Bloodnight – Schatten der Ewigkeit - Melanie Trenker - E-Book

Bloodnight – Schatten der Ewigkeit E-Book

Melanie Trenker

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Beschreibung

Ein Bündnis, geschlossen durch Blut, nur zu lösen durch des Blutes Schuld! Das packende Finale der Vampir-Romantasy für Fans von Jennifer L. Armentrout und Sarah J. Maas  »Angestrengt versucht er zu sprechen. ›Ich würde alles für dich geben Grace. Meine Stimme. Mein Augenlicht. Selbst meine Seele, wenn es sein muss.‹  ›Aber ich wollte nie dein Leben!‹, weine ich.«  Grace versucht, ihren Verlust zu verarbeiten, während die Welt um sie herum im Chaos versinkt. Juliens Tod hat alles verändert, denn aus seiner Asche heraus wurde eine ganze Bewegung geboren, die die Vampire in Atem hält. Der Hohe Rat ist geschwächt und kämpft darum, Macht und Ordnung in der Vampirwelt aufrecht zu erhalten. Verraten von einer der ihren muss Grace sich nun ein weiteres Mal ihrer Vergangenheit stellen, um den Frieden mit den Menschen zu wahren. Will versucht verzweifelt, ihr zu helfen – doch wird er sie am Ende retten können?  Spannend, episch und herzzerreißend – der dritte Teil der Vampire Seduction-Trilogie 

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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© Piper Verlag GmbH, München 2024

Redaktion: Franz Leipold

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com und Freepik.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Hinweis

Widmung

Playlist

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Tag 7 in Gefangenschaft

Tag 8 in Gefangenschaft

Tag 12 in Gefangenschaft

Tag 13 in Gefangenschaft

Tag 15 in Gefangenschaft

Kapitel 28

Kapitel 29

Tag 24 in Gefangenschaft

Tag 25 in Gefangenschaft

Kapitel 30

Tag 31 in Gefangenschaft

Tag 32 in Gefangenschaft

Tag 33 in Gefangenschaft

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Epilog

Danksagung

Triggerwarnung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Dieses Buch enthält Themen, die triggernd wirken können. Eine Auflistung, die jedoch den Inhalt des Buches spoilern kann, befindet sich am Ende des Textes.

Wir wünschen ein bestmögliches Leseerlebnis!

For all the soulmates who were never ment to be …

and for all the friendships, that never worked out

Playlist

Traitor – Daughtry

Breath Me – Sia

It’s OK – Nightbird

Too Good at Goodbyes – Sam Smith

Paralyzed – NF

Dirty Thoughts – Chloe Adams

Killer queen – Mad Tsai

Enemy – Imagine Dragons, Arcane, League of Legends

DEATH – Melanie Martinez

Gladiator – Jann

Seven Nation Army – The FifthGuys, Polina Grace

Soulmate – Chanin

Dead to me – Chloe Adams

You should be scared of me – DAMONA

Teeth – 5 Seconds of Summer

Ghosts & Monsters – Saint Chaos

Please Don’t Go – Stephanie Rainey

Tear myself apart – Tate McRae

Bruises – Lewis Capaldi

Apologize – OneRepublic

Stitches – Shawn Mendes

Der Tod gehört zum Leben wie die Luft zum Atmen, das Licht zum Schatten, die Nacht zum Tage und die Sonne zum Mond. Sosehr wir uns auch dagegen wehren wollen, es ist doch der Lauf der Dinge. Den Tod zu akzeptieren macht es dennoch nicht leichter. Egal, ob es der eigene Tod ist oder der eines geliebten Menschen.

Prolog

Vier Monate ist es nun her, dass Nick mir entrissen wurde. Seit vier Monaten ist Ruhe eingekehrt in dieses Haus, nur leider nicht in meinem Herzen. Die Wunde, die Nicks Verlust hinterlassen hat, schmerzt wie am ersten Tag, auch wenn sich Will und die anderen noch so sehr bemühen, mich abzulenken. Die Ewigkeit ist eine lange Zeit, um zu trauern, und doch bin ich nicht sicher, ob sie reichen wird, um mein geschundenes Herz zu heilen.

Man sollte meinen, dass ich mich langsam damit abfinde, geliebte Menschen zu verlieren; doch es gibt Dinge im Leben, an die kann man sich einfach nie gewöhnen.

Im Moment fühlt es sich so an, als hätte jemand mein Leben einfach angehalten. Ich fühle mich wie gelähmt. Allein. Wie auf Autopilot. Ich funktioniere, weil ich es muss. Nicht mehr und nicht weniger.

Essen.

Schlafen.

Aufstehen.

Trainieren.

Vorgeben zu leben.

Und von vorne …

Doch während ich nach außen hin vorgebe, in Ordnung zu sein, tobt in meinem Inneren ein Kampf. Ich fühle mich zerrissen zwischen der Welt der Lebenden, die auf mich zu warten scheint, und der Welt der Toten, die ich so schrecklich vermisse, dass es mir den Atem raubt, den ich gar nicht mehr brauche.

Mit Juliens Tod sollte alles vorbei sein, und doch fühlt es sich nur an wie die Ruhe vor dem Sturm. Ich warte, dass die Wellen dieses Orkans alles mit sich reißen. Ich warte nur darauf, dass das Chaos wieder in mein Leben stürmt und die sorgfältig gekitteten Splitter meines Herzens erneut in tausend Stücke reißt.

Ich traue dem Frieden nicht, vor allem, weil ich weiß, dass wir dort draußen noch immer Feinde haben. Mächtige Feinde! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie zuschlagen. Bis Debbie endlich zuschlägt. Sie ist immer noch verschwunden, genau wie Mikel und Anna. Ein Teil von mir weiß, dass diese unheilige Dreifaltigkeit der Unterwelt wiederkehren wird, so wie Julien es getan hat.

Vielleicht bin ich aber auch einfach rastlos. Gepeinigt von meiner Vergangenheit. Ich kann nicht glauben, dass nun alles vorbei ist. Ich spüre es in jeder Faser meines Körpers. Nur kann ich nicht sagen, ob ich langsam, aber sicher paranoid werde oder ob es meine Gabe ist, die versucht, mich zu warnen – wie schon so oft.

Kapitel 1

Will schleudert mich an die gegenüberliegende Wand und unterbricht damit meinen Gedankenstrom. Ich ächze unter der Wucht des Aufpralls, ehe ich daran zu Boden gleite und dort liegen bleibe.

Schonungsloses Training gehört ebenfalls zu Wills brillanten Ablenkungsmethoden. Nicht unbedingt zu meinen liebsten, aber es funktioniert wenigstens. Meine Gedanken verblassen unweigerlich, und ich finde mich mitten in unserem Kampf wieder.

Ich richte mich mit einem zornigen Schrei auf und sprinte erneut auf ihn zu, meine Waffe erhoben zum Kampf. Ich donnere mit solch einer Kraft gegen seinen Körper, dass wir beide zu Boden knallen. Mein Schwert rutscht mir dabei aus der Hand, aber das spielt keine Rolle mehr. Will hat das seine ebenfalls längst verloren.

Ich lande direkt auf ihm und spüre, wie ihm mein Gewicht den Sauerstoff aus den Lungen presst. Unbeeindruckt wälzt er sich auf mich, aber ich habe längst nicht vor aufzugeben. Im Nahkampf ist mir Will zwar immer noch haushoch überlegen, doch meine Willensstärke ist selbst für ihn schwer auszugleichen.

Gemeinsam rollen wir über den Boden und überschlagen uns mehrmals, bis es letztendlich doch Will ist, der sich obenauf befindet. Deutlich eingeschränkt in meiner Bewegung, schlage ich nach ihm, doch meine Fäuste gehen ins Leere. Will fängt geschickt meine Arme ein und fixiert sie neben meinem Kopf auf den Matten.

Unsere Blicke treffen aufeinander. Heiß und fiebrig vom Kampf strahlen mir Wills Iriden entgegen. Doch da ist noch etwas anderes. Ein warmer Funke, der seine unterdrückten Gefühle preisgibt, und eine Sehnsucht, die mein Herz erwärmt.

»Du denkst schon wieder zu viel nach!«, stellt er fest, während er meine Hände immer noch neben meinem Kopf festhält, und meine Gedanken verpuffen.

»Unsinn!«, beschwere ich mich und winde mich unter ihm in einem sinnlosen Versuch, mich aus seinem Griff zu befreien.

»Grace«, ermahnt er mich. »Du musst mit deinen Fäusten kämpfen. Deine Emotionen lassen dich nicht klar denken.«

Ich ziehe überrascht die Luft ein. Wie kann es nur sein, dass er mich so genau lesen kann? Er weiß immer sofort, wenn mich etwas beschäftigt, auch wenn er mich nicht drängt, ihm zu erzählen, worum es geht.

»Ich könnte auch einfach im Kampf meine Gabe benutzen«, halte ich dagegen und lenke damit vom Thema ab. Ich werde immer besser darin, die Schritte meiner Gegner vorauszusehen, was mir im Kampf einen unschlagbaren Vorteil verschafft, aber Will ist kein Fan von dieser Art zu kämpfen.

»Du kannst dich nicht auf deine Gabe verlassen. Was, wenn sie dich genau im falschen Moment in Stich lässt?«

Okay, damit hat er einen Punkt. Trotzdem kommt es mir vor wie verschwendetes Potenzial, diesen Vorteil nicht zu nutzen.

»Spielverderber«, seufze ich unter Will und bringe ihn damit zum Lachen. Der Ernst in seinen Augen ist gewichen, obwohl sie immer noch rot glühen vom Kampf wie die meinen, und ich halte seinem Blick stand.

Die Hitze des Kampfes darin weicht einem anderen Feuer. Sekunden vergehen, es könnten auch Minuten sein oder Stunden. Herrgott, ich könnte mich auf ewig in Wills Augen verlieren. Selbst jetzt zieht er mich noch genau so in seinen Bann wie am ersten Tag. Mehr noch, meine Gier nach ihm scheint mit jeder Stunde, die wir miteinander verbringen, stärker zu werden, und ich kann nicht sagen, ob es an ihm liegt oder an dem Vampirgift in meinen Adern, dass mein Verlangen nach ihm ins Unermessliche steigt.

Mein Blick wandert abwechselnd von seinen Augen zu seinen Lippen und zurück. Abwartend, hoffnungsvoll und sehnsüchtig.

»Wie könnte ich diesen Lippen widerstehen?«, flüstert er heiser, fast schon verträumt, und presst seinen stählernen Körper an meinen.

»Das musst du nicht«, versuche ich ihn zu locken, und der Nahkampf gerät langsam in Vergessenheit. Dann endlich berühren seine Lippen die meinen. Hauchzart, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, doch ich brauche mehr, dränge mich ihm entgegen und vertiefe unseren Kuss.

Ich schlinge meine Arme um Wills Körper, sobald er sie freigegeben hat, und unsere Zungen führen den Kampf von eben fort, während unsere Herzen ihn längst verloren haben. Ich fahre durch Wills zerzaustes Haar und gebe mich vollends der Leidenschaft hin. Seine Finger gleiten derweil verheißungsvoll von meiner Schulter über meine Taille bis hin zu meinen Schenkeln.

Ein lustvolles Stöhnen entkommt meiner Kehle, als Will seinen Griff an meinen Schenkeln verstärkt, um sie für sich zu beanspruchen. Seine Finger wandern weiter über das bekannte Land und wärmen meinen Schoß. Gierig drücke ich mich ihm entgegen und schwinge mich auf ihn. Ich vertiefe unseren Kuss, kreise über seiner Pracht, die sich mir langsam entgegenreckt. Wills Finger krallen sich in meine Haare und meine Hüfte, und ein sehnsüchtiges Seufzen kommt mir über die Lippen. Meine Hände wandern unter sein Shirt, bereit, jeden Zentimeter seiner Haut zu erkunden.

Im selben Moment fliegt die Tür zum Trainingsraum auf, gefolgt von einem lauten Poltern, gerade als ich meine schmutzigen Gedanken in die Tat umsetzen möchte. Sowohl Will als auch ich zucken ertappt zusammen und blicken Richtung Tür.

»Igitt, ich kotz gleich. Wehe, ihr verteilt eure Körperflüssigkeiten auf den Trainingsmatten!«, beschwert sich Elisabeth und verzieht angewidert das Gesicht. Josh steht neben ihr und lacht hinter vorgehaltener Hand, während sich Sophia auf ein süffisantes Grinsen beschränkt.

Blitzschnell ist Will auf den Beinen und zieht mich mit sich auf die Füße. Wir klopfen den imaginären Staub von unserer Kleidung, um den Blicken unserer Freunde zu entgehen.

Ich richte notdürftig meine Haare und meine Klamotten und frage mich, ob es in diesem Haus jemals so etwas wie Privatsphäre geben wird. Will tut es mir gleich und schenkt mir dabei einen amüsierten Blick. Seine Augen wechseln von Rot zu Blau, und doch sehe ich immer noch die Lust darin glitzern – ein Versprechen für später, wie ich es deute.

»So, so, ihr trainiert also«, spottet Brandon, der hinter Josh und Elisabeth den Trainingsraum betritt. »Wir wussten nicht, dass es sich bei eurem Training um Bettsport handelt, ansonsten wären wir nicht gekommen, um euch Gesellschaft zu leisten.«

Sophia fixiert Will und fährt sich demonstrativ mit dem Daumen über den rechten Mundwinkel, ein belustigtes Funkeln in den Augen. »Du hast da etwas.«

Sobald Will ihr Zeichen versteht, tastet er nach der Stelle. Ein dicker Fleck meines roten Lippenstiftes prangt dort, den er nur weiter verschmiert.

»Steht dir«, erkläre ich mit einem kessen Zwinkern. Will sagt nichts, sondern grinst nur schief, als würde er jetzt schon darüber nachdenken, wie er mich das später büßen lassen wird.

»Ich dachte, wir wären heute allein«, rechtfertige ich unsere kleine Einlage am Boden und zucke mit den Schultern. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass uns irgendjemand aus dem Clan überrascht; ein wenig unangenehm ist es trotzdem immer noch.

»Tja, falsch gedacht«, meint Elisabeth lachend, ohne den Grund für die Planänderung preiszugeben.

Eigentlich hatten sie vor, in die Stadt zu fahren und etwas einzukaufen, aber offenbar hatten die Herren der Schöpfung wenig Lust dazu, nachdem sie nun vollkommen synchron zu Boden starren und versuchen, keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Ein Teil von mir muss darüber lachen, wie jugendlich meine Freunde oft wirken. Kaum zu glauben, dass diese Vampire schon Jahrhunderte auf dieser Erde wandeln, aber manche Dinge ändern sich anscheinend nie.

»Na ja, dann könnt ihr ja genauso gut mit uns trainieren«, schlägt Will vor.

»Perfekt, ich kämpfe gegen Brandon«, verkündet Josh sofort und klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter, ehe er sich ein Trainingsschwert schnappt. Er positioniert sich in der Mitte der Matten und lässt die Klinge ein paar Mal durch die Luft sausen. »Na, was ist? Kommt ihr endlich oder braucht ihr eine Extraeinladung?«

So versessen aufs Training kenne ich ihn gar nicht, auch wenn er gut kämpft, aber wahrscheinlich ist ihm jedes Mittel recht, wenn er dafür nicht shoppen gehen muss.

Will zuckt ratlos mit den Schultern, und ich schenke ihm ein letztes verheißungsvolles Lächeln, ehe wir Joshs Aufforderung nachkommen.

Elisabeth widmet sich einer Einheit mit Will. Derweil habe ich Schwierigkeiten, mich auf Sophia zu konzentrieren. Meine Augen wandern immer wieder zu Will und fixieren seinen athletischen Körper, während er versucht, Elisabeths präzise Speerhiebe abzuwehren, wobei seine Axt fast etwas unpraktisch erscheint.

»Bist du dann fertig mit Schmachten?«, zieht Sophia mich auf und bringt mich zum Schmunzeln. Ich nicke und wende mich wieder unserem eigenen Kampf zu. Anders als bei Will vorhin nutze ich im Kampf mit Sophia meine Gabe. Meine Hand ruht fest auf dem vertrauten Knauf des Trainingsschwertes. Ich stelle mir vor, wie viel einfacher es noch wäre, mich mit der kühlen Macht meiner Gabe zu verbinden, wenn ich meine Blutschwerter mit den Blutrubinen hätte. Doch auch so entfaltet meine Gabe ihre Wirkung. Sie durchströmt mich und wirkt beinahe elektrisierend. Nur Millisekunden bevor Sophia mich angreift, sehe ich es kommen. Ich weiß genau, welche Täuschungsmanöver sie anwenden wird, und bin ihr so immer einen kleinen Schritt voraus.

»Du schummelst schon wieder!«, keucht Sophia angestrengt, nachdem ihr klar wird, dass ich meine Gabe nutze. So kann sie den Kampf kaum gewinnen.

»Entschuldige, es ist mit mir durchgegangen«, erkläre ich und versuche, den lockenden Klang meiner Gabe zu ignorieren, während wir unser Training fortsetzen. Auch wenn ich es immer noch dumm finde, einen Vorteil wie diesen nicht zu nutzen. In einem echten Kampf würde ich auch darauf zurückgreifen, solange ich es kann, obwohl mir auch bewusst ist, dass mich meine Gabe durchaus schon des Öfteren im Stich gelassen hat. Also füge ich mich meinem Schicksal und führe das Training mit Sophia ohne sie weiter.

Unsere Klingen treffen in einem steten Rhythmus aufeinander, der Kampf wird ohne meine Gabe wesentlich ausgeglichener, und das metallische Klirren unserer Schwerter erfüllt den Trainingsraum. Doch nun kämpfen wir nicht, um zu gewinnen oder zu überleben, sondern einfach nur als Fingerspitzenübung, wenn man so möchte, und ich komme nicht darum herum, dieses kleine Stück Normalität zu genießen.

Es ist schön, wenn alle fürs Training zusammenkommen. Gerade in solchen Momenten fühle ich mich frei und unbeschwert, kann die trüben Gedanken ein wenig von mir wegschieben. Das sind Augenblicke, die trotz des trügerischen Friedens, der momentan herrscht, selten geworden sind. Diese Trainingseinheiten ermöglichen es mir, für ein paar Stunden die grausame Realität zu vergessen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass die Gefahr längst nicht gebannt ist.

Ich lasse mich von dem Kampf einfach treiben. Ich genieße es, wie sich meine Gedanken klären, bis plötzlich die Türglocke erklingt und uns unterbricht.

»Erwarten wir Besuch?«, fragt Sophia in die Runde. Will zuckt nur mit den Schultern. Elisabeth versucht, den Moment zu nutzen, und stößt erneut vor, doch Will ist schneller und blockt ihren Speer mit seiner Axt.

»Nicht, dass ich wüsste«, stöhnt er angestrengt, während Josh und Brandon zu fokussiert auf ihr Training sind, um es zu unterbrechen.

Ich seufze und lege mein Schwert beiseite. »Ich geh schon.«

»Sicher?«, vergewissert sich Will, und ich nicke, damit sich die anderen wieder in Ruhe ihrem Training widmen können. Wir bekommen nicht oft unangekündigten Besuch.

Kapitel 2

Gerade in dem Moment, in dem ich nach der Türklinke greife, um unseren Gast zu begrüßen, springt die Tür von allein auf. Ich mache einen Satz nach hinten, um nicht mit voller Wucht von dem massiven Holz des Tores getroffen zu werden, und fluche leise.

»Was zur Hölle soll das?«, beschwere ich mich und wünschte, wir hätten abgesperrt. Eine rothaarige Frau drückt sich unverfroren an mir vorbei und stürmt herein, ohne auch nur Notiz von mir zu nehmen. Seelenruhig klopft sie sich die Regentropfen von ihrem Mantel, während ich sie mustere und überlege, ob ich sie nicht einfach postwendend wieder rausschmeißen soll. Sie ist zweifellos ein Vampir, wenn ich ihre makellose Haut, die geheimnisvolle Aura und die Art, wie sie sich bewegt, richtig deute. Außerdem hätte ich sie sonst schon von Weitem gehört. Mehr kann ich allerdings noch nicht über sie sagen, nachdem sie mich derart überfallen hat. Ich bin immer noch völlig perplex von ihrem plötzlichen Eindringen und unsicher, wie ich darauf reagieren soll.

Unser ungebetener Gast scheint sich hingegen pudelwohl zu fühlen. Die Vampirin wirft ihr langes rotes Haar schwungvoll über die Schulter und fixiert mich mit ihren intensiv grünen Augen wie eine lauernde Schlange ihre Beute, ehe sie schnurstracks auf mich zumarschiert. Meine Hand gleitet unweigerlich über die Halterung mit meinen Messern an meinem Schenkel, während ich versuche abzuschätzen, ob sie eine Gefahr darstellen könnte. Doch wenn dem so wäre, hätte sie mich vermutlich längst angegriffen.

»Hier bitte«, meint sie und drückt mir frech ihren Schirm in die Hände, als wäre ich ihr gottverdammter Butler. Fehlt nur noch, dass sie mir ein Trinkgeld in die Hand drückt wie einem Hotelpagen.

»Wer bist du?«, versuche ich es noch einmal, entnervt und unfähig, einen freundlichen Ton anzuschlagen angesichts der Dreistigkeit, die sie an den Tag legt.

Zuckersüß lächelt mich die Frau an, dennoch erkenne ich die Missgunst dahinter. Ihre Lippen mögen lächeln, aber ihre grünen Augen haben etwas Katzenhaftes, beinahe Lauerndes an sich – gleichzeitig prüfend und doch desinteressiert, als wäre ich ihrer nicht würdig.

»Ich bin Nera. Wills Ex-Freundin«, informiert sie mich, als würde das alles erklären. »Sollte alles nach Plan laufen, kannst du das ›Ex‹ aber bald weglassen«, spricht sie weiter und mustert mich von oben bis unten. »Und du bist? Das neue Hausmädchen?«

Ich unterdrücke ein Lachen; es klingt fast, als würde ich husten. Mehr als unsanft knalle ich dieser unverschämten Nera ihren Schirm wieder hin.

»Ich bin Grace. Wills aktuelle Freundin!«, stelle ich klar und betone die letzten Worte dabei extra.

Überraschung blitzt in Neras Augen auf. Sie mustert mich erneut, diesmal jedoch genauer und rümpft ihre perfekt geformte Nase. »Entzückend!«

Ich beiße mir auf die Zunge, kann es dann aber doch nicht lassen. »Und was willst du hier, Nera – Wills Ex-Freundin?«, frage ich mit einem ebenso falschen Lächeln wie dem ihren. »Hast du noch ein paar Sachen, die du abholen möchtest?«, füge ich hinzu.

Ich habe eigentlich kein Problem mit Ex-Freundinnen. Mir ist klar, dass Will die letzten 200 Jahre sicherlich nicht wie ein Mönch gelebt hat, aber wer mit Gift um sich spritzt, muss damit rechnen, sich selbst zu vergiften.

Neras Lippen kräuseln sich zu einem verschlagenen Lächeln. »Na, na, nicht so schnippisch Madame, wir werden eine Weile miteinander auskommen müssen.«

Ich balle die Hände zu Fäusten und versuche, die Wut in meinem Inneren herunterzuschlucken, doch es will mir nicht recht gelingen. Die Vampirin mag mir vielleicht ein paar Jahrzehnte voraus sein, aber mit Zicken kann ich umgehen.

»Das glaube ich eher weniger«, stelle ich klar und hoffe insgeheim, dass sie sich gleich wieder vom Acker macht, doch wie zu erwarten rührt sich diese Nera nicht vom Fleck.

»Ich kann dir auch gerne die Tür zeigen, wenn du willst«, biete ich ihr an, wobei wir uns ein eisernes Blickduell liefern.

»Nera? Bist du es wirklich? Ich kann es gar nicht glauben«, hallt Wills Stimme durch den Flur und unterbricht damit unseren lautlosen Schlagabtausch. Er läuft die letzten Meter zu uns in den Eingangsbereich, die Trainingshose immer noch lässig über den Hüften hängend; sein enges schwarzes Shirt zeigt nicht eine einzige Schweißperle vom Training. Das sind die wenigen Momente, in denen die Unterschiede zwischen Mensch und Vampir besonders deutlich werden.

»Du solltest es besser glauben. Ich bin schließlich nur deinetwegen hier!«, gibt Nera honigsüß zurück, ehe sie Will freudig umarmt und ihm ein Küsschen auf jede Wange drückt. Beim Anblick ihres Lippenstiftes auf seinen Wangen versteife ich mich, ein Hauch von Rosa auf seiner schneeweißen Haut.

Eifersucht steht mir nicht, und doch bildet sich ein unangenehmer Knoten in meinem Magen, von dem Will in dem Augenblick nichts zu ahnen scheint. Entweder hat er trotz Vampirgehör nichts mitbekommen von unserem Gespräch oder er versucht, einfach nur höflich zu bleiben wie ein Gentleman der alten Schule.

Will wendet sich von Nera zu mir, legt einen Arm um meine Mitte und haucht einen Kuss auf meine Schläfe.

»Grace, darf ich dir Nera vorstellen? Sie ist eine alte Freundin.«

Ich kann mein Staunen nur schwer verbergen. Eine alte Freundin? Will er mich verarschen, oder ist das wirklich das, was er in ihr sieht?

Nera legt eine Hand auf Wills Schulter.

»Wir haben uns bereits kennengelernt«, säuselt sie Will zu und deutet dann auf mich. »Ein süßes Spielzeug hast du dir da ausgesucht. Ich bin gespannt, wann sie anfängt, dich zu langweilen.«

Will versteift sich und setzt an, um etwas zu erwidern, doch ich komme ihm zuvor.

»Na hoffentlich nicht so schnell wie du«, gebe ich scharf zurück und hoffe, dass es sie trifft. Schließlich weiß ich nicht, wie die beiden auseinandergegangen sind oder wie lange sie zusammen waren, aber langsam platzt mir der Kragen über so viel Unverschämtheit. Glücklicherweise scheint es Nera nicht zu gefallen. Erneut zieht sie ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und sieht damit endlich aus wie die Schlange, die ich in ihr sehe.

Will lacht auf, unterdrückt es aber sofort und blickt von mir zu Nera, aber ich komme nicht drumherum, den Stolz in seinen Augen zu sehen.

Nera verliert kurz die Fassung, aber rasch glätten sich ihre Züge wieder und sie strafft ihre Schultern. Eine Millisekunde später hat sie sich wieder im Griff und lächelt mich herausfordernd an. »Ich mache mir einen Tee. Sonst noch jemand?«

Damit verschwindet sie in Richtung Küche. Erneut stolziert sie hier herum, als würde ihr das Anwesen gehören. Ungläubig starre ich Will an und warte auf eine plausible Erklärung für all das hier. Still und heimlich hoffe ich immer noch, dass ich sie hier nicht mehr lange dulden muss, doch die Stimme des Misstrauens in meinem Kopf flüstert etwas anderes.

Will dagegen zuckt nur mit den Schultern. »Sie war schon immer sehr vereinnahmend. Wenn man sie näher kennt, ist sie eigentlich ganz nett.«

»Ich bin nicht gerade scharf darauf, sie näher kennenzulernen«, schimpfe ich nach der Vorstellung. »Ich kann nicht fassen, dass du zulässt, dass sie so mit mir umspringt, und du sie dann auch noch verteidigst!«

Will greift nach meiner Hand. »Es tut mir leid, Grace. Ich war gerade selbst überfordert mit der Situation. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass Nera noch mal hier auftaucht.«

Ich entziehe Will meine Hand und verschränke die Arme vor der Brust. »Du warst überfordert? Gerade ist dieses Biest hier einfach hereingestürmt und hätte mich dabei beinahe überrollt wie eine Dampfwalze. Du hättest deine Ex zumindest irgendwann einmal erwähnen können!«

»Jede davon?«, scherzt Will, und ich verdrehe die Augen, ehe ich Nera in die Küche folge. Will hält mich an der Hand zurück und zieht mich in seine Arme, nachdem ihm klar wird, dass ich nicht zu Scherzen aufgelegt bin.

»Verzeih mir, Grace, aber ich habe gar nicht mehr an sie gedacht. Außerdem haben wir das Gespräch über die Verflossenen noch nicht geführt, soweit ich weiß«, meint Will nun eindringlicher und doch entschuldigend.

Damit bricht er meinen Widerstand, und ich gestehe ihm mildernde Umstände zu. »Schon gut. Hoffen wir nur, dass dieses reizende Geschöpf nicht allzu lange bleibt«, füge ich hinzu ohne jegliche Intention, den Spott in meinen Worten zu verbergen.

Wills Brustkorb bebt angesichts meiner Beleidigung. Ich stelle mich auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen, da unterbricht uns auch schon wieder Nera, in der Hand eine dampfende Tasse Tee. Timing hat sie, das muss ich ihr lassen. Manchmal gibt es einfach Menschen, die muss man nur ansehen, um sie zu hassen. Nera gehört für mich definitiv dazu.

»Bekomme ich wieder das Zimmer neben deinem, Will?«, fragt sie und macht prompt einen anbetungswürdigen Schmollmund.

Sie hat doch wohl nicht ernsthaft vor, hier zu schlafen, oder?

»Das wird kaum möglich sein«, antworte ich an Wills Stelle.

Nera hebt überrascht die Augenbrauen. »Und weshalb, wenn ich fragen darf?«

»Das ist jetzt mein Zimmer!«

Es gefällt mir, wie Nera für eine Sekunde die Gesichtszüge entgleisen. Anscheinend fällt es ihr schwer, einen gleichgültigen Ton anzuschlagen. »Was?«, bellt sie, während kurz ein roter Funke in ihre Augen tritt, der ihre Gefühle verrät.

»Das ist jetzt mein Zimmer«, wiederhole ich seelenruhig, obwohl ich mir sicher bin, dass sie mich bereits beim ersten Mal verstanden hat.

»Zu schade.«

»Nicht wahr?«, stichle ich weiter. Ich muss sagen, es gefällt mir fast zu gut, diesem Miststück einen kleinen Dämpfer zu verpassen.

»Wir werden schon etwas Passendes für dich finden«, versichert ihr Will jedoch im nächsten Moment, ganz der perfekte Gastgeber, und entkräftet damit meine Worte.

»Ein Hotelzimmer wäre wohl das beste«, füge ich trocken hinzu, um Nera zu verdeutlichen, dass sie hier nicht willkommen ist. Sie ignoriert meinen feindseligen Ton gekonnt und konzentriert sich darauf, Will schöne Augen zu machen.

»Auf keinen Fall. Du kannst selbstverständlich hierbleiben. Wir haben mehr als genug Platz«, kommt Will ihr zu Hilfe, und ich würde ihm am liebsten eins überbraten. Wie kann er mir nur so in den Rücken fallen?

Natürlich gibt es in diesem Haus mehr als genug leer stehende Zimmer. Dennoch wäre es mir lieber, dieses schreckliche Weibsbild so weit weg von mir zu wissen wie nur irgend möglich. Von mir – und vor allem von Will.

»Komm, ich zeig dir dein Zimmer«, meint Will freundlich und lässt ihr an der Treppe den Vortritt. Am liebsten würde ich die Augen verdrehen, aber ich verkneife mir eine Reaktion.

»Ich lasse euch dann mal allein«, verabschiede ich mich knapp und schlage oben die entgegengesetzte Richtung ein, um mich in mein Zimmer zu verziehen. Will wirkt, als wolle er noch etwas sagen, blickt zu Nera, die bereits wartet, und überlegt es sich anders. Ich bin im Moment ohnehin zu wütend, um ihm zuzuhören.

Die beiden können sich ja gerne über »die guten alten Zeiten« unterhalten, aber ich bin nicht unbedingt scharf darauf, dabei zu sein. Den Part mit der Willkommenstour darf Will gerne ohne mich übernehmen, auch wenn sich Nera hier offenbar bereits bestens auskennt, wie ich der Sache mit dem Tee entnehme. Eine Tatsache, die in mir unweigerlich die Frage weckt, wie lange die beiden wohl ein Paar waren.

Kapitel 3

Ich tausche mein Sportoutfit gegen die übliche schwarze Hose, ein schwarzes Shirt und meine rote Lederjacke, während ich immer noch versuche, mit der Tatsache klarzukommen, dass Wills Ex offenbar vorhat, eine Weile in der Stadt zu bleiben. Oder wohl eher in diesem Haus.

Gedankenverloren greife ich nach meinen Wurfmessern auf dem Nachttisch und fixiere die Halterung wieder an meinem Oberschenkel. Sobald meine Finger den im Knauf eingelassenen Blutrubin berühren, umströmt mich die vertraute Macht meiner Gabe, bereit, sich mit meinen Gedanken zu verbinden, doch ich dränge sie zurück und lasse meinem Frust freien Lauf. Ein Messer nach dem anderen schleudere ich an die Wand, bis ich Wills Schritte höre.

»Ich kann es nicht fassen! Das war früher einmal ihr Zimmer? Wann hattest du vor, mir das zu sagen?«, stelle ich ihn zur Rede, kaum dass er zur Tür hereintritt.

Will hebt beschwichtigend die Hände. »Es tut mir leid Grace. Ich hielt es nicht für wichtig.«

»Nicht für wichtig?«, äffe ich ihn nach. »Ist das dein Ernst? Wie lange wart ihr denn ein Paar?«

Will zuckt mit den Schultern. »Nicht sehr lange. Etwa zehn Jahre!«

»Zehn Jahre?«, keuche ich. Das ist weit weg von nicht lange. Zumindest für jemanden wie mich, der noch keine Jahrhunderte auf dem Buckel hat, aber offenbar geht Will von seiner Zeitrechnung aus.

Zehn verdammte Jahre! Und er hält es nicht für wichtig, mir von ihr zu erzählen. Unweigerlich frage ich mich, was das für uns zu bedeuten hat; immerhin kennen wir uns gerade mal ein knappes Jahr.

»Und wie lange ist das her?«, möchte ich wissen.

Will seufzt und überlegt einen Moment. »Ich weiß es nicht mehr genau, ein paar Jahre nach meiner Verwandlung, vielleicht auch ein Jahrzehnt oder zwei?«

Ich lache bitter. »Na wunderbar, also kennt ihr euch eine Ewigkeit, selbst in der Zeitrechnung eines Vampirs«, spotte ich und wünschte mir, es würde mich nicht so sehr stören, aber er kennt sie praktisch sein ganzes Leben lang und hält es für eine Kleinigkeit, dass sie selbst jetzt noch hier auftaucht.

»Grace, komm schon, das ist alles halb so wild.«

Ich schüttle ungläubig den Kopf. »Ich wusste ja, dass du die letzten 200 Jahre vermutlich auch ein Leben hattest, aber Sophia meinte einmal, du hättest unüberwindbare Mauern um dich aufgebaut. Dass du nach dem Verlust deiner Schwester niemanden an dich heranlassen wolltest, weil du Angst hattest, dich verwundbar zu machen«, fahre ich ihm dazwischen und merke, wie meine Stimme zu zittern beginnt.

Es ist nicht einfach, zu erfahren, dass man wohl doch nicht so besonders ist, wie man dachte. Allmählich frage ich mich, welchen Stellenwert ich für Will habe, und ich spüre zum ersten Mal Zweifel an uns und an unserer Liebe. Vielleicht ist es gerade das, was mir Angst macht.

»Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber das ganz bestimmt nicht. Sie nicht!«, stammle ich und frage mich, ob irgendetwas von meinen Worten Sinn ergibt. Zumindest haben sie das noch, bevor ich sie laut ausgesprochen hatte.

»Es stimmt, was Sophia gesagt hat, aber vor allem war ich einsam und habe jemanden gebraucht, um diese Leere zu füllen, auch wenn es nicht geklappt hat. Das mit Nera war ganz anders als mit dir.«

»Ach, und wieso, wenn ich fragen darf?«, antworte ich bissiger als beabsichtigt und versuche, nicht zu zeigen, wie sehr mich die Sache verletzt. Dabei brennen längst Tränen in meinen Augen, obwohl es eigentlich eher Wut ist, die ich spüre. Wut, mit der ich nicht umgehen und die ich nicht rauslassen kann, und so sind meine Tränen das einzige Ventil, das mir bleibt.

Ich merke Will an, wie sehr es ihn schmerzt, mich so zu sehen, und er räuspert sich. »Grace, Nera und ich wurden aus der Not heraus geboren. Wir waren schon länger Freunde, und vor allem waren wir beide einsam. Wir hatten gelitten und suchten Halt aneinander. Nera und ich sind über die Zeit zusammengewachsen, und es ist einfach passiert, aber es hat nun mal nicht gereicht, wie man sieht. Ich mochte sie wirklich und sie mich, aber mehr auch nicht. Wir haben unsere dunkelsten Zeiten geteilt, und das hatte uns zusammengeschweißt.«

»Aber?«, frage ich und hoffe, dass es ein Aber gibt.

Will lächelt milde und kommt näher. »Es war keine wahre Liebe. Es war nicht echt. Und vor allem war sie nicht du«, meint er und nimmt meine Hände in die seinen. Obwohl meine Gefühlswelt immer noch aus den Fugen ist, komme ich nicht drumherum zu bemerken, dass sie wie füreinander gemacht erscheinen.

»Trotz allem kann ich Nera immer noch gut leiden«, erklärt er. »Wenn ich sie sehe, sehe ich eine Freundin aus dunkleren Tagen – den Tagen bevor du meinem Leben Licht geschenkt hast.«

»Und wieso taucht sie ausgerechnet jetzt auf?«, seufze ich.

Will zuckt mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Das Leben hat manchmal einfach ein seltsames Timing. «

Damit drückt Will seine Lippen auf meine Stirn, und ich komme mir auf einmal dumm vor, weil ich so auf Nera reagiert habe, mag sie mich auch noch so sehr reizen. Ein Stück weit sollte ich ihr wohl dafür danken, dass sie Will Trost gespendet hat, als ich es nicht konnte.

Eine Sache brennt mir jedoch immer noch auf der Seele. »Was ist an mir anders? Wieso ausgerechnet ich?«, flüstere ich und schäme mich dabei. Ich mag es nicht, meine Unsicherheiten zu zeigen, nicht einmal vor ihm. Fast warte ich schon darauf, dass Will sich über mich lustig macht, doch nichts dergleichen geschieht. Stattdessen nimmt er mich ganz fest in seine Arme, und ich fühle mich einfach zu Hause. Geborgen und beschützt wie nirgends sonst.

»Als ich dich das erste Mal sah, wusste ich einfach, dass du es bist. Das vorlaute Mädchen mit den nachtschwarzen Augen, das mir beim Fechten den Hintern versohlt«, flüstert Will in mein Ohr, und ich muss schmunzeln. Sein kühler Atem kitzelt dabei auf meiner Haut und jagt wohlige Schauer über meinen Körper. »Ich wusste, du musst die meine sein, und zwar für immer. Du bist der fehlende Teil in meinem Leben, auf den ich über zweihundert Jahre lang gewartet habe – meine Seelenverwandte. Wir waren von Anfang an füreinander bestimmt, und ich kann nicht einmal erklären wieso. Ich fühle es einfach in jeder Faser meines Körpers und ich wünsche mir nichts mehr, als dir deine Zweifel nehmen zu können.«

»Es tut mir leid«, antworte ich ehrlich und erwidere Wills Umarmung. »Ich hätte nicht so aus der Haut fahren sollen, aber Nera hat einfach etwas an sich, das mich rasend macht. Ich werde versuchen, ihr am besten aus dem Weg zu gehen, solange sie hier ist.«

»Danke Grace, das bedeutet mir viel!«

»So wie du mir.«

Eine Weile hält Will mich einfach im Arm, ehe er sich von mir löst, um mich anzusehen. »Kannst du mir einen Gefallen tun, Grace?«

»Welchen?«

»Gib Nera eine Chance. Sie ist einfach nur einsam. Sie wandert seit ihrer Verwandlung durch sämtliche Clans und hat doch nirgendwo Anschluss gefunden. Versuch, sie kennenzulernen und etwas einzubinden. Sie ist wirklich nicht so übel.«

»Schön«, seufze ich. »Aber ich tue das nur für dich.«

Will grinst schief. »Ich weiß Darling, danke.«

»Bedeutet das, sie kommt auch mit uns zum Ball des Hohen Rates?«

Will nickt zögerlich. »Wir können sie schlecht ausschließen.«

»Na wunderbar«, schnaube ich kraftlos. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mir die Sache nicht sauer aufstößt, aber mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als mich damit zu arrangieren.

»Kann ich irgendetwas tun, um die Sache besser zu machen?«

Ich schüttle den Kopf. »Nicht wirklich, aber ich muss jetzt sowieso los. Ich möchte noch zu Debbie’s Café.«

Will zieht besorgt die Augenbrauen zusammen. »Suchst du immer noch nach Antworten?«

Ich nicke. »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie uns wirklich verraten hat.« Vielleicht will ich es aber auch einfach nicht glauben.

Kapitel 4

Auf dem Weg nach draußen fängt mich Sophia ab. »Wo willst du denn hin?«, fragt sie und wirkt angespannt.

»Ins Café«, antworte ich ehrlich, und höre Neras gekünsteltes Lachen in der Küche.

»Nimmst du mich mit?«, fleht sie beinahe und deutet in Richtung Küche. Ich kann nur mit Müh und Not ein Schmunzeln unterdrücken. Sophias Blick spricht Bände.

»Du bist wohl auch kein Fan von Wills alter Bekanntschaft?«, gluckse ich.

»Sagen wir einfach, ich habe Nera nicht gerade vermisst«, weicht Sophia aus und bringt mich damit zum Lachen.

»Na dann, nichts wie weg hier.«

Sophia und ich nehmen den Mercedes und brechen auf zu Debbie’s Café. Den Weg finde ich im Schlaf selbst bei solch trostlosen Witterungsverhältnissen, wie sie heute in Brixton herrschen. Die Straßen sind rutschig, der Regen prasselt unermüdlich gegen die Windschutzscheibe des Wagens. Die nasse Fahrbahn spiegelt das wenige Licht, das durch die dicke Wolkendecke dringt, und veranlasst die Autofahrer zu einem seltsamen, mitunter grob fahrlässigen Fahrverhalten.

Sonne und Regen wechseln sich momentan täglich ab in Brixton, wobei der Regen insgesamt die Oberhand behält. Der Nebel hängt morgens tief, während die Wiesen noch von Raureif überzogen sind. Hin und wieder lacht ein Regenbogen zwischen den Dunstwolken hervor, um uns das sonst recht trübe Wetter zu versüßen. Typisches Aprilwetter würde ich sagen. Genauso abwechslungsreich wie das Gefühlschaos, das gegenwärtig in mir tobt. Debbies Verrat sitzt mir immer noch tief in den Knochen. Von Nicks Tod ganz zu schweigen. Allein wenn ich daran denke, sammeln sich wieder die Tränen in meinen Augen, und ich versuche, die Gedanken beiseitezuschieben und mich stattdessen auf den Verkehr zu konzentrieren.

Normalerweise wäre ich heute ins Café gefahren, um mich bei meiner besten Freundin über Nera auszukotzen. Wir hätten über ihr Getue gelacht und uns mit Debbies leckerem Kuchen vollgestopft, bis uns schlecht wird, doch jetzt ist alles anders.

Debbie war meine beste Freundin, und ich hätte sie nach Nicks Tod dringend gebraucht. Dass ausgerechnet sie es war, die ihn verraten hat und damit auch uns, hat eine tiefe Narbe in meiner Seele hinterlassen. Immer wieder frage ich mich, ob sie vielleicht keine Wahl hatte. Aber wieso meldet sie sich dann nicht? Wir waren doch Freundinnen, oder war nichts davon echt?

Egal, wie ich es drehe und wende, niemand sonst könnte es gewesen sein. Abgesehen von unserem Clan, war sie die Einzige, die von Nick wusste. Dazu ihr Erdbeershampoo in seinem Bad. Oder wie sie damals von der Feier verschwand, weil sie »betrunken« war – und mit ihr Elenores Notizbuch über meine Gabe. Woher sonst konnte Julien wissen, dass wir die Fabrik stürmen würden? Dass die roten Bänder unser Erkennungszeichen sein würden? Und nicht zuletzt die Tatsache, dass sie seit Juliens Tod spurlos verschwunden ist. Wieso sollte sich jemand verstecken, der unschuldig ist? Und wovor?

Meine ehemalige beste Freundin hat mich verraten und meinen geliebten Bruder dem Tod übergeben. Aber am allermeisten frage ich mich, wieso? Diese Frage brennt mir seit Debbies Verschwinden auf der Seele, nagt an mir wie kaum etwas sonst. Ich fühle mich verraten, betrogen und so unfassbar dumm, weil ich zu geblendet war, um es zu erkennen. Ich habe sie geliebt wie eine Schwester – und das war wohl mein größter Fehler.

Ob irgendetwas an der Freundin, die ich kannte, echt war? Sind die Dinge wieder einmal ganz anders, als sie auf den ersten Blick scheinen? Trügt mich mein Gefühl, oder rede ich mir die Situation schön, um mir nicht eingestehen zu müssen, dass Debbie nie meine Freundin war?

So viele Fragen, auf die ich keine Antworten finden kann. Das ist der Grund, wieso ich seit Debbies Verschwinden immer mal wieder zum Café gefahren bin. Ich brauche Antworten, sonst bringen mich all diese Fragen irgendwann noch um. Ich halte diese Ungewissheit kaum noch aus. Ich brauche irgendetwas, an dem ich mich festhalten kann. Etwas, woran ich glauben kann. Wie soll ich wissen, was ich tun soll, wenn ich noch nicht mal weiß, was wirklich los ist?

 

»Wieso kannst du Nera eigentlich nicht ausstehen?«, frage ich Sophia nach einer Weile, um mich abzulenken, ehe ich noch tiefer in meiner Gedankenspirale versinke.

Sie zuckt mit den Schultern. »Sie ist ein falsches Biest. Wo immer sie auftaucht, gibt es Drama. Ich dachte eigentlich, das hätten wir endlich hinter uns gelassen.«

»Ich auch«, seufze ich, auch wenn wir vermutlich nicht dasselbe meinen. Ich stelle den Benz auf den auffällig verwaisten Parkplatz im Hinterhof. Eine kühle Brise weht mir winzige Regentropfen ins Gesicht, als ich die Tür öffne. Für Ende April ist es eigentlich noch recht kalt, aber mir macht das nichts aus. Im Gegenteil, es gefällt mir sogar. Die Kälte hilft mir, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Mission, wegen der ich eigentlich hergekommen bin. Ich möchte an Informationen kommen. Wie diese aussehen und was ich mir genau davon verspreche, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen – wie auch die letzten Male.

Ich benutze die Hintertür des Cafés, aus Angst, dass mich das vertraute Klingeln der Glocke an der Vordertür verraten könnte, falls wider Erwarten jemand hier drinnen ist. Also hole ich mir den Ersatzschlüssel, der unter dem Gartenzwerg deponiert ist, und schließe auf.

Die Tür klemmt ein wenig, wie immer. Ich rüttle daran, versuche, dabei so leise wie möglich zu sein, und fluche innerlich. Ein lautes Knarren verrät unser Eintreten, trotz meiner Bemühungen, möglichst leise zu sein. Dann hätten wir wohl auch gleich die Vordertür nehmen können, aber meine Bedenken sind sowieso unnötig. Das Café ist absolut leer wie jedes Mal, wenn ich hierherkomme. Debbie ist seit vier Monaten spurlos verschwunden, seitdem ist auch das Café geschlossen. Die Stühle stehen auf den Tischen, und eine dünne Staubschicht sammelt sich langsam darauf an, einzig unterbrochen durch die Spuren meiner Finger und den Abdrücken meiner Schuhe am Boden, die ich bei meinen letzten Besuchen im Staub hinterlassen habe.

Ich trete langsam weiter in den Raum, und Sophia folgt dicht hinter mir.

»So leer ist es hier drinnen fast gruselig«, merkt sie an und schlingt die Arme um sich. Ich weiß genau, was sie meint.

Dieser Anblick versetzt mir einen kleinen Hieb in die Magengrube, war es doch immer ein fröhlicher Ort. Nun ist er vollkommen verwaist. Das Geplapper und Gelächter der Gäste fehlt, ebenso der Klang der 1950er-Jahre-Musik, die immer im Hintergrund spielte. Der Duft von Kaffee und frischem Gebäck verblasst allmählich und hält sich nur noch schwach im Raum. Staub hat sich überall draufgelegt und bezeugt die Verlassenheit des Ortes.

Der Anblick des leeren Cafés weckt Erinnerungen in mir. Er lässt mich fast wehmütig werden. Dabei war mir klar, dass ich das Café nie wieder so vorfinden würde wie früher: prall gefüllt mit einer fröhlich trällernden Barista hinter der Theke.

All das erscheint mir mittlerweile wie ein längst vergangener Traum. Kurz verfalle ich der Nostalgie, streife durch die Sitzreihen, erinnere mich an all die schönen Momente, die ich hier erlebt habe. Wie ich mit Debbie gescherzt und gelacht habe. Dieser Ort war einmal eine Zuflucht für mich, und nun zeugt er nur von meiner Naivität. Es kommt mir fast so vor, als würde mich das Café für meine Blauäugigkeit verhöhnen. Es steht für alles, was ich in Debbie sah, und doch war nichts davon real.

Wieder einmal wird mir schmerzlich bewusst, wie verblendet ich war. Debbie hat mich all die Zeit nur an der Nase herumgeführt, doch ich brauchte diese Freundschaft so sehr, ich wollte es einfach nicht sehen.

Die Zuneigung zu meiner Freundin hatte sogar meine Gabe getrübt. Wie dumm ich doch war! Ich habe Debbie blindlings vertraut. Mehr noch, ich hätte meine Hand für sie ins Feuer gelegt. Ich habe mich vor der Wahrheit verschlossen und nun muss ich die Konsequenzen dafür tragen. Oder wohl eher Nick.

Sophia greift nach meiner Hand und drückt sie sanft, als könnte sie spüren, was in mir vorgeht. Ich blinzle die Tränen weg.