Trick Play - Touchdown ins Herz - Eden Finley - E-Book + Hörbuch

Trick Play - Touchdown ins Herz E-Book und Hörbuch

Eden Finley

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Beschreibung

"Willst du wissen, wie man am schnellsten eine erfolgreiche Footballkarriere in den Sand setzt? Lass dich in einer kompromittierenden Situation in einer Schwulenbar fotografieren. Ach übrigens: Willkommen in meinem Leben." Matt Jackson würde alles tun, um seine Karriere zu retten und wieder auf den Platz zu dürfen. Zum Glück hat sein Agent bereits einen Plan: Er will aus dem in Ungnade gefallenen Profi-Footballer einen Vorzeigefreund machen und so sein Image aufpolieren. Als seinen Partner hat er ausgerechnet Noah Huntington den Dritten auserkoren, den reichsten und arrogantesten Kerl, der Matt je begegnet ist. Als sein Freund Damon ihn bittet, zu PR-Zwecken Matts Freund zu spielen, sagt Noah zu. So eine günstige Gelegenheit, seinem Politiker-Vater eins auszuwischen, kommt so schnell nicht wieder. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass Matt konstant schlechte Laune und eine fast paranoide Abneigung gegen Fotografen hat? Dass er zudem nichts von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit hält, macht Noahs Job auch nicht leichter. Und dann kommt auch noch Liebe ins Spiel …

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Seitenzahl: 453

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Zeit:9 Std. 55 min

Sprecher:Alexander Kalff; Tiziano Renz
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EDEN FINLEY

TRICK PLAY – TOUCHDOWN INS HERZ

FAKE BOYFRIENDS 2

 

Aus dem Englischen von Lisa Schnack

 

 

 

 

Die englische Ausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Trick Play«.

 

Deutsche Erstausgabe Oktober 2020

 

© der Originalausgabe 2018: Eden Finley

© für die deutschsprachige Ausgabe 2020:

Second Chances Verlag

Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg

 

 

Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

Umschlaggestaltung: Reese Dante

Umschlagmotiv: iStock

(Das Cover dient nur zu Darstellungszwecken, die abgebildete Person ist ein Model.)

Lektorat: Kerstin Fricke

Korrektorat: Julia Funcke

Satz & Layout: Second Chances Verlag

 

ISBN: 978-3-948457-11-2

 

www.second-chances-verlag.de

Über das Buch

Matt Jackson würde alles tun, um seine Karriere zu retten und wieder auf den Platz zu dürfen. Zum Glück hat sein Agent bereits einen Plan: Er will aus dem in Ungnade gefallenen Profi-Footballer einen Vorzeigefreund machen und so sein Image aufpolieren. Als seinen Partner hat er ausgerechnet Noah Huntington den Dritten auserkoren, den reichsten und arrogantesten Kerl, der Matt je begegnet ist.

Als sein Freund Damon ihn bittet, zu PR-Zwecken Matts Partner zu spielen, sagt Noah zu. So eine günstige Gelegenheit, seinem Politiker-Vater eins auszuwischen, kommt so schnell nicht wieder. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass Matt konstant schlechte Laune und eine fast paranoide Abneigung gegen Fotografen hat? Dass er zudem nichts von Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit hält, macht Noahs Job auch nicht leichter. Und dann kommt auch noch Liebe ins Spiel …

Über die Autorin

Eden Finley schreibt heitere Liebesromane voller Herz, die sich wunderbar für kleine Fluchten aus dem Alltag eignen. Ihre Bücher entstehen meist aus einer originellen Idee. Ursprünglich schrieb Eden auch in vielen anderen Genres, doch seit 2018 hat sie in der queeren Romance ihr Zuhause gefunden.

Eden lebt mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in Australien.

Inhaltsverzeichnis

Trick Play – Touchdown ins Herz

Impressum

Über die Autorin

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Weitere Bücher von Eden Finley

Danksagung

Liebe Leser:innen,

KAPITEL 1

MATT

Seinem frechen Grinsen war ich gleich verfallen, auch wenn die fünf Drinks auf leeren Magen sicher ihren Anteil daran hatten. Normalerweise war ich vorsichtiger. Doch jede Zelle meines Körpers vibrierte im Rhythmus des dröhnenden Basses, Alkohol rauschte durch meine Adern, und der Anblick der tanzenden Menge, der vielen Körper, die sich in eindeutiger Weise auf der Tanzfläche aneinander rieben, machte mich leichtsinnig.

Wie immer, wenn wir eine Niederlage einstecken mussten, und erst recht, wenn sich dadurch unsere Chancen auf die Teilnahme am Superbowl in Luft auflösten, stand mir der Sinn nach einer schnellen Nummer. Für uns war die Saison gelaufen, aber dieser Typ mit dem dunklen Haar und den strahlenden Augen sorgte dafür, dass ich all das vergaß. Eigentlich ist es nicht mein Ding, mir in einem Club einen One-Night-Stand aufzureißen, aber es war nicht das erste Mal und würde auch nicht das letzte sein, da gab ich mich keiner Illusion hin.

Ich war keiner dieser heimlich schwulen Kerle, die sich verstellen und überall in weiblicher Begleitung erscheinen. Nein, ich blieb für mich, hielt mich bedeckt und vermied jegliches Aufsehen. Nur in Nächten wie dieser, wenn ich … einfach jemanden brauchte, konnte ich mich nicht zurückhalten. Ich musste mir diesen Kick verschaffen, dieses Hochgefühl, das nur ein Adrenalinschub auslösen kann – notfalls ließ ich mich dafür sogar auf ein bedeutungsloses Sexabenteuer ein. Ich brauchte ein Erfolgserlebnis. Nichts ist mit einem Sieg auf dem Footballfeld vergleichbar, doch Sex kommt dem am nächsten.

Wir wechselten kein einziges Wort. Das war auch gar nicht nötig. Ich ließ mich ganz auf diese Zufallsbekanntschaft ein und zuckte noch nicht einmal mit der Wimper, als er mir die Kappe vom Kopf nahm – die ich sonst zu meinem Schutz immer auflasse. Und als er mich küsste, ging ich völlig darin auf; die Mistkerle mit ihren Handys, die mich erkannt hatten, nahm ich gar nicht wahr. Und selbst als die Blitzlichter aufflackerten, war ich viel zu abgelenkt von dem heißen, feuchten Mund, der mir einen lustvollen Seufzer nach dem anderen entlockte.

Bis zu diesem Moment kannte man mich als Matt Jackson, Tight End der Bulldogs. Seither bin ich nur noch Matt Jackson, dieser schwule Footballspieler, der mit heruntergelassener Hose erwischt wurde.

»Matt«, sagt eine tiefe Stimme.

Sie reißt mich aus den Erinnerungen an diese Nacht, und ich muss mich wieder dem Ernst meiner gegenwärtigen Lage stellen. Mein rechtes Knie wippt unkontrolliert auf und ab, während die beiden Anzugträger hinter dem Schreibtisch erklären, wie sie mich wieder auf die Beine bringen wollen. Nein, nicht mich, sondern mein Image. Anscheinend sind das zwei unterschiedliche Dinge, obwohl ich mir da nicht so sicher bin. Ich bin schwer angeschlagen, genau wie mein Bild in der Öffentlichkeit.

»Die Aufnahmen aus dem Club lassen Sie schmierig wirken, wie einen schäbigen Lustmolch, der es auf unschuldige Jungs abgesehen hat«, erklärt der Ältere der beiden.

Ich funkele Damon böse an. Er ist mein eigentlicher Agent, aber ein Anfänger, weshalb der Alte ihn begleitet und alles im Auge behält. Er passt auf, dass Damon nichts vermasselt. Ich bin Damons erster offizieller Klient. Der schwule Ex-Baseballspieler vertritt den kürzlich geouteten Football-Megastar. Die Presse wird sich nur so auf uns stürzen.

Ich sollte mich glücklich schätzen. Meine alte Agentur hat mich fallen lassen, sobald der Skandal publik wurde. Meine Sponsoren ebenso. Mein Vertrag mit den Pennsylvania Bulldogs war gerade ausgelaufen, und – große Überraschung – der Verein hatte kein Interesse an einer Verlängerung. Meine Karriere schien am Ende zu sein. Bis Maddox bei mir aufgetaucht ist, mit dem ich mir am College ein Zimmer und die Vorliebe für regelmäßige Sexspielchen geteilt hatte. Er hat mich seinem Freund Damon vorgestellt. Ohne die beiden wäre mein Vertrag mit OnTrack Sports niemals zustande gekommen.

»›Lustmolch‹ ist vielleicht nicht das richtige Wort«, wendet Damon ein, bevor ich dem alten Sack meine Meinung sagen kann, »aber die Bilder sprechen wirklich nicht für dich.«

»Und wie sollen wir das deiner Meinung nach wieder in Ordnung bringen?«, frage ich. »Die Fotos sind jetzt im Umlauf. Dagegen können wir nichts tun.«

»Du versteckst dich nicht länger. Stattdessen stellen wir dich noch stärker ins Rampenlicht«, erklärt Damon.

Ich stöhne auf. »Kein Team will einen Spieler, der so einen Medienzirkus mitbringt. Ich möchte aber unbedingt wieder spielen.«

»Und damit Sie das können, dürfen Sie keinesfalls so wirken, als ob Sie ständig darauf hoffen, dass einer Ihrer Teamkameraden die Seife fallen lässt«, sagt der Alte. Ich sollte mir seinen Namen merken, damit ich ihn auf meine stetig wachsende Liste von Idioten setzen kann.

Sogar Damon ist es sichtlich peinlich, aber er kann sich keinen Kommentar erlauben – der Mistkerl ist sein Vorgesetzter.

»Ich stehe nicht auf Heteros«, erwidere ich.

»Du musst den Eindruck erwecken, als wärst du bereits in festen Händen und deswegen nicht anderweitig interessiert«, führt Damon diplomatisch aus. »Die Fotos wurden vor Monaten aufgenommen, stimmt’s? Wir reagieren auf das Problem, indem wir erklären, dass es keins mehr ist. Du hast mittlerweile jemanden kennengelernt, dich verliebt, und ihr führt eine ernsthafte, feste Beziehung. Du reißt keine Fremden in irgendwelchen Bars auf, du wirst nicht wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet, du …«

»Ich bin noch nie wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet worden. Ich bin überhaupt noch nie verhaftet worden, Punkt.«

»Wir wissen das, aber glaubst du wirklich, die Medien kümmert das auch nur im Geringsten?«, fragt Damon. »Sie werden dir alles Mögliche andichten. Du stehst im Rampenlicht, ob es dir passt oder nicht, und dein Job ist es jetzt, dich so zu präsentieren, dass man dich gern ins Team holt. Egal, in welches. Im Moment schwebst du im luftleeren Raum, und wir haben nur zwei Monate, bis das Training wieder anfängt. Bis dahin müssen wir dich unter Vertrag gebracht haben.«

»Ich muss mir also einen festen Freund zulegen. Darauf läuft es doch hinaus, nicht wahr?«

»Wir haben dir schon einen organisiert«, sagt Damon.

»Was?«

»Meinen Freund Noah. Du hast ihn schon kennengelernt, als Maddox uns in Noahs Wohnung miteinander bekannt gemacht hat.«

Ich kann mich an kaum etwas erinnern, das nach dem Skandal passiert ist. Auch an diesen Abend habe ich nur eine vage Erinnerung. Bis meine Welt in sich zusammengestürzt ist, habe ich nie verstanden, was mit »auf Autopilot funktionieren« gemeint ist. Alle Unterhaltungen, die ich in den letzten Wochen geführt habe, wurden von meinem Gedächtnis nur verschwommen abgespeichert.

»Noah ist cool«, meint Damon. »Er führt sich zwar manchmal auf wie ein Idiot, aber das ist alles nur Fassade. Er war mir noch einen Gefallen schuldig und hat bereits zugesagt.«

»Aha, du verkuppelst mich also einfach mal so eben, oder wie?« Ich will wirklich nicht die beleidigte Leberwurst spielen, aber es geht hier schließlich um mein Leben. Außerdem nervt es mich, dass ich mit zunehmender Aufregung wieder verstärkt in meinen alten Akzent verfalle, den ich mir mühsam abtrainiert habe.

»Das ist doch rein geschäftlich«, fährt Damon fort. »Wir organisieren ein paar PR-Veranstaltungen, die ihr zusammen besucht, und nach der Kreuzfahrt, die wir für euch gebucht haben, damit ihr euch kennenlernen könnt, geben wir bekannt, dass ihr zusammen seid. Eine einwöchige Rundreise zwischen den Bermudas übrigens, und Maddy und ich sind auch mit von der Partie.«

»Solltest du nicht lieber hierbleiben und versuchen, einen neuen Vertrag für mich auszuhandeln, statt auf Kreuzfahrt zu gehen? Und ich sollte auch besser etwas anderes tun, am besten irgendwas, das mit Football zu tun hat!«

»Matt.« Na prima, sogar Damon reicht es langsam. »Du solltest dich darauf konzentrieren, dein Image zu verbessern. Wenn du das nicht schaffst, wird dir keiner einen Vertrag anbieten.«

»Wozu hat die Liga denn dann die Antidiskriminierungsregeln aufgestellt?«

»Ich muss zum nächsten Meeting.« Der alte Sack wendet sich an Damon. »Sie übernehmen ab hier.«

Sobald er gegangen ist, seufzt Damon auf. »Natürlich könnten wir uns auf die Antidiskriminierungsregeln berufen, aber das bringt uns nicht weiter. Falls du dich mit einem hübschen Abfindungssümmchen aus dem Football zurückziehen wolltest, könnten wir das über diese Schiene vielleicht erreichen. Doch realistisch betrachtet würden wir wahrscheinlich verlieren.«

»Wieso? Die Vertragsverhandlungen liefen prima, bis ich geoutet wurde.«

»Alle Verträge mit Sportlern beinhalten eine Sittlichkeitsklausel. Selbst wenn du mit einer Frau auf diesen Fotos zu sehen wärst, könnten die Bulldogs dir von Rechts wegen den Vertrag kündigen. Ob sie das gemacht hätten, wenn es eine Frau gewesen wäre? Wahrscheinlich nicht. Aber das können wir nicht beweisen. Sie können dir aber fragwürdige Moral unterstellen, nachdem du mit irgendeinem dahergelaufenen Typen in diesem Club rumgemacht hast. Wie gesagt, gut möglich, dass du genauso in der Kritik stehen würdest, wenn es eine Frau gewesen wäre.«

»Das ist Schwachsinn, und das weißt du ganz genau. Gegen einige Spieler wurden sogar Vergewaltigungsvorwürfe erhoben, und von denen wurde kein einziger gefeuert.«

»Ach, Matt.« Damon sitzt mir jetzt als Freund gegenüber, nicht mehr als Agent. Ich glaube, so mag ich ihn lieber, als wenn er sich hinter seinem Anzug versteckt. »Was bleibt dir denn schon übrig? Entweder eroberst du dir deinen guten Ruf zurück und damit vielleicht auch deinen Platz in der NFL, oder du ziehst mit wehender Regenbogenflagge vor Gericht und verlierst wahrscheinlich alles. In einer perfekten Welt würde diese ganze Sache keine Rolle spielen, aber so funktioniert unsere Welt nun mal nicht. Als ich noch Baseball gespielt habe und die Gerüchte aufkamen, ich wäre der aussichtsreichste Kandidat beim Draft, hat sich der Druck auf mich verdoppelt, weil ich ein offen schwuler Spieler war. Die Medien stürzen sich auf so etwas, weil die Leute meinen, sie hätten das Recht, alles über jeden zu erfahren – besonders über Sportler und Berühmtheiten –, und weil es die Verkaufszahlen steigert. Mit ein wenig Glück verschwindest du noch vor Beginn der Trainingslager dank eines anderen Skandals aus den Schlagzeilen. Aber bis dahin schreiben sie über dich, und wir müssen alles tun, damit die Artikel positiv ausfallen.«

»Nette Ansprache«, grummele ich. »Wann geht die Kreuzfahrt los?«

»In zwei Wochen.«

Ich lächele gekünstelt. »Kann’s kaum erwarten.«

* * *

Der Plan sieht vor, dass wir erst in letzter Sekunde einchecken. Doch zwei Stunden bevor ich das Hotel verlassen soll, in dem Damons Agentur mich für die Nacht vor der Abreise untergebracht hat, klopft es an meiner Tür. Davor steht der Typ, der für die nächsten paar Monate meinen Freund spielen soll.

Noah Huntington der Dritte. Ich musste ihn googeln. Kaum sah ich sein Foto auf dem Bildschirm, konnte ich mich daran erinnern, ihn am selben Abend wie Damon kennengelernt zu haben. Klar, dass er unter all den Leuten, deren Bekanntschaft ich in dieser Nacht gemacht habe, der Heißeste war. Das einzige Problem daran ist, dass er das auch weiß. Sein Haus hat mich nicht beeindruckt, aber als er mich mit seinen durchdringenden blaugrünen Augen selbstsicher ansah und gleichzeitig jede Menge Charme versprühte, wünschte ich mir, Maddox hätte mich nicht mit ihm allein gelassen, während er in Noahs Gästezimmer wer weiß was mit Damon trieb.

Und nun bin ich für die nächsten paar Monate an ihn gebunden. Ganz großartig.

Sein Vater, der ehemalige Gouverneur von New York, mittlerweile Senator der Demokratischen Partei, ist ein Weißer fortgeschrittenen Alters, und seine Mutter ist afroamerikanischer Herkunft. Man füge einen schwulen Sohn hinzu, und schon hat man eine Bilderbuchfamilie aus Utopia vor sich, wo Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung keine Rolle spielen.

Mir ist klar, warum Damon sich für Noah als Besetzung für die Rolle meines festen Freundes entschieden hat, aber ich mache mir Sorgen, dass es zu effekthascherisch wirkt – dass wir viel zu dick auftragen, um noch glaubwürdig zu sein. Es fühlt sich inszeniert an.

Weil es das ist, du Blödmann.

Noah erwidert meinen Blick aus seinen unverschämt hypnotischen Augen, und ein Lächeln umspielt seinen Mund. Seine dunkle Haut und die straffen Muskeln ergänzen perfekt die Selbstsicherheit eines reichen Treuhandfonds-Söhnchens. Ich gebe es nur sehr ungern zu, aber ich kann ihn jetzt schon nicht leiden. Hauptsächlich, weil ich ihn beneide.

Außerdem kann ich ihn kaum als »Söhnchen« bezeichnen, denn er ist drei Jahre älter als ich.

Der einzige Ort, an dem ich jemals so ein Selbstvertrauen ausgestrahlt habe wie Noah, war das Spielfeld. Football war meine Zuflucht. Meine Rettung. Mein einziger Gedanke. Nun bin ich gezwungen, eine Seite von mir zu zeigen, die ich ewig versteckt habe.

Nicht, weil ich das so wollte, sondern weil es nicht anders ging. In der Geschichte der NFL hat es bisher nur eine Handvoll schwuler Spieler gegeben. Die wenigen, die sich öffentlich dazu bekannten, haben das entweder getan, nachdem sie sich aus dem aktiven Sport zurückgezogen hatten, oder wurden nach der Vorsaison aus dem Spielerkader geworfen.

»Matt?« Noahs Stimme verhindert, dass ich erneut wegen meiner sich im freien Fall befindenden Karriere ausflippe. Er legt mir eine Hand auf eine Schulter und drückt zu. Es soll eine beruhigende Geste sein, macht mir aber nur noch stärker bewusst, was für ein heißer Typ mich da gerade berührt. Diese Grenze werden wir nicht überschreiten – schließlich ist das hier rein geschäftlich und sonst nichts. Ich entziehe mich seinem Griff.

Er runzelt die Stirn. »Alles in Ordnung? Du kriegst mir hier jetzt bitte keinen Herzinfarkt, ja?«

»Entschuldige.« Ich trete beiseite und lasse ihn herein.

Noah streift mich im Vorbeigehen, sieht mir in die Augen und lächelt. Er hat die athletische Figur eines Basketballspielers – er scheint hauptsächlich aus Armen und Beinen zu bestehen – und ist ungefähr so groß wie ich. Nur viel dünner. Allerdings ist der Vergleich mit meiner Einhundertfünf-Kilo-Statur wahrscheinlich nicht sehr fair.

Noah zieht einen Rollkoffer hinter sich her ins Zimmer.

»Ich dachte, wir treffen uns auf dem Schiff«, sage ich.

»Damon hat mich hergeschickt, damit wir zusammen dort ankommen. Entweder gibt es bei OTS eine undichte Stelle, oder das Personal der Schifffahrtsgesellschaft kann den Mund nicht halten. So oder so, es warten jede Menge Paparazzi am Terminal. Wir sollen so tun, als ob sie uns ertappt hätten, weil wir nicht mit ihnen gerechnet haben.«

»Oh Mann. Das fängt ja schon gut an.« Wie lange werden sich die Journalisten noch für diese Story interessieren? »Mach’s dir gemütlich. Ich muss noch packen.«

»Du hast noch nicht gepackt?«, fragt Noah.

»Ich hatte vor, mich erst in letzter Sekunde auf den Weg zu machen.«

»Gute Idee. Lassen wir sie ruhig warten.«

»Genau.« Als ob das von Anfang an mein Plan gewesen wäre.

Eigentlich muss ich nur noch meine Zahnbürste und das Rasierzeug in die Reisetasche stopfen. Dabei habe ich den Rasierer seit Wochen nicht benutzt. Mein Bart hat mittlerweile eine beeindruckende Länge erreicht, und ich wüsste nicht, warum ich mich davon trennen sollte.

Ich brauche keine zwei Minuten, bis ich alles eingepackt habe. Währenddessen sitzt Noah auf meinem Hotelbett und tippt auf seinem Handy herum.

Statt meiner Bulldogs-Baseballkappe setze ich eine mit dem Logo der Yankees auf und verstecke mein Gesicht zur Hälfte unter einer Fliegersonnenbrille.

»Glaubst du wirklich, du fällst mit einer anderen Kappe weniger auf?«, erkundigt sich Noah, der das Handy immer noch in der Hand hält.

Ich hasse diese Dinger. Früher war das nicht so. Aber wenn ich jetzt eins sehe, überkommt mich sofort die Angst, jemand könnte ein Foto von mir schießen. Mein eigenes Handy meldet alle zwei Minuten eine neue Nachricht, so geht das seit Wochen. Der Aus-Knopf ist meine einzige Rettung.

»Matt?«, fragt Noah. »Bist du immer so geistesabwesend?«

»Bist du immer so neugierig?«

Noah hebt kapitulierend die Hände. »Kein Grund, mir den Kopf abzureißen. Aber ganz im Ernst, wenn Damon dich mit dieser Kappe sieht, kündigt er dir wahrscheinlich den Vertrag.«

»Ist er Mets-Fan?«

»Der größte aller Zeiten. Er ist völlig besessen.«

»Ich hab noch eine andere, aber die ist von den Bulldogs.«

»Hier, wir tauschen.« Noah wirft mir seine Mets-Kappe zu.

»Regt Damon sich etwa weniger auf, wenn du mit der Yankees-Kappe auftauchst?«

Noah grinst mich an. »Nein, aber ich ärgere ihn gern ein bisschen.«

»Klingt nach einer gesunden Freundschaft.« Ich setze seine Kappe auf und ziehe mir den Schirm tief ins Gesicht.

Dann vergewissere ich mich, dass ich auch wirklich nichts vergessen habe, während Noah im Flur auf mich wartet.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl, der in die Tiefgarage fährt, vermeide ich jeglichen Augenkontakt und halte den Mund. Wie Damon gesagt hat, das hier ist eine reine Geschäftsbeziehung. Nicht mehr und nicht weniger. Ich muss mich mit dem Kerl nicht anfreunden, damit wir so tun können, als wären wir zusammen.

Ich persönlich glaube ja nicht, dass diese Scharade mir einen Vertrag einbringt. Oder mein Image wieder geraderückt. Wie das funktionieren soll, ist mir ein Rätsel. Selbst falls mich ein anderes Team verpflichtet – in der Umkleidekabine ist es egal, ob ich einen Freund habe. Es wird trotzdem böse Blicke, Beleidigungen und Drohungen hageln … Die Welt mag mittlerweile toleranter geworden sein, aber von Akzeptanz kann man noch lange nicht sprechen. Schon gar nicht in der Welt des Sports. Mittlerweile kommt es zwar vor, dass ein Sportler sich offen zu seiner sexuellen Orientierung bekennt, jedoch immer noch sehr selten.

Noah tippt selbst auf dem Weg durch die Flure und im Fahrstuhl weiter auf seinem Handy herum. Das ständige Tipp-tipp-tipp-Geräusch geht mir auf die Nerven. Am liebsten würde ich das Gerät an die Wand werfen.

»Alles okay?« Noah sieht mich nicht einmal an, als er mir die Frage stellt, sondern hält den Blick fest auf das Display gerichtet.

»Alles bestens.«

»Klar, genau danach sieht es aus.«

»Woher willst du das denn wissen? Du starrst doch ständig nur auf das Ding.« Ich nicke in Richtung seines Handys.

Noah schiebt es in eine Hosentasche. »Bitte sehr, schon weg. Also, was ist los?«

»Abgesehen vom Offensichtlichen? Meine Karriere rauscht den Bach runter, und mein Agent hält mich für einen so hoffnungslosen Fall, dass er mir einen festen Freund organisiert. Doch, ja, es könnte nicht besser laufen.«

Er wendet den Blick ab und murmelt: »Was hat Damon mir da nur eingebrockt?«

KAPITEL 2

NOAH

Eine bezahlte Kreuzfahrt. Dafür gibst du dich als Matt Jacksons festen Freund aus. Das wird lustig, hat Damon gesagt. Was er allerdings für sich behalten hat: dass Matt Jackson ein schlecht gelaunter Arsch ist.

Wenn auch ein heißer schlecht gelaunter Arsch, muskulös, tätowiert und sonnengebräunt. Von dem Bart, den er sich wachsen lässt, will ich gar nicht erst anfangen. Doch nichts davon ändert etwas daran, dass er chronisch schlecht gelaunt ist.

Dafür ist mir Damon echt was schuldig. Ich würde ihm eine Nachricht schicken und mich beschweren, aber mein Handy ist anscheinend ein Werkzeug des Teufels – was man aus der Art schließen kann, wie Matt es finster anstarrt.

Die nächsten Monate können ja heiter werden. Warum genau habe ich diesem Deal noch mal zugestimmt?

Ach ja, richtig. Damit ich meinem Vater zeigen kann, wohin er sich sein ewiges »Tu nichts, was meinem Ruf als Politiker schaden könnte« stecken kann …

Die Fahrstuhltüren öffnen sich und geben den Blick auf den kleinen Vorraum frei, der durch bodentiefe Glasscheiben von der Tiefgarage abgetrennt ist. »Verdammte Scheiße«, sagt Matt aus dem Blauen heraus.

»Was?«

Er neigt den Kopf in Richtung der Türen, wo zwei Paparazzi auf ihn warten.

»Wie sind die denn in die Garage gekommen?«

»Wer weiß?« Matt lässt den Kopf hängen. »Die eigentliche Frage ist doch, woher sie wissen, dass ich in diesem Hotel übernachtet habe.« Er starrt auf meine Hosentasche, in der mein Handy steckt, als ob die Antwort darin zu finden wäre.

»Du bist ganz schön paranoid, was? Ich hab das nicht durchsickern lassen. Unsere vorgetäuschte Beziehung wird auch ohne mein Zutun jede Menge Aufmerksamkeit erregen.« So viel zum Thema Vertrauen.

Matt schaut kurz zu den Typen auf der anderen Seite der Tür hinüber und blickt dann wieder mich an. »Bringen wir’s hinter uns.« Er greift nach meiner Hand und zieht mich durch die Garage. Sein Griff ist eisern; zärtliches oder romantisches Händchenhalten sieht anders aus. Das hier wirkt viel zu bemüht.

»Lass ein bisschen locker, ja?« Ich achte darauf, dass die Reporter nichts mitbekommen. »Wenn du noch fester zupackst, denken die noch, du entführst mich. Oder zwingst mich zum Mitkommen.«

Matt lockert seinen Griff, jedoch nicht sehr. Ich versuche zu retten, was zu retten ist, entziehe ihm die Hand und lege lässig einen Arm um ihn. Doch Matts steife Schultern bieten keinen Halt, sodass mein Arm abrutscht. Auf den Fotos würde es noch merkwürdiger wirken als sein Eisengriff um meine Hand, wenn ich den Arm jetzt mit unnatürlichem Kraftaufwand an seinem Platz halten würde. Ich improvisiere und tue so, als wollte ich ihn vor den Kameras abschirmen, während wir zum Auto hetzen.

»Gib mir die Schlüssel, und steig auf der Beifahrerseite ein«, schlage ich vor.

»Meinen Lambo fährt keiner außer mir.«

Großartig, er ist einer von diesen Autonarren. »Schön, dann fährst du. Aber mach mir den Kofferraum auf.«

Mit übermenschlicher Geschwindigkeit werfe ich meinen Koffer und seine Reisetasche hinein und klettere auf den Beifahrersitz.

Die beiden Fotografen halten mir ihre Kameras mitten ins Gesicht. Falls sie gut in ihrem Job sind, haben sie mich identifiziert, bevor wir den Hafen erreichen. Die Neuigkeiten werden sich online verbreiten, ehe unser Schiff ablegt. Ich werde also für Dad noch telefonisch erreichbar sein, wenn er es erfährt. Seine Leute haben garantiert einen Google Alert für mich angelegt.

Ich hatte gehofft, schon auf halbem Weg zu den Bermudas zu sein, wenn er es herausfindet. Seine Reaktion würde viel spektakulärer ausfallen, wenn er mich sieben Tage lang nicht erreichen könnte.

Matt gibt zaghaft Gas.

»Fahr sie einfach über den Haufen«, empfehle ich ihm.

»Ja, das wird mein Image bestimmt verbessern. Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir. ›Matt Jackson in einer Auseinandersetzung mit Paparazzi‹.«

Verdammt. Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch. Mitleid, vermute ich, aber das kann nicht sein. Es muss gerade echt hart sein, in Matt Jacksons Haut zu stecken, aber Noah Huntington interessiert sich normalerweise nicht für das Leben anderer.

Vielleicht ist es auch Empathie. Als Sohn eines prominenten Senators, dem die Worte »zukünftiger Präsidentschaftskandidat« förmlich auf der Stirn geschrieben stehen, war ich selbst schon häufig genug in den Medien. Ich hatte einen Vorgeschmack auf das, was Matt gerade durchmacht. In meiner Teenagerzeit haben die Zeitungen gern lahme Artikel über mich gebracht, den Bürgermeistersohn, der auf einer illegalen Lagerfeuerparty in den Hamptons erwischt wurde, und andere harmlose Dinge. Jeder andere hätte das als jugendlichen Leichtsinn abgetan, aber natürlich nicht mein Vater, der sich immer um sein kostbares Image sorgt. Aber das hier? Das wird ein Blutbad.

Matt wurde zum Bad Boy des Footballs abgestempelt – als die schwule Version davon. Angeblich hat er wahllos Typen in Nachtclubs abgeschleppt, sich in betrunkenem Zustand einige Eskapaden geleistet und hat Drogenprobleme. Damon behauptet, die Drogensucht wäre frei erfunden, aber solche Tatsachen sind den Medien völlig egal.

»Kennst du den Weg?«, erkundige ich mich, als wir endlich im Schneckentempo aus der Tiefgarage hinausfahren.

»Nein.«

»OTS hat dich aus einem bestimmten Grund hier untergebracht. Die Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe ist nur ein paar Blocks entfernt. Da lang.« Ich zeige in die Richtung.

Matts einzige Reaktion ist ein Nicken. Warum beschleicht mich das Gefühl, dass so ein Großteil unserer Kommunikation in den nächsten Wochen aussehen wird?

Zu Matts großer Empörung zücke ich mein Handy.

»Hältst du es keine zwei Minuten ohne das Ding aus?«

Wenn er mir dumm kommen will, kriegt er das direkt zurück. »Nein.«

 

Noah:

Du bist mir was schuldig. Ich dachte, ich soll den Scheinfreund spielen. Nicht den Schein-Ehemann.

 

Damon:

Den Schein-Ehemann?

 

Noah:

Wir führen uns bereits auf wie ein verheiratetes Paar. Ist er immer so unleidlich?

 

Damon:

Oh. Tjaaa … Maddox meint, eigentlich nicht. Aber ich habe ihn bisher nur mürrisch erlebt.

 

Noah:

Was du mir merkwürdigerweise verschwiegen hast, als du mich um diese Sache hier gebeten hast.

 

Damon antwortet mit dem Engel-Emoji. Arschloch.

»Wohin jetzt?«, will Matt wissen.

Er folgt meinen Anweisungen, bis wir am Terminal ankommen und das Auto im Langzeitparkhaus abstellen. Matt kann sich ein abfälliges Schnauben über meinen Sechstausend-Dollar-Gucci-Koffer nicht verkneifen, als er seine No-Name-Reisetasche aus dem Kofferraum nimmt.

»Also gut, was stimmt nicht mit meinem Gepäck?«

Er schüttelt nur den Kopf, als wäre die Antwort offensichtlich, und marschiert davon.

Oh ja, Damon ist mir definitiv etwas schuldig.

Zusammen mit den anderen Kreuzfahrtpassagieren gehen wir zum Schiff, doch als ich die Paparazzi erspähe, die sich vor dem Eingang drängen, bleibe ich abrupt stehen. Uns wurde gesagt, dass ein paar Medienvertreter da sein würden, aber das, was sich hier abspielt, ist der Wahnsinn. Wahrscheinlich gibt es heute nicht viel anderes, worüber es sich zu berichten lohnt. Ich zähle mindestens fünfzehn Reporter mit lächerlich großen Kameras.

Matt erstarrt ebenfalls. »Ich … Ich kann das nicht«, sagt er leise.

Passagiere drängeln sich an uns vorbei und werfen uns ungehaltene Blicke zu, weil wir ihnen im Weg stehen.

Ich hab die Artikel gesehen, die online und in allen anderen Medien erschienen sind. Trotzdem begreife ich erst jetzt, da ich direkt in die Linsen von gefühlt einer Million Kameras starre, die alle ein Foto von uns wollen, dass es um viel mehr geht als nur ein Foto. Sie brauchen eine Story. Je skandalöser, desto besser. Und zurzeit gibt es keinen größeren Skandal als den um Matt.

Ich tue so, als machte es mir nichts aus, aber in Wahrheit ist es viel einschüchternder, als ich dachte.

»Das ist doch leicht. Wir gehen einfach weiter, sagen alle fünf Sekunden ›Kein Kommentar‹ und ignorieren alles andere.«

Matt steht immer noch wie angewurzelt da. Er sieht kreidebleich aus, als müsste er sich gleich übergeben. »Ich …«

»Matt«, murmele ich. »Wir müssen weitergehen. Mitten auf der Gangway wie angewachsen stehen zu bleiben, kannst du dir jetzt einfach nicht erlauben.«

In dem Moment entdecken uns die Reporter und laufen auf uns zu.

»Babe, ich hab was im Auto vergessen«, verkünde ich so laut, dass sie es hören können. Ich drehe mich um und eile auf das Parkhaus zu, wobei ich geschickt den letzten Passagieren ausweiche, die uns auf dem Weg zum Terminal entgegenkommen. Matt ist immer noch starr vor Schock, sodass ich ihn praktisch hinter mir herschleifen muss.

Neben der Schranke an der Einfahrt steht ein Parkhauswächter, den ich zu uns heranwinke. »Können Sie irgendetwas gegen die Fotografen da drüben unternehmen?«

Der Kerl schaut zwischen Matt und mir hin und her. »Ähm … Ich … Verzeihung, aber sind Sie Matt Jackson?«

»Er ist es. Sie können sich jetzt sicher denken, warum wir diesen Geierschwarm gern umgehen würden.«

»Okay. Aber, äh, es gibt nur den einen Weg aufs Schiff. Sie müssen auf jeden Fall an denen vorbei.«

»Danke trotzdem.« Ich zerre Matt weiter zu seinem Auto.

Als ich kurz über die Schulter zurückblicke, kommen ein paar dieser aufdringlichen Mistkerle mit ihren Kameras auf uns zu.

Ich presse Matt gegen sein Auto und beuge mich ganz nah zu ihm hin. »Du musst dich jetzt zusammenreißen und diese Panikattacke, oder was auch immer es ist, abschütteln. Wir haben noch eine halbe Minute, bevor wir wieder fotografiert werden, und du siehst aus, als ob du dir gleich vor Angst in die Hose machst.«

Matt nickt mühsam, was mich keineswegs davon überzeugt, dass er nicht gleich wieder ausflippt, sobald die Blitzlichter direkt vor seinem Gesicht aufflackern.

Aber die Fotografen haben uns eingeholt, und mir fällt nur ein Weg ein, wie ich ihn aus seiner Trance reißen kann. Ich umfasse mit beiden Händen sein Gesicht und presse meinen Mund auf seinen. Hoffentlich fallen ihm vor Schreck nicht beinahe die Augen heraus, das würde kein schönes Foto abgeben.

Matt versteift sich noch mehr und erwidert den Kuss nicht. Es ist, als würde ich die Lippen auf zwei Stahlstangen pressen. Matts Bartwuchs hingegen ist über das struppige Stadium hinaus und fühlt sich an meiner glatten Haut weich an.

»Das musst du besser hinkriegen«, wispere ich an seinen Lippen, sodass die Paparazzi es nicht hören.

»Wenn die Fotografen nicht wären, würde ich dir jetzt einen Tritt in den Hintern verpassen, Huntington.«

»Fang bloß nicht mit diesem Nachnamen-Spielchen an, Jackson. Ich will dir nur helfen.«

»Kommt mir eher so vor, als wärst du scharf auf deinen Moment im Rampenlicht.«

Ich löse mich von ihm, gehe aber nicht zu sehr auf Abstand. »Lass uns das woanders besprechen. Bist du bereit, ihnen gegenüberzutreten?«

»Nein.«

»Soll ich dich noch mal küssen?«

Er runzelt die Stirn. »Na schön. Lass uns gehen.«

Okay. Er stellt sich also lieber den Medien, als dass er mich küsst. Könnte bitte jemand einen Rettungswagen rufen? Mein Ego erleidet gerade einen Herzstillstand.

Plötzlich hat Matt überhaupt kein Problem mehr damit, durch die Horde von Reportern hindurchzumarschieren. Wir kommen nur langsam voran, und ich bin sehr auf mein Pokerface bedacht, als die Blitzlichter direkt vor meinen Augen aufflackern.

Laut Damon wird von mir erwartet, dass ich diese Lügengeschichte glaubhaft verkaufe. Aber Matt würde meine Hand wegschlagen, falls ich sie jetzt nach seiner ausstrecken würde, da gehe ich jede Wette ein. Wenn er nicht sogar versuchen würde, mir die Knochen zu brechen.

Selbst als wir das Terminal betreten und den Medienrummel hinter uns lassen, entspannt sich Matt kein bisschen. Überall stehen Menschenschlangen vor den Schaltern, man kann sich kaum bewegen.

Matt schaut sich ständig um, als ob er nach dem Notausgang sucht.

Endlich sind wir dran und geben unser Gepäck auf. Zusammen mit den Schlüsseln erhalten wir allerdings auch die Information, dass die Zimmer noch nicht bezogen werden können.

Matt versucht, seine Anspannung zu verbergen, aber ihm quellen förmlich die Augen aus dem Kopf. Er muss raus aus dem Gedränge, bevor er wieder in diese Starre verfällt oder vor allen Leuten einen Nervenzusammenbruch erleidet, was noch schlimmer wäre.

Ich beuge mich zu der Dame am Schalter vor und senke die Stimme. »Sind die Zimmer wirklich noch nicht fertig, oder ist es nur praktischer, wenn wir sie noch nicht beziehen?« Ich nicke in Matts Richtung. »Sie wissen, wer das ist? Meinen Sie, wir könnten hier irgendwo eine Verschnaufpause einlegen?«

Die Frau mustert Matt von oben bis unten, und ihre Augen leuchten auf, als sie ihn erkennt. »Ich schaue mal für Sie nach, Sir.« Sie tippt etwas in den Computer. »Wenn Sie möchten, können Sie in Ihre Kabine gehen, sie ist bereits fertig. Ich werde dafür sorgen, dass Ihnen Ihr Gepäck sofort gebracht wird.«

»Vielen Dank.«

Ich habe vor, Matt direkt in die Kabine zu bringen, wo er bleiben soll, bis er sich verdammt noch mal beruhigt hat. Doch sobald wir die Gangway verlassen und die Empfangshalle betreten, bleiben wir beim Anblick einer Frau, die nur mit einem Handtuch bekleidet ist und Damon und Maddox wütend anzischt, abrupt stehen.

»Wer zum Teufel ist denn das?«, fragt Matt.

Ich erkenne sie, als sie ihr nasses blondes Haar nach hinten wirft. »Das ist Stacy. Damons Schwester. So wie es aussieht, steckt er in Schwierigkeiten.«

»Sollen wir …«

Ich lege ihm eine Hand auf die Brust, damit er nicht zu den dreien hinübergeht. »Nein. Eine wütende Stacy willst du nicht erleben. Sie hat nur ein Handtuch um und schreit ihren Bruder an – das bedeutet, niemand auf diesem Schiff ist sicher.«

Wir überlassen Maddox und Damon ihrer Standpauke und machen uns auf die Suche nach unserer Kabine. Die Flure des Schiffs sind fast zu schmal für Matts breite Statur. Wir schlängeln uns an anderen Fahrgästen vorbei, und endlich vor unserem Zimmer angekommen, können wir gar nicht schnell genug hineingelangen. Matt lehnt sich von innen gegen die Tür und seufzt vor Erleichterung.

Die von OTS müssen ziemlich knauserige Typen sein, da sie eine Standardkabine für uns gebucht haben statt einer Suite, aber das würde ich natürlich niemals laut sagen. Mich halten sowieso schon alle für einen verwöhnten reichen Kerl, und zumindest haben wir einen Balkon.

»Was zum Teufel war das?«, will Matt wissen.

»Stacy, die Damon anschreit, oder …«

»Der Kuss.«

»Ach, geht’s schon wieder darum?«

»Das ist nicht … Wir sind nicht … Wir brauchen ein paar Grundsatzregeln.«

Oh Mann, der Typ ist unglaublich. »Ich weiß ja nicht, ob dir das klar ist, aber als Paar küsst man sich. Und die Aasgeier, die dich verfolgen, denken nun mal, wir wären zusammen. Außerdem wärst du fast vor deren Augen ausgeflippt. Da ist mir nichts anderes übrig geblieben.«

»Das hier ist eine rein geschäftliche Abmachung. Ich weiß zwar noch nicht, worauf du aus bist, aber ich lass nicht zu, dass du mich benutzt, um berühmt zu werden, in einer Realityshow zu landen, oder weshalb auch immer du hier mitspielst.«

»So viel zu meinem Traum, das neue Mitglied bei ›Keeping Up with the Kardashians‹ zu werden«, kontere ich trocken. »Bist du wirklich so ein Schwarzseher?«

»Na ja, wegen Geld machst du es garantiert nicht, so stinkreich, wie du bist.« Je mehr er sich aufregt, desto stärker verfällt er in seinen Dialekt. Es ärgert mich ungemein, wie liebenswert ihn das macht.

»Ich werde noch nicht mal dafür bezahlt. Es ist eine reine Gefälligkeit, du Idiot.«

Wow, unsere Beziehung ist noch keine Stunde alt, und schon streiten wir uns. Das ist nur einer der Gründe, weshalb ich nichts von Beziehungen halte. Was habe ich mir bloß dabei gedacht, bei dieser Sache mitzumachen?

Das weißt du ganz genau, erinnert mich mein Gewissen.

»Willst du wirklich behaupten, bei der Sache springt nichts für dich raus? Warum machst du dann mit?«, hakt Matt nach.

»Weil Damon wahrscheinlich der Mensch ist, der mir auf dieser Welt am nächsten steht, und er mich darum gebeten hat. Möglicherweise bin ich ja ein anständiger Kerl.« Verborgen unter all dem Bullshit.

Matt starrt mich an, als ob er mir kein Wort davon abkauft.

Ich verdrehe die Augen. »Denk doch, was du willst. Aber du kannst mir glauben, wenn ich sage, dass ich keine Spielchen spielen oder dich irgendwie manipulieren muss, damit mein Gesicht in den Medien erscheint. Dafür muss ich nur neben dir stehen. Dein Foto ist momentan überall.«

»Ich will aber nicht überall sein!«, schreit er. »Das Einzige, was ich will, ist Football spielen. Es ist alles, was ich habe.« Matt setzt sich aufs Bett und fährt sich mit den Händen durch die zerzausten Haare. »Hatte.«

Ich drücke ihm beruhigend die Schulter, obwohl er sich wie ein Arsch aufführt. »Und ich helfe dir dabei, dass du das wieder kannst.« Meinem Dad dadurch eins auszuwischen, ist nur ein Bonus. »Was hältst du davon, wenn wir uns jetzt auf die Suche nach Damon machen und ihn fragen, wie unser Programm aussieht?«

»Wir haben ein Programm?«

»Er hat was von einem Foto- und Interviewtermin für eine Zeitschrift erzählt, aber ich weiß nicht, für wann das geplant ist.«

»W… Was?« Matt wird ganz blass. »Ich gebe keine Interviews.«

Ich hebe die Hände. »Hey, ich kann nichts dafür.«

»Verdammter Mist.« Matt stampft zur Tür, dreht sich jedoch in letzter Sekunde zu mir um. »Kommst du?«

Das werden ein paar lustige Wochen.

* * *

»Wo ist dein Freund?«, blafft Matt, als wir Maddox in der Bar treffen.

»Er hat Kopfschmerzen und hat sich hingelegt.«

»Wieso hat Stacy euch vorhin angeschrien?«, erkundige ich mich.

Ein rothaariger Typ, den ich noch nie gesehen habe, taucht an Maddox’ Seite auf.

»Oh, wow, du bist Matt Jackson«, platzt es aus ihm heraus.

Genau das hat uns noch gefehlt – dass Matt von irgendwelchen Leuten angesprochen wird. Ich will ihn gerade auf freundliche Weise abservieren, da sagt Maddox: »Uuund das ist mein sehr uncooler Freund Jared. Seinetwegen war Stacy vorhin nackt und sauer. Sie wusste nicht, dass er auch hier sein würde.«

Matt reicht Jared zögernd die Hand. »›Matt‹ reicht. Meinen Nachnamen musst du nicht dazusagen. Vor allem nicht so laut.« Er schaut sich in der kleinen Bar um.

»Ich bin Noah.« Ich nicke grüßend in seine Richtung.

»Wann steht Damon wieder auf?«, will Matt wissen. »Wir würden gern erfahren, was genau wir hier tun sollen.«

»Wir legen gleich ab«, meint Maddox. »Geht doch hoch aufs Hauptdeck, und winkt den Paparazzi zum Abschied zu. Und wenn ihr schon dabei seid, könnt ihr ihnen auch gleich den Mittelfinger zeigen.«

»Ja, klar. Damon reißt mir den Kopf ab, wenn ich das tue«, entgegnet Matt.

»Ich glaube nicht, dass du eine glänzende Zukunft in der PR-Branche vor dir hast«, füge ich hinzu.

Maddox zuckt die Achseln. »Na schön, macht, was ihr wollt. Ich werde was trinken.«

Jared zeigt auf Maddox. »Großartige Idee. Ich bin dabei.«

»Ich hab was von einem Fitnessstudio an Bord gelesen. Falls ihr mich brauchen solltet, findet ihr mich dort.« Matt marschiert mit langen Schritten davon, als könnte er gar nicht schnell genug wegkommen.

»Toll. Ihr habt mir einen Fitnessfreak aufgehalst.«

»Er spielt in der NFL. Das hast du vorher gewusst«, führt Maddox an.

»Dann gehe ich halt auch ins Fitnessstudio. Damon hat mir eingeschärft, Matt die ganze Woche über nicht von der Seite zu weichen. Allerdings macht er es mir nicht gerade leicht. Ist er immer so abweisend?«

»Er hat eine Menge durchgemacht«, erklärt Maddox. »Sei nicht so streng mit ihm.«

»Na gut. Aber ich bin total nett zu ihm, und er lässt mich jedes Mal abblitzen. Ihm ist schon bewusst, dass ich ihm einen Gefallen tue, indem ich bei der Sache mitmache, oder?«

»Es ist ja nicht so, als hättest du was Besseres zu tun. Du kannst bloß nicht damit umgehen, dass Matt nicht scharf auf dich ist«, stellt Maddox fest. »Braucht dein armes Ego ein paar Streicheleinheiten?«

»Wenn du sie mir verabreichst?«

»Ich passe.«

»Haben sie euch an der Olmstead University überhaupt irgendetwas beigebracht? Ihr zwei habt offensichtlich kein Gespür für Qualität, selbst wenn sie direkt vor euch steht.« Es ist kein Geheimnis, dass ich Maddox bei unserer ersten Begegnung angebaggert habe. Damon stand auf Maddox, brauchte aber etwas gesunde Konkurrenz, damit er es endlich zugab.

Ich winke Maddox und seinem Freund zum Abschied zu und begebe mich auf die Suche nach Matt. In unserer Kabine ist er nicht. Da er die Trainingshose schon anhatte, ist er wahrscheinlich direkt ins Fitnessstudio gegangen. Ich tausche die Jeans gegen Sportshorts, ziehe Turnschuhe an und mache mich auf den Weg.

Matt trainiert seine langen, kraftvollen Beine auf einem Laufband in einer Ecke. Knackiger Hintern, muskulöser Körper … Wirklich schade, dass er so ein Arschloch ist, denn sonst hätten wir aus diesem Schauspiel ein paar heiße, spaßige Monate machen können.

Meinem Schwanz gefällt die Vorstellung.

Nein, sage ich zu ihm. Wir dürfen diesen Kerl nicht mögen. Also gib Ruhe, Freundchen.

Als ich auf das Laufband neben Matt gehe, steigt er ab und verzieht sich in den Bereich mit den Hanteln.

Aha. So wird das also laufen.

Eine halbe Stunde vergeht, dann eine ganze. Ich hoffe, dass er fertig ist, als er seine Wasserflasche auffüllt, aber nein. Er trinkt etwas und steuert auf die nächste Maschine zu.

Nach zwei Stunden Training ohne Pause hab ich das Gefühl, zu sterben. Mit zitternden Beinen wanke ich zu Matt hinüber, der sich an der Rudermaschine verausgabt. »Bist du immer noch nicht fertig?«

Er schüttelt schwer atmend den Kopf. »Noch eine Stunde.«

»Ich gehe aufs Zimmer. Falls ich es bis dahin schaffe.« Ich bin mir nicht ganz sicher, doch könnte ich schwören, ihn leise lachen zu hören. Aber Matt und Lachen? Ein Ding der Unmöglichkeit, so wie ich ihn bisher kenne. Das muss ich mir eingebildet haben.

Eine lange, heiße Dusche lockert meine Muskeln, und danach checke ich mein Handy, das ich für die Dauer des Trainings absichtlich in der Kabine gelassen hatte. Wie zu erwarten, haben Mom und Dad Voicemails für mich hinterlassen. Mittlerweile sind wir schon zu weit draußen auf dem Meer, als dass ich die Nachrichten abrufen könnte, aber ich kann mir auch so ziemlich gut vorstellen, was sie gesagt haben.

»Wieso lässt du dich von den Schundblättern mit diesem Footballspieler ablichten? Kannst du dir vorstellen, wie das aussieht? Brich die Beziehung ab. Unverzüglich.« Und Moms lautet ungefähr so: »Warum musst du deinen Vater so verärgern?«

Als ich die fünf Textnachrichten von Aron sehe, dreht sich mir der Magen um. Ich weiß nicht, ob ich mich schon mit ihm auseinandersetzen kann, obwohl ich bereits mit dieser Reaktion gerechnet hatte. Vielleicht hätte ich ihn warnen sollen. Allerdings haben wir seit einem Monat nicht miteinander gesprochen. Deshalb wäre es einfach merkwürdig gewesen, ihm eine Nachricht zu schicken, so à la »Wollte dir nur kurz sagen, dass ich jetzt mit Matt Jackson zusammen bin und deshalb in der nächsten Zeit wohl ständig in den Medien auftauchen werde«.

Aron und ich waren während unserer gesamten Collegezeit und in den drei Jahren danach nichts weiter als Freunde. Letztes Jahr schien es uns aus irgendeinem Grund plötzlich eine gute Idee zu sein, miteinander ins Bett zu gehen. Etwas Dümmeres habe ich in meinem ganzen Leben nicht getan. Ich mag Aron, wusste aber immer, dass ich mich nie in ihn verlieben würde. Deshalb habe ich von Anfang an klargestellt, dass ich nichts Festes will, womit er zuerst auch einverstanden war. Vor ein paar Monaten wollte er dann doch eine richtige Beziehung. Also hab ich Schluss gemacht. Aber er kam immer wieder zurück, wollte mehr und versprach, er könnte es unverbindlich halten. Ich war ein absoluter Idiot, dass ich überhaupt etwas mit ihm angefangen habe. »Freunde plus«, das funktioniert einfach nie. Einer wird am Ende immer verletzt, und diesmal wünscht sich ein Teil von mir, es hätte mich getroffen. Denn neben Damon kommt Aron für mich einem echten Freund am nächsten. Zumindest war es so, bis ich es vermasselt habe.

Ich überspringe Arons Nachrichten und lese die von Damon, die er vor zwei Stunden geschickt hat. Matt und ich haben eine Tischreservierung in einem der Nobelrestaurants an Bord. Also ziehe ich einen grauen Gucci-Anzug an und warte auf Matt.

Er erscheint erst zwei Stunden später und ist schweißgebadet.

»Ernsthaft?«, frage ich ihn. »Vier Stunden Fitnesstraining?«

»Glaubst du etwa, diese Muskeln hab ich vom Rumsitzen?« Er zieht sein Shirt aus und deutet auf seine Bauchmuskeln. Mir stockt der Atem. »Fit zu sein, ist mein Job.«

Straffe Muskeln und Tätowierungen. All die Dinge, die Mütter nicht an den Männern sehen wollen, die ihre Kinder zum Familienessen mit nach Hause bringen. Ich kann den Blick nicht von dem Tattoo auf seiner Schulter losreißen, dessen verschlungenes Muster seinen Bizeps noch beeindruckender erscheinen lässt.

Matt geht ins Badezimmer und entzieht sich damit meinem Blick.

»Viel Glück da drin. Wenn ich schon Schwierigkeiten damit hatte, mich in die Duschkabine zu zwängen, kannst du das vergessen. In einer Viertelstunde haben wir übrigens eine Tischreservierung fürs Abendessen, du musst dich also beeilen.«

Seine Antwort besteht aus einem Grunzen.

Jetzt ist es offiziell. Ich bin mit einem Höhlenmenschen zusammen. Zwar nur zum Schein, aber trotzdem.

Wenn er wenigstens wie ein Höhlenmensch ab und zu ein paar Silben von sich geben würde, könnte ich ihn vielleicht sogar mögen. Ich dachte bisher, ich würde mich wie ein Arsch aufführen, aber Matt schlägt mich um Längen.

KAPITEL 3

MATT

Im Schein der Kerze auf unserem Tisch greift Noah nach meiner Hand. Unwillkürlich spanne ich die Rückenmuskeln an, und der Drang, die Hand wegzuziehen, wird übermächtig. So beiläufig wie möglich lasse ich sie unter seiner hervorgleiten und lege sie in meinen Schoß.

»Was soll das?«, will er wissen.

»Was soll was?«

Er lässt den Blick durch das Restaurant schweifen. Außer uns sind nur wenige Paare hier, was wohl daran liegt, dass es eines der Restaurants ist, in denen man extra bezahlen muss.

Noah beugt sich zu mir und senkt die Stimme. »Hast du ein Problem damit, in der Öffentlichkeit Zuneigung zu zeigen? Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nur hier sind, damit alle sehen, wie verliebt wir sind. Das klappt aber nicht, wenn du dich mir ständig entziehst. Wir müssen uns überlegen, wie wir verliebt wirken können, ohne dass uns deine komische Abneigung gegen Berührungen dabei in die Quere kommt.«

»Ich hab nichts gegen öffentliche Zuneigungsbekundungen«, fauche ich. »Ich bin es nur … nicht gewohnt.« Die einzigen Gelegenheiten, bei denen ich mir erlaubt habe, andere Männer zu berühren, waren die in den Nachtclubs – wenn ich so tat, als wäre ich jemand anders.

Noah lehnt sich zurück. »Wie viele Leute wussten, dass du schwul bist, bevor die Klatschpresse dich geoutet hat?«

Ich atme tief durch und greife nach dem Glas Wein, das Noah bestellt hat, sobald wir dieses bescheuerte Restaurant betreten haben.

»Matt …«

»Niemand.«

»Niemand? Aber am College hattest du doch was mit Maddox.«

Ich zucke die Achseln. »Deswegen hab ich ihm noch lange nicht erzählt, dass ich schwul bin. Wir haben beide so getan, als würden wir nur herumexperimentieren. Und behauptet, wir wären hetero, während wir … nicht sehr heterosexuelle Dinge getan haben.«

Noah lächelt mich an. »Du gibst dir gerade große Mühe, dich vage auszudrücken, oder?«

Jetzt beuge ich mich vor. »Nur, weil ich befürchte, dass ich irgendwie Damon heraufbeschwören könnte, wenn ich zu laut über Maddox spreche, und er mir in den Hintern tritt, weil ich Maddox nackt gesehen habe.«

Noah hebt eine Hand. »Moment, Moment, Moment. Lass uns an der Stelle mal kurz unterbrechen. Hast du eben tatsächlich einen Witz gemacht? Einen richtigen Witz?«

Ich hole tief Luft. »Auch wenn du das nach meinem Benehmen heute vermutlich nicht glaubst, ich bin nicht immer so ein Arsch. Das hier« – ich wedle mit der Hand zwischen uns hin und her – »diese ganze Sache stresst mich total. Ich weiß nicht, wie man sich als Paar in der Öffentlichkeit benimmt, weil ich nicht die geringste Erfahrung damit habe. Ich hatte noch nie eine Beziehung.«

»Noch nie?«

»Ich durfte nicht riskieren, dass es irgendwie rauskommt. Und ich wollte es niemandem zumuten, sich meinetwegen für wer weiß wie lange nicht outen zu können. Außerdem hab ich noch niemandem genug vertraut, um davon auszugehen, dass er mein Geheimnis für sich behält.«

»Und was ist dabei herausgekommen?« Noahs Geste umfasst uns und den Grund, aus dem wir hier sind.

»Wie sich herausgestellt hat, sind anonyme Sexpartner in Nachtclubs auch nicht besonders vertrauenswürdig.«

»Was du nicht sagst.«

»Versuch du mal, im Zölibat zu leben. Wie lange du es wohl aushältst, bevor du dich in einem zwielichtigen Nachtclub nach einem Blowjob umsiehst?«

»Dank dir werde ich wohl enthaltsam bleiben müssen, solange du mich als Scheinfreund brauchst.«

Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Seit dem Skandal ist mir die Lust auf so was ohnehin vergangen. Dass Noah sich infolge seines Angebots, meinen Freund zu spielen, in genau derselben Situation befindet, ist mir nicht in den Sinn gekommen.

»Das tut mir leid.«

Noah lächelt mich an. »Das ist gerade mein Lieblingsort auf dem Schiff geworden. Ein Witz und eine Entschuldigung innerhalb von ein paar Minuten? Vielleicht ist das hier ein magischer Ort?«

Ich seufze auf. Laut.

»Oh nein, er ist zurück. Na ja, egal.«

»Wieso hab ich das Gefühl, dass du Probleme geradezu anziehst?«

Noah grinst mich schief an. »Die Liste der Anwälte, die für meinen großen, bösen Daddy arbeiten, ist länger als der Stammbaum der Kardashians. Sonst würde ich sicher viel häufiger Prügel beziehen.«

»Hör mal, ich weiß, dass ich mich heute schwierig aufgeführt hab, und ich möchte mich bei dir dafür bedanken, dass du mich so schnell aus diesem Parkhaus raus- und von den Reportern weggebracht hast. Ich werde versuchen, nicht mehr so störrisch zu sein, aber …«

»Du machst gerade eine Menge durch. Mach dir jetzt nicht auch noch Gedanken darüber, dass ich auf Sex verzichte und für dich lüge. Ich hab gewusst, worauf ich mich einlasse.«

»Warum hast du dich überhaupt darauf eingelassen?«

So richtig Sinn ergibt Noahs Begründung, er würde es für Damon tun, in meinen Augen nicht.

»Ich hab meine Gründe, genau wie du.« Noah nippt an seinem Wein, bevor er fortfährt. »Ich hab allerdings angenommen, du würdest etwas dankbarer sein.«

»Aber ich bin dir dankbar. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, wie das Ganze funktionieren oder mir dabei helfen soll, einen Vertrag zu kriegen. Maddox sagt, ich kann Damon vertrauen, also mache ich mit. Ich will mich wirklich nicht wie ein Arsch aufführen, aber mein ganze Lebensgrundlage hängt davon ab, ob das hier was bringt.«

Noah nickt. »Du stehst ganz schön unter Druck.«

Hier, mitten auf dem Ozean und weit weg von den bescheuerten Fotografen, kann ich zum ersten Mal richtig durchatmen, seit mein Geheimnis an die Öffentlichkeit geraten ist.

»Waffenstillstand?«, biete ich an. »Können wir einfach noch mal von vorn anfangen?«

Nachdem Noah mich so lange stillschweigend angestarrt hat, dass ich schon unbehaglich auf dem Stuhl herumrutsche, hebt er sein Weinglas. »Waffenstillstand.«

* * *

Unsere Waffenruhe hält während des Abendessens, doch dann geht alles wieder den Bach runter. Zurück in unserer Kabine, reicht Noah mir ein Bier aus der Minibar. Ich will es gerade mit auf den Balkon nehmen, da zieht mich Noah zurück.

»Lass uns lieber hier drin reden. Ich war vorhin schon mal draußen und konnte die Passagiere ein paar Kabinen weiter hören.«

Nickend sinke ich auf das kleine Sofa in der Kabine, woraufhin Noah sich neben mich setzt.

Das Rauschen des Wassers dringt aus den schwarzen Tiefen des Atlantiks bis zu uns herauf und sorgt für eine friedliche Stimmung, bis Noah das Wort ergreift.

»Wir sollten ein bisschen knutschen.«

Ich verschlucke mich an meinem Bier. »Warum zum Teufel sollten wir das tun?«

»Das ist kein Anmachversuch, du Idiot.«

»Dass ich dich küssen soll, bedeutet ja wohl ganz genau das.«

»Lass mich doch mal ausreden. Du fühlst dich in der Öffentlichkeit nicht wohl, und wir kennen uns nicht. Aber wir können nur natürlich wirken, wenn es für uns auch natürlich ist. Deshalb mein Vorschlag, denn wenn wir schon mal geknutscht haben, kommst du zukünftig auch lockerer rüber.«

Ich gebe es nur ungern zu, aber er hat in gewisser Weise recht. Trotzdem werden wir diese Grenze nicht überschreiten. »Wir sollten die Sache rein platonisch halten, um Verwirrungen zu vermeiden.«

»Von meiner Seite wird es keine Missverständnisse geben. Ich verstehe dein Zögern, denn so, wie ich aussehe, befürchtest du, dass du dann gar nicht mehr aufhören willst.« Noah deutet auf sich, und ich zwinge mich, nicht hinzuschauen.

»Stimmt, du kannst von Glück sagen, dass ich mich nicht schon längst auf dich gestürzt hab.« Obwohl er einen wirklich großartigen Körper hat. Leider.

»Ich könnte dich so lange aufstacheln, bis du nachgibst, aber ich glaube, das muss ich gar nicht. Du weißt, dass es eine gute Idee ist.«

»Ist es nicht.«

»Hast du etwa Angst, du könntest dich in mich verlieben?«, stichelt er. »Das passiert nämlich allen Männern.«

»In deine Brieftasche vielleicht«, murmele ich.

Er kneift die Augen zusammen, deren Farbe sich in ein stürmisches Grau verwandelt hat. Wenn Blick töten könnten …

»Ich soll mich nach nur einem Kuss in dich verlieben?«, spotte ich. »Unmöglich.« Das wird nicht mal nach vielen Küssen passieren. Schätze, ich kann mich gar nicht verlieben, weil ich keine Ahnung habe, was zum Teufel Liebe überhaupt ist.

Noah rückt näher an mich heran.

»Noah …« Ich rutsche unruhig hin und her.

»Du bist viel zu angespannt. Ich verspreche, dass ich nicht versuche, dich ins Bett zu kriegen. Obwohl das definitiv Spaß machen könnte.«

Zaghaft lässt er eine Hand an meiner Seite hinauf- und von dort auf meinen Rücken wandern.

Ich erstarre. Was Noah schon vor einer halben Minute für total verspannt hielt, ist nichts im Vergleich zu meinem jetzigen Zustand.

»Wir haben in zwei Tagen ein Fotoshooting.« Sein Atem streicht kitzelnd über meine Wange. »Dafür musst du entspannt sein und so tun, als wärst du in mich verliebt.«

»Gut, dann verschieben wir es bis dahin.« Meine Stimme bricht, ich muss mich räuspern. »Ich verstehe nicht, warum es jetzt sein muss.«

»Du siehst gerade ungefähr so entspannt aus wie ich damals im letzten Highschooljahr, als unsere Haushälterin mich beim Sex mit meinem Freund erwischt hat. Das war ein lustiges Coming-out gegenüber meinen Eltern.«

»Du … Was? … Wie?«

Wenn das als Ablenkung gedacht war, funktioniert es.

»Durchatmen«, befiehlt Noah. »Lass mich dich einfach küssen.«

Die Idee ist bescheuert. Total bescheuert. Trotzdem will ein Teil von mir es nicht nur, sondern hofft sogar, dass er recht hat. Denn ich kann nicht so tun, als wäre ich in einen Typen verliebt, den ich nicht kenne und der mich nervös macht.

»Na schön.« Ich beuge mich vor und stelle das Bier auf den Sofatisch.

Noah starrt mich verblüfft an. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich nachgebe. Vielleicht ist das alles nur ein Spiel für ihn. Falls dem so ist, gewinnt er gerade.

Was uns beide nicht davon abhält, uns vorzubeugen.

Unsere Lippen berühren sich schon fast, doch bevor ich ihn küsse, füge ich leise hinzu: »Das hier ist nur ein Experiment. Eine einmalige Sache.«

»Matt …«

»Es wird nicht funktionieren, und das werde ich dir jeden Tag unter die Nase reiben, solange wir diese blödsinnige Scharade durchziehen müssen.«