann zuckt sie mit den Schultern. »Ich hätte kein Problem damit.«

Ich glaube, dass nicht nur meine, sondern auch Millers Kinnlade nach unten klappt. Nie hätte ich bei so etwas mit ihrer Zustimmung gerechnet. Doch sie ergreift meine Hand, dann Millers und führt uns nach oben. Ich bin sicher, dass die Leute uns dabei beobachten. Vielleicht sollte mir das etwas ausmachen – tut es aber nicht. Der Gedanke daran, Sex zu haben, während jemand anders im Raum ist, macht mich unheimlich an. Etwas, das ich bis gerade eben gar nicht über mich wusste.

Ich bin hart, bevor wir überhaupt im Zimmer sind.

Nikki schlüpft zuerst durch die Tür und zieht bereits ihr hautenges Tanktop und ihren Minirock aus. Am Ende steht sie nur in Unterwäsche und High Heels vor uns.

»Wow«, höre ich Miller hinter mir, wobei er schnell die Tür schließt.

»Danke.« Sie kichert.

Mein Zimmer ist kaum größer als ein Schuhkarton, weshalb Miller sich an mir vorbeischieben muss, um den Schreibtischstuhl in der Ecke zu erreichen. Aus irgendeinem Grund erweckt allein dieser kurze Körperkontakt jedes meiner Nervenenden zum Leben. Etwas nervös ziehe ich mich ebenfalls aus, wobei der Knopf meiner Jeans nicht so will wie ich und ich mich in meinem eigenen T-Shirt verheddere. Falls es den anderen beiden auffällt, lassen sie es sich nicht anmerken.

Dann kann ich allerdings nicht verhindern, dass mein Blick sofort zu Miller wandert. Seine Hose steht offen, sein harter Schwanz zeichnet sich bereits deutlich unter dem dünnen Stoff seiner Unterwäsche ab. Allein bei der Vorstellung, wie er es sich selbst besorgt, während er mir und Nikki beim Sex zusieht, fühle ich mich wie ein Gott. Wer hätte gedacht, dass Voyeurismus so heiß sein kann?

Ich war niemals so erregt, so hart und so kurz davor, zu explodieren. Wahrscheinlich ist es die kürzeste Nummer seit meinem ersten Mal, und als ich komme, sind meine Augen vollständig auf Miller fixiert. Vielleicht ist ihm das noch nicht so klar, aber was ich vorhin gesagt habe, entspricht der Wahrheit: Wir werden uns gut verstehen, vielleicht sogar beste Freunde werden. Und bei dem Anblick, wie er sich über seine eigene Hand ergießt, bin ich mir sogar sicher, dass wir beide wissen, dass so was wie heute definitiv wieder passieren wird.

KAPITEL 2

MILLER

Heute

Scheiße. Nicht schon wieder.

Mein Mund fühlt sich trocken an, als hätte ich eine Packung sandiger Wattebällchen verschluckt, während der winzige Drummer in meinem Kopf gegen meine Schädeldecke hämmert, als wolle er Van Halens »Hot for Teacher« begleiten.

Ich drehe mich auf die andere Seite und werde von einem Anblick begrüßt, der mir nur zu bekannt vorkommt – auch wenn es mittlerweile sechs Jahre her ist, seit ich das letzte Mal mit Talon und irgendeiner unbekannten Frau im Bett gelandet bin. Oder in diesem Fall: zwei unbekannten Frauen.

Überall im Zimmer hängt der Geruch von Sex und billigem, zitronigem Parfüm.

Früher ist so was häufiger passiert, aber ich dachte ernsthaft, wir hätten die unbekümmerten Collegetage hinter uns gelassen. Als ich am Ende der letzten Saison rausfand, dass Talon bei den Warriors unterschrieben hatte, ist es mir im Traum nicht in den Sinn gekommen, wieder in unsere alten Gewohnheiten zu verfallen. Mir ging es nur um den Football und darum, wie großartig es werden würde, endlich wieder in einem Team mit ihm zu spielen.

Vielleicht war es aber nur mein Überlebensinstinkt, der sich bemerkbar machte.

Nachdem er ein Jahr vor mir seinen Abschluss an der University of Southern California gemacht hatte, wurde er von New England gedraftet und direkt in der NFL eingesetzt. Unterdessen wurde ich zwei Jahre lang nur von einem Übungsteam ins nächste geschoben, bis ich es vor drei Saisons endlich zu den Warriors geschafft habe. Weil wir allerdings in verschiedenen Conferences gespielt haben, habe ich Talon seit seinem Abschluss kaum noch gesehen. Unser einziger Kontakt bestand aus gelegentlichem Trash Talk auf Twitter und einer dünnen Facebook-Freundschaft.

Jetzt ist er wieder ein fester Teil meines Lebens, und es fühlt sich an, als wäre er nie weg gewesen.

Und genau deshalb bin ich zu hundert Prozent am Arsch.

Denn anstatt mir eine der beiden Frauen anzusehen, deren Körper fest an unsere gepresst sind, bleibt mein Blick an Talons harten Muskeln hängen, seinem unrasierten, kantigen Kiefer und dem blonden Haar, das zwar kurz genug ist, um mit den Händen durchzufahren, aber dennoch so lang, dass ich mich daran festhalten könnte, wenn ich …

Nein. Denk nicht mal dran, Miller!

Das wird nie passieren.

Talon mag vielleicht offen dafür sein, dass wir uns Frauen teilen, aber wir hatten schon immer eine unausgesprochene Regel, was diese Nummern betrifft: Wir, er und ich, fassen einander nicht an. Seine Hände bleiben bei der Frau, mit der wir zusammen sind, während ich meine ebenso weit von ihm fernhalte. Denn wenn er wüsste, was in meinem Kopf vorgeht, während wir zusammen sind, würde er mich nie wieder zu sich nach Hause einladen.

Scheiße, wenn er wüsste, woran ich genau in diesem Moment denke, würde er mich wahrscheinlich splitternackt vor die Tür setzen.

Die Blondine reibt ihren schlanken Körper an mir, als sich die Latte, die ich wegen meines langjährigen besten Freundes habe, förmlich in ihren Rücken bohrt.

»Mhm, da ist jemand bereit für die nächste Runde«, murmelt sie, wobei ich das Lächeln aus ihrer Stimme heraushören kann.

Talon öffnet langsam die blauen Augen, und sowie sein Blick meinen findet, breitet sich ein verdammt heißes Grinsen auf seinem Gesicht aus.

Auf keinen Fall kann ich mich auf eine zweite Runde einlassen, ohne unsere komplette Freundschaft in den Sand zu setzen. Letzte Nacht war ein Fehler. Alkohol und College-Schwärmereien sollte man niemals zusammenbringen.

Ich fasse mir ans Ohrläppchen – unser universelles Zeichen für »Die Party ist vorbei« –, und Talon nickt.

»Sorry, Mädels«, sagt er. Er streckt sich genüsslich, bevor er aus der Bewegung heraus beide an sich heranzieht, um mir mehr Freiraum zu verschaffen. »Wir müssen gleich zum Morgentraining.«

Eine Lüge. Die Saison hat nicht einmal angefangen, aber das fällt den beiden gar nicht auf. Die meisten Spielergroupies haben keine Ahnung vom Spielplan, wenn sie nicht zum Typ »Besessene Stalkerin« gehören, doch keine der Frauen hier hat sich gestern für unser Football-Gerede interessiert.

Ich bringe nicht mehr als ein halbherziges Winken zum Abschied zustande, ehe ich zum Duschen in Talons Bad verschwinde. Währenddessen bleiben die drei in seinem Super-Kingsize-Bett zurück, das in etwa so groß wie ganz Illinois ist, und ich versuche, nicht zu sehr an die Möglichkeit zu denken, dass sie noch fix einen Quickie schieben.

Schnell stecke ich meinen Kopf unter die Brause, um mögliche Geräusche auszublenden. Wenn ich höre, wie es zur Sache geht, habe ich möglicherweise nicht die Kraft, zu widerstehen.

Und genau das muss ich tun – widerstehen –, damit ich nicht wieder so ende wie damals, als Talon mich zum ersten Mal verlassen hat.

Talon hat nicht mich verlassen. Es gab nichts, was er hätte verlassen können. Auch jetzt nicht. Er ist nicht … wir sind nicht … verdammt!

Genau das ist der Grund, wieso unsere Freundschaft so verwirrend ist und warum ich mir nicht erlaube, zu sehr über ihn nachzudenken.

Ich bin unter der Dusche fast fertig, als er plötzlich hereinschlendert und unmittelbar vor mir pinkelt. Gibt es in dieser Villa kein zweites Bad?

Allein an diesem Raum ist leicht erkennbar, wie unterschiedlich unsere Gehälter sind. Alles besteht aus echtem Marmor mit teuren Armaturen und ausgefallenen Duscheinstellungen. Passt perfekt zum Rest dieser Bude in Lincoln Park.

»Muss das sein?«, grummele ich.

»Nichts, was du nicht schon gesehen hättest.«

Stimmt. Nach drei Jahren im selben Collegeteam, inklusive eines geteilten Zweierzimmers, habe ich davon eigentlich viel zu viel gesehen, um immer noch auf ihn zu stehen. Aber anscheinend törnen mich nicht einmal wenig anregende Körperfunktionen ab.

»Wie in der guten alten Zeit, was?« Talon grinst. »Wir hätten die letzten Jahre echt besser in Kontakt bleiben sollen.«

»Mhm.« Ich halte den Kopf wieder unters Wasser, weil ich gar nicht erst davon anfangen will, warum ich ständig seine Nachrichten ignoriert habe, wenn wir mal in der gleichen Stadt waren. Er hat es versucht, aber ich hatte immer eine andere Ausrede parat. Zu meiner Verteidigung: Es war nicht besonders schwer, so zu tun, als wäre ich beschäftigt – und Talon hatte Verständnis dafür. Es war ja nicht so, dass ich ihn nicht sehen wollte. Wollte ich nämlich. Als ich endlich gedraftet wurde, war ich mir zu neunzig Prozent sicher, dass ich über ihn hinweg war. Dennoch habe ich mir immer Sorgen gemacht, dass ich in genau so einer Situation wie jetzt landen könnte.

Nach nur einer Nacht bin ich am selben Punkt wie vor sechs Jahren – ich sehne mich nach etwas, das ich nicht haben kann.

»Sind sie weg?«, frage ich.

»Ja. Und stell dir vor …« Er ist mit dem Pinkeln fertig und wendet sich mir zu, sodass ich den Kopf in den Nacken legen muss, um nicht auf seinen Schwanz zu starren. »Ich hab nach ihren Nummern gefragt, und sie haben nur gekichert, als hätte ich einen Witz gerissen, und sich aus dem Staub gemacht.«

Ich gluckse. »Angekratztes Ego?«

»Ich versteh es nicht. Wir hatten Spaß, oder? Wer würde nicht mehr davon wollen?«

»Denen wird klar sein, dass du kein Mädchen heiratest, das vor deinen Augen deinen Kumpel vögelt.«

»Höre ich da Slutshaming?«

»Nein, aber normale Menschen ziehen es irgendwie vor, wenn ihre Partner nicht auch bereitwillig ihre Freunde flachlegen.« Keine Ahnung, wieso Talon dieses Konzept so unbekannt ist.

»Ich versteh’s nicht, Mann. Ich hätte gern eine Frau, die zulässt, dass ich mich mit anderen vergnüge oder dass ich zusehe, während sie sich mit anderen vergnügt.«

»Das ist wahre Liebe.« Ich dusche mich ab und drehe das Wasser zu. Als ich aus der Kabine trete, hält Talon mir ein Handtuch entgegen, als wäre das ganz normal.

Diese sorglose »Mir doch egal«-Einstellung hatte er schon immer. Er fühlt sich wohl in seiner Haut und scheint sich nicht daran zu stören, dass wir beide nackt sind. Zehn Jahre in Umkleidekabinen machen das mit einem, aber das hier ist nicht die Kabine im Stadion, was allerdings keine Auswirkung auf sein Selbstbewusstsein hat.

Dagegen hoffe ich nur darauf, dass er bloß nicht runtersieht und erkennt, wie sehr ich den Anblick genieße.

Schuldgefühle nagen an mir. Nicht wegen letzter Nacht, sondern wegen der drei Jahre im College, in denen wir regelmäßig solche Aktionen durchgezogen haben. Ich habe Angst, dass er es herausfindet – dass ich es mehr genieße, mit ihm zu teilen, als ich eigentlich sollte. Das vor ihm zu verheimlichen, kommt einem Verrat gleich. Ja, ich mag Frauen, aber dank Talon habe ich vor all den Jahren realisiert, dass ich auch auf Männer stehe. Und in dem Jahr nach seinem Abschluss habe ich versucht herauszufinden, was genau das bedeutet. Nach ein paar Experimenten mit anderen Typen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich vor allem auf einen bestimmten Mann stehe. Die Jungs im College haben mir bewiesen, dass ich bi bin, aber ich glaube, eigentlich bin ich pansexuell. Ich habe mich wegen seiner Persönlichkeit in Talon verliebt – nicht, weil er ein Mann ist.

»Ich weiß, dass deine Momma dir beigebracht hat, mit anderen zu teilen, aber ich glaube, das geht ein Stück zu weit.«

Ich hasse mich dafür, dass meine Stimme nur ein Krächzen ist, aber es kostet mich all meine Energie, überhaupt Wörter rauszubekommen.

»Es ist … keine Ahnung … besser, wenn mehr als zwei Leute dabei sind.« Er schaut mich an, als wolle er eine Bestätigung von mir.

Nachdem ich mich abgetrocknet habe, wickele ich mir das Handtuch in der Hoffnung, dass Talon die Auswölbung darin nicht sehen kann, um die Hüften. »Eine von ihnen hat immer wieder deinen vollen Namen gestöhnt – selbst als sie mit mir zugange war. Wahrscheinlich hat sie einem Vierer nur zugestimmt, um damit angeben zu können, dass sie was mit Marcus Talon hatte. Glaub mir, wenn ich sage, dass weder mein Name noch der von … der anderen fallen werden, wenn sie die Story erzählt.«

»So ist es wahrscheinlich am besten«, erwidert Talon. »Vielleicht sollten wir sie vorher eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben lassen.«

Ich schnaube. »Hey, Ladys, ihr bekommt meinen Schwanz nicht zu Gesicht, ehe ich eine Unterschrift sehe. Sehr elegant.«

Talon lacht.

»Aber das sollte keine Rolle mehr spielen. Es, äh, darf nicht mehr passieren.«

Sofort sackt er in sich zusammen. »Nicht du auch noch.«

»Du hast gesehen, was die Presse die letzten Monate mit Jackson angestellt hat. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn jemand Wind davon bekommt? Die Leute drehen durch, weil er einen Kerl im Bett hat. Einen Kerl. Was machen sie da erst, wenn sie rausfinden, was wir tun? Wir sind nicht mehr auf dem College, Verschwiegenheitserklärungen sind nicht narrensicher, und wenn die Liga …«

»Es ist ja nicht so, als wären wir … wie Jackson.«

»Schwul, meinst du? Denkst du wirklich, die Presse interessiert sich für die Details? Du und ich haben uns schon mehr als einmal das Bett geteilt. Ja, da waren andere Leute im Spiel, und ja, für uns ist das keine große Sache, aber ich glaube nicht, dass es das irgendwie weniger skandalös macht. Wahrscheinlich wird es dadurch sogar schlimmer.« Ich erwähne gar nicht erst, dass ich sogar mit dem Gedanken gespielt habe, einen Zauberkurs zu machen, um zu lernen, wie man die Frauen verschwinden lässt – das ist ein ganz anderes Problem.

»Okay, verstanden, aber es ist trotzdem scheiße. Wenn wir nicht auf dem Feld sind, sollten wir tun und lassen können, was wir wollen.«

»Erzähl das mal Jackson«, spotte ich. »Nach allem, was er durchgemacht hat, haut er dir vermutlich eine rein.«

Als erster offen schwul lebender Spieler der Liga hatte Jackson es nicht leicht.

Ich will gerade das Badezimmer verlassen, halte dann aber an der Tür inne. Eigentlich sollte ich das nicht fragen, aber die Worte kommen trotzdem über meine Lippen. »Würdest du wirklich eine Beziehung mit mehr als einer Person wollen? Also … dauerhaft?«

Mein Herz setzt einige Schläge aus, bereitet sich auf eine Antwort vor, von der ich nicht sicher bin, ob ich sie überhaupt hören will. Ein »Ja« würde mich hoffen lassen, dass die Zukunft vielleicht etwas für uns bereithält – doch im Gegenzug würde das auch bedeuten, dass ich weiterhin denselben Fehler mache und sich zwischen uns nichts ändert. Ich wäre mit ihm zusammen und doch nicht.

»Du etwa nicht?«

Mir entgeht nicht, dass Talon den Ball an mich zurückspielt, um der Frage auszuweichen.

Ich schüttele den Kopf. »Nein, ich könnte es nicht. Wie du gesagt hast, es macht Spaß und so, aber wenn ich es mit jemandem ernst meine, geht es mir nur um diese eine Person.«

»So eine Aufmerksamkeitsspanne zu haben …« Sehnsucht schwingt in Talons Stimme mit.

Ich kann nicht anders, als über diesen Riesenidioten zu lachen. Jetzt bin ich genau dort, wo ich vor sechs Jahren schon war – in seinem Bett, ohne ihn berühren zu dürfen. Und bis gestern Nacht war mir nicht einmal bewusst, wie sehr ich ihn vermisst habe.

Das nenne ich Folter.

KAPITEL 3

TALON

Miller ignoriert mich. Mich. Keiner meiner Freunde käme damit davon, aber Miller ist nicht wie irgendjemand anders in meinem Leben. Er ist … keine Ahnung, was er ist. Wie ein Bruder für mich? Nein, die Bezeichnung fühlt sich falsch an – besonders nach allem, was wir zusammen durchgezogen haben.

Seit der Nacht, in der wir die zwei Frauen abgeschleppt haben, habe ich ihn nicht mehr gesehen, und das ist schon Wochen her. Und nicht, weil ich es nicht versucht habe. So sehr habe ich seit meiner Zeit als Erstsemester nicht mehr an mir gezweifelt, als ich mir noch Mühe geben musste, um bei einer Frau zu landen. Dabei weiß ich nicht, wieso mich das so belastet.

Ich hatte große Erwartungen, als ich bei den Warriors unterschrieben habe. Miller und ich, wieder vereint – wir gegen den Rest der Welt –, gewinnen den Superbowl, um endlich unseren fast zehn Jahre alten Traum, die Trophäe gemeinsam hochzuhalten, Wirklichkeit werden zu lassen.

Das ist immer unser Traum gewesen, daher verstehe ich nicht, wieso er nicht derselbe Miller ist, den ich auf dem College kennengelernt habe.

Zugegeben, wir haben uns die letzten sechs Jahre nicht wirklich gesehen, aber wir haben in seinem ersten Jahr einen Pakt geschlossen. Wir würden Sieger sein.

Jetzt, wo wir endlich die Chance dazu haben, meidet er mich, und ich weiß nicht, wieso.

Allerdings kann er mir heute nicht mehr ausweichen, denn der erste Tag des Trainingscamps steht an. Falls er sich einbildet, dass ich ihn nicht darauf anspreche, täuscht er sich in mir.

Wir müssen nicht komplett aneinanderkleben, aber wenn er sich von mir distanziert, weil er das, was wir getan haben, bereut, muss ich ihm wohl eins auf die Rübe geben.

Es war nur Sex. Heißer, atemberaubender Sex, aber bedeutet hat der nichts. Zumal wir uns nicht berührt haben oder so, also kein Grund, sich deshalb so komisch aufzuführen. Es ist nichts Neues für uns. Ja, er macht sich Sorgen, dass die Presse von der Sache Wind bekommt und einen Shitstorm auf das Team loslässt. Und zwar das Team, das mir derzeit viel zu viel Geld dafür bezahlt, einen Football durch die Gegend zu werfen – und wenn ich es so betrachte, war es vielleicht ein Fehler, das alles für eine Orgie zu riskieren. Nur erklärt das immer noch nicht, wieso er mich meidet. Es wird nicht wieder vorkommen. Kein Ding.

Nachdem wir die Mutter aller Pressekonferenzen durchgestanden haben, die das Camp einleitet, werden Jackson und ich ins Stadion geschickt, um uns mit dem Rest des Teams auf dem Feld zu treffen.

Dank der Veranstaltung sind er und ich die einzigen Idioten im Anzug, was DeShawn sofort bemerkt.

»Nette Krawatte.« Er stößt mich in die Seite, was mich so aus den Gedanken reißt, dass ich stolpere. Ich war zu abgelenkt von der Frage, wieso Miller mich nicht einmal ansieht.

»Hey, Vorsicht! Jackson und ich sind für das Team etwas Besonderes«, beschwere ich mich, weil, na ja, ich eben ich bin.

»Besonders – so kann man es auch nennen«, murmelt Miller.

Sein Spott scheint die Anspannung zwischen uns zu durchbrechen, woraufhin ich den Arm um seine breiten Schultern lege und versuche, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen.

»Was war das? Sag das noch mal!«, fordere ich ihn heraus.

Er wehrt sich, wenn auch halbherzig, weshalb ich mich frage, ob ich vielleicht zu viel in die Funkstille der letzten Wochen hineingelesen habe. Denn das hier sind wir. Das ist es, was wir tun.

Wir albern herum, reißen Witze, machen Blödsinn, sodass man uns für Teenager halten könnte.

Coach Caldwells Stimme macht dem Ganzen allerdings ein Ende. »Hör auf mit dem Scheiß, Talon! Alle Mann, hinsetzen!«

Es ertönt allgemeines genervtes Grummeln, doch ich verstehe erst, wieso, als der Coach mit seiner Ansprache beginnt. Sie läuft nicht ganz so, wie es üblich ist. Er redet auf uns ein, als wären wir Kinder, um uns zu erklären, dass wir nett zu dem schwulen Neuen im Team sein sollen. So in etwa zumindest, und es ist furchtbar, dass Jackson da durchmuss. Ich will schreien, dass die ganze Nummer unnötig ist, aber wenn ich mir die Blicke mancher Teamkollegen in Richtung Jackson ansehe, scheinen wir die Sache mit dem »Love is love« noch nicht alle ganz geschnallt zu haben.

Traurig, wenn ich mich erwachsener verhalte als andere.

Sobald der Coach uns entlässt, bleiben die meisten auf dem Spielfeld, doch Miller stapft davon, als wäre er auf einer Mission. So leicht kommt er mir nicht davon.

Als ich ihn einhole, lege ich den Arm um seine Schultern. »Alter, wo brennt’s denn? Ich wollte noch ein Bier trinken gehen.«

Unter meiner Berührung versteift er sich, was allerdings nichts zu bedeuten hat. Der Kerl ist eine Maschine. Vermutlich sind seine Schultern neunundneunzig Prozent Muskelmasse und immer so hart.

»Ich muss Überstunden im Fitnessstudio schieben.« Er reibt sich den Bauch. »Habe in der Off-Season definitiv zu viel Mist gegessen. Das Training wird mich umbringen, wenn der Coach es nicht vorher schon tut.«

»Okay. Eigentlich müsste ich auch eine Trainingsrunde einlegen.«

Miller starrt auf seine Füße, was mich zurück auf den Er-ignoriert-mich-Trip schickt. Ich greife nach seinem Arm, um ihn davon abzuhalten, durch den Tunnel in die Umkleide zu verschwinden.

»Ist zwischen uns alles in Ordnung?«, frage ich.

Beinahe so, als wäre er überrascht oder verwirrt, weicht er zurück. »Ja, klar. Warum auch nicht?«

»Keine Ahnung, Mann. Du verhältst dich komisch.«

Miller schüttelt den Kopf. »Nur viel zu tun im Moment. Nicht alle werden wie du als Superstar geboren – manche müssen hart dafür arbeiten.«

»Was soll das denn heißen?«

Noch nie hat er so einen Scheiß zu mir gesagt, und er weiß genau, wie sehr ich es hasse. Ich feiere gern, aber ich trainiere auch mehr als jeder andere. Die Leute sehen allerdings nur, was sie sehen wollen, und das ist normalerweise meine spaßige Seite.

»Du weißt, was ich meine, Talon. Du hast mehr angeborenes Talent in einem Arm als wir anderen im ganzen Körper.«

»Ich bin ja auch so talontiert … Verstehst du? Talon-tiert.«

Miller schnaubt, doch ich bin mir nicht sicher, ob es ein echtes Lachen oder Mitleid ist.

»Na ja, es ist nicht so witzig, wenn ich es erklären muss«, murmele ich.

Er schüttelt den Kopf. »Ich kann es nicht riskieren, meinen Platz im Team zu verlieren. Ich … Ich muss mich konzentrieren.«

»Verstanden.« Ich denke, er erzählt totalen Mist, doch er hat auch nicht komplett unrecht. Wir sollten wirklich ein paar Gewichte stemmen, um für die nächste Saison in Topform zu sein.

Ich lasse ihn gehen, und zum ersten Mal, seit ich hergezogen bin, realisiere ich, dass die Dinge nicht einfach wieder so werden, wie sie im College waren.

Anscheinend bedeutet Erwachsenwerden, dass sich manche Umstände verändern. Nur, wenn das der Fall ist, wann bin ich bloß so verdammt alt geworden?

***

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass sich ein lebensveränderndes Ereignis durch eine Ahnung oder das Anschlagen meines sechsten Sinns ankündigen würde, aber nein. Was auch immer mein Leben kontrolliert, sei es das Schicksal, das Universum oder irgendein Gott mit einem kranken Sinn für Humor, wird sich wahrscheinlich gerade über mich kaputtlachen.

Wegen Millers komischem Verhalten habe ich überlegt, stattdessen Jackson auf ein paar Drinks mitzunehmen. Die Coaches haben uns in dasselbe Zimmer gesteckt, weil ich einen gewissen Status im Team genieße und er … schwul ist. Anscheinend gehen sie davon aus, dass meine Gesellschaft ihm eine Art Schutz bietet. Echt kein Problem für mich, aber mit diesem Anblick eben habe ich nicht gerechnet.

An sich war das nichts, was ich – regelmäßig auf Auswärtsreise mit einer Gruppe testosterongeschwängerter Sportler, die alle etwas Dampf ablassen müssen – nicht schon gesehen hätte. Doch das hier war anders.

Jackson und sein Freund Noah hatten gerade Sex, als ich reinkam, und ich konnte mich nicht dazu bringen, sofort wieder zu verschwinden.

Ich stand da, vollkommen fasziniert davon, wie sich ihre Körper gegeneinander bewegten. Jacksons harte Muskeln bildeten einen starken Kontrast zu Noahs definiertem Körper, Kilometer nackter Haut, Hell gegen Dunkel … Eines bekomme ich nicht mehr aus dem Kopf: Obwohl sie es trieben wie wilde Tiere, flüsterte Jackson Versprechen von »Liebe« und »für immer«, während sie sich ineinander verloren.

Sobald sie mich bemerkt hatten, konnte ich gar nicht schnell genug da raus. Keine Ahnung, was ich gesagt oder getan habe, aber meine Füße haben die Kontrolle übernommen und mich so schnell wie möglich in die Lobby getragen.

Jetzt sitze ich an der Hotelbar, mit einem Glas Scotch vor mir, kann mich aber nicht dazu durchringen, einen Schluck zu trinken, aus Angst, mich daran zu verschlucken.

Meine Reaktion ist weder Ekel noch Schock noch sonst etwas, das ein heterosexueller Kerl vielleicht empfinden könnte, wenn er zwei nackte Männer dabei beobachtet, wie sie sich bebend und stöhnend gegenseitig mit Sperma bedecken. Nein. Es ist pure Überraschung darüber, wie sehr mir dieser Anblick gefallen hat, die mich durchdrehen lässt.

Und zwar nicht einfach nur gefallen, mein Schwanz ist hart geworden. Kein kurzes interessiertes Zucken, nein, er stand aufrecht, als wollte er sich freiwillig zum Mitmachen melden.

Ich habe Pornos mit zwei Männern und einer Frau gesehen. Fuck, ich hab es mit Miller erlebt – aber nur mit ihm oder einem anderen Kerl intim zu werden, ist mir nie in den Sinn gekommen. Bis heute habe ich nicht mal gedacht, dass mich das antörnt. Der Anblick von Millers muskulösen Armen, um den zierlichen Körper einer Frau geschlungen, macht mich wahnsinnig, doch ich dachte immer, dass es an ihr oder zumindest an den beiden zusammen läge. Nun vermute ich, dass das so nicht stimmt, denn das, was ich eben erlebt habe, hat einen Schalter umgelegt … oder mir die Augen geöffnet. Irgend so was.

Innerlich stöhne ich auf und halte mich davon ab, meinen Kopf auf die Bar vor mir zu knallen.

Dabei weiß ich nicht, was schlimmer ist: aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, während ich womöglich ein komisches Verhältnis zu meinem Zimmergenossen schaffe, oder die Tatsache, dass mir das Bild von Jackson, eng umschlungen mit seinem Freund, nicht aus dem Kopf will. Ihre Bewegungen waren so perfekt aufeinander abgestimmt, als würden sie einander in- und auswendig kennen. Fieberhaft und doch voll Sanftheit, wie die Art, auf die Jackson das Gesicht seines Freundes umfasst hat, um ihn langsam zu küssen. Sie waren so in ihrer Welt versunken, dass sie mich nicht einmal bemerkt haben.

Bis zu diesem Moment habe ich von so einer Art von Liebe nur gehört. Die Leute behaupten ständig, sie zu erleben. Man kann die Zärtlichkeit zwischen Liebenden erkennen, wenn sie die Straße entlanglaufen. Ein Kuss auf die Hand. Das sanfte Aufeinandertreffen ihrer Lippen. Doch das ist alles in der Öffentlichkeit. Zahm und angemessen – nicht wild und verlangend.

Als Miller gesagt hat, er könnte nur mit einer Person zusammen sein, habe ich es nicht verstanden. Aber jetzt gibt es keine Zweifel mehr – ich habe mit eigenen Augen gesehen, was er meint. In all meinen Beziehungen ging es nur um Spaß, was nach meiner Definition so viele verschwitzte Körper wie möglich in einem Bett bedeutet.

Ich frage mich, ob Miller es je erlebt hat – eine derart einzigartige, aber schwer zu findende Verbindung. So, wie er darüber gesprochen hat, klang es, als stecke eine Erfahrung dahinter. Im College hatte er nichts Ernstes, aber das hat nichts zu bedeuten. Wir hatten in den letzten sechs Jahren kaum Kontakt. Er hätte einen ganzen Harem von Frauen haben können, ohne dass ich davon Wind bekommen hätte.

Ob er wohl schon mal jemanden so angeschaut hat wie Jackson seinen Freund? Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, einen anderen Menschen in so einem Licht zu sehen. Zumindest habe ich das noch mit keiner der Frauen erlebt, mit denen ich zusammen war – was, denke ich, auf Gegenseitigkeit beruhte.

Nach zwanzig Minuten obsessiven Überanalysierens fällt mir auf, dass ich zu einem wandelnden Klischee geworden bin: Ich habe eine Existenzkrise in einer Bar.

Als Jackson mich findet, habe ich meinen Drink fast vollständig geleert, bin jedoch kein Stück weiter mit meinen Überlegungen, was gerade passiert ist oder wieso ich Jacksons und Noahs Beziehung mit meiner Freundschaft zu Miller vergleiche.

»So, äh … Passiert ist passiert«, bemerkt Jackson.

Ich schnaube, doch ein Blick in seine Augen verrät mir, dass er gerade durchdreht.

»Ich möchte dir nur sagen, dass es mir leidtut. Ich hab nicht nachgedacht. Noah zieht jetzt doch nach Chicago, und ich hab mich einfach auf ihn gestürzt. Das hätte ich nicht tun sollen, und ich entschuldige mich dafür, dich in diese peinliche Lage gebracht zu haben. Es wird nicht noch mal vorkommen und …«

Scheiße. Hier sitze ich und denke wie immer nur an mich, während ich mich nicht ein Mal gefragt habe, was gerade in Jackson vorgeht.

»Hey, Jackson. Es ist alles in Ordnung. Moment mal, denkst du etwa, ich wäre sauer, weil du in unserem Zimmer Sex hattest? Oder dass ich so was noch nie gesehen hätte?«

»Dass zwei Typen miteinander zugange sind? Nein.«

Das ist definitiv kein Problem für mich. Oder doch?

Ich versuche, zu erklären, was passiert ist, doch indem ich das tue, grabe ich mir ein tieferes Loch, aus dem ich so schnell nicht mehr rausfinde. »… Und jetzt komme ich mir vor wie ein Spanner. Weil ich euch zugesehen habe.«

Jetzt wirkt Jackson noch panischer. Großartig.

»Nicht lange. Ich hatte überhaupt nicht mit so was gerechnet und konnte mich nicht bewegen. Und dann war es vorbei, und ich musste was sagen, sonst hättet ihr gedacht, ich wäre die ganze Zeit da gewesen, was nicht stimmt, und … Ach, verdammt, ich schaufle mir hier gerade mein eigenes Grab.«

»Können wir einfach vergessen, dass das je passiert ist?«, bittet Jackson. »Du bist kein Spanner. Ich werde Noah nicht noch mal heimlich mit aufs Zimmer nehmen, und wenn du einen anderen Zimmergenossen willst, kann ich das gut verstehen.«

»Ich will keinen anderen Zimmergenossen, du Blödmann.«

Er lächelt erleichtert, und so versprechen wir uns, die Sache nie wieder zu erwähnen.

Wenn es nur auch genauso leicht wäre, sie zu vergessen.

***

»Blaue Achtzehn! Blaue Achtzehn! Set. Hut.«

Auf dem Feld übernehme ich das Kommando. Jeder kennt mich nur als Spaßvogel, doch wenn die Uhr läuft, gibt es nur eines, was ich will. Den Touchdown. Die Punkte. Den Ruhm.

Was ich dagegen nicht will, ist, zu Fall gebracht zu werden, weil meine Offense mir die gegnerische Defense nicht vom Leib halten kann.

Das Training läuft nicht gut. Dieses Jahr besteht das Team aus einem Mix von Neuen, Rookies und ein paar Veteranen, dennoch spielen wir alle, als wären wir wieder in der Schule.

Ich huste, nachdem ein Tackle von Henderson – einer unserer Linebacker und Captains – mir die Lunge zerquetscht hat.

»Sorry, Talon«, sagt er, während wir wieder auf die Füße kommen, doch er klingt sarkastisch. Man hat mich gewarnt, dass er ein Arsch sein kann und denkt, er sei der Beste in diesem Team. Jetzt ist er das aber nicht mehr. Als er bemerkt, dass ich nicht darauf eingehe, ändert er die Taktik und versucht, die Schuld abzuschieben. »Miller hat mich zum Stolpern gebracht!«

»Kein Stress.« Noch nicht.

Sei nicht so dramatisch.

Immerhin sieht Miller so aus, als ob es ihm leidtäte. Henderson mag es vielleicht auf mich abgesehen haben, weil ich der Neue bin, doch Miller sollte mir eigentlich Deckung geben. Er kümmert sich um meine verletzliche Blind Side, sodass ich mich aufs Werfen konzentrieren kann.

»Wo warst du bei dem Spielzug?«, schnauze ich ihn an.

»Sorry. Alles okay?«

»Das wiederholen wir noch mal!«

Als Miller sich wieder in Position begeben will, halte ich ihn auf.

»Wir beide werden später noch ein ernstes Wort miteinander reden. Abendessen. Heute. Und dieses Mal kannst du dich nicht drücken.«

Er öffnet den Mund, um zu protestieren, überlegt es sich jedoch anders. »Verstanden.«

Irgendwie schaffen wir es durchs Training, ohne noch einmal komplett zu versagen, weshalb ich danach wesentlich besser gelaunt bin als noch am Morgen. Doch sobald wir fertig sind und ich mich auf den Weg zur Dusche mache, ist Miller einer der Ersten, die verschwinden.

Sieht so aus, als würde er mich wieder sitzen lassen.

Ich verstehe nicht, wieso ich mich so um ihn bemühe, wo es doch offensichtlich ist, dass er nicht mehr mit mir befreundet sein will – oder was auch immer.

Aber wir sind Teamkameraden. Auch wenn es mir nicht gefällt, muss ich damit klarkommen. Ich will nur reinen Tisch mit ihm machen, damit wir wie ein echtes Team agieren können. Bis heute habe ich nämlich nie an ihm zweifeln müssen.

Draußen auf dem Feld hat er nicht nur unsere Freundschaft zerbrochen, sondern auch mein Vertrauen in ihn.

Ja, er hat nur diesen einen Angriff durchgelassen, doch es war einer von der Sorte, über die ich mir keine Gedanken hätte machen müssen. Nicht mit ihm. Wenn er es nicht einmal beim Training schafft, einen Mannschaftskameraden von mir fernzuhalten, wie soll das in einem richtigen Match funktionieren?

Niedergeschlagen ziehe ich mich langsam an. Miller will nicht hören, was ich ihm zu sagen habe, und ich verstehe nicht, wieso mich das so sehr trifft. Bei jedem anderen wäre es mir egal, doch im College standen wir uns so nahe, dass es sich anfühlte, als bräuchte ich nur ihn. Die Frauen kamen und gingen, meine Eltern und mein Bruder waren zu Hause in Denver. Miller und ich hatten beide haufenweise Freunde, aber keiner von denen wusste, wer wir wirklich waren. Sie kannten nur die Football-Stars. Die großen Sportler auf dem Campus.

Bisher dachte ich, dass Miller das begriffen hat und wir mehr hatten als nur eine durchschnittliche Freundschaft. Aber offensichtlich ist er unserer Freundschaft entwachsen. Oder wir standen uns nie so nahe, wie ich dachte.

Als ich die Umkleide verlasse, ärgere ich mich über mich selbst, weil sich mein Gesicht erhellt, als ich ihn auf mich warten sehe.

»Was hat denn so lange gedauert? Musstest du dich aufstylen, damit du hübsch bist, oder was?« Miller streckt die Hand aus und bringt meine Haare durcheinander.

»Leck mich.« Ich schlage seine Hand weg. »Bist du noch dabei?«

»Äh, ja. Ist es okay, dass ich Jackson eingeladen habe? Ich dachte, du reißt mir bestimmt den Kopf ab für den Tackle heute, da wollte ich sichergehen, dass der Neue mitbekommt, wie gnadenlos du sein kannst, wenn wir Scheiße bauen.«

Wenn Jackson dabei ist, kann ich nicht offen über alles sprechen – Miller scheint das entweder genau zu wissen, oder er nimmt wirklich an, dass ich ihn nur wegen des katastrophalen Trainings zusammenstauchen will.

Nach der Sache neulich wird es sicherlich lustig, Jackson in die Augen zu blicken.

Unser Verhältnis ist nicht angespannt, aber auch nicht superlocker. Ich habe das Gefühl, er glaubt, es läge daran, dass er einen Kerl im Bett hatte, obwohl ich ihm so gerne sagen möchte, dass das nicht stimmt. Aber wenn ich das tue, muss ich auch erklären, dass ich mich in seiner Gegenwart komisch fühle, weil er und sein Freund eine Art Kurzschluss in meinem Gehirn ausgelöst haben und ich seitdem an kaum etwas anderes habe denken können. Mal abgesehen von Football. Und Miller. Aber aus irgendeinem Grund scheinen all diese Dinge in meinem Kopf verknüpft zu sein. Ich weiß nur nicht, wieso.

»Können wir los?« Ich zucke zusammen, als Jackson plötzlich hinter mir auftaucht.

»Äh … klar. Lasst uns verschwinden. Moment. Wohin überhaupt? Wo kann man hier gut essen gehen?«

»Ich kenne einen Laden, bei dem wir keine Lebensmittelvergiftung bekommen«, bietet Miller an.

Jackson lacht. »Klingt perfekt.«

KAPITEL 4

MILLER

»Hooters?«, fragt Talon. »Du schleppst uns zu Hooters?«

»Was ist so schlimm daran?« Um die Wahrheit zu sagen, es ist der männlichste und am ehesten nach »Ich stehe definitiv auf Weiber und nicht auf dich« klingende Ort, der mir eingefallen ist.

»Erst mal ist Jackson schwul«, sagt Talon.

»Die Zwiebelringe hier schmecken klasse, also kein Problem«, antwortet Jackson. »Außerdem bin ich am Verhungern.«

Ich habe Jackson als Puffer mitgebracht. Solange jemand anderes dabei ist, wird Talon nur über Football reden. Mir ist klar, dass er mit mir darüber sprechen will, was vor ein paar Wochen passiert ist, und dass ich mich wie ein Arsch verhalte, indem ich ihn immerzu abblocke. Aber so, wie ich die Sache sehe, gibt es nichts zu klären. Es wird nicht wieder passieren, und er ist hetero. Das Thema erneut durchzukauen, wird mich nur daran erinnern, wie dumm es war, denselben Fehler noch einmal zu machen.

Beim Betreten des Restaurants werden wir sofort von den Gerüchen nach frittiertem Essen und toxischer Maskulinität erschlagen, während die Bedienung uns mit Begriffen wie »Süßer«, »Schnuckel« und »Hottie« begrüßt.

Nachdem wir uns hingesetzt und unsere Drinks bestellt haben, legt sich eine seltsame Stimmung über uns. Talon weigert sich, Jackson anzuschauen. Ich weigere mich, Talon anzuschauen. Und Jackson studiert die Speisekarte, als sei all das hier das Normalste der Welt. Oder vielleicht ahnt er, dass etwas im Busch ist, und will in Deckung bleiben.

»Also, äh, dann schieß mal los«, sage ich schließlich. »Reiß mir den Kopf dafür ab, dass ich heute abgelenkt war!«

Talon blickt zwischen mir und Jackson hin und her, dann hinunter auf den Tisch, ehe er wie beiläufig murmelt: »Sieh zu, dass das nicht noch mal passiert.«

Soll das etwa alles gewesen sein?

»Das war’s?«, fragt Jackson und schüttelt den Kopf. »Ich hab mit einem militärmäßigen Anschiss gerechnet. Ich bin so was von enttäuscht, Talon.«

Als die Kellnerin uns die Getränke bringt, drückt sie beim Servieren ihre Brüste förmlich in Jacksons Gesicht, was Talon und mich zum Lachen bringt.

»So enttäuschend wie diese Erfahrung?«, fragt Talon, nachdem sie verschwunden ist.

Jackson nippt an seiner Cola. »Ähm. Das sind nur Brüste.«

Und genau deshalb weiß ich, dass ich definitiv bi und nicht schwul bin. »Nur Brüste?«

»Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie produktiv ich wäre, wenn ich so auf Brüste reagieren würde?«, sagt Talon. Beinahe muss ich lachen, bis er sich plötzlich an mich wendet. »Warst du heute deshalb so abgelenkt?« Seine Augen verengen sich. »Brüste allgemein oder ein bestimmtes Paar? Triffst du dich mit jemandem und hast es mir noch nicht erzählt? Wenn ja, wäre das echt nicht cool, nachdem …« Sofort verschließt er den Mund und schielt erneut zu Jackson, dessen Blick zwischen Talon und mir hin- und herspringt.

»Oh, sorry, mein Handy vibriert.« Er greift nach besagtem Handy, das definitiv nicht klingelt, was ihn jedoch nicht davon abhält, so zu tun als ob. »Das ist Noah. Ich geh besser schnell raus.« Schneller als ein Wide Receiver bei einem Breakaway-Manöver verschwindet er nach draußen.

»Ich treffe mich mit niemandem«, stelle ich klar.

»Was ist dann dein Problem?«

»Was meinst du?« Natürlich weiß ich, was er meint, aber das werde ich ihm bestimmt nicht mitten in einem Restaurant auf die Nase binden – noch dazu bei Hooters.

»Wieso weichst du mir aus?«

Was, wenn du nie mehr in mir siehst als einen Kerl, mit dem du dir ein paar Groupies teilst? Oder schlimmer: Was, wenn du mich durchschaust und nichts mehr mit mir zu tun haben willst?

»Tu ich nicht.«

»Und jetzt lügst du mich auch noch an? Ehrlich, Mann, ich versteh deine Sorge wegen der Presse und alldem. Ich verspreche dir, dass es nie wieder vorkommen wird und dass ich dich auch nicht mehr danach fragen werde, aber du musst aufhören, so zu tun, als wärst du zu beschäftigt für mich. Ich will nicht, dass eine dumme Nacht unter Alkoholeinfluss uns auseinanderbringt.«

Er versteht nicht, dass es für mich nicht nur eine dumme Nacht war – und das wird er wohl auch nie.

»Okay. Das bekomme ich hin«, lüge ich.

»Perfekt. Problem gelöst. Zwischen uns ist wieder alles beim Alten, und wir tun so, als wäre diese Sache nie passiert.«

Wenn es doch nur so einfach wäre …

Für Talon scheint es das jedenfalls zu sein, denn er macht unmittelbar weiter, als sei bereits Gras über die Sache gewachsen. »Also, wie lange sollen wir Jackson leiden lassen, weil er so getan hat, als würde sein Freund anrufen?«

Ich schaffe es, ein Lächeln aufzusetzen. »Mindestens, bis wir sein Essen vernichtet haben.«

»Sehr gut. Das ist der Miller, den ich kenne und liebe.«

Verzweifelt versuche ich zu verbergen, wie sehr sich mein Körper anspannt. Wenn er nur wüsste, was Worte wie diese in mir auslösen.

Ich habe Geschichten über queere Männer gehört, die auf ihre heterosexuellen Freunde stehen, und darüber, wie schwer das ist. Aber es ist ein Unterschied, ob man es erzählt bekommt oder tatsächlich fühlt. Der Krampf in meinen Magen, wenn er solche Dinge von sich gibt, schnürt mir den Brustkorb zusammen, bis sich die Worte nach und nach wie ein Druckverband um mein Herz legen.

***

Das Beste am Trainingscamp ist die Tatsache, dass es einem kaum Zeit und Energie dafür lässt, sich einen runterzuholen, geschweige denn auszugehen oder etwas zu unternehmen. Es hat die Sache zwischen Talon und mir leichter gemacht, weil wir Jackson so nicht zu oft mit peinlichen Restaurantbesuchen in eine peinliche Lage bringen können. Seit unserem Abendessen bei Hooters ist er auf mysteriöse Art beschäftigt, wenn Talon Essengehen auch nur erwähnt. Er sagt, er verbringe die meiste Zeit beim Skypen mit seinem Freund, der gerade mitten im Umzug von New York nach Chicago steckt.

Nach ein paar Wochen Training sind wir so erschöpft, dass Talon und ich, wenn wir doch einmal ausgehen, viel zu müde sind, um irgendetwas anderes zu tun, als zu essen, uns einsilbige Antworten zuzubrummen und wieder zu verschwinden. Und obwohl ich mein Bestes gebe, damit alles zwischen uns normal erscheint, ist es nicht mehr so wie früher. Ich glaube, ihm ist das bewusst, doch seit unserem letzten Gespräch ist er nicht mehr darauf zurückgekommen.

Am liebsten würde ich uns beide von diesem Elend erlösen, doch das würde bedeuten, mich ihm gegenüber zu outen. Etwas, das ich bisher bei niemandem getan habe – noch nicht einmal bei den Männern, die ich nach Talons Weggang abgeschleppt habe.

Nachdem er das College abgeschlossen hatte, war ich so verloren, dass ich keine Ahnung hatte, was überhaupt mit mir los war. Ich hatte ein Loch in meiner Brust – und ich wusste nicht, ob es eine Talon-Sache oder eher eine allgemeine Männersache war.

Verschlossene Türen sind schwer aufzubekommen, und an Unis wimmelt es überraschenderweise nur so von Typen, die sich hinter ihnen auf Experimente einlassen.

Also hab ich es versucht, doch es fühlte sich nie genauso an.